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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 25.10.2001
Aktenzeichen: BVerwG 7 C 3.01
Rechtsgebiete: VermG


Vorschriften:

VermG § 1 Abs. 2
1. Zur Überschuldung eines Grundstücks im Sinne des § 1 Abs. 2 VermG tragen auch solche Verbindlichkeiten bei, welche der Eigentümer vor der Erklärung seines Eigentumsverzichts abgelöst hatte, um die Voraussetzungen für eine spätere Genehmigung dieses Verzichts zu schaffen.

2. Die Anwendung des § 1 Abs. 2 VermG ist nicht schon deswegen ausgeschlossen, weil die Überschuldung auch auf vor Gründung der DDR aufgenommenen Belastungen beruht, die der Erwerber des Grundstücks unter Anrechnung auf den Kaufpreis übernommen hat.


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 7 C 3.01

Verkündet am 25. Oktober 2001

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 25. Oktober 2001 durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Franßen und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel, Kley, Herbert und Neumann

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 6. März 2000 wird aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt aus abgetretenem Recht die vermögensrechtliche Rückübertragung des Grundstücks Z.straße 42 in C.

Das 460 m² große Grundstück ist mit einem 1911 errichteten Wohn- und Geschäftshaus bebaut. Der Einheitswert des Grundstücks betrug 54 700 M; der Hauszinssteuerabgeltungsbetrag in Höhe von 19 300 M war getilgt. Im Jahre 1956 kaufte die Rechtsvorgängerin des Klägers das Grundstück. Es war seinerzeit mit zwei Hypotheken über 15 750 M und 20 000 M belastet. Die erste war 1930, die zweite im Oktober 1949 bestellt worden. Die Erwerberin übernahm sie unter Anrechnung auf den Kaufpreis. Sie bestellte ferner eine Restkaufgeldhypothek in Höhe von 13 000 M. Ende 1972/Anfang 1973 löste sie als Eigentümerin die drei Hypotheken ab. Zu diesem Zeitpunkt bestanden Aufbaugrundschulden in Höhe von noch 5 624,99 M. Im Juni 1973 erklärte sie den Verzicht auf ihr Eigentum. Nach dessen Genehmigung wurde das Grundstück in Volkseigentum überführt.

Im Juni 1991 beantragte die Rechtsvorgängerin des Klägers die vermögensrechtliche Rückübertragung des Grundstücks. Der Beklagte lehnte den Antrag ab: Der Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 2 VermG sei nicht erfüllt. Das Grundstück sei im Zeitpunkt des Eigentumsverzichts nicht überschuldet gewesen.

Die Antragstellerin legte Widerspruch ein. Sodann trat sie ihren Restitutionsanspruch an den Kläger ab. Der 80 000 DM betragende Kaufpreis ist zu zahlen, wenn ein Restitutionsbescheid zugunsten des Klägers ergangen und das Grundbuch zu seinen Gunsten berichtigt ist. Der Kläger führte das Widerspruchsverfahren im eigenen Namen weiter. Das Sächsische Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen wies den Widerspruch zurück.

Der Kläger hat Klage erhoben. Er hat beantragt, den Beklagten zu verpflichten, ihm - dem Kläger - das streitige Grundstück zurückzuübertragen. Er hat unter Vorlage eines Gutachtens geltend gemacht: Im Zeitpunkt des Eigentumsverzichts seien Instandsetzungen unabweisbar notwendig gewesen, darunter eine Erneuerung des Daches. Als Verbindlichkeiten seien neben den Aufbaugrundschulden die Hypotheken privater Gläubiger zu berücksichtigen, welche die Eigentümerin vor ihrem Verzicht abgelöst habe. Hierzu seien Eigentümer nach der ständigen Verwaltungspraxis verpflichtet gewesen.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen: Das Grundstück sei im Zeitpunkt des Eigentumsverzichts nicht überschuldet gewesen. Dem Zeitwert des Grundstücks hätten als dingliche Belastungen nur die Aufbaugrundschulden gegenüber gestanden. Die Restkaufgeldhypotheken hätten im Zeitpunkt des Eigentumsverzichts nicht mehr valutiert. Sie seien deshalb in die Schuldenbilanz nicht einzubeziehen. Unerheblich sei der Grund, aus dem die Eigentümerin die Kredite zurückgezahlt habe. Zu berücksichtigen seien ferner Kosten von insgesamt 22 436,75 M für unaufschiebbar notwendige Instandsetzungen. Hierzu gehörten Reparaturen am Dach nicht. Das vorgelegte Gutachten sei nicht geeignet, einen solchen Reparaturbedarf zu erläutern. Es enthalte keine konkreten Feststellungen zum Zustand des Daches im Jahr 1973, sondern unterstelle die Notwendigkeit seiner Reparatur hypothetisch auf der Grundlage erst später, nämlich 1984 und 1987 erstatteter Gutachten. Es sei nicht erkennbar, dass die Ursachen der dort beschriebenen Schäden bereits 1973 flächenhaft und damit örtlich nicht eingrenzbar zu wirken begonnen hätten.

Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter: Das Grundstück sei zum Zeitpunkt des Eigentumsverzichts überschuldet gewesen. Das Verwaltungsgericht hätte die abgelösten Hypotheken ebenfalls berücksichtigen müssen. Anderenfalls wäre die Restitution in Fällen objektiver Überschuldung immer dann ausgeschlossen, wenn der Eigentümer diese Überschuldung unmittelbar vor dem Eigentumsverzicht durch Eigen- oder Fremdmittel zurückgeführt habe, um überhaupt eine Übernahme in Volkseigentum zu erreichen. Das Verwaltungsgericht habe ferner seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts verletzt, soweit es Kosten für notwendige Reparaturen am Dach nicht berücksichtigt habe. In dem hierzu vorgelegten Gutachten habe der Sachverständige Schlussfolgerungen aus 1984 und 1987 festgestellten Schäden auf den baulichen Zustand des Daches im Zeitpunkt des Eigentumsverzichts gezogen. Das Verwaltungsgericht habe weder den Sachverständigen zur Möglichkeit solcher Rückschlüsse befragt noch dargelegt, wieso es diese Möglichkeit aus eigener Fachkunde ausschließen könne.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil: Nach Aktenlage sei das Dach 1961 erneuert worden. Deshalb sei nicht nachvollziehbar, dass nur 12 Jahre später weitere Reparaturen mit dem behaupteten Aufwand erforderlich gewesen seien. Die abgelösten Hypotheken könnten selbst dann nicht berücksichtigt werden, wenn sie im Zeitpunkt des Eigentumsverzichts noch bestanden hätten. Diese Belastungen hätten nicht auf den Niedrigmieten der DDR beruht. Die Erwerberin habe sie zur Sicherung des Kaufpreises übernommen oder bestellt. Der Restitutionsanspruch sei nicht wirksam an den Kläger abgetreten. Die Abtretung sei sittenwidrig. Zwischen der Leistung und der Gegenleistung bestehe ein Missverhältnis. Das Grundstück habe einen Verkehrswert von 700 000 DM. Die Einnahmen aus Vermietung beliefen sich auf 160 000 DM.

II.

Die Revision des Klägers ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht.

Das Verwaltungsgericht hat bei seiner Prüfung, ob die Voraussetzungen des in § 1 Abs. 2 VermG geregelten Schädigungstatbestandes vorliegen, diejenigen Hypotheken unberücksichtigt gelassen, welche die Eigentümerin vor der Erklärung ihres Eigentumsverzichts abgelöst hatte. Ein solches Vorgehen ist mit § 1 Abs. 2 VermG nicht vereinbar (1). Das Verwaltungsgericht hat des Weiteren unter Verstoß gegen § 86 Abs. 1 VwGO nicht ausreichend aufgeklärt, welche Aufwendungen im Zeitpunkt des Eigentumsverzichts für Instandsetzungsmaßnahmen unaufschiebbar notwendig waren (2). Für eine abschließende Entscheidung in der Sache reichen die bisher getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht aus (3). Da sich das Urteil des Verwaltungsgerichts auch nicht aus anderen Gründen als richtig erweist (4), muss es nach § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO aufgehoben und der Rechtsstreit zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen werden.

