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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 25.10.2001
Aktenzeichen: BVerwG 7 C 27.00
Rechtsgebiete: VermG


Vorschriften:

VermG § 1 Abs. 1 Buchst. a
VermG § 1 Abs. 8 Buchst. a
VermG § 2 Abs. 1 Satz 1
VermG § 3 Abs. 1 Satz 1
Ein Vollzugsauftrag der sowjetischen Besatzungsmacht, der ihre Verantwortlichkeit auch für Enteignungen nach der Gründung der DDR begründet, setzt voraus, dass sie selbst die Anweisung oder jedenfalls den Anstoß zur Durchführung der Enteignung des Vermögenswertes gegeben hat.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 7 C 27.00

Verkündet am 25. Oktober 2001

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 25. Oktober 2001 durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Franßen und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel, Kley, Herbert und Neumann

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 4. Oktober 2000, der Bescheid des Landkreises W. vom 17. März 1992 und der Widerspruchsbescheid des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 14. März 1996 werden aufgehoben.

Der Beklagte wird verpflichtet, die Restitutionsberechtigung des Klägers hinsichtlich des Grundstücks F.straße 10 in W. festzustellen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

Gründe:

I.

Der Kläger, der im Jahr 1911 als Deutsche Gesellschaft für Kaufmannserholungsheime gegründet worden war, begehrt die Feststellung seiner Berechtigung zur Rückübertragung des bebauten Grundstücks F.straße 10 in W. nach den Vorschriften des Vermögensgesetzes (VermG). Er war Eigentümer des Grundstücks, auf dem er ein Erholungsheim unterhielt.

Im Jahr 1933 unterstellte sich der Kläger der Deutschen Arbeitsfront (DAF). Während der Zugehörigkeit zur DAF blieb er ein rechtlich selbständiger Verein und war auch weiterhin als Eigentümer im Grundbuch eingetragen.

Nach dem Krieg stand das Grundstück zunächst unter Sequester. Der örtliche Ausschuss für Sequestration und Beschlagnahme R. beantragte im Jahr 1946 die Freigabe des Grundstücks bei der Landeskommission mit der Begründung, dass die Voraussetzungen für eine Sequestrierung nicht vorlägen. Die Landeskommission beschloss Anfang 1947, die Sache wegen der interzonalen Bedeutung an die Zentrale Deutsche Kommission in Berlin zu verweisen; das Ferienheim wurde zunächst in die Liste S aufgenommen, in der Vermögenswerte aufgeführt waren, die vom Land amtlich verwaltet werden sollten.

In der Folgezeit machten die Sozialversicherungsanstalt Mecklenburg sowie der Rat des Kreises W. Ansprüche auf das Anwesen zum Zweck der Nutzung als Krankenhaus geltend. Ein Kauf- bzw. Pachtangebot der Sozialversicherungsanstalt lehnte der Kläger im Februar 1947 ab. Seit dem 1. Mai 1947 nutzte der Rat der Stadt W. das frühere Erholungsheim als Krankenhaus. In dem Mietvertrag, den der Rat des Kreises W. mit dem Rat der Stadt W. abgeschlossen hatte, war angegeben, dass die Nutzung auf der Grundlage der Sequestration und einstweiligen Verwaltung erfolgt. Mit Schreiben vom März 1947 meldete der Rat des Kreises W. das Grundstück nach den Befehlen Nr. 124 und 126 der sowjetischen Besatzungsmacht bei der Landesregierung Mecklenburg zur Nachsequestration mit der Begründung an, dass der Verein der Schutzherrschaft der DAF unterstanden habe. Eine Aufstellung der Sozialversicherungsanstalt Mecklenburg vom Mai 1948, in der die Grundstücke aufgeführt waren, die die Sozialversicherungsanstalt nach dem Befehl Nr. 44 vom 18. März 1948 der sowjetischen Besatzungsmacht für ihre Zwecke beanspruchte, enthielt auch das Grundstück des Klägers mit dem Vermerk "enteignet lt. Befehl 126" und dem handschriftlichen Zusatz "NS 126/anhang/nachmelden". Mit Schreiben vom 8. Februar 1949 teilte die Landesregierung Mecklenburg der Deutschen Wirtschaftskommission mit, dass das Grundstück auf einer Liste der NS-Vermögen geführt werde und als Rechtsträger die Sozialversicherungsanstalt Mecklenburg vorgesehen sei.

