Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 02.08.2001
Aktenzeichen: BVerwG 7 C 2.01
Rechtsgebiete: VermG, TreuhG, URüV


Vorschriften:

VermG § 2 Abs. 3 Satz 1
VermG § 6 Abs. 5 c Satz 3
VermG § 6 Abs. 6 a Satz 1
VermG § 6 Abs. 7 Satz 2
VermG § 6 Abs. 9
VermG § 7 a Abs. 2
TreuhG § 1 Abs. 3
TreuhG § 1 Abs. 4
TreuhG § 2 Abs. 1
URüV § 8 Abs. 1
Die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben bleibt auch dann Verfügungsberechtigte im Sinne des § 6 Abs. 6 a Satz 1 Halbsatz 2 VermG, wenn sie die Anteile an dem Unternehmen veräußert hat, in dem das geschädigte Unternehmen aufgegangen war.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 7 C 2.01

Verkündet am 2. August 2001

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 2. August 2001 durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Franßen und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel, Kley, Herbert und Neumann

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 27. April 2000 wird aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich gegen die auf § 6 Abs. 6 a Satz 1 VermG gestützte Feststellung des Sächsischen Landesamts zur Regelung offener Vermögensfragen, dass im Zusammenhang mit der Schädigung der Firma J.F.S. KG Geldleistungen in bestimmter Höhe an die Gesellschafter geflossen seien und die Beigeladene Gläubigerin des zurückzuzahlenden Betrags sei. Das genannte Unternehmen wurde im Jahre 1972 in Volkseigentum überführt und dem VEB W. angegliedert. Für die betroffenen Gesellschafter wurden Konten eröffnet, auf die Abfindungsbeträge überwiesen wurden.

Mit mehreren Bescheiden aus den Jahren 1994 bis 1996 stellte das Sächsische Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen fest, dass der Kläger, dem die J.F.S. KG i.L. ihre geltend gemachten Rückübertragungsansprüche notariell abgetreten hat, Berechtigter im Sinne des § 2 Abs. 1 des Vermögensgesetzes - VermG - sei. Das Landesamt übertrug ihm ehemalige Firmengrundstücke, die inzwischen der W. AG - dem privatisierten VEB - und den Städten R. und F. gehörten, als Unternehmensreste zurück, weil die Rückgabe des Unternehmens selbst nach § 4 Abs. 1 Satz 2 VermG ausgeschlossen sei. Mit einem weiteren an den Kläger gerichteten Bescheid, in dem die Beigeladene als hinzugezogene Verfügungsberechtigte bezeichnet wird, stellte das Landesamt fest, dass wegen der Schädigung der J.F.S. KG Geldleistungen an die Gesellschafter in Höhe von insgesamt 635 289,78 M geflossen seien; gleichzeitig wurde das Verfahren zur Rückzahlung dieser Beträge "zur gütlichen Einigung der am Verfahren Beteiligten" ausgesetzt. In den Gründen dieses Bescheides wird darauf hingewiesen, dass sich nach § 6 Abs. 6 a Satz 1 Halbsatz 2 VermG eine Rückzahlungsverpflichtung in Höhe von 317 644,89 DM ergebe und Verfügungsberechtigte im Sinne dieser Vorschrift die Beigeladene sei, und zwar auch dann, wenn sie das antragsbefangene Unternehmen bereits privatisiert haben sollte.

Dagegen hat der Kläger Klage erhoben. Er hat in Zweifel gezogen, dass den Gesellschaftern die behaupteten Beträge zugeflossen seien, und sich im Übrigen darauf berufen, dass die Beigeladene nicht Gläubigerin zurückzuzahlender Beträge sei, weil sie im Zeitpunkt der Rückübertragung der Grundstücke nicht mehr Aktionärin der W. AG gewesen sei. Vielmehr habe diese als Verfügungsberechtigte auf die Rückzahlung der den Gesellschaftern gewährten Abfindungen verzichtet; im Gegenzug seien ihr die Rechte an der Marke "Vogtlandquell" übertragen worden.