1. Zu den dem Grundstück zuzuordnenden Verbindlichkeiten, die zur Feststellung einer Überschuldung im Sinne von § 1 Abs. 2 VermG dem Wert der Immobilie zum Zeitpunkt des Eigentumsverzichts gegenüberzustellen sind, gehören auch die Hypotheken, welche die Eigentümerin Ende 1972/Anfang 1973 abgelöst hatte.

a) Ein solcher Verzicht war nach dem Recht der DDR bei Grundstücken ein mehraktiger Tatbestand. Er umfasste nicht nur die Erklärung des Verzichts nach § 928 Abs. 1 BGB oder später nach § 310 Abs. 1 ZGB, sondern bedurfte nach § 2 Abs. 1 der Verordnung über den Verkehr mit Grundstücken - Grundstücksverkehrsverordnung - vom 11. Januar 1963 (GVVO) auch einer staatlichen Genehmigung. Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 GVVO entstand durch die Genehmigung und die Eintragung des Verzichts im Grundbuch Volkseigentum. Die auf dem Grundstück ruhenden Belastungen erloschen (§ 12 Abs. 1 Satz 2 GVVO i.V.m. § 9 Abs. 2 Buchst. b Halbsatz 1 GVVO). Die Gläubiger waren aus dem Staatshaushalt zu befriedigen, jedoch nicht über den Wert des Grundstücks hinaus (§ 12 Abs. 3 GVVO; später § 310 Abs. 2 ZGB). Vor Übernahme eines Grundstücks in Volkseigentum forderten die Behörden der DDR deshalb regelmäßig, ein belastetes Grundstück aus eigenen Mitteln zu entschulden. Volkseigentum durch Genehmigung des Verzichts wurde regelmäßig nur dann begründet, wenn das Grundstück schuldenfrei war (vgl. auch die Begründung zu § 1 Abs. 2 im Entwurf eines Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes, BTDrucks 12/2480 S. 38).

Löste der Eigentümer aus diesem Grund dinglich gesicherte Forderungen ab, war die dadurch bewirkte Entschuldung des Grundstücks Teil des Verzichts auf das Eigentum. Sie sollte diesen Verzicht erst ermöglichen. Die zeitliche Reihenfolge ist unerheblich. Die Entschuldung des Grundstücks ist auch dann Teil des Eigentumsverzichts, wenn der Eigentümer in Kenntnis der Genehmigungsvoraussetzungen und der Praxis ihrer Erteilung schon vor der Erklärung seines Verzichts das Grundstück entschuldet hatte. Es kommt nicht darauf an, ob das zuständige staatliche Organ bereits konkret von dem Eigentümer verlangt hatte, die privaten Gläubiger zu befriedigen. Eine durch Überschuldung entstandene Zwangslage wird als Motiv für den Eigentumsverzicht nicht dadurch beseitigt, dass der Eigentümer schon vor Erklärung seines Eigentumsverzichts das Grundstück "freiwillig" schuldenfrei machte, um überhaupt auf sein Eigentum verzichten zu "dürfen". Werden - wie hier - dinglich gesicherte Forderungen privater Gläubiger in engem zeitlichen Zusammenhang mit einer nachfolgenden Verzichtserklärung und außerhalb der vereinbarten Konditionen in einer Summe abgelöst, liegt auf der Hand, dass der Eigentümer mit der Ablösung der Hypotheken die Voraussetzungen für eine spätere Genehmigung seines Eigentumsverzichts schaffen wollte. Der mit einer solchen Ablösung verbundene Entschuldungseffekt führt also nicht dazu, dass das Grundstück in einem der Ablösung entsprechenden Umfang erneut als Kreditunterlage zur Verfügung steht.

b) Umgekehrt können auf diese Weise abgelöste Hypotheken im Rahmen des in § 1 Abs. 2 VermG geregelten Schädigungstatbestandes nur in dem Maße Berücksichtigung finden, wie dies bei einem Fortbestand dieser Grundpfandrechte, also ohne ihre Ablösung, der Fall gewesen wäre. Nach Sinn und Zweck der genannten Vorschrift sind bei Prüfung der Frage, ob eine eingetretene oder unmittelbar bevorstehende Überschuldung kausal auf nicht kostendeckenden Mieten beruht, nur solche Belastungen zu berücksichtigen, die entweder aus der Zeit vor der Gründung der DDR (Altbelastungen) herrührten oder dazu dienten, das Grundstück zum vertragsgemäßen Gebrauch zu erhalten (BVerwG, Urteil vom 11. Februar 1999 - BVerwG 7 C 4.98 - BVerwGE 108, 281, 287).

