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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 29.04.1999
Aktenzeichen: BVerwG 7 C 24.98
Rechtsgebiete: VermG


Vorschriften:

VermG § 4 Abs. 2 Satz 2
VermG § 4 abs. 2 2. Halbsatz Buchst. a
Leitsatz:

Die Vorschrift des § 4 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz Buchst. a VermG (Ausnahme von der Stichtagsregelung bei schriftlicher Beantragung oder aktenkundiger Anbahnung des Erwerbs vor dem 19. Oktober 1989) setzt voraus, daß das Grundstück oder Gebäude aus der Hand des Staates erworben wurde.

Urteil des 7. Senats vom 29. April 1999 - BVerwG 7 C 24.98 -

I. VG Magdeburg vom 20.01.1998 - Az.: VG 7 A 351/95 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 7 C 24.98 VG 7 A 351/95

Verkündet am 29. April 1999

Nöpel Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 29. April 1999 durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Franßen und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow, Dr. Bardenhewer, Kley und Herbert

für Recht erkannt:

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 20. Januar 1998 wird aufgehoben, soweit die Klage abgewiesen worden ist. Der Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung seines Bescheids vom 6. Oktober 1995 verpflichtet, das Eigentum an dem Grundstück M.straße in J., eingetragen im Grundbuch von J. Bl., Flur, Flurstück, an die Kläger zurückzuübertragen.

Der Beklagte und die Beigeladenen - diese als Gesamtschuldner - tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen je zur Hälfte.

Gründe:

I.

Die Kläger begehren die Rückübertragung des Eigentums an einem Grundstück nach den Vorschriften des Vermögensgesetzes (VermG).

Sie waren Eigentümer des mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks Flur, Flurstück, in J., M.straße . Im Juni 1989 kehrte der Kläger von einem Besuch in der Bundesrepublik Deutschland nicht in die DDR zurück. Daraufhin wurde sein Anteil am Grundstück unter die Verwaltung des Rates der Stadt J. gestellt. Am 5. September 1989 beantragte die Klägerin beim Rat des Kreises G., ihr die ständige Ausreise aus der DDR zu genehmigen. Da der Rat des Kreises die Erteilung dieser Genehmigung vom vorherigen Verkauf des Grundstücks abhängig machte, unterschrieb die Klägerin am 9. Oktober 1989 einen Auftrag zur Ermittlung des Grundstückswerts. Der am Kauf des Grundstücks interessierte Beigeladene vereinbarte mit dem Notar K. vom Staatlichen Notariat in G. für den 10. Oktober 1989 einen Termin zur Besprechung des Kaufes, der später auf den 13. Oktober 1989 verlegt und an diesem Tag vom Beigeladenen wahrgenommen wurde. Im Geschäftskalender des Notars für das Jahr 1989 ist unter beiden Daten jeweils der Name des Beigeladenen eingetragen. Am 18. Oktober 1989 erteilte der Rat des Kreises dem Sachverständigen Kurt B. die Genehmigung zur Wertermittlung. Der Sachverständige erstattete am 24. Oktober 1989 sein Gutachten. An demselben Tag stimmte der Rat des Kreises dem vom Sachverständigen ermittelten Wert von 165 000 M zu. Mit Vertrag vom 30. Oktober 1989 vor dem Notar K. verkaufte die Klägerin gemeinsam mit dem für den Kläger handelnden staatlichen Verwalter, für den der Bürgermeister der Stadt J. auftrat, das Grundstück zum Preis von 165 000 M an die Beigeladenen. Am 11. November 1989 reiste sie mit Genehmigung des Rates des Kreises aus der DDR aus. Der Grundstückskaufvertrag wurde gleichfalls genehmigt und am 28. November 1989 im Grundbuch vollzogen.

Im Oktober 1990 beantragten die Kläger die Rückgabe des verkauften Grundstücks. Diesen Antrag lehnte das beklagte Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen S., nachdem es das Verfahren an sich gezogen hatte, mit Bescheid vom 6. Oktober 1995 ab, stellte jedoch zugleich fest, daß der Kläger hinsichtlich seines Grundstücksanteils Berechtigter im Sinne des Vermögensgesetzes sei und daß ihm ein Anspruch auf Entschädigung nach dem Entschädigungsgesetz zustehe. Ein Anspruch auf Rückgabe des Grundstücks bestehe nicht, weil die Beigeladenen daran in redlicher Weise Eigentum erworben hätten. Im Gegensatz zu dem Kläger, dessen Grundstücksanteil vom staatlichen Verwalter veräußert worden sei, sei die Klägerin nicht von einer Schädigungsmaßnahme betroffen, weil sie ihren Grundstücks-anteil aus eigenem Entschluß veräußert habe.