Im September 1951 wurde im Grundbuch "Eigentum des Volkes, Rechtsträger Rat des Kreises W." eingetragen; bis dahin war dort der Kläger als Eigentümer verzeichnet. Die Landesregierung hatte vor der Eintragung der Eigentumsänderung dem Grundbuchamt mitgeteilt, dass mit dem 1. Januar 1951 sämtliches NS-Vermögen in das Eigentum des Volkes überführt worden sei; zuvor habe das Grundstück in Treuhandschaft des Rates des Kreises W. gestanden.

Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 17. März 1992 die von dem Kläger beantragte Rückübertragung des Grundstücks gemäß § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG ab. Der Kläger sei auf besatzungshoheitlicher Grundlage enteignet worden. Den Widerspruch des Klägers wies das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen mit Bescheid vom 14. März 1996 zurück.

Das Verwaltungsgericht hat die hiergegen erhobene Klage mit Urteil vom 4. Oktober 2000 abgewiesen. Es hat sich ebenfalls auf den Standpunkt gestellt, dass das Grundstück auf besatzungshoheitlicher Grundlage enteignet worden sei (§ 1 Abs. 8 Buchst. a VermG). Zwar lasse sich eine vollständige und endgültige Verdrängung des Klägers aus seinem Eigentum bis zum Ende der Besatzungszeit nicht feststellen. Die staatlichen Stellen hätten bis zum 7. Oktober 1949 das Eigentum des Klägers nicht angetastet und weiterhin ein Treuhandverhältnis ausgeübt. Die Aufnahme in die Liste "NS-Vermögen" sei als lediglich verwaltungsinterner Vorgang dem Kläger gegenüber nicht zum Ausdruck gekommen. Erst die Grundbuchumschreibung im Jahr 1951 habe die Enteignung bewirkt. Sie sei gleichwohl noch der Verantwortung der Besatzungsmacht zuzurechnen. Es habe insoweit ein über das Ende der Besatzungszeit hinausreichender Vollzugsauftrag der sowjetischen Besatzungsmacht vorgelegen, der auf die Enteignung aller in der Liste "NS-Vermögen" aufgeführten Vermögenswerte gezielt habe. Ein konkreter Auftrag etwa im Sinne einer schriftlichen Anweisung der sowjetischen Besatzungsmacht zur Durchführung der Enteignung sei allerdings nicht feststellbar. Ein Vollzugsauftrag ergebe sich jedoch daraus, dass die Enteignung dieser Vermögen noch vor dem 7. Oktober 1949 unter der Oberhoheit der sowjetischen Besatzungsmacht und mit deren Billigung in Gang gesetzt worden sei.

Mit seiner gegen dieses Urteil gerichteten Revision begehrt der Kläger nur noch die Feststellung seiner Restitutionsberechtigung durch den Beklagten, nachdem das Grundstück von dem verfügungsberechtigten Landkreis mit Zustimmung des Klägers veräußert worden war. Seine Revision begründet der Kläger wie folgt: Ein fortdauernder Vollzugsauftrag der sowjetischen Besatzungsmacht zur Enteignung dieses Grundstücks habe nicht bestanden. Entsprechende Handlungen oder Verlautbarungen, aus denen sich ein solcher Auftrag ergebe, seien nicht feststellbar. Für eine Nacherfassung nach dem SMAD-Befehl Nr. 126 durch die Aufnahme des Grundstücks in eine Liste "NS-Vermögen" fehle es an einer Bestätigung der Liste durch die sowjetischen Behörden. Eine Enteignung des Grundstücks durch die Besatzungsmacht ergebe sich auch nicht aus dem Befehl Nr. 44 vom 18. März 1948. Denn dieser habe nur Vermögenswerte betroffen, die bereits in amtlichen Enteignungslisten erfasst gewesen seien. Zudem gehe der SMAD-Befehl Nr. 64 ausdrücklich von der Beendigung der Sequestration und Nacherfassung aus.

Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. Er vertritt die Auffassung, dass der Vermögensverlust bereits vor dem 7. Oktober 1949 durch den sowjetischen Befehl Nr. 126 eingetreten sei. Spätestens mit dem Schreiben der Landesregierung Mecklenburg vom 8. Februar 1949 an die Deutsche Wirtschaftskommission und einem weiteren Schreiben vom 3. März 1949 an den Rat des Kreises W. habe festgestanden, dass das Grundstück als NS-Vermögen erfasst gewesen sei, ohne dass sich die Besatzungsmacht oder eine deutsche Stelle eine weitere Überprüfung vorbehalten hätten. Dies habe bewirkt, dass der Kläger vollständig und endgültig aus seinem Eigentum verdrängt worden sei. Darüber hinaus sei der Eigentumsverlust durch die vom Verwaltungsgericht festgestellte Übertragung der Rechtsträgerschaft auf die Sozialversicherungsanstalt Mecklenburg vor dem 7. Oktober 1949 in der Rechtswirklichkeit greifbar zum Ausdruck gelangt. Davon abgesehen habe das Verwaltungsgericht auf der Grundlage seiner Auffassung zutreffend begründet, dass auch bei einer Enteignung erst im Jahr 1951 ein Vollzugsauftrag der sowjetischen Besatzungsmacht anzunehmen sei.

II.

Die Revision des Klägers ist begründet. Er ist aufgrund der entschädigungslosen Enteignung seines Grundstücks im Jahr 1951 Restitutionsberechtigter gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1, § 2 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Buchst. a VermG. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Restitutionsberechtigung durch § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG ausgeschlossen sei, verletzt Bundesrecht.

Nach § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG gilt das Vermögensgesetz nicht für Enteignungen von Vermögenswerten auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage. Dieser Ausnahmetatbestand ist nicht erfüllt. Das Grundstück des Klägers ist nicht auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage enteignet worden. Bis zum Ende der Besatzungszeit erfolgte, wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, keine Enteignung des Grundstücks (1). Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts beruhte die Enteignung im Jahr 1951 nicht auf einem konkreten Vollzugsauftrag der sowjetischen Besatzungsmacht (2). 1. Eine Enteignung des Grundstücks des Klägers erfolgte weder durch den SMAD-Befehl Nr. 126 vom 31. Oktober 1945 (a) noch durch die Aufnahme in die Liste "NS-Vermögen" (b) oder durch andere Maßnahmen in der Besatzungszeit(c).

