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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 05.04.2001
Aktenzeichen: BVerwG 7 C 15.00
Rechtsgebiete: VermG


Vorschriften:

VermG § 4 Abs. 2 Satz 2
Leitsatz:

Die Vorschrift über die Ausnahme von der Stichtagsregelung wegen schriftlicher Beantragung oder aktenkundiger Anbahnung des Erwerbs (§ 4 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 Buchst. a VermG) ist nicht zugunsten eines Erwerbers anwendbar, dem ein Grundstück oder Gebäude vom Bürgermeister in rechtsgeschäftlicher Vollmacht des privaten Eigentümers verkauft wurde.

Urteil des 7. Senats vom 5. April 2001 - BVerwG 7 C 15.00 -

I. VG Chemnitz vom 06.10.1999 - Az.: VG 5 K 1870/95 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 7 C 15.00 VG 5 K 1870/95

Verkündet am 5. April 2001

Nöpel Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 5. April 2001 durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel, Kley, Herbert, Postier und Neumann

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 6. Oktober 1999 wird aufgehoben, soweit das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen hat.

Die Beklagte wird verpflichtet, das Flurstück Nr. ... der Gemarkung T. an den Kläger zurückzuübertragen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

Gründe:

I.

Der Kläger war Eigentümer des Grundstücks H.straße ... (Flurstück ...) in T. Das 6 ha große Grundstück war mit einem Wohnhaus und landwirtschaftlichen Nebengebäuden bebaut; im Übrigen umfasste es im Wesentlichen Ackerland, Grünland und Holzungen.

Der Kläger befand sich seit September 1986 in Strafhaft. Er stellte einen Antrag auf Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland. Der Bürgermeister der Gemeinde T. suchte den Kläger am 4. November 1988 in der Strafvollzugsanstalt auf. Bei dieser Gelegenheit erteilte der Kläger ihm eine handschriftliche Vollmacht, sein Grundstück zu verkaufen.

Der Bürgermeister bot das Grundstück dem Beigeladenen an, der sich seit 1988 in T. um eine Wohnung bemühte. Das Staatliche Notariat R. beanstandete die nur privatschriftliche Erteilung der Vollmacht. Daraufhin erteilte der Kläger dem Bürgermeister unter dem 23. Februar 1989 eine notariell beglaubigte Vollmacht. Zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt beauftragte der Rat des Kreises - Abteilung Preise - einen Gutachter, den Wert des Grundstücks zu ermitteln. Der Gutachter gab im Mai 1989 eine erste, später zurückgezogene Wertermittlung ab. Nach ihr betrug der Wert des Grundstücks 22 800 M. Mit Schreiben vom 9. Juni 1989 an das Staatliche Notariat R. stimmte das Kreditinstitut, das wegen der Belastung des Grundstücks mit Aufbauhypotheken beteiligt wurde, dem beabsichtigten Eigentümerwechsel mit näheren Maßgaben zu. Eine Abschrift dieses Schreibens ging an den Rat der Gemeinde T. Nach seinen Angaben bezog der Beigeladene etwa im Juli 1989 das Wohnhaus. Nach dem später abgeschlossenen Kaufvertrag ist ihm das Grundstück zum 1. Mai 1989 übergeben worden. Im September 1989 besichtigte der Gutachter das Grundstück erneut. Er gab im Oktober 1989 eine zweite Wertermittlung ab. Nach ihr betrug der Wert des Grundstücks 18 300 M.

Am 4. Dezember 1989 wurde der notarielle Kaufvertrag zwischen dem Beigeladenen und dem Kläger abgeschlossen. Für den Kläger handelte der Bürgermeister kraft der ihm erteilten notariell beglaubigten Vollmacht. Der Beigeladene wurde am 8. Januar 1990 als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen.

Den Restitutionsantrag des Klägers lehnte der Funktionsvorgänger der Beklagten ab.