Das Verwaltungsgericht hat den angegriffenen Bescheid aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Bescheid sei rechtswidrig. Er stelle nicht nur die Höhe der an die Gesellschafter geflossenen Geldleistungen fest; er bestimme auch mit bindender Wirkung, dass die Beigeladene Gläubigerin der zurückzuzahlenden Beträge sei. Dies sei jedoch unzutreffend; denn zum maßgeblichen Zeitpunkt der Rückübertragung der Grundstücke sei diese nicht mehr Anteilseignerin der W. AG und damit nicht mehr Verfügungsberechtigte im Sinne des § 6 Abs. 6 a Satz 1 Halbsatz 2 VermG gewesen. Nach den vorliegenden Unterlagen sei hinsichtlich etwa 49 % der Aktien im Juni 1994 eine Privatisierungsvereinbarung getroffen worden. Weitere 50,1 % am Grundkapital habe der Beklagte mit Bescheid vom 19. August 1994 an die W. KG i.L. zurückübertragen. Da dieser Bescheid für sofort vollziehbar erklärt worden sei, "dürfte" er schon mit dem Datum seiner Bekanntgabe rechtsgestaltende Wirkung mit der Folge entfaltet haben, dass der Beigeladenen zum hier maßgeblichen Zeitpunkt keine Anteilsrechte mehr zugestanden "haben dürften". Der Auffassung des Beklagten, die Verfügungsberechtigung der Beigeladenen im Sinne des § 6 Abs. 6 a Satz 1 Halbsatz 2 VermG bestehe auch in den Fällen, in denen das antragsbefangene Unternehmen privatisiert worden sei, könne die Kammer wegen des eindeutigen Gesetzeswortlauts nicht folgen. Ebenso wenig komme eine analoge Anwendung des § 6 Abs. 5 c Satz 3 Halbsatz 2 VermG in Betracht, der lediglich darauf abstelle, ob die Beigeladene überhaupt einmal alleinige Anteilseignerin gewesen sei; denn § 6 Abs. 6 a Satz 1 Halbsatz 2 VermG enthalte keine planwidrige Regelungslücke.

Mit ihrer Revision beantragt die Beigeladene, das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen. Sie trägt vor: Das angegriffene Urteil verletze § 6 Abs. 6 a Satz 1 Halbsatz 2 VermG. Bei zutreffender Auslegung dieser Vorschrift stehe ihr der darin geregelte Anspruch auch nach der Veräußerung des restitutionsbelasteten Treuhandunternehmens zu. Staatliche Leistungen, die im Zusammenhang mit der Verstaatlichung eines Unternehmens erbracht worden seien, müssten grundsätzlich auch an den Staat zurückgezahlt werden. Dies ergebe sich aus § 6 Abs. 5 c Satz 3 Halbsatz 2 VermG, aber auch aus § 6 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 VermG i.V.m. der Vorschrift des § 8 der Unternehmensrückgabeverordnung - URüV -; denn diese verknüpfe den Ausgleich für eine wesentliche Verschlechterung der Vermögens- oder Ertragslage (§ 6 Abs. 2 und 4 VermG) nach § 8 Abs. 1 Satz 2 URüV mit der Verpflichtung der Gesellschafter zur Rückzahlung der Ablösebeträge. Zudem habe schon § 19 Abs. 2 des Unternehmensgesetzes i.V.m. § 5 Abs. 3 der Ersten Durchführungsverordnung zu diesem Gesetz die Verpflichtung zur Rückzahlung der Ablösebeträge an den Staat geregelt. Die Einrichtung, an welche die Rückzahlung habe erfolgen müssen, sei damals schon die Treuhandanstalt gewesen, wie das Ministerium der Finanzen der DDR in einem Schreiben vom 26. September 1990 klargestellt habe. Der Rechtsgedanke, dass dem Staat die bei der Schädigung erbrachten staatlichen Leistungen wieder zugute kommen sollten, komme auch in § 6 Abs. 7 Satz 2 VermG zum Ausdruck. Demgegenüber sei der vom Verwaltungsgericht ausschließlich vorgenommene Rückgriff auf die Legaldefinition des Verfügungsberechtigten zur Bestimmung des Gläubigers nicht ausreichend. Zum einen gebe es nach § 2 Abs. 3 Satz 1 VermG bei der Rückgabe von Unternehmen oder Unternehmenstrümmern immer mehr als einen Verfügungsberechtigten; zum anderen verwende das Vermögensgesetz selbst den Begriff des Verfügungsberechtigten zuweilen als Synonym für die Beigeladene, wie sich aus § 6 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 und § 6 Abs. 5 c Satz 3 Halbsatz 2 VermG ergebe. Einen sachlichen Grund, den in § 6 Abs. 5 c Satz 3 Halbsatz 2 VermG geregelten Fall anders zu behandeln als den des § 6 Abs. 6 a Satz 1 Halbsatz 2 VermG, gebe es nicht. Schließlich dürfe nicht übersehen werden, dass die im Urteil des Verwaltungsgerichts vertretene Rechtsauffassung zu erheblichen praktischen Problemen führe, wenn sich die Unternehmensreste bei verschiedenen Eigentümern befänden. Das Urteil des Verwaltungsgerichts beruhe darüber hinaus auf einem Verfahrensfehler. Den danach entscheidungserheblichen Umstand, ob und wann die Beigeladene ihre Anteile an der W. AG veräußert habe, habe das Gericht unter Verletzung seiner Sachaufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO nicht vollständig ermittelt, wie die vagen Formulierungen des Urteils zeigten. Darin liege zugleich ein Verstoß gegen § 108 Abs. 1 VwGO.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen, und verteidigt die Ausführungen des angegriffenen Urteils. Er sieht einen Verstoß der Beigeladenen gegen Treu und Glauben darin, dass sie nunmehr die Rückzahlung der Entschädigungsbeträge verlange, obwohl sie mit einem an die W. AG gerichteten Schreiben vom 4. Januar 1995 erklärt habe, nicht mehr deren Aktionärin zu sein und diese daher auch nicht mehr im Reprivatisierungsverfahren vertreten zu können. Im Vertrauen auf dieses Schreiben habe er - der Kläger - die Vereinbarung mit der W. AG über die Abtretung der Rechte an der Schutzmarke "Vogtlandquell" getroffen. Im Übrigen sei die Frage, welche Zahlungen den vormaligen Gesellschaftern tatsächlich zugeflossen seien, noch nicht geklärt.