a) Nach Nummer 1 des Befehls Nr. 126 war das Vermögen, das der NSDAP, ihren Organen und den ihr angeschlossenen Verbänden gehörte, zu konfiszieren. Der Befehl enthielt ein Verzeichnis der Organisationen, deren Vermögen der Konfiszierung unterlag. In diesem Verzeichnis war der Kläger nicht aufgeführt. Eine Enteignung ergab sich auch nicht daraus, dass unter Nr. 42 des Verzeichnisses die "Deutsche Arbeitsfront" (DAF) genannt war, der sich der Kläger im Jahr 1933 unterstellt hatte. Mit dem SMAD-Befehl Nr. 126 sollte das Parteivermögen der NSDAP und das Vermögen von NS-Organisationen erfasst werden, die durch das Gesetz Nr. 2 des Alliierten Kontrollrates vom 10. Oktober 1945 (ABl KRD S. 19) aufgelöst worden waren; demgemäß stimmte das angefügte Verzeichnis weitgehend mit dem Verzeichnis der aufgelösten Nazi-Organisationen des Gesetzes Nr. 2 des Alliierten Kontrollrates überein. Zu den durch das Kontrollratsgesetz aufgelösten Organisationen gehörte der Kläger nicht, da er auch während der Zugehörigkeit zur DAF seine rechtliche Selbständigkeit behalten hatte. Auch war das Grundstück des Klägers nicht Teil des Vermögens der DAF. Ob dies anders zu beurteilen wäre, wenn trotz formaler rechtlicher Selbständigkeit und fortbestehenden Eigentums des Klägers sämtliche mit dem Eigentum verbundenen Befugnisse faktisch auf die DAF übergegangen wären, bedarf keiner Klärung. Denn nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts war der Kläger während seiner Zugehörigkeit zur DAF nicht gehindert, seine Vermögenswerte zu nutzen und die Erträge daraus zu ziehen. Es sind auch sonst keine tatsächlichen Umstände ersichtlich, aus denen sich ergeben würde, dass die Besatzungsmacht auch das Vermögen des Klägers durch den Befehl Nr. 126 erfassen wollte. Im zeitlichen Zusammenhang mit dem Befehl, der in Nummer 2 die Verpflichtung zur Meldung des entsprechenden Vermögens "nicht später als am 15. November 1945" vorsah, ist kein Zugriffsakt festzustellen, der dies erkennbar gemacht hätte. Ganz im Gegenteil wurde das Grundstück noch im Februar 1947 von der Landeskommission für Sequestrierung und Beschlagnahme in die Liste S aufgenommen. In dieser Liste wurden Vermögenswerte geführt, die in die amtliche Verwaltung des Landes genommen wurden und über deren Enteignung oder Rückgabe abschließend noch entschieden werden musste.

Eine Enteignung des Grundstücks hat auch nicht auf der Grundlage des SMAD-Befehls Nr. 124 vom 30. Oktober 1945 stattgefunden. Der Befehl Nr. 124 sah im Unterschied zu dem Befehl Nr. 126 keine Konfiszierung des Vermögens, sondern nur eine Sequestration und zeitweilige Verwaltung vor. Über die Enteignung sequestrierter Vermögenswerte wurde durch die Aufnahme des Vermögenswertes in die Liste A (Enteignungen) entschieden. Das Grundstück des Klägers ist offensichtlich zunächst auf der Grundlage des Befehls Nr. 124 sequestriert worden. Eine Enteignung des Grundstücks durch die Aufnahme in die Liste A ist jedoch weder nach § 2 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 4 des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 16. August 1946 (Amtsblatt der Landesverwaltung 1946, S. 98) noch nach dem SMAD-Befehl Nr. 64 vom 17. April 1948 erfolgt.

b) Eine Enteignung auf besatzungshoheitlicher Grundlage ist auch nicht dadurch bewirkt worden, dass die Landesregierung Mecklenburg das Grundstück des Klägers im Februar 1949 in eine Liste des NS-Vermögens aufnahm. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts diente die Aufnahme in die Liste (lediglich) der Vorbereitung einer Vermögensentziehung. Nach dieser Feststellung, die der Beklagte nicht mit einer Verfahrensrüge als Gegenrüge angegriffen hat und an die der Senat deshalb gebunden ist, kam der Listenaufnahme noch keine enteignende Wirkung zu. Dies wird dadurch bestätigt, dass die Landesregierung Mecklenburg noch im Jahr 1951 in einem Schreiben an das Grundbuchamt mitteilte, dass das Grundstück des Klägers (erst) mit dem 1. Januar 1951 als NS-Vermögen in Volkseigentum überführt worden sei und das Grundstück "vorher in Treuhandschaft des Rates des Kreises W." gestanden habe.