Die Kläger haben rechtzeitig Klage erhoben mit dem Antrag, den Beklagten zur Rückübertragung des Eigentums an dem Grundstück zu verpflichten. Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 20. Januar 1998 insoweit stattgegeben, als es den Beklagten zu der Feststellung verpflichtet hat, daß die Klägerin hinsichtlich ihres Grundstücksanteils Berechtigte im Sinne des Vermögensgesetzes sei und daß ihr ein Entschädigungsanspruch zustehe; die weitergehende Klage hat es abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es im wesentlichen ausgeführt: Auch der Grundstücksanteil der Klägerin sei einer schädigenden Maßnahme im Sinne des § 1 VermG ausgesetzt gewesen, weil sie diesen Anteil zur Erlangung der Ausreisegenehmigung habe verkaufen müssen. Die Rückgabe des Grundstücks sei gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 VermG wegen redlichen Erwerbs der Beigeladenen ausgeschlossen. Keiner der in § 4 Abs. 3 VermG umschriebenen Regeltatbestände der Unredlichkeit sei erfüllt, und auch sonst seien keine Anhaltspunkte für eine Unredlichkeit der Beigeladenen zu erkennen. Die Stichtagsregelung in § 4 Abs. 2 Satz 2 VermG finde keine Anwendung, weil das Erwerbsgeschäft gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz Buchst. a VermG vor dem 19. Oktober 1989 aktenkundig angebahnt worden sei. Denn das Erwerbsinteresse der Beigeladenen sei bereits vor dem genannten Datum in zwei Urkunden aktenkundig geworden. Mit Schreiben vom 18. Oktober 1989 habe der Rat des Kreises dem Sachverständigen B. die Genehmigung zur Ermittlung des Grundstückswerts erteilt. Zu diesem Zeitpunkt seien die künftigen Erwerber dem Rat des Kreises bereits bekannt gewesen. Das ergebe sich aus dem Geschäftskalender des Notars K., in dem für den 10. und den 13. Oktober 1989 Termine zur Besprechung mit dem Beigeladenen eingetragen seien. Der Notar habe bei seiner Vernehmung als Zeuge bestätigt, daß er sich sogleich nach dem Besuch des Beigeladenen am 13. Oktober 1989 wegen des vorgesehenen Kaufvertrages an den Rat des Kreises gewandt habe.

Mit der vom Bundesverwaltungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr Restitutionsbegehren weiter. Sie rügen die Verletzung des § 4 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz Buchst. a VermG. Die Beigeladenen hätten entgegen den Anforderungen dieser Vorschrift weder vor dem 19. Oktober 1989 beim Rat der Stadt J. oder beim Rat des Kreises G. ihr Kaufinteresse schriftlich bekundet noch sei dieses Interesse dort aktenkundig festgehalten worden.

Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. Er verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichts.

Die Beigeladenen schließen sich dem Antrag des Beklagten an. Auch sie halten das Urteil des Verwaltungsgerichts für richtig und sprechen sich für eine weite Auslegung des in § 4 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz Buchst. a VermG verwendeten Tatbestandsmerkmals der aktenkundigen Anbahnung des Erwerbs aus, die auch den Fällen der Veräußerung von Grundstücken oder Gebäuden zwischen Privatleuten Rechnung tragen müsse.

Der Oberbundesanwalt äußert Zweifel, ob das Merkmal der aktenkundigen Anbahnung des Erwerbs im Streitfall erfüllt sei.

II.

Die Revision ist begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts verletzt Bundesrecht. Das Verwaltungsgericht hätte der Klage in vollem Umfang stattgeben müssen; denn die Kläger haben gemäß § 1 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 Satz 1 VermG einen Anspruch darauf, daß ihnen das Eigentum an dem im Jahre 1989 veräußerten Grundstück zurückübertragen wird.