Auf die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet, die Entschädigungsberechtigung des Klägers dem Grunde nach festzustellen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Verwaltungsgericht hat angenommen, die Veräußerung des Grundstücks beruhe auf unlauteren Machenschaften im Sinne von § 1 Abs. 3 VermG. Eine Rückübertragung des Grundstücks an den Kläger sei jedoch ausgeschlossen, weil der Beigeladene das Grundstück redlich erworben habe. Der Kaufvertrag sei zwar erst nach dem Stichtag 18. Oktober 1989 (§ 4 Abs. 2 Satz 2 VermG) abgeschlossen worden. Das Erwerbsgeschäft habe sich aber vor diesem Stichtag hinreichend deutlich angebahnt.

Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision macht der Kläger geltend: Eine Ausnahme von der Stichtagsregelung nach § 4 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 Buchst. a VermG komme nur bei Erwerb von volkseigenen Grundstücken in Betracht, nicht aber bei Erwerb von Grundstücken, die - wie das seine - noch in Privateigentum gestanden hätten. Ferner müsse der Erwerber sein Interesse an einem Erwerb gegenüber dem Eigentümer bekundet haben. Daran fehle es hier. Wenn ein Erwerbsinteresse des Beigeladenen bestanden habe, habe es sich nicht auf den Erwerb des gesamten Grundstücks, sondern allenfalls auf den Erwerb des Wohngebäudes bezogen. Abgesehen davon sei der Beigeladene unredlich gewesen. Das Erwerbsgeschäft sei ferner unwirksam gewesen; die erforderliche Grundstücksverkehrsgenehmigung sei jedenfalls nicht ordnungsgemäß erteilt worden.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil: Für den Beigeladenen habe sich der Erwerb nicht als ausschließlich privater Direktkauf dargestellt. Auf der Seite des Verkäufers habe ihm der Bürgermeister auch als Bediensteter des Staates gegenüber gestanden. Der Kläger habe die Vollmacht zur Veräußerung des Grundstücks nur aufgrund unlauterer Machenschaften erteilt. Der Gesetzeszweck verbiete es, einerseits hinsichtlich des ausreisebedingten Grundstücksverkaufs den Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 3 VermG als erfüllt anzusehen und andererseits bei der Ausnahme von der Stichtagsregelung das aufgrund unlauterer Machenschaften zustande gekommene Veräußerungsgeschäft wegen der rechtsgeschäftlichen Bevollmächtigung als Direktverkauf von privat an privat zu bewerten. Die Erwerbsabsicht des Beigeladenen sei in den behördlichen Akten nachweisbar dokumentiert. Sein Erwerbsinteresse habe dem Grundstück gegolten.

Der Beigeladene schließt sich den Ausführungen der Beklagten an. Er hat darüber hinaus in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich geltend gemacht, das Urteil des Verwaltungsgerichts sei unrichtig, soweit das Verwaltungsgericht eine Veräußerung des Grundstücks aufgrund unlauterer Machenschaft annehme. Der Kläger habe die Vollmacht zur Veräußerung seines Grundstücks nicht wegen der beabsichtigten Ausreise erteilt. Er habe sich vielmehr die notwendigen Mittel verschaffen wollen, um seine Schulden aus den von ihm begangenen Straftaten zu begleichen.

Der Oberbundesanwalt hält die Revision für begründet. Der Bürgermeister habe bei dem Verkauf nicht als staatliches Organ, sondern als Bevollmächtigter des ausreisewilligen Klägers gehandelt. § 4 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 Buchst. a VermG wäre nach seinem Schutzzweck allerdings dann anwendbar, wenn der Bürgermeister das Grundstück faktisch in die staatliche Wohnraumvergabepolitik einbezogen hätte, das Grundstück also nach den selben Grundsätzen und Verfahrensabläufen veräußert worden wäre, wie sie bei dem Verkauf eines volkseigenen Grundstücks zu beachten gewesen wären. Für einen solchen Sachverhalt gäben die Feststellungen des Verwaltungsgerichts aber nichts her.

II.

Die Revision des Klägers ist begründet.

1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts verletzt Bundesrecht. Die Rückübertragung des Grundstücks an den Kläger ist nicht gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 VermG durch redlichen Erwerb des Beigeladenen ausgeschlossen. Er hat das Grundstück erst nach dem Stichtag des § 4 Abs. 2 Satz 2 VermG erworben. Eine Ausnahme von der Stichtagsregelung kommt zu seinen Gunsten nicht in Betracht. Mit der gegenteiligen Annahme hat das Verwaltungsgericht gegen § 4 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 Buchst. a VermG verstoßen.