Davon abgesehen war es für den Kläger auch nicht erkennbar, dass sein Grundstück in die genannte Liste aufgenommen worden war. Wie das Verwaltungsgericht festgestellt hat, ist diese Aufnahme ein verwaltungsinterner Vorgang geblieben. Damit fehlt es an Umständen, die eine Vermögensentziehung für den Eigentümer in der Rechtswirklichkeit greifbar zum Ausdruck brachten (vgl. dazu Urteil vom 28. Januar 1999 - BVerwG 7 C 10.98 - Buchholz 428 § 1 Abs. 8 VermG Nr. 1 S. 3).

c) Entgegen der Auffassung des Beklagten ergibt sich eine Enteignung auch nicht aus der Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass "das Grundstück ... zunächst durch die Landesregierung nach dem SMAD-Befehl Nr. 44 der Landesversicherungsanstalt als Rechtsträger übertragen wurde". Es kann dahingestellt bleiben, ob die Rechtsentwicklung Anfang des Jahres 1949 schon einen Stand erreicht hatte, der es erlaubte, von Volkseigentum als neuer Eigentumsform zu sprechen und insbesondere den Schluss von einer Rechtsträgerschaft auf zuvor begründetes Volkseigentum zu ziehen (zum Stand der seinerzeitigen Rechtsentwicklung vgl. Barth, NJ 1948, 144). Die Ausstellung einer Rechtsträgerurkunde (für den Rat des Kreises W.) erstmals im Jahr 1951 spricht dafür, dass die Übertragung der Rechtsträgerschaft an die Sozialversicherungsanstalt im Frühjahr 1949 nur im Sinne der Einräumung eines Nutzungsrechts zu verstehen war, um das sich zuvor der Rat des Kreises W. und die Sozialversicherungsanstalt bemüht hatten. Dementsprechend ist auch das Verwaltungsgericht trotz der eingangs zitierten Feststellung davon ausgegangen, dass bis zum Ende der Besatzungszeit keine Enteignung des Grundstücks stattfand.

Ebenso wenig ergibt sich eine Enteignung aus dem Befehl Nr. 44 vom 18. März 1948 und aus der Anordnung der Deutschen Wirtschaftskommission vom 15. September 1948, die die Übertragung von Erholungsheimen, Sanatorien und Hilfswirtschaften an die Organe der Sozialversicherung oder an den FDGB betraf (Zentralverordnungsblatt 1948, S. 131 und 445). Beide Anordnungen sahen selbst keine Enteignung vor, sondern befassten sich mit der Verteilung bereits enteigneter Grundstücke und Gebäude zur Nutzung als Erholungsheime und Sanatorien. Dies gilt in gleicher Weise für die - im verwaltungsinternen Bereich gebliebene - Liste der Sozialversicherungsanstalt Mecklenburg. Sie erfasste die Grundstücke, welche die Sozialversicherungsanstalt für ihre Zwecke bei der Verteilung beanspruchte. In dieser Liste war auch das Grundstück des Klägers mit dem Vermerk "enteignet lt. Befehl Nr. 126" sowie dem handschriftlichen Zusatz "NS 126/anhang/nachmelden" aufgeführt.

Eine Verdrängung des Klägers aus seinem Eigentum lässt sich auch nicht aus dem Umstand herleiten, dass das Erholungsheim durch den Rat der Stadt W. seit dem 1. Mai 1947 als Krankenhaus genutzt wurde. Grundlage dieser Nutzung war nicht eine - enteignende - Inanspruchnahme des Objekts; aus dem Mietvertrag zwischen dem Rat des Kreises W. und dem Rat der Stadt W. ergibt sich vielmehr, dass die Nutzung auf der Grundlage der "einstweiligen Verwaltung" des Grundstücks erfolgte.