Danach kann im vorliegenden Fall in die Kausalitätsbetrachtung nicht die Hypothek über 13 000 M einbezogen werden, welche die Eigentümerin 1956 bei Erwerb des Grundstücks bestellt hatte. Diese Hypothek sicherte die Kaufpreisforderung des Veräußerers, soweit der Kaufpreis nicht in bar oder durch Verrechnung mit den bestehenden Hypotheken beglichen wurde. Hingegen sind die beiden anderen Hypotheken zu berücksichtigen. Es handelt sich um Altverbindlichkeiten aus der Zeit vor der Gründung der DDR. Bei derartigen Altbelastungen kommt es nicht darauf an, welchem Zweck sie gedient haben. Der Eigentümer hielt sich bei ihrer Begründung im Rahmen der seinerzeitigen marktüblichen Verhältnisse, die es erlaubten, Grundstücke auch zu grundstücksfremden Zwecken zu belasten. Dass solche Altbelastungen zu Zeiten der DDR die Überschuldung beschleunigten, kann dem Eigentümer nicht zugerechnet werden. Denn erst mit dem Einsetzen der ideologisch vorgegebenen Niedrigmietenpolitik wurde offenbar, dass derjenige, der sein Eigentum so lange wie möglich erhalten wollte, dies nicht durch Fremdbelastungen gefährden durfte (BVerwGE 108, 281, 287).

An der Richtigkeit dieser Überlegung ändert sich nichts, wenn nach Gründung der DDR ein Erwerber die Altbelastungen unter Anrechnung auf den Kaufpreis übernahm. Durch die bloße Übernahme vorhandener Altbelastungen setzte er das Grundstück nicht zusätzlichen Gefährdungen aus. Er beschleunigte nicht eine Überschuldung des Grundstücks durch Belastungen, die nicht kausal auf die Mietenpolitik der DDR zurückzuführen waren. Der Erwerber übernahm ein Grundstück, das infolge von Fremdbelastungen bereits in seiner Erhaltungsfähigkeit gefährdet war. Realisierte sich diese Gefährdung, wenn später weitere Belastungen hinzutraten, die ihre Ursache in der Mietenpolitik der DDR hatten, beruhte die dann eingetretene Überschuldung insgesamt auf solchen Belastungen, die kausal auf die Mietenpolitik der DDR zurückzuführen waren.

Dem Erwerber kann nicht zum Vorwurf gemacht werden, er habe das Grundstück dadurch zusätzlichen Gefährdungen ausgesetzt, dass er es bei Erwerb durch die Übernahme bestehender Verbindlichkeiten unter Anrechnung auf den Kaufpreis als Kreditgrundlage für den Erwerb des Grundstücks eingesetzt habe. Diese Wertung ist nicht gerechtfertigt. Der Veräußerer schuldet dem Erwerber die Verschaffung lastenfreien Eigentums. Kann der Veräußerer dem Erwerber kein lastenfreies Eigentum verschaffen, ist das Grundstück weniger wert. Weil er nur ein belastetes Grundstück erhält, muss der Erwerber einen geringeren Kaufpreis entrichten. Dies findet in der Anrechnung bestehender Belastungen auf den Kaufpreis seinen sinnfälligen Ausdruck.

Dem Erwerber wird auch nicht angesonnen, das Grundstück durch Ablösung der bestehenden Grundpfandrechte zu entschulden. Mit dem Erwerb übergegangene Belastungen sind bei der Prüfung, ob die Überschuldung auf nicht kostendeckenden Mieten beruhte, beim Erwerber im Regelfall nicht anders zu berücksichtigen als bei seinem Rechtsvorgänger. Der Schädigungstatbestand bietet keinen Ansatz für eine Unterscheidung danach, ob eine solcherart verursachte Überschuldung vollständig während der Zeit eingetreten ist, in welcher der verzichtende Eigentümer das Grundstück gehalten hat, oder ob die Verschuldung teilweise schon eingetreten war, während ein Voreigentümer das Grundstück hielt.

c) Der Senat kann offen lassen, ob etwas anderes dann gilt, wenn die übernommenen Verbindlichkeiten bereits im Zeitpunkt des Erwerbs den Grundstückswert erschöpften und der Erwerber das Grundstück nicht über längere Zeit in gebrauchsfähigem Zustand erhielt. Hat ein Eigentümer in der DDR kurz vor seinem Eigentumsverzicht ein überschuldetes Grundstück erworben, könnte dies ähnlich zu bewerten sein wie der Erwerb eines bebauten Grundstücks, das in hohem Maße reparaturbedürftig war und auf das der Eigentümer nur unerhebliche Zeit nach seinem Erwerb verzichtet hat. Für diesen Fall hat das Bundesverwaltungsgericht angenommen, der Ursachenzusammenhang zwischen der Mietenpolitik der DDR sowie der daraus resultierenden Überschuldung eines Grundstücks fehle (Urteil vom 28. März 2001 - BVerwG 8 C 4.00 - VIZ 2001, 549). Ein damit vergleichbarer Sachverhalt ist hier nicht gegeben.