Die Möglichkeit eines restitutionsausschließenden redlichen Erwerbs von Grundstücken und Gebäuden besteht nach § 4 Abs. 2 Satz 2 VermG nicht, wenn das Rechtsgeschäft, das dem Erwerb zugrunde liegt, nach dem 18. Oktober 1989 ohne Zustimmung des Berechtigten geschlossen worden ist, es sei denn, einer der Ausnahmetatbestände des § 4 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 Buchst. a bis c VermG liegt vor. Von diesen Tatbeständen kommt hier nur derjenige des § 4 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 Buchst. a VermG in Betracht. Danach ist die Stichtagsregelung nicht anzuwenden, wenn der Erwerb vor dem 19. Oktober 1989 schriftlich beantragt oder sonst aktenkundig angebahnt worden ist. Diese Ausnahme setzt voraus, dass das Grundstück oder Gebäude aus der Hand des Staates erworben wurde. Sie ist hingegen nicht auf den Erwerb von einem privaten Veräußerer anwendbar (BVerwG, Urteil vom 29. April 1999 - BVerwG 7 C 24.98 - Buchholz 428 § 4 Abs. 2 VermG Nr. 6).

Der Beigeladene hat das Grundstück nicht aus der Hand des Staates, sondern von einem privaten Veräußerer, nämlich unmittelbar von dem Kläger erworben. Der Bürgermeister der Gemeinde T. hat den Kaufvertrag auf der Grundlage einer privatrechtlichen Vollmacht als Vertreter des Klägers abgeschlossen.

Dass auf der Seite des Veräußerers als dessen Bevollmächtigter ein staatliches Organ gehandelt hat, macht den Erwerb nicht zu einem solchen aus staatlicher Hand. Ein Erwerb aus staatlicher Hand setzt vielmehr das Eigentum oder die Verfügungsberechtigung des Staates an dem Grundstück voraus. Dies folgt aus dem Sinn und Zweck der Ausnahmevorschrift des § 4 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 Buchst. a VermG. Die Ausnahmen von der Stichtagsregelung betreffen solche Erwerbsvorgänge, die durch eine besondere Schutzwürdigkeit des Erwerbers gekennzeichnet sind. Diese wird durch die Abhängigkeit des Erwerbers von der von ihm nicht (mehr) zu beeinflussenden Entscheidung des Staates über seinen Erwerbswunsch begründet. Die Anwendung der Vorschriften über den redlichen Erwerb soll nicht daran scheitern, dass sich der Erwerb wegen eines schwerfälligen Verfahrensablaufs oder wegen Nachlässigkeit der entscheidenden Behörde bis in die Zeit nach dem Stichtag verzögerte. Hingegen bleibt es bei der Stichtagsregelung, wenn andere Umstände und Zufälle, auf die der Erwerber ebenfalls keinen Einfluss hatte, die Realisierung seines Erwerbswunsches verzögert haben. Das besondere Schutzbedürfnis des Erwerbers ist danach untrennbar mit dem Eigentum oder der Verfügungsberechtigung des Staates verknüpft (BVerwG, Urteil vom 29. April 1999 - BVerwG 7 C 24.98 - a.a.O.).

Nach der Entstehungsgeschichte der Vorschrift hatte der Gesetzgeber Erwerbsfälle nach dem Gesetz über den Verkauf volkseigener Gebäude vom 7. März 1990 (GBl I S. 157) im Blick: Wer sich (in der Regel als Mieter) bereits vor dem 19. Oktober 1989 ernsthaft um einen rechtlich zulässigen Erwerb des Eigentums an einem volkseigenen Gebäude bemüht oder in eine entsprechende Erwerbsaufforderung eingewilligt habe, werde von der Stichtagsregelung nicht mehr erfasst (so die Begründung des Entwurfs für das Zweite Vermögensrechtsänderungsgesetz, BTDrucks 12/2480 S. 44). Die Gesetzesbegründung zielt mithin auf die Veräußerungen volkseigenen Grund und Bodens, das nicht selten aus privater Hand stammte und für das sich in vielen Fällen eine Restitutionslage abzeichnete.