Der Beklagte macht sich die Ausführungen der Beigeladenen zu Eigen.

II.

Die Revision ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat den angegriffenen Bescheid unter Verletzung von Bundesrecht aufgehoben. Das Sächsische Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Beigeladene Gläubigerin der Beträge ist, die nach § 6 Abs. 6 a Satz 1 Halbsatz 2 VermG zurückzuzahlen sind. Da der Kläger zudem keine durchgreifenden Einwände gegen die in dem Bescheid festgestellte Höhe der den Gesellschaftern zugeflossenen Abfindungen erhoben hat, muss die Klage abgewiesen werden.

1. Die Gläubigerstellung der Beigeladenen gehört zum Regelungsinhalt des angefochtenen Bescheides und ist damit Gegenstand der Anfechtungsklage. Zwar wird nur in den Gründen des Bescheides ausdrücklich dargelegt, dass und warum die Beigeladene Verfügungsberechtigte im Sinne des § 6 Abs. 6 a Satz 1 Halbsatz 2 VermG sei. Dass diese Frage dennoch verbindlich geregelt werden sollte, verdeutlicht die Aussetzung des Verfahrens zur gütlichen Einigung zwischen den Beteiligten, also zwischen dem Kläger und der zum Verfahren hinzugezogenen Beigeladenen. Dies kann nur dahin verstanden werden, dass die Einigungsgespräche auf der Grundlage der festgestellten Anspruchsberechtigung der Beigeladenen geführt werden sollten.