2. Die im Jahr 1951 vorgenommene Enteignung des Grundstücks beruhte nicht auf besatzungshoheitlicher Grundlage (§ 1 Abs. 8 Buchst. a VermG). Ein Vollzugsauftrag der Besatzungsmacht, der deren Verantwortlichkeit für die Enteignung begründet hätte, bestand nicht.

Enteignungen nach der Gründung der DDR können ausnahmsweise noch von der Verantwortung der Besatzungsmacht gedeckt sein und deshalb auf besatzungshoheitlicher Grundlage beruhen, wenn sich aus Verlautbarungen oder Handlungen der Besatzungsmacht ein das Ende der Besatzungszeit überdauernder Auftrag der Besatzungsmacht zur Durchführung von Enteignungen ergibt, die von ihr selbst eingeleitet und sowohl gegenständlich wie sachlich vorgeformt waren. Erforderlich ist ein über die Besatzungszeit hinausreichender konkreter Vollzugsauftrag (Urteil vom 2. August 2001 - BVerwG 7 C 26.00 - m.w.N.).

Es bedarf danach einer Anweisung oder zumindest eines "Anstoßes" der Besatzungsmacht zur Durchführung der Enteignung des betreffenden Objekts. Typischer Anwendungsfall eines Vollzugsauftrags ist eine schriftliche Anweisung der sowjetischen Behörden (Beschluss vom 5. März 1998 - BVerwG 7 B 345.97 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 143 S. 440). Ein Vollzugsauftrag kann sich aber auch konkludent aus bestimmten Handlungen der sowjetischen Behörden ergeben, sofern diese hinreichend deutlich den Willen zur Durchführung der Enteignung zum Ausdruck bringen. In der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist ein konkreter Vollzugsauftrag in dem schriftlichen Verlangen der Besatzungsmacht, "anteilsenteignete" Unternehmen vollständig in Volkseigentum zu überführen (Beschluss vom 5. März 1998 - BVerwG 7 B 345.97 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 143 S. 439 f.), in dem Auftrag, über die Enteignung oder Rückgabe bestimmter, listenmäßig erfasster Vermögenswerte eine Entscheidung zu treffen (Urteil vom 13. Februar 1995 - BVerwG 7 C 53.94 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 38 S. 80 f.), und in der maßgeblichen Einflussnahme des sowjetischen Stadtkommandanten auf den Inhalt einer Enteignungsliste (Beschluss vom 11. Dezember 1996 - BVerwG 7 B 294.96 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 97 S. 302) gesehen worden.

An einem solchen Tätigwerden der Besatzungsmacht fehlt es hier. Für eine ausdrückliche Bestätigung der Liste "NS-Vermögen" durch sowjetische Behörden oder sonstige Erklärungen oder Handlungen der Besatzungsmacht, aus denen sich ein Vollzugsauftrag ergeben könnte, ist nichts ersichtlich. Die Vorbereitung der Enteignung durch deutsche Stellen in der Besatzungszeit rechtfertigt auch dann nicht die Annahme eines Vollzugsauftrags der Besatzungsmacht, wenn diese der Besatzungsmacht nicht verborgen geblieben sein kann und deshalb der Schluss auf deren Billigung gerechtfertigt ist. Aus Willensäußerungen deutscher Stellen kann sich ein Vollzugsauftrag allenfalls unter der Voraussetzung ergeben, dass die Besatzungsmacht deutschen Stellen eine hinreichend deutliche Ermächtigung erteilt hatte, zur Durchführung eines bestimmten Befehls Richtlinien und entsprechende Maßnahmen zu erlassen (Urteil vom 28. Januar 1999 - BVerwG 7 C 10.98 - Buchholz 428 § 1 Abs. 8 VermG Nr. 1 S. 5/6, in dem diese Frage keiner Entscheidung bedurfte). Eine vergleichbare Ermächtigung war hier von der Besatzungsmacht nicht erteilt worden. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO.



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