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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 05.10.2000
Aktenzeichen: BVerwG 7 C 8.00
Rechtsgebiete: VermG, AnmVO, BGB


Vorschriften:

VermG § 30 Abs. 1 Satz 1
VermG § 30 Abs. 1 Satz 5
VermG § 30 a Abs. 1 Satz 1
VermG § 31 Abs. 1 Satz 1
VermG § 31 Abs. 1 b
VermG § 31 Abs. 7
AnmVO § 4 Abs. 1 Satz 1
BGB § 133
BGB § 157
Leitsatz:

Ein Antrag auf Rückübertragung eines Grundstücks kann fristwahrend wirken, wenn das Grundstück im Anmeldeschreiben mit einer falschen Hausnummer bezeichnet und dieser Fehler aufgrund näherer Angaben zum Berechtigten und zum Belegenheitsort für die Behörde erkennbar war.

Urteil des 7. Senats vom 5. Oktober 2000 - BVerwG 7 C 8.00

I. VG Chemnitz vom 16.06.99 - Az.: VG 5 K 2258/98 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 7 C 8.00 VG 5 K 2258/98

Verkündet am 5. Oktober 2000

Grosser Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In der Verwaltungsstreitssache

hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 5. Oktober 2000 durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel, Kley, Herbert, Golze und Neumann

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 16. Juni 1999 wird aufgehoben.

Ferner werden der Bescheid der Beklagten vom 23. Februar 1996 und der Widerspruchsbescheid des Sächsischen Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 14. Oktober 1998 aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, das Eigentum an dem Grundstück Z.straße 86 in Chemnitz dem Kläger zurückzuübertragen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Gründe:

I.

Der Kläger beansprucht nach dem Vermögensgesetz (VermG) die Rückübertragung des Grundstücks Z.straße 86 in Chemnitz. Eigentümer dieses sowie des angrenzenden Grundstücks Z.straße 88, die im Jahre 1935 durch Teilung entstanden sind und mit einem Doppel-Mietwohnhaus bebaut wurden, war seit 1948 der Kaufmann Horst H. Nach dessen ungenehmigter Ausreise aus der DDR wurden die Grundstücke auf der Grundlage der Verordnung zur Sicherung von Vermögenswerten vom 17. Juli 1952 (GBl DDR I S. 615) in Volkseigentum überführt; letzter Rechtsträger war der VEB Gebäudewirtschaft Karl-Marx-Stadt, dessen Rechtsnachfolgerin die Beigeladene ist. Aufgrund gemeinschaftlichen Testaments der Eheleute Horst und Ilse H. ist die gemeinsame Tochter Brunhilde H. im Jahre 1989 Alleinerbin des gesamten Nachlasses geworden.

Mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 4. September 1990 meldete Frau Brunhilde H. vermögensrechtliche Ansprüche bei der Beklagten an. Sie bat um Rückübertragung der "dortigen Grundstücke/Hausgrundstücke als Erbin des Herrn Horst H. bzw. der Frau Ilse H." und gab an, es handele sich u.a. um die Grundstücke "Z.straße 2 und 4 oder 4 und 6". Mit Schreiben vom 24. August 1993 erklärte Frau H., dass "bei dem Objekt Z.straße 2 + 4 oder 4 + 6 die Hausnummer verwechselt" worden sei, tatsächlich handele es sich um "Z.straße 88".

Mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 25. August 1994 übertrug die Beklagte das Eigentum an dem Grundstück Z.straße 88 an den Kläger, dem Frau H. zuvor ihren Rückübertragungsanspruch insoweit abgetreten hatte. Durch notariellen Vertrag vom 20. Februar 1995 trat sie auch den Anspruch auf Rückübertragung des Grundstücks Z.straße 86 an den Kläger ab. Mit Schreiben vom 21. März 1995 an die Beklagte stellte sie klar, dass sich ihre Anmeldung von zwei Restitutionsobjekten in der Z.straße auf die Grundstücke Z.straße 86 und 88 beziehen solle.

