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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 05.10.2000
Aktenzeichen: BVerwG 7 C 95.99
Rechtsgebiete: VermG, DMBilG, GesO, URüV


Vorschriften:

VermG § 1 Abs. 1 Buchst. c
VermG § 1 Abs. 1 Buchst. d
VermG § 1 Abs. 3
VermG § 3 b Abs. 1
VermG § 3 b Abs. 1 Satz 2
VermG § 4 Abs. 1 Satz 2
VermG § 5 Abs. 1 Buchst. a bis d
VermG § 5 Abs. 2
VermG § 6 Abs. 1 a Satz 1
VermG § 6 Abs. 1 a Satz 2
VermG § 6 Abs. 5 c
VermG § Abs. 6 a Satz 1
VermG § Abs. 6 a Satz 2
VermG § Abs. 6 a Satz 4
DMBilG § 11 Abs. 1 Satz 1
DMBilG § 25 Abs. 5
GesO § 12
GesO § 17 Abs. 3
URüV § 17 Abs. 1 Satz 1
Leitsätze:

1. Die staatliche Zwangsbeteiligung an einem Unternehmensträger war regelmäßig der erste Schritt einer Unternehmensschädigung, die durch die Überleitung der verbliebenen privaten Anteile in Volkseigentum vollendet wurde.

2. Weist die nach § 6 Abs. 1 a Satz 1 VermG berechtigte Gesellschaft neben der staatlichen Beteiligung nur einen einzigen privaten Anteilseigner auf, hat allein dieser einen Anspruch auf Rückgabe des Unternehmens, der Unternehmensreste oder - im Falle der Veräußerung - auf ungeteilte Auskehr des Erlöses, wenn ihm die staatliche Beteiligung nach § 6 Abs. 5 c Satz 1 VermG zusteht und er dies auch geltend macht. Ob dasselbe gilt, wenn der Anteilseigner die ihm zustehende staatliche Beteiligung nicht beansprucht, bleibt offen.

Urteil des 7. Senats vom 5. Oktober 2000 - BVerwG 7 C 95.99

I. VG Greifswald vom 27.01.1999 - Az.: VG 3 A 2669/96 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 7 C 95.99 VG 3 A 2669/96

Verkündet am 5. Oktober 2000

Nöpel Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 5. Oktober 2000 durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel, Kley, Herbert, Golze und Neumann

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revisionen des Beklagten und des Beigeladenen gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 27. Januar 1999 werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass sich die festgestellte Berechtigung der Klägerin auf die Auskehr des Erlöses aus dem Verkauf des bezeichneten Grundstücks bezieht.

Die Kosten des Revisionsverfahrens tragen der Beklagte und der Beigeladene je zur Hälfte.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Berechtigung am Erlös aus der Veräußerung des früheren Betriebsgrundstücks der M. Milchkonservenfabrik v. B. KG.

Die Mutter der Klägerin war früher Inhaberin des zunächst als Einzelfirma betriebenen Unternehmens und Eigentümerin des Betriebsgrundstücks. Im Jahre 1958 kam es zur Beteiligung der Deutschen Investitionsbank an dem Unternehmen, das fortan als Kommanditgesellschaft unter obigem Namen firmierte. Komplementärin wurde die Mutter der Klägerin, die der Gesellschaft das Grundstück übertrug. Der Anteil der Deutschen Investitionsbank wurde in der Folgezeit laufend erhöht. Im Jahre 1967 starb die Komplementärin und wurde von der Klägerin beerbt. Da diese bereits 1953 aus der DDR geflohen war, fiel der ihr zustehende Komplementäranteil unter staatliche Verwaltung. Der Treuhänder veräußerte den Anteil im Jahre 1970 an die Industrie- und Handelsbank der DDR. Im März 1972 beschlossen die Gesellschafter, die Kommanditgesellschaft mit Wirkung vom 31. März 1972 ohne Liquidation aufzulösen. Das Betriebsvermögen ging auf den VEB Milchkonservenfabrik W. über. Über das Vermögen des privatisierten VEB, die Milchkonservenfabrik W. GmbH i.A., wurde im November 1990 das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet.

Den Antrag der Klägerin auf Rückgabe des Unternehmens und des Betriebsgrundstücks lehnte der Beklagte im November 1996 ab; gleichzeitig stellte er fest, dass die Klägerin dem Grunde nach einen Anspruch auf Entschädigung hinsichtlich des privaten Gesellschafteranteils an der Kommanditgesellschaft habe.

Zwischenzeitlich wurde das Betriebsgrundstück, das schon zu DDR-Zeiten in einem anderen Grundstück aufgegangen war, als Bestandteil einer größeren Fläche von dem Beigeladenen investiv veräußert. Daraufhin hat die Klägerin ihre zuvor erhobene Restitutionsklage umgestellt; sie beantragt nunmehr die Feststellung der vermögensrechtlichen Berechtigung der M. Milchkonservenfabrik v. B. KG i.L., hilfsweise ihrer eigenen Berechtigung an dem Erlös aus der