2. Aufgrund der Gleichstellung der unmittelbar bevorstehenden Überschuldung mit der eingetretenen Überschuldung hatte das Verwaltungsgericht ferner fiktiv diejenigen Verbindlichkeiten zu berücksichtigen, die im Zeitpunkt des Eigentumsverzichts für Instandsetzungsmaßnahmen zur Sicherung der bestimmungsgemäßen Nutzbarkeit der Immobilie unaufschiebbar notwendig gewesen waren, aber von der Eigentümerin aufgrund der ökonomischen Zwangslage unterlassen wurden (BVerwG, Urteil vom 16. März 1995 - BVerwG 7 C 39.93 - BVerwGE 98, 87, 90).

Zu diesen Maßnahmen hat das Verwaltungsgericht nicht die Dachdeckerarbeiten gerechnet, deren Notwendigkeit der Kläger behauptet hatte. Die in diesem Zusammenhang gebotenen tatsächlichen Ermittlungen hat es unterlassen. Die hierfür gegebene Begründung trägt nicht. Der Kläger hatte seine Behauptung ausreichend substantiiert.

Der Kläger hatte ein Gutachten zur Substantiierung seines Vortrags vorgelegt. Es enthielt zwar selbst keine konkreten Feststellungen zum Zustand des Daches im Jahre 1973, wie das Verwaltungsgericht zutreffend bemerkt. Solche Feststellungen konnte der Gutachter naturgemäß nicht mehr treffen. Er hat seine Aussagen zum Zustand des Daches und zu dessen Reparaturbedürftigkeit schon im Jahre 1973 aus Gutachten hergeleitet, die der damalige Rechtsträger 1984 und 1987 eingeholt hatte. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts hat der Gutachter die Reparaturbedürftigkeit nicht hypothetisch unterstellt. Er hat vielmehr unter Hinweis auf seine Sachkunde aus den 1984 und 1987 festgestellten Baumängeln die Schlussfolgerung gezogen, bei einem solchen Schadensbild müssten die Ursachen bereits im Jahre 1973 angelegt und erkennbar gewesen sein. Sie hätten bereits damals eine Reparatur des Daches erforderlich gemacht, um ein Weiterfressen der Schadensursachen zu verhindern. Das Verwaltungsgericht legt nicht dar, dass es aufgrund eigener Sachkunde ausschließen konnte, ein entsprechend sachkundiger Gutachter könne aus einer Bauzustandsbeschreibung späterer Jahre Rückschlüsse auf das Vorhandensein und die Erkennbarkeit der Schadensursachen zu einem früheren Zeitpunkt ziehen. Das Verwaltungsgericht hat auch nicht dargelegt, die Bauzustandsbeschreibungen ließen hier solche Rückschlüsse nicht zu. Der Hinweis des Verwaltungsgerichts auf den Schriftwechsel mit dem seinerzeitigen Hausverwalter von Ende 1969/Anfang 1970 führt ebenfalls nicht weiter. In diesem Schriftwechsel ist zwar von einem Schädlings- und Schwammbefall nicht die Rede, wie er in den Gutachten aus den Jahren 1984 und 1987 festgestellt wurde. Das vom Kläger vorgelegte Gutachten behauptet aber auch nicht, der Schädlings- und Schwammbefall sei bereits 1973 vorhanden gewesen. Es behauptet nur, die Ursachen für den später festgestellten Schwamm- und Schädlingsbefall, nämlich eine zur Reparatur des gesamten Daches zwingende Undichtigkeit, müssten bereits 1973 vorgelegen haben.

3. Ob das Grundstück überschuldet war und diese Überschuldung gegebenenfalls auf nicht kostendeckenden Mieten beruhte, hängt auf der anderen Seite davon ab, ob die dem Grundstück zuzuordnenden Verbindlichkeiten dessen Zeitwert überschritten.