Aufgrund der im Verwaltungs- und im Klageverfahren ergangenen Vorentscheidungen steht fest, daß die Kläger ihr Eigentum an dem Grundstück infolge einer Schädigungsmaßnahme gemäß § 1 VermG verloren haben und daß sie daher Berechtigte im Sinne von § 2 Abs. 1 VermG sind. Für den Kläger hat bereits der Beklagte in seinem Bescheid vom 6. Oktober 1995 eine entsprechende Feststellung getroffen, die nicht Gegenstand der Klage vor dem Verwaltungsgericht war und infolgedessen bestandskräftig geworden ist. Auch das Urteil des Verwaltungsgerichts ist, soweit es den Beklagten zu einer gleichlautenden Feststellung zugunsten der Klägerin verpflichtet hat, weder vom Beklagten noch von den Beigeladenen in der Revisionsinstanz angegriffen worden und hat daher in diesem Umfang Rechtskraft erlangt. Mithin ist nur noch darüber zu befinden, ob der sich nach § 3 Abs. 1 Satz 1 VermG aus der Schädigung der Kläger ergebende Restitutionsanspruch aufgrund der §§ 4, 5 VermG ausgeschlossen ist. Das ist nicht der Fall; denn die Beigeladenen können sich entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts nicht auf den hier allein in Betracht kommenden Restitutionsausschlußgrund des redlichen Erwerbs (§ 4 Abs. 2 VermG) berufen. Da sie das umstrittene Grundstück erst nach dem 18. Oktober 1989 erworben haben und dieser Umstand nicht ausnahmsweise unbeachtlich ist, steht ihnen kein Redlichkeitsschutz zu.

1. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht den Erwerb des umstrittenen Grundstücks durch die Beigeladenen an der sog. Stichtagsregelung des § 4 Abs. 2 Satz 2 VermG gemessen.

Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 VermG ist die Rückübertragung ausgeschlossen, wenn natürliche Personen nach dem 8. Mai 1945 in redlicher Weise an dem Vermögenswert Eigentum oder dingliche Nutzungsrechte erworben haben. Die Möglichkeit eines restitutionsausschließenden redlichen Erwerbs von Grundstücken und Gebäuden entfällt jedoch gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2, 1. Halbsatz VermG grundsätzlich dann, wenn das dem Erwerb zugrundeliegende Rechtsgeschäft nach dem 18. Oktober 1989 ohne Zustimmung des Berechtigten geschlossen wurde. So verhält es sich im vorliegenden Fall; denn die Beigeladenen haben das umstrittene Grundstück mit notariellem Vertrag vom 30. Oktober 1989 und damit erst nach dem Stichtag von den Klägern erworben. Wie der Senat in seinem Urteil vom 27. Oktober 1995 - BVerwG 7 C 65.94 - (Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 24) ausgeführt hat, betrifft die Stichtagsregelung zwar in erster Linie den Erwerb von volkseigenen Grundstücken und Gebäuden, findet aber auch auf Verkäufe von Privat an Privat Anwendung, wenn der gegenwärtige Rechtsinhaber den Vermögenswert von einem unredlichen Zwischenerwerber erworben hat oder wenn sich der Erwerbsvorgang als eine Schädigungsmaßnahme im Sinne von § 1 VermG darstellt. Im vorliegenden Fall haben die Kläger ihr Grundeigentum infolge unlauterer Machenschaften des Staates im Sinne von § 1 Abs. 3 VermG verloren, weil der Kaufvertrag vom 30. Oktober 1989 nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts auf ein entsprechendes Verlangen des Rates des Kreises zurückgeht, dem die Klägerin sich zur Erlangung der beantragten Ausreisegenehmigung beugen mußte (vgl. dazu näher BVerwGE 100, 310 [314 ff.]). Aus der staatlichen Zwangseinwirkung folgt zugleich, daß die Kläger dem Erwerb des Grundstücks durch die Beigeladenen nicht im Sinne des Gesetzes zugestimmt haben.

2. Zu Unrecht hat das Verwaltungsgericht aber angenommen, daß die Beigeladenen aufgrund der Vorschrift des § 4 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz Buchst. a VermG nicht vom Ausschluß des redlichen Erwerbs wegen Verstreichens des Stichtags betroffen sind. Die Voraussetzungen dieser zum Grundsatz des redlichen Erwerbs zurückführenden Ausnahme von der Stichtagsregelung sind nicht erfüllt, weil die Beigeladenen das umstrittene Grundstück nicht aus der Hand des Staates, sondern von einem privaten Veräußerer erworben haben.

a) Gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz Buchst. a VermG ist die Stichtagsregelung ausnahmsweise dann nicht anzuwenden, wenn "der Erwerb vor dem 19. Oktober 1989 schriftlich beantragt oder sonst aktenkundig angebahnt worden ist". Bereits der Wortlaut der Vorschrift läßt erkennen, daß mit ihr kein Erwerb von einem privaten Veräußerer, sondern ausschließlich der Erwerb von einer staatlichen Stelle gemeint ist. Denn an einen privaten Veräußerer wurde auch in der ehemaligen DDR nur unter besonderen Umständen vom Erwerber ein den Erwerbsvorgang einleitender schriftlicher Erwerbsantrag gerichtet. Ein solcher Veräußerer führte im allgemeinen auch keine im Restitutionsverfahren leicht verfügbaren Akten, die den Erwerbsvorgang zusammenhängend dokumentieren und daher beim Fehlen eines schriftlichen Erwerbsantrags erwarten lassen, daß der am Stichtag bestehende Erwerbswunsch des Erwerbers aus ihnen auf andere Weise verläßlich hervorgeht. Die Begriffe "schriftlich beantragt", "sonst aktenkundig" und "angebahnt" spiegeln sowohl je für sich als auch in ihrer Gesamtheit unverkennbar die Vorstellung des Gesetzgebers von einem in Akten dokumentierten Verwaltungsverfahren wider, dem ein schriftlicher Antrag oder ein sonst zu den Akten geäußerter Erwerbswunsch des späteren Erwerbers zugrunde lag und das zu einer Entscheidung der verfügungsberechtigten staatlichen Stelle zugunsten des Erwerbers und schließlich - in Vollzug dieser Entscheidung - zum Abschluß des Veräußerungsvertrages mit ihm führte.

b) Dieser sich aus dem Wortlaut erschließende Inhalt der Vorschrift wird durch ihre Entstehungsgeschichte bestätigt. § 4 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz Buchst. a VermG ist ebenso wie die weiteren Ausnahmen von der Stichtagsregelung in den Buchstaben b und c desselben Halbsatzes vom Gesetzgeber durch das Zweite Vermögensrechtsänderungsgesetz vom 14. Juli 1992 (BGBl I S. 1257), in das Vermögensgesetz eingefügt worden, weil er die Folgen der Stichtagsregelung teilweise als zu hart empfand und auf diese Weise abmildern wollte (vgl. BTDrucks 12/2944, S. 51). Nach der Begründung des Regierungsentwurfs zum Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetz kommt die Vorschrift denjenigen Erwerbern zugute, die "sich (in der Regel als Mieter) bereits vor dem 19. Oktober 1989 ernsthaft um einen rechtlich zulässigen Erwerb des Eigentums an einem volkseigenen Gebäude bemüht oder in eine entsprechende Erwerbsaufforderung eingewilligt" haben (BTDrucks 12/2480, S. 44). In Übereinstimmung hiermit werden die begünstigten Personen in der Begründung zur Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses, die vom Bundestag sodann als Gesetz verabschiedet wurde, als Bürger umschrieben, "die den Erwerb rechtzeitig angebahnt, aber nicht rechtzeitig eine Bescheidung erreicht haben" (BTDrucks 12/2944 a.a.O.). Auch hier wird mithin die Vorstellung des Gesetzgebers erkennbar, daß das Grundstück oder Gebäude vom Erwerber aus dem Bestand des Staates oder doch wenigstens aufgrund eines den Erwerbswunsch billigenden Bescheids der verfügungsberechtigten staatlichen Stelle erworben wurde.

c) Auch Sinn und Zweck der Vorschrift sprechen nicht dafür, sondern dagegen, Veräußerungen zwischen Privatleuten in ihren Anwendungsbereich einzubeziehen. Wie der Senat bereits in seinem Beschluß vom 22. Februar 1996 - BVerwG 7 B 36.96 - (Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 27) ausgeführt hat, betreffen die durch das Zweite Vermögensrechtsänderungsgesetz eingefügten Ausnahmen von der Stichtagsregelung solche Erwerbsvorgänge, die nicht durch die mißbilligte Vereitelung von Restitutionsansprüchen, sondern durch eine besondere Schutzwürdigkeit des Erwerbers gekennzeichnet sind. Während es in den Fallgruppen des § 4 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz Buchst. a und b VermG um die Sicherung von Investitionen des Erwerbers geht, dient die Vorschrift des § 4 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz Buchst. a VermG dem Schutz desjenigen Erwerbers, der sein Erwerbsinteresse bereits zu einem Zeitpunkt bekundet hatte, zu dem sich der Alteigentümer noch keine konkrete Hoffnung auf Wiederherstellung seiner früheren Rechtsposition machen konnte, dessen Erwerbsanliegen aber aus Gründen, auf die er keinen Einfluß hatte, nicht rechtzeitig, d.h. vor dem Rücktritt des Staatsratsvorsitzenden Honecker am 18. Oktober 1989, entsprochen wurde (stRspr seit dem Beschluß vom 25. Juni 1997 - BVerwG 7 B 198.97 - Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 42). Die Anwendung der Vorschriften über den redlichen Erwerb soll mithin nicht daran scheitern, daß sich der Erwerb wegen eines schwerfälligen Verfahrensablaufs oder wegen Nachlässigkeit der entscheidenden Behörde bis in die Zeit nach dem Stichtag verzögerte. Kennzeichnend für die Fallgruppe des § 4 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz Buchst. a VermG ist demnach die Abhängigkeit des Erwerbers von der Entscheidung des Staates über seinen Erwerbswunsch, deren Inhalt und Zeitpunkt er im allgemeinen nicht oder nur schwer beeinflussen konnte; darüber hinaus ist bei Antragstellern, die dem Staat besonders genehm waren oder die über gute Beziehungen zu den jeweiligen Entscheidungsträgern verfügten, mit der Möglichkeit eines beschleunigten Verfahrensablaufs zu rechnen, die die Folgen eines nicht rechtzeitigen Erwerbs als noch weniger hinnehmbar erscheinen läßt. Um den mit dieser Situation verbundenen Zufällen, Unwägbarkeiten und Härten bei der Anwendung der Stichtagsregelung zu begegnen, verlagert das Gesetz in § 4 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz Buchst. a VermG ausnahmsweise den nach § 4 Abs. 2 Satz 2, 1. Halbsatz VermG entscheidungserheblichen Zeitpunkt vom Abschluß des Erwerbsgeschäfts auf den Stichtag vor, wenn bereits zu diesem Zeitpunkt nachweisbar ein an die verfügungsberechtigte Behörde gerichteter Erwerbswunsch des Erwerbers vorlag (vgl. Urteil vom 29. Januar 1998 - BVerwG 7 C 47.96 - Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 53; BVerwGE 106, 310 [313 f.]). Dementsprechend hat der Senat in seinem Beschluß vom 25. September 1997 - BVerwG 7 B 310.97 - (Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 48), dem ein Fall des Erwerbs vom staatlichen Verwalter zugrundelag, das gesetzliche Tatbestandsmerkmal "aktenkundig angebahnt" nur unter der Voraussetzung für erfüllt gehalten, daß die Erwerbsabsicht als solche in den Akten des staatlichen Verwalters festgehalten war; die in dem damaligen Verfahren festgestellten Vermerke in den Akten des Staatlichen Notariats, die auf den bevorstehenden Vertragsschluß mit dem Erwerber hindeuteten, hat er dagegen als nicht ausreichend angesehen. Ferner hat er in seinem Urteil vom 29. Januar 1998 - BVerwG 7 C 47.96 - (a.a.O.) aus dem Sinn und Zweck des § 4 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz Buchst. a VermG hergeleitet, daß diese Vorschrift nur dann zugunsten des Erwerbers angewendet werden kann, wenn die wesentlichen Erwerbsvoraussetzungen - insbesondere solche Voraussetzungen, die die Person des Erwerbers betrafen oder von ihm zu verantworten waren - bereits zum Zeitpunkt des Stichtags vorlagen und der Erwerb allein noch von der positiven Entscheidung der Behörde über das Erwerbsgesuch und dem Abschluß des Veräußerungsvertrags abhing, weil der Erwerber sich ohne diese Voraussetzungen am Stichtag keine begründete Hoffnung darauf machen konnte, daß seinem Anliegen alsbald nach diesem Zeitpunkt entsprochen werden würde.