Dem entspricht die Einschätzung, die der Gesetzgeber dem Schutzbedürfnis des privaten Alteigentümers hat zu Teil werden lassen. Dessen Restitutionsinteresse soll hinter das Erwerbsinteresse des redlichen Erwerbs trotz eines Erwerbs nach dem Stichtag zurücktreten, weil der Erwerber sein Erwerbsinteresse zu einem Zeitpunkt bekundet habe, zu dem sich der Alteigentümer noch keine konkrete Hoffnung auf Wiederherstellung seiner früheren Rechtsposition habe machen können. Dieser Grund für eine geringere Schutzwürdigkeit des Alteigentümers trifft aber gerade in den Fällen nicht zu, in denen zum Stichtag das Grundstück noch in seinem Privateigentum stand, also zum Stichtag weder Volkseigentum an dem Grundstück begründet war noch das Grundstück unter staatlicher Verwaltung stand.

Weil § 4 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 Buchst. a VermG danach nur einen Erwerb aus staatlicher Hand erfasst, ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein gegenüber dem Staat geäußerter Erwerbswunsch nicht schutzwürdig, wenn das zu erwerbende Grundstück zum Stichtag weder in Volkseigentum noch unter staatlicher Verwaltung stand (BVerwG, Urteil vom 29. August 1996 - BVerwG 7 C 6.96 - Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 34; Urteil vom 16. April 1998 - BVerwG 7 C 32.97 - BVerwGE 106, 310).

Erteilt der Veräußerer auf privatrechtlicher Grundlage einem staatlichen Organ eine Vollmacht zur Veräußerung des Grundstücks, wird dadurch keine staatliche Verfügungsberechtigung über das Grundstück begründet. Macht das staatliche Organ von der Vollmacht Gebrauch, handelt es als privatrechtlicher Vertreter des Veräußerers. Ein staatlicher Einfluss auf den Abschluss des Veräußerungsgeschäfts ist zwar nicht auszuschließen. Ein staatliches Organ als Bevollmächtigter des privaten Veräußerers wird regelmäßig nicht allein dessen Interessen wahrnehmen, sondern auch staatliche Interessen. Dazu gehört nicht allein das Interesse, leer stehende Gebäude vor einem (weiteren) Verfall zu bewahren, oder das Interesse an einer ausreichenden Versorgung Wohnungssuchender mit Wohnraum. Gerade in Ausreisefällen wird für den Bevollmächtigten das staatliche Interesse im Vordergrund stehen, Grundbesitz des Ausreisenden in das Eigentum des Volkes oder zumindest in die Hand bleibewilliger Bürger zu bringen. Rechtsgrund für die Vertretungsbefugnis des staatlichen Organs bleibt aber in jedem Fall die privatrechtliche Vollmacht. Wie bei der Abgrenzung der staatlichen Verwaltung von einer privaten Verwaltung kommt es nicht auf die organisatorische Zuordnung des Bevollmächtigten, sondern auf den Rechtsgrund des Vertretungsverhältnisses an (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 29. April 1999 - BVerwG 7 C 18.98 - Buchholz 428 § 1 Abs. 4 VermG Nr. 3; Urteil vom 30. November 2000 - BVerwG 7 C 83.99 - VIZ 2001, 196).

Macht das staatliche Organ bei der Veräußerung des Grundstücks von der ihm erteilten privatrechtlichen Vollmacht Gebrauch, kann schließlich keine Rede davon sein, das Grundstück sei faktisch für das Volkseigentum in Besitz genommen und wie ein volkseigenes Grundstück aus der Hand des Staates erworben worden. Der Bürgermeister ist als Vertreter des Klägers aufgetreten; jener Kläger ist demnach Veräußerer des Grundstücks gewesen.

Es kommt nicht darauf an, ob sich das Geschäft aus der Sicht des Beigeladenen als ein Erwerb aus staatlicher Hand dargestellt hat. § 4 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 Buchst. a VermG schützt nicht einen guten Glauben daran, ein Grundstück vom Staat zu erwerben. Die Vorschrift will den Erwerber gegen Verzögerungen schützen, die bei behördlichen Entscheidungsabläufen auftreten konnten. Das setzt voraus, dass das Grundstück objektiv in der Verfügungsgewalt des Staates war und seine Vergabe an einen privaten Erwerbsinteressenten deshalb von einem Antrag und dessen Bescheidung durch eine Behörde abhängig war. Daran fehlt es, wenn der Bürgermeister das Grundstück in rechtsgeschäftlicher Vollmacht des privaten Eigentümers verkaufte.