Durch Bescheid vom 23. Februar 1996 lehnte die Beklagte die Rückübertragung des Grundstücks Z.straße 86 mit der Begründung ab, dass die Anmeldung der Ansprüche durch das Schreiben der Frau H. vom 24. August 1993 auf das Grundstück Z.straße 88 konkretisiert und ein Antrag für das Grundstück Z.straße 86 erst nach Ablauf der Anmeldefrist mit Schreiben vom 21. März 1995 gestellt worden sei. Der Widerspruch des Klägers blieb ohne Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 16. Juni 1999 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Anmeldung vom 4. September 1990 erfasse das Grundstück Z.straße 86 nicht. Die auf die Grundstücke Z.straße 2 und 4 oder 4 und 6 bezogene Anmeldung lasse nur den Schluss zu, dass jedenfalls das Grundstück 4 sowie das Grundstück 2 oder 6 beansprucht würden. Da Frau H. die von ihr beanspruchten Grundstücke konkret mit Hausnummern bezeichnet habe, habe sie die Hausnummern und damit die Vermögenswerte nach Ablauf der Ausschlussfrist nicht mehr auswechseln können. Angesichts der präzisen Angaben im Anmeldungsschreiben habe auch die Beklagte nicht davon ausgehen müssen, dass zwei Grundstücke mit unbekannter Hausnummer beansprucht würden. Aus der Rückübertragung des Grundstücks Z.straße 88 könne der Kläger keine Ansprüche herleiten, da keine Gleichbehandlung im Unrecht verlangt werden könne. Die Versäumung der Anmeldefrist beruhe auch nicht auf staatlichem Fehlverhalten. Aus den Behördenakten habe sich für die Beklagte bis zum Ablauf der Anmeldefrist nicht ergeben, dass andere als die in der Anmeldung bezeichneten Grundstücke gemeint sein könnten.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat zugelassene Revision des Klägers. Er macht geltend, nach dem "Grundsatz der Meistbegünstigung" wirke der Antrag auf Rückübertragung eines Grundstücks auch dann fristwahrend, wenn sich nach Ablauf der Anmeldefrist herausstelle, dass das Grundstück mit unzutreffender Hausnummer bezeichnet worden sei. Auch eine Anmeldung mit scheinbar eindeutigem Inhalt sei auslegungsfähig. Ein um Konkretisierung des Vermögensgegenstands bemühter Anmelder dürfe nicht schlechter gestellt werden als einer, der keine hinreichend bestimmten Angaben mache. Die Beklagte hätte anhand des in der Anmeldung mitgeteilten Namens des Alteigentümers die betroffenen Grundstücke unschwer feststellen können.

Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil. Die Beigeladene hat sich nicht zur Sache geäußert. Nach Ansicht des Oberbundesanwalts begegnet die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts rechtlichen Bedenken.

II.

Die Revision ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben müssen. Seine Annahme, dass die Rechtsvorgängerin des Klägers vor Ablauf der Ausschlussfrist (§ 30 a Abs. 1 Satz 1 VermG) keinen Rückübertragungsantrag für das Grundstück Zeißstraße 86 gestellt habe, verletzt Bundesrecht. Da nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz an der Berechti-gung des Klägers (§ 2 Abs. 1 Satz 1 VermG) keine Zweifel bestehen, Restitutionsausschlussgründe nicht ersichtlich sind und die Entscheidung sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO).

1. Ansprüche nach dem Vermögensgesetz sind bei der zuständigen Behörde mittels Antrags geltend zu machen (§ 30 Abs. 1 Satz 1 VermG). Ansprüche auf Rückübertragung von Grundstücken sind, wenn sie nicht bis zum 31. Dezember 1992 wirksam angemeldet worden sind, erloschen (Urteil vom 24. Juni 1999 - BVerwG 7 C 20.98 - BVerwGE 109, 169 <172>). Über die Mindestanforderungen an den Inhalt eines Rückübertragungsantrags sagt das Gesetz unmittelbar nichts aus. Eine Anmeldung nach der Verordnung über die Anmeldung vermögensrechtlicher Ansprüche i.d.F. der Bekanntmachung vom 3. August 1992 (BGBl I S. 1481; AnmVO) gilt, soweit es nicht um die Aufhebung der staatlichen Verwaltung geht, als Antrag auf Rückübertragung (§ 30 Abs. 1 Satz 5 VermG). Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AnmVO sind mit der Anmeldung, soweit bekannt, Angaben zu Art, Umfang und Ort der Belegenheit der Vermögenswerte sowie zum Berechtigten und zwischenzeitlich eingetretenen Erbfällen zu machen. Diese Anforderungen der Verordnung hat das Vermögensgesetz nicht ausdrücklich übernommen. Sie stellen sich jedoch als Ausdruck der gesetzlich geregelten Mitwirkungspflicht des Anmelders dar. Wie in § 31 Abs. 1 Satz 1 VermG bestimmt ist, ermittelt die Behörde den Sachverhalt von Amts wegen; der Antragsteller hat hierbei mitzuwirken. Er ist also gehalten, der Behörde alle ihm bekannten Voraussetzungen des geltend gemachten Restitutionsanspruchs mitzuteilen; unterlässt er diese Angaben und kann die Behörde die Voraussetzungen auch von sich aus nicht klären, geht dies zu seinen Lasten. Eine Anmeldung ist jedoch nicht unwirksam, wenn sie die in § 4 Abs. 1 Satz 1 AnmVO genannten Tatsachen nicht erschöpfend oder nicht zutreffend angibt. Ist nicht festzustellen, welcher Vermögenswert Gegenstand des Antrags ist, hat die Behörde den Antragsteller aufzufordern, innerhalb einer bestimmten Frist nähere Angaben zu machen (§ 31 Abs. 1 b VermG). Im Übrigen sind gemäß § 31 Abs. 7 VermG die Vorschriften des einschlägigen Verwaltungsverfahrensgesetzes anzuwenden.