Hiernach besteht weder ein Anlaß noch ein hinreichender Grund, die Vorschrift des § 4 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz Buchst. a VermG über das durch den Wortlaut und die Entstehungsgeschichte nahegelegte Ergebnis hinaus in der Weise auszulegen, daß sie auch die Fälle der Veräußerung unter Privatleuten erfaßt. Ebensowenig ist es möglich, sie in diesen Fällen entsprechend anzuwenden. Denn der Gesetzgeber hat, wie schon erwähnt, in § 4 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz VermG nur solche Erwerbsvorgänge von der Stichtagsregelung ausgenommen, bei denen ihm das Interesse des Erwerbers an der Rechtsbeständigkeit des Erwerbs in besonderem Maße schutzwürdig erschien; im übrigen hat er es bei der Stichtagsregelung und deren Folgen für den Erwerber belassen. In der Fallgruppe des Buchstaben a ist aber nach den vorangegangenen Ausführungen das besondere Schutzbedürfnis des Erwerbers untrennbar mit dem Eigentum oder der Verfügungsberechtigung des Staates verknüpft. Einer Ausnahmevorschrift dürfen keine Wirkungen beigemessen werden, die über das hinausgehen, was zum Schutz der von ihr gewährleisteten Interessen erforderlich ist. Zwar konnte es auch beim Erwerb eines Grundstücks oder Gebäudes von einem privaten Verkäufer von mancherlei Zufällen abhängen, ob der notarielle Vertrag vor oder nach dem Stichtag abgeschlossen wurde; infolgedessen mag die Anwendung der Stichtagsregelung auch in diesen Fällen vom Erwerber nicht selten als hart empfunden werden. Doch sind derartige Härten notwendigerweise mit der Einführung eines Stichtags verbunden und müssen daher - die sachgerechte Auswahl des Stichtags vorausgesetzt - hingenommen werden (vgl. BVerfGE 44, 18 [21 f.]; BVerwGE 94, 279 [286 f. m.w.N.]). Würden die Fälle des Erwerbs von einem privaten Verkäufer in den Anwendungsbereich des § 4 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz Buchst. a VermG einbezogen, so würde dies bedeuten, daß es in allen denkbaren Erwerbsfällen nicht mehr auf den in § 4 Abs. 2 Satz 2, 1. Halbsatz VermG genannten Zeitpunkt des Vertragsschlusses ankäme, sondern daß die Anwendung der Stichtagsregelung stets allein davon abhinge, ob der Erwerb bereits am 18. Oktober 1989 vom späteren Erwerber (aktenkundig) beabsichtigt war oder nicht. Eine derart weitgehende Gesetzesänderung, mit der die Stichtagsregelung im Kern verändert worden wäre, hat der Gesetzgeber im Jahre 1992 gerade nicht vorgenommen; vielmehr hat er die Stichtagsregelung lediglich unter bestimmten, in Form von drei Fallgruppen näher umschriebenen (Ausnahme-)Voraussetzungen für unanwendbar erklärt. Anderenfalls hätte er zudem auf das Merkmal der Dokumentation des Erwerbswunsches in den Akten der verfügungsberechtigten staatlichen Stelle verzichten müssen, das regelmäßig einen besonders sicheren und zuverlässigen Rückschluß auf das tatsächliche Bestehen des Erwerbswunschs am Stichtag erlaubt und etwaige nachträgliche Manipulationen weitgehend ausschließt. Wie sich gleichfalls aus den Gesetzesmaterialien ergibt (vgl. BTDrucks 12/2480 a.a.O), hat sich der Gesetzgeber bei der Formulierung des § 4 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz Buchst. a VermG nicht zuletzt von dem Regelungsmotiv der Rechtssicherheit leiten lassen, die bei einer anderen als der vorstehenden Auslegung der Vorschrift nicht in gleicher Weise gewährleistet wäre, sondern Einbußen erleiden würde.

3. Bei dem Verkauf des umstrittenen Grundstücks am 30. Oktober 1989 handelte es sich um ein Geschäft zwischen Privatleuten. Zwar ist auf der Verkäuferseite neben der Klägerin auch der Rat der Stadt J. als staatlicher Verwalter des Grundstücksanteils des Klägers aufgetreten. Dieser hat jedoch das Geschäft nicht selbst betrieben. Den - allerdings nicht freiwilligen - Entschluß zum Verkauf des Grundstücks an die Beigeladenen hat vielmehr allein die Klägerin gefaßt, die damit dem Verkaufsverlangen des Rates des Kreises G. nachkam und die Voraussetzungen dafür schuf, daß sie mit staatlicher Genehmigung aus der DDR ausreisen konnte. Der Rat der Stadt J. ist lediglich dem Willen der Klägerin gefolgt, weil das Grundstück ohne seine Mitwirkung nicht an die Beigeladenen verkauft werden konnte. Er hat mithin seine Verfügungsberechtigung nicht, wie in § 4 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz Buchst. a VermG vorausgesetzt, eigenständig zugunsten der Beigeladenen ausgeübt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 3, § 159 Satz 1 und 2 VwGO i.V.m. § 100 ZPO.

Ende der Entscheidung

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