Entgegen der Auffassung der Beklagten kann ein gegenteiliges Ergebnis nicht damit begründet werden, der Kläger habe dem Bürgermeister die Vollmacht zur Veräußerung seines Grundstücks aufgrund unlauterer Machenschaften i.S.d. § 1 Abs. 3 VermG erteilt. Die Beklagte weist zwar zu Recht darauf hin, die Stichtagsregelung des § 4 Abs. 2 Satz 2 VermG erfasse Veräußerungsgeschäfte zwischen Privaten, wenn der Veräußerung eines Grundstücks eine unlautere Machenschaft i.S.d. § 1 Abs. 3 zugrunde lag (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 1995 - BVerwG 7 C 56.94 - Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 24). Wenn eine Veräußerung unter Privaten wegen einer unlauteren Machenschaft des Staates der Stichtagsregelung unterfällt, folgt daraus entgegen der Auffassung der Beklagten nicht, dass gleichsam spiegelbildlich auch für die Ausnahme von der Stichtagsregelung nach § 4 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 Buchst. a VermG der Erwerb des Grundstücks als ein Erwerb aus staatlicher Hand angesehen werden müsse. Eine solche Schlussfolgerung scheitert daran, dass die jeweils betroffenen Interessen unterschiedlich sind. Nach dem Zweck der Stichtagsregelung sollen am 18. Oktober 1989 bestehende oder sich nach diesem Zeitpunkt noch ergebende Restitutionslagen nicht zu Lasten des geschädigten ursprünglichen Rechtsinhabers durch einen Erwerb in der Umbruchzeit zunichte gemacht werden können. Verkäufe von privat an privat fallen deshalb unter die Stichtagsregelung, wenn mit ihnen erstmals oder erneut eine Schädigungsmaßnahme i.S.d. § 1 VermG verbunden war, durch sie also erstmals oder erneut eine Restitutionslage geschaffen wurde. Diese Interessenbewertung zwingt nicht dazu, dem Erwerber die Wohltat einer Ausnahme von der Stichtagsregelung nur deshalb zugute kommen zu lassen, weil sein Erwerb mit einer unlauteren Machenschaft verbunden war, die das Geschäft erst dem Grunde nach der Stichtagsregelung unterwirft. Die Ausnahmen von der Stichtagsregelung betreffen solche Erwerbsvorgänge, die nicht durch die zu missbilligende Vereitelung von Restitutionsansprüchen, sondern durch eine besondere Schutzwürdigkeit des Erwerbers gekennzeichnet sind.

2. Der Senat kann gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO in der Sache selbst entscheiden. Der Kläger hat einen Anspruch auf Rückübertragung des Grundstücks. Er hat dieses durch eine schädigende Maßnahme, nämlich infolge unlauterer Machenschaften (§ 1 Abs. 3 VermG) verloren. Die insoweit gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts erhobenen Rügen des Beigeladenen sind unbegründet.

Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts ist dessen rechtliche Folgerung nicht zu beanstanden, zugunsten des Klägers streite eine Vermutung dafür, dass sein Eigentumsverlust auf eine unlautere Machenschaft i.S.d. § 1 Abs. 3 VermG zurückzuführen sei, weil es sich um eine ausreisebedingte Veräußerung des Grundstücks gehandelt habe. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts hat der Kläger die Vollmacht zur Veräußerung seines Grundstücks im Zusammenhang mit seinem Ausreiseantrag erteilt. Gegen diese tatsächliche Feststellung hat der Beigeladene keine zulässige und begründete Verfahrensrüge erhoben. Hierfür reicht seine bloße Behauptung nicht aus, der Kläger habe das Grundstück veräußern wollen, um seine aus den begangenen Straftaten herrührenden Schulden abzutragen.

Die Kostentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.

Ende der Entscheidung

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