2. Die Beigeladene ist Gläubigerin der zurückzuzahlenden Beträge. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Nach § 6 Abs. 6 a Satz 1 Halbsatz 2 VermG ist im Falle der Unternehmensresterestitution eine einem Gesellschafter oder Mitglied des geschädigten Unternehmens wegen der Schädigung tatsächlich zugeflossene Geldleistung im Verhältnis von zwei Mark der DDR zu einer Deutschen Mark umzurechnen und von diesem oder seinem Rechtsnachfolger an den Verfügungsberechtigten zurückzuzahlen; dies gilt allerdings nur insoweit, als der zurückzuzahlende Betrag den Wert der entzogenen Beteiligung abzüglich zu übernehmender Schulden nicht übersteigt. Wer Verfügungsberechtigter in diesem Sinne ist, erschließt sich nicht unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut. Insoweit hilft entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch ein Rückgriff auf die Legaldefinition des § 2 Abs. 3 Satz 1 VermG nicht weiter. Verfügungsberechtigter ist danach bei der Rückgabe von Unternehmen derjenige, in dessen Eigentum oder Verfügungsmacht das Unternehmen ganz oder teilweise steht, sowie bei Kapitalgesellschaften - wie hier bei der W. AG - deren unmittelbare oder mittelbare Anteilseigner. Schließlich ist Verfügungsberechtigter bei der Rückübertragung von anderen Vermögenswerten der Eigentümer oder derjenige, der die Verfügungsmacht hat. Legt man allein diese Definition zu Grunde, kamen im vorliegenden Fall mehrere Verfügungsberechtigte in Betracht: Soweit sich die beanspruchten Unternehmenstrümmer im Eigentum der W. AG befanden, die Aktiengesellschaft und ihre Anteilseigner; im Übrigen die Städte F. und R., denen ebenfalls Grundstücke des geschädigten Unternehmens gehörten. Die Klarheit, die das Verwaltungsgericht durch die Heranziehung der Legaldefinition zu gewinnen glaubt, tritt demnach selbst dann nicht ein, wenn die Beigeladene nicht mehr Anteilseignerin der W. AG und damit auch nicht mehr Verfügungsberechtigte im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 1 VermG gewesen sein sollte.

Demgegenüber ergibt sich aus dem Zweck des § 6 Abs. 6 a Satz 1 Halbsatz 2 VermG, wie er sich im Lichte der Gesetzgebungsgeschichte darstellt, mit hinreichender Eindeutigkeit, dass allein die Beigeladene die zurückzuzahlenden Geldleistungen erhalten soll, und zwar ungeachtet eines zwischenzeitlich eingetretenen Verlustes ihrer Verfügungsberechtigung. Die ratio legis zielt darauf ab, durch eine vollständige Rückabwicklung des seinerzeitigen Schädigungsvorgangs eine einseitige Begünstigung des Berechtigten zu verhindern. Eine Entschädigung, eine Abfindung oder ein Kaufpreis, die damals für den Eigentumsverlust gewährt worden sind, sollen im Gegenzug zur Rückübertragung ebenfalls zurückgezahlt werden. Da die Entschädigung vom Staat als Gegenleistung für die Überführung des Unternehmens in Volkseigentum gewährt wurde, ist naturgemäß vorrangig der Staat Gläubiger der Rückzahlungspflicht. Das war unter Geltung des Unternehmensgesetzes der DDR vom 7. März 1990 (GBl I S. 141) so selbstverständlich, dass der Gläubiger der Rückzahlungspflicht in dem maßgeblichen § 19 Abs. 1 des Gesetzes nicht ausdrücklich genannt wurde; schon aus dem Begriff "Rückzahlung" war zu folgern, dass derjenige Gläubiger sein sollte, der seinerzeit gezahlt hatte. Lediglich § 5 Abs. 3 der Ersten Durchführungsverordnung zu diesem Gesetz vom 8. März 1990 (GBl I S. 144) erwähnte den Staat als Gläubiger. Die insoweit zuständige staatliche Einrichtung war die Treuhandanstalt; denn ihr oblag die Privatisierung nach § 2 Abs. 1 des Treuhandgesetzes als gesetzliche Aufgabe und ihr waren diese Rückzahlungsbeträge nach § 1 Abs. 3 dieses Gesetzes laut Schreiben des Ministerrats der DDR - Ministerium der Finanzen - vom 26. September 1990 ausdrücklich als Einnahmen zugewiesen worden.

Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass mit den nachfolgenden Vorschriften des Vermögensgesetzes eine davon abweichende Regelung getroffen werden sollte. Dieses Gesetz selbst enthielt zunächst keine Bestimmung über die Behandlung der im Rahmen einer Enteignung geleisteten Kaufpreise oder Entschädigungen im Falle der Restitution. Die auf Grund von § 6 Abs. 9 VermG erlassene Unternehmensrückgabeverordnung sah jedoch in ihrem § 8 Abs. 1 Satz 1 eine entsprechende Rückzahlungsverpflichtung bei der Unternehmensrückgabe vor; als Gläubiger nennt bereits diese Vorschrift den "Verfügungsberechtigten". Mit dem Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetz wurde sodann die Vorschrift des § 7 a in das Vermögensgesetz eingefügt. Sie sieht in ihrem Absatz 2 eine Verpflichtung zur Rückzahlung tatsächlich zugeflossener Gegenleistungen oder Entschädigungen an den Verfügungsberechtigten vor. Hier besteht Einigkeit darüber, dass damit stets der gegenwärtige Verfügungsberechtigte gemeint ist (vgl. Wasmuth, in: Rechtshandbuch, Band II, Rn. 85 zu § 7 a VermG; Meyer-Seitz, in: Fieberg u.a., Vermögensgesetz, Rn. 30 und 39 zu § 7 a VermG). Aus dieser Vorschrift, die nach ihrem Absatz 4 ohnehin nicht für Rückübertragungsansprüche nach § 6 VermG und somit auch nicht für die Trümmerrestitution nach § 6 Abs. 6 a VermG gilt, lässt sich jedoch nichts herleiten, was für ein paralleles Verständnis dieses Begriffs im Rahmen der in § 6 Abs. 6 a Abs. 1 Halbsatz 2 VermG getroffenen Regelung spräche; denn § 7 a Abs. 2 Satz 4 VermG bestimmt, dass die Gegenleistung oder Entschädigung dem Entschädigungsfonds zusteht, wenn sie aus dem Staatshaushalt der DDR erbracht wurde. Staatliche Leistungen sollen also auch bei der Einzelrestitution an den Staat zurückgeführt werden.

Auch der Entstehungsgeschichte des § 6 Abs. 6 a Satz 1 Halbsatz 2 VermG lässt sich nicht die Absicht des Gesetzgebers entnehmen, die Verfügungsberechtigung bei der Unternehmensresterestitution abweichend davon in der Weise zu regeln, dass die Gläubigerstellung hinsichtlich solcher Rückzahlungsansprüche mit der Privatisierung des Unternehmens, in dem das geschädigte Unternehmen aufgegangen war, auf den privaten Erwerber übergeht. Geschaffen worden ist die Vorschrift mit Artikel 10 Nr. 2 a des Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes vom 27. September 1994 (BGBl I S. 2624) als Reaktion auf das Urteil des Senats vom 17. Dezember 1993 - BVerwG 7 C 5.93 - (BVerwGE 95, 1). Sie sollte lediglich verhindern, dass über die Pflicht zur Rückzahlung eines bei Überführung in Volkseigentum erhaltenen Kaufpreises oder Ausgleichs gemäß § 6 Abs. 7 Satz 2 VermG erst im Entschädigungsverfahren zu befinden war (vgl. BTDrucks 12/7588, S. 47 f.).