Da die mit der Anmeldung eines Rückübertragungsanspruchs verbundene Verfügungssperre (§ 3 Abs. 3 VermG) den Rechtsverkehr beeinträchtigt und Investitionshemmnisse auslösen kann, besteht ein besonderes öffentliches Interesse daran, sobald wie möglich Rechtssicherheit und Rechtsklarheit herbeizuführen und dem Verfügungsberechtigten Gewissheit über die Verkehrsfähigkeit seines Vermögensgegenstands zu verschaffen (vgl. Urteil vom 28. März 1996 - BVerwG 7 C 28.95 - BVerwGE 101, 39 <42 f.>). Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber die Ausschlussfrist eingeführt und bestimmt, dass nach deren Ablauf keine weiteren Ansprüche mehr angemeldet werden können (vgl. § 30 a Abs. 1 VermG). Gleichfalls dem Interesse an baldiger Rechtssicherheit und einem zügigen Abschluss vermögensrechtlicher Verfahren dient, dass Gegenstand und Ziel des Restitutionsverfahrens nach dem Inhalt des Rückübertragungsantrags bestimmbar sein müssen, um zielgerichtete Ermittlungen der Behörde zu ermöglichen.

Dementsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass ein Restitutionsantrag die Person des Berechtigten hinreichend konkret bezeichnen und durch eine hinter dem Rückgabeantrag stehende Willenserklärung des Berechtigten gedeckt sein muss (Beschluss vom 10. März 1997 - BVerwG 7 B 39.97 - Buchholz 428 § 30 a VermG Nr. 3; Beschluss vom 27. Juli 1999 - BVerwG 7 B 134.99 - Buchholz 428 § 30 a VermG Nr. 11; Beschluss vom 26. August 1999 - BVerwG 7 B 122.99 - Buchholz 428 § 30 VermG Nr. 15; Urteil vom 24. Juni 1999 - BVerwG 7 C 20.98 - BVerwGE 109, 169 <173>). Diese Voraussetzung der Klarheit über die Person des Berechtigten wird ergänzt durch das Erfordernis, den Vermögensgegenstand, auf den das Restitutionsbegehren zielt, so genau zu bezeichnen, dass zumindest im Wege der Auslegung ermittelt werden kann, was der Antragsteller beansprucht (Beschluss vom 22. April 1999 - BVerwG 8 B 81.99 - Buchholz 428 § 30 a VermG Nr. 8; vgl. auch Beschluss vom 21. Mai 1999 - BVerwG 7 B 16.99 - Buchholz 428 § 30 VermG Nr. 11; Beschluss vom 27. März 2000 - BVerwG 8 B 77.00 - zur Veröffentlichung in Buchholz unter 428 § 30 a VermG vorgesehen). Der Restitutionsantrag muss also sowohl hinsichtlich der Person als auch in Bezug auf den oder die begehrten Vermögensgegenstände individualisierbar sein. Hierbei auftretende Zweifelsfragen sind, da der Antrag eine empfangsbedürftige Willenserklärung ist, in entsprechender Anwendung der §§ 133, 157 BGB im Wege der Auslegung zu klären.

2. Die Auslegung des hier in Rede stehenden Anmeldeschreibens ergibt, dass die Rechtsvorgängerin damit einen Rückübertragungsanspruch auf die Grundstücke Zeißstraße 86 und 88 geltend gemacht hat.

a) Für die Auslegung einer Willenserklärung ist nur Raum, soweit sie auslegungsbedürftig, also nicht eindeutig ist (vgl. BGHZ 25, 318 <319>). Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Anmeldung vom 4. September 1990 der Auslegung bedurfte. Es hat den Antrag nach dem Wortlaut der Anmeldung dahin verstanden, dass zwei Grundstücke beansprucht würden, nämlich jedenfalls das Grundstück Z.straße 4 und alternativ entweder das Grundstück Z.straße 2 oder das Grundstück Z.straße 6. Hierauf sei die Anmeldung beschränkt; sie entfalte angesichts der konkreten Bezeichnung keine Rechtswirkung hinsichtlich des Grundstücks Z.straße 86. Dabei hat es zwar nicht verkannt, dass bei der Auslegung einer empfangsbedürftigen Willenserklärung nur die Umstände zu berücksichtigen sind, die nach dem objektiven Erklärungsinhalt für den Empfänger erkennbar sind. Seine Auslegung ist jedoch deswegen rechtsfehlerhaft, weil das Verwaltungsgericht entgegen dem Verbot des § 133 BGB bei dem Wortlaut der Erklärung stehen geblieben ist und nicht den wirklichen Willen der Anmelderin erforscht hat, wie er sich aus dem Inhalt und Zweck der Erklärung sowie den erkennbaren Begleitumständen objektiv ergibt.

Das Verwaltungsgericht hat ausgeschlossen, dass sich die Anmeldung auf andere als die in dem Anmeldeschreiben mit Hausnummern bezeichneten Grundstücke beziehen könne. Zu dieser unzutreffenden Schlussfolgerung ist es gelangt, weil es bei seiner Auslegung zwei wesentliche Umstände außer Acht gelassen hat. Zum einen hat es vernachlässigt, dass die Anmelderin mit der alternativen Angabe von Hausnummern eine Unsicherheit in der Bezeichnung der verlangten Vermögensgegenstände kundgetan hat; diese erkennbare Unsicherheit stand der Annahme entgegen, dass der in dem Anmeldeschreiben zum Ausdruck gekommene Rückgabewille gerade auf Grundstücke mit den angegebenen Hausnummern gerichtet war. Zum anderen hat das Verwaltungsgericht dem Umstand, dass die Anmelderin den geschädigten Eigentümer der beiden Grundstücke bezeichnet hat, nicht die ihm zukommende Bedeutung für die Auslegung des Anmeldeschreibens beigemessen; es hat übersehen, dass die scheinbare Eindeutigkeit der Anmeldung mittels Angabe von Hausnummern durch die Bezeichnung des Berechtigten in Frage gestellt wurde, weil dem genannten Eigentümer in der Z.straße in Chemnitz kein Grundstück mit den Hausnummern 2, 4 oder 6 gehörte.

Bei Berücksichtigung dieser Umstände durfte das Verwaltungsgericht die Anmelderin nicht an den angegebenen Hausnummern festhalten und den Rückübertragungsantrag auf die Grundstücke Z.straße 4 und 2 oder 6 beschränken. Angesichts der erkennbaren Unklarheit und Widersprüchlichkeit des Anmeldeschreibens verstößt die aus Teilen seines Wortlauts gewonnene Überzeugung der Vorinstanz, der Rückübertragungsantrag sei abschließend auf Grundstücke mit den genannten Hausnummern konkretisiert, gegen die allgemeinen Auslegungsgrundsätze. Da das Verwaltungsgericht bei der rechtlichen Würdigung des Anmeldeschreibens eine gesetzliche Auslegungsregel verletzt hat und weitere tatsächliche Feststellungen nicht erforderlich sind, kann der Senat die Auslegung selbst vornehmen (vgl. Urteil vom 1. August 1986 - BVerwG 8 C 54.85 - Buchholz 406.11 § 135 BBauG Nr. 27 m.w.N.; Urteil vom 19. Januar 1990 - BVerwG 4 C 21.89 - BVerwGE 84, 257 <264 f.>; BGHZ 121, 284 <289>).

b) Dem Anmeldeschreiben ist zu entnehmen, dass die Bezeichnung der beanspruchten Grundstücke durch die Hausnummern 4 und 2 oder 6 nur scheinbar eindeutig, der Rückgabewille vielmehr in Wahrheit auf die Rückübertragung zweier benachbarter Grundstücke des Berechtigten in der Z.straße in Chemnitz gerichtet ist.

Anmeldungen mit einem nur scheinbar eindeutigen Inhalt sind auslegungsbedürftig; das gilt insbesondere dann, wenn die angegebene Hausnummer in Widerspruch zu den übrigen Angaben in dem Anmeldeschreiben steht. Da die Möglichkeit eines Irrtums bei der Hausnummer eines vor Jahrzehnten enteigneten Grundstücks besonders nahe liegt und Hausnummern ebenso wie Straßenbezeichnungen im Lauf der Zeit geändert werden konnten, ohne dass dies dem Anmelder bekannt wurde, sind entsprechende Angaben, auch wenn sie vermeintlich präzise erscheinen, mit Zurückhaltung zu würdigen. Entsprechend dem Zweck des Vermögensgesetzes, dem Berechtigten oder seinem Rechtsnachfolger wegen bestimmter Schädigungen von Vermögensgegenständen Wiedergutmachung zu gewähren, ist bei der Auslegung einer Anmeldung vermögensrechtlicher Ansprüche in erster Linie an den namentlich bezeichneten Berechtigten anzuknüpfen; denn dieser oder sein Rechtsnachfolger sind vorzugsweise imstande, zur Klärung bestehender Zweifel über Art, Umfang und Lage des beanspruchten Vermögensgegenstands beizutragen.

Im Interesse einer beschleunigten Wiederherstellung des Grundstücksverkehrs und einer zügigen Abwicklung vermögensrechtlicher Verfahren muss der Anmelder allerdings auch nähere Angaben zu den verlangten Vermögensgegenständen machen, soweit er die entsprechenden Kenntnisse hat; zu derartigen konkretisierenden Angaben kann ihn die Behörde, wie erwähnt, auf der Grundlage des § 31 Abs. 1 b VermG noch nach Ablauf der Ausschlussfrist verpflichten. Welche konkreten Angaben zum Restitutionsobjekt unerlässlich sind, damit überhaupt ein wirksamer Restitutionsantrag vorliegt, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Insoweit reicht es jedenfalls aus, wenn bei Grundstücken außer dem Namen des Berechtigten auch die Gemeinden und die Straßen angegeben werden, in denen die Grundstücke belegen sind; derartige Angaben ermöglichen es im Regelfall, zielgerichtete behördliche Ermittlungen vorzunehmen und die betroffenen Grundstücke anhand der von den örtlichen Kataster- und Grundbuchämtern geführten Unterlagen zweifelsfrei zu bestimmen.

Aus dem Inhalt der hier in Rede stehenden Anmeldung vermögensrechtlicher Ansprüche geht hervor, dass die Anmelderin zwei Grundstücke beansprucht hat, die früher ihrem Vater gehörten, in der Z.straße in Chemnitz gelegen und angesichts ihrer Hausnummern benachbart sind. Der Antrag ist demgemäß dahin zu verstehen, dass er auf Rückübertragung derjenigen zwei benachbarten Grundstücke in der Z.straße in Chemnitz gerichtet ist, die dem bezeichneten Berechtigten gehört hatten. Allein dieses Verständnis, das von der scheinbaren Eindeutigkeit der Hausnummern absieht, wird dem Wiedergutmachungszweck und dem gleich-gelagerten Interesse der Anmelderin gerecht; da die Aussagekraft von Hausnummern nach dem Gesagten begrenzt ist, hat die Behörde bei Angabe von Hausnummern im Zweifel zu überprüfen, ob sie mit dem übrigen Inhalt der Anmeldung objektiv übereinstimmen. In der mit Schreiben der Anmelderin vom 21. März 1995 vorgenommenen Korrektur der Hausnummern ist deshalb weder eine Erweiterung des Restitutionsantrags auf andere Vermögensgegenstände noch ein nachträgliches Auswechseln des Restitutionsgegenstands zu sehen, die nach Ablauf der Ausschlussfrist gleichermaßen ausgeschlossen sind (vgl. Urteil vom 28. März 1996 - BVerwG 7 C 28.95 - BVerwGE 101, 39 <42 f.>; Urteil vom 24. Juni 1999 - BVerwG 7 C 20.98 - BVerwGE 109, 169 <172>; Beschluss vom 22. April 1999 - BVerwG 8 B 81.99 - Buchholz 428 § 30 a VermG Nr. 8). Durch dieses Schreiben wurde vielmehr nur versucht, den bereits im Anmeldeschreiben erklärten wirklichen Willen der Anmelderin klarzustellen.

Da die beanspruchten Grundstücke nach dem Inhalt des Anmeldeschreibens hinreichend bestimmbar waren, durfte die Beklagte den Antrag auf Rückübertragung des Grundstücks Z.straße 86 nicht wegen mangelhafter Mitwirkung der Anmelderin ablehnen. Auf diesen Ablehnungsgrund hat sich die Beklagte sinngemäß in ihrem Schriftsatz vom 21. September 2000 berufen. Sie hat darin - unter Bezugnahme auf nicht in den vorgelegten Verwaltungsakten befindliche Schriftstücke - erstmals geltend gemacht, dass sie die Anmelderin mit Schreiben vom 29. Juni 1992 erfolglos aufgefordert habe, "exakte Angaben über das Grundstück (Gemarkung, Flurstücks-Nr., Blatt-Nr.) sowie die Grundbuchauszüge" einzureichen. Dieses Vorbringen neuer Tatsachen ist revisionsrechtlich unbeachtlich, weil es weder unstreitig ist noch einen zulässigen Wiederaufnahmegrund erfüllt (vgl. § 153 VwGO i.V.m. § 580 Nr. 7 Buchst. b und § 582 ZPO). Abgesehen davon könnte es auch nicht zu einer für die Beklagte günstigeren Entscheidung führen. Die Behörde kann einen Rückübertragungsantrag zurückweisen, wenn der beanspruchte Vermögensgegenstand nicht festzustellen und der Antragsteller der Aufforderung, seinen Antrag zu konkretisieren, innerhalb der gesetzten Frist nicht nachgekommen ist (§ 31 Abs. 1 b VermG). An der ersten Voraussetzung fehlt es hier, da die Beklagte anhand der Angaben in dem Anmeldeschreiben ohne unzumutbaren Aufwand hätte feststellen können, welche Grundstücke Gegenstand des Antrags waren. Dem namentlich bezeichneten Alteigentümer die von der Anmelderin beanspruchten zwei benachbarten Grundstücke in der Z.straße zuzuordnen, war der Beklagten durch Einholung entsprechender Auskünfte beim Grundbuchamt oder bei der verfügungsberechtigten Beigeladenen möglich und im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht zuzumuten. Ihre Aufforderung an die seit Jahrzehnten in Westdeutschland wohnende Anmelderin, die erforderlichen Grundbuchunterlagen beizubringen, konnte den Anspruch auf Rückübertragung der betroffenen Grundstücke deshalb nicht zum Erlöschen bringen. Wie die Rückübertragung des Grundstücks Z.straße 88 zeigt, hat sie das im Verwaltungsverfahren selbst nicht angenommen.

3. Das angegriffene Urteil stellt sich auch nicht deswegen im Ergebnis als richtig dar, weil die Anmelderin mit Schreiben vom 24. August 1993 der Beklagten mitgeteilt hatte, dass sie "bei dem Objekt Z.straße 2 + 4 oder 4 + 6 die Hausnummer verwechselt" habe und es sich tatsächlich um die "Z.straße 88" handele.

Die in den angefochtenen Bescheiden vertretene Auffassung, durch dieses Schreiben sei der zunächst auf zwei Grundstücke gerichtete Rückübertragungsantrag auf das Grundstück Z.straße 88 beschränkt und auf die Rückübertragung des Grundstücks Z.straße 86 verzichtet worden, widerspricht dem erkennbar zum Ausdruck gebrachten Willen der Anmelderin. Diese hat keinen Verzicht auf die Rückübertragung eines der beiden Grundstücke erklärt. Sie hat lediglich die im Anmeldeschreiben irrtümlich angegebenen Hausnummern korrigieren wollen. Der ihr dabei unterlaufene Fehler, dass sie nur die Hausnummer 88 und nicht auch die Hausnummer 86 angegeben hat, lässt den Schluss auf eine teilweise Rücknahme ihres Restitutionsantrags vom 4. September 1990 nicht zu. Gründe für einen solchen Verzicht sind weder aus dem vermeintlich klarstellenden Schreiben noch aus dem übrigen Inhalt der Akten zu ersehen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 3 und § 162 Abs. 3 VwGO.

Ende der Entscheidung

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