Zum Zeitwert des Grundstücks hat das Verwaltungsgericht keine abschließenden Feststellungen getroffen. Es hat unterschiedliche Kenngrößen für einen allenfalls noch möglichen Einsatz des Grundstücks als Sicherungsmittel für weitere Kredite angenommen. Zwischen diesen unterschiedlichen Beträgen brauchte das Verwaltungsgericht sich nicht zu entscheiden, weil bei seiner Annahme einer nur geringen Verschuldung des Grundstücks keine dieser verschiedenen Wertgrenzen überschritten war.

Der Senat kann nicht vereinfachend auf den Einheitswert des Grundstücks zurückgreifen. Erfahrungsgemäß lag der Zeitwert von Mietwohngrundstücken in der DDR meist etwas über dem Einheitswert. Kredite wurden daher üblicherweise höchstens bis zum Einheitswert bewilligt (BVerwG, Urteil vom 16. März 1995 - BVerwG 7 C 39.93 - BVerwGE 98, 87, 98 f.). Lagen die Verbindlichkeiten deutlich unterhalb des Einheitswertes, konnten sie daher keine Überschuldung des Vermögenswertes begründen, es sei denn, der bauliche Zustand des Grundstücks war derart schlecht, dass der Zeitwert wesentlich unter dem Einheitswert lag. Auf der anderen Seite begründeten Verbindlichkeiten, die den Einheitswert erheblich überstiegen, mangels anderer Anhaltspunkte die Annahme einer Überschuldung, weil dann die generell übliche Beleihungsgrenze in jedem Fall überschritten war.

Die derzeit feststellbare Verschuldung des Grundstücks weicht weder nach oben noch nach unten deutlich von dem Einheitswert ab. Ohne Klärung der berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten lässt sich eine Überschuldung deshalb noch nicht sicher feststellen. Unklar ist zum einen, ob die behaupteten Aufwendungen für eine Reparatur des Daches unaufschiebbar notwendig waren. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht keine eigenen Feststellungen dazu getroffen, in welcher Höhe die beiden übernommenen Althypotheken bei ihrer Ablösung noch valutierten. Die Eigentümerin hat sie nicht zum Nennbetrag abgelöst. Das lässt nicht den Rückschluss zu, die Hypotheken hätten nicht mehr in Höhe des Nennbetrags bestanden. Nach Aktenlage ist es möglich, dass die Gläubiger der Eigentümerin aus Anlass der Ablösung dieser Hypotheken einen Nachlass gewährt haben.

Das Verwaltungsgericht hat schließlich keine Feststellungen dazu getroffen, ob nach der Praxis der Kreditinstitute in der DDR dem festgesetzten Einheitsbetrag der Hauszinssteuerabgeltungsbetrag hinzugerechnet wurde, wenn dieser abgelöst war, der Hauszinssteuerabgeltungsbetrag also nicht mehr als öffentliche Last auf dem Grundstück ruhte. Dies ist eine Frage der tatsächlichen Beleihungspraxis und damit eine Frage, deren Klärung dem Tatsachengericht vorbehalten ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. Oktober 1999 - BVerwG 7 B 130.99 - Buchholz 428 § 1 Abs. 2 VermG Nr. 3).

4. Das Urteil des Verwaltungsgerichts erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Die Beklagte hat zwar im Revisionsverfahren geltend gemacht, der Kläger sei auch deshalb nicht Berechtigter im Sinne des § 2 Abs. 1 VermG, weil die ihm gegenüber erfolgte Abtretung des Restitutionsanspruchs wegen eines auffälligen Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung gemäß § 138 Abs. 2 BGB als sittenwidrig angesehen werden müsse. Der Senat kann hierüber nicht befinden, weil das Verwaltungsgericht nähere Feststellungen zum Verkehrswert des Grundstücks im Zeitpunkt der Abtretung nicht getroffen hat. Ebenso fehlt es an Feststellungen zu den subjektiven Voraussetzungen eines Verstoßes gegen die guten Sitten (zu den jeweiligen Maßstäben vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 1996, VIII ZR 233/95 - VIZ 1997, 105 <106>). Das Verwaltungsgericht wird auch hier die bislang fehlende Sachaufklärung nachzuholen haben.

Ende der Entscheidung

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