Am deutlichsten zeigt der Vergleich mit der Parallelvorschrift des § 6 Abs. 5 c Satz 3 VermG, dass unter dem Verfügungsberechtigten im Sinne des § 6 Abs. 6 a Satz 1 Halbsatz 2 VermG nur die Beigeladene verstanden werden kann, soweit sie nach § 1 Abs. 4 des Treuhandgesetzes zunächst alleinige Anteilseignerin der in Kapitalgesellschaften umgewandelten Verfügungsberechtigten war. § 6 Abs. 5 c VermG regelt die Behandlung staatlicher Zwangsbeteiligungen, die im Regelfall der erste Schritt einer Unternehmensenteignung waren (vgl. Urteil des Senats vom 5. Oktober 2000 - BVerwG 7 C 95.99 - VIZ 2001, 96). Satz 3 dieser Bestimmung ordnet die Rückzahlung der beim Erwerb der Beteiligung erbrachten Einlage oder Vergütung an und verwendet insoweit dieselben Worte wie § 6 Abs. 6 a Satz 1 Halbsatz 2 VermG. Angefügt ist allerdings der Halbsatz: "Bei Unternehmen, deren Anteile sich ausschließlich bei der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben befinden oder befunden haben, ist die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben stets Verfügungsberechtigter". Dieser Halbsatz wurde im Jahre 1997 zu Zwecken der Klarstellung durch Art. 3 Nr. 5 b des Wohnraummodernisierungssicherungsgesetzes eingefügt (vgl. BTDrucks 13/7275, S. 47). Zwar trifft es zu, dass mit demselben Gesetz auch Abs. 6 a des § 6 VermG - in für den vorliegenden Fall unerheblichen Punkten - geändert wurde, ohne dass dort eine entsprechende Klarstellung vorgenommen wurde. Wenn das Verwaltungsgericht meint, dies sei bewusst geschehen, bleibt es jedoch eine nachvollziehbare Begründung schuldig. Der Hinweis darauf, es handele sich um unterschiedliche Sachverhalte, die auch unterschiedlich hätten geregelt werden sollen, vernachlässigt, dass in beiden Fällen die Rückzahlung der Vergütung für eine Unternehmensenteignung geregelt wird. Ein Unterschied besteht lediglich darin, dass es im ersten Fall um die Restitution oder Löschung von Anteilen an dem privatisierten Unternehmen selbst geht und im zweiten um die Restitution von Trümmern eines Unternehmens, das in dem später privatisierten Unternehmen aufgegangen war. Ein sachlicher Gesichtspunkt, die Frage des Gläubigers der zurückzuzahlenden Vergütung/Entschädigung in diesen Fällen voneinander abweichend zu regeln, ergibt sich daraus nicht. Auch sonst ist nichts dafür erkennbar, dass der Gesetzgeber bewusst differenzieren wollte; zu vermuten ist, dass er die parallele Problematik in § 6 Abs. 6 a Satz 1 Halbsatz 2 VermG übersehen hat. Das legt auch die Wortwahl der Änderungsbegründung zu § 6 Abs. 5 c Satz 3 VermG nahe. Der Gesetzgeber wollte danach nur etwas klarstellen, was an sich - und damit auch im Fall des § 6 Abs. 6 a Abs. 1 VermG - ohnehin selbstverständlich ist, nämlich dass staatliche Leistungen an den Staat zurückzuführen sind und daher allein die mit der Unternehmensprivatisierung befasste Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben Gläubigerin sein kann, wenn sie zunächst alleinige Anteilseignerin des Verfügungsberechtigten war.

Diesem Verständnis des § 6 Abs. 6 a Satz 1 Halbsatz 2 VermG lässt sich auch nicht entgegenhalten, dass im Fall der Vollprivatisierung des verfügungsberechtigten Unternehmens die Grundstücksrückgabe ausschließlich zu Lasten des Erwerbers gehe und dieser daher auch Begünstigter des Rückzahlungsanspruchs sein müsse. Die an der Privatisierung beteiligten Vertragsparteien wären dann gehalten, das Rechtsgeschäft im Bewusstsein dieser Rechtsfolge zu gestalten. Dies schwebt offenbar dem Verwaltungsgericht vor, wenn es darlegt, dass sich eine Regelungslücke - wenn überhaupt - nicht im Gesetz, sondern im jeweiligen die Privatisierung betreffenden Vertrag befinde, wenn die Vertragspartner den Wechsel der Verfügungsberechtigung und damit den Gläubigerwechsel hinsichtlich solcher Rückzahlungsansprüche nicht bedacht hätten. Die Prämisse ist jedoch unrichtig. Hätte der Gesetzgeber den Rückfluss staatlicher Leistungen an einen Privaten gewollt, weil dieser von der Rückübertragungspflicht betroffen ist, hätte er dies klar zum Ausdruck bringen und vor allem die mit einer Mehrheit von Verfügungsberechtigten verbundenen Probleme lösen müssen. Dies ist jedoch nicht geschehen, vielmehr enthalten § 6 Abs. 5 c Satz 3 und § 7 a Abs. 2 Satz 4 VermG gegenteilige Regelungen. Im Übrigen ist das Bild einer echten entgeltlichen Veräußerung bei einer Privatisierung zu Gunsten des Berechtigten ohnehin verfehlt. Aber auch in den Fällen, in denen das Unternehmen von Dritten erworben wurde, gibt es die Wirklichkeit nur unzureichend wieder; denn in der Regel wurde nicht ein voll funktionstüchtiges Unternehmen verkauft, das dem Wettbewerb gewachsen war; vielmehr diente die Privatisierung häufig dazu, das Unternehmen erst funktionstüchtig zu machen. Soweit mitveräußerte Gegenstände nach § 6 Abs. 6 a Satz 1 VermG an den Berechtigten herauszugeben sind, aber dennoch im Einzelfall maßgeblichen Einfluss auf die Bemessung des Kaufpreises gehabt haben, ist es Sache des Erwerbers, seine Rechte aus dem Privatisierungsvertrag zivilrechtlich zu wahren.

Schließlich ist auch der Einwand des Klägers, dass die Beigeladene ihre Gläubigerrechte verwirkt habe, nicht berechtigt. Die Erklärung, die W. AG nach der abgeschlossenen Privatisierung nicht mehr vertreten zu können, hat die Beigeladene allein dieser gegenüber abgegeben; schon deswegen liegt die Annahme fern, dass dadurch ein Vertrauenstatbestand zu Gunsten des Klägers begründet werden konnte. Abgesehen davon lässt sich der Erklärung auch der Sache nach nicht entnehmen, dass die Beigeladene gegenüber den ehemaligen Gesellschaftern der Geschädigten oder deren Rechtsnachfolgern keine Rückzahlungsansprüche nach § 6 Abs. 6 a Satz 1 Halbsatz 2 VermG mehr geltend machen wollte.

2. Die Klage muss auch erfolglos bleiben, soweit sie sich gegen die Feststellung richtet, welche Beträge den Gesellschaftern seinerzeit zugeflossen sind. Zwar hat sich die Vorinstanz - aus ihrer Sicht folgerichtig - mit diesem Teil des Begehrens nicht mehr auseinander gesetzt; eine Zurückverweisung des Rechtsstreits ist jedoch insoweit - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht geboten; denn die rechtliche Beurteilung dieser Feststellung erfordert keine weitere Sachverhaltsaufklärung.

Der Kläger hat den tatsächlichen Zufluss dieser Gelder unter Hinweis darauf in Zweifel gezogen, dass nach den Ausführungen des angegriffenen Bescheides von den für die Gesellschafter eingerichteten Konten jährlich nur bestimmte Beträge verfügbar gewesen seien. Dieser Einwand ist rechtlich erheblich; denn unter dem tatsächlichen Zufluss einer Geldleistung im Sinne des § 6 Abs. 6 a Satz 1 Halbsatz 2 VermG ist nach zutreffender Auffassung die freie Verfügbarkeit des Adressaten über das Geld zu verstehen (vgl. Wellhöfer, in: Rechtshandbuch, Band II, Rn. 6 zu § 8 URüV; Nolting, in: Kimme, Offene Vermögensfragen, Rn. 452 zu § 6 VermG). Der Beigeladene hat auf diesen Vortrag jedoch im Einzelnen unter Vorlage von Nachweisen erwidert, dass und in welcher Weise die Gelder inzwischen vollständig ausgezahlt worden seien. Der Kläger hat dies nicht substantiiert bestritten, sondern sich auf sein Nichtwissen berufen. Dies ist in zweierlei Hinsicht verfehlt. Zum einen ist nach § 138 Abs. 4 ZPO Bestreiten mit Nichtwissen nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind; hier geht es aber um das Wissen von Personen oder ihrer Rechtsnachfolger, deren Rechte der Kläger im Prozess treuhänderisch wahrnimmt. Zum anderen ist diese Vorschrift der Zivilprozessordnung wegen der gerichtlichen Ermittlungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO im Verwaltungsprozess ohnehin nicht anwendbar. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Beteiligten keine Vortragslasten treffen; denn das Maß der gerichtlichen Pflicht zur Sachaufklärung bestimmt sich auch nach der Substanz des Vorbringens der Beteiligten. Der Kläger beschränkt sich selbst im Revisionsverfahren auf den pauschalen Hinweis, dass die Frage der Zahlungen an die Gesellschafter nicht geklärt sei. Klärungsbedarf bestünde jedoch nur, wenn Anhaltspunkte dafür vorhanden wären, dass die im angegriffenen Bescheid getroffenen Feststellungen unzutreffend sind. Solche Anhaltspunkte hat der Kläger nicht genannt, obwohl der Beklagte im verwaltungsgerichtlichen Verfahren den Mittelzufluss an die Gesellschafter im Einzelnen dargelegt hatte. Zu einem solchen Vortrag bestand umso mehr Anlass, als die Verfügungsbeschränkungen über die Konten mit der Währungsumstellung naturgemäß ihr Ende gefunden haben. Einen Ansatzpunkt für eine weitere Sachaufklärung gab und gibt es daher nicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO.

Ende der Entscheidung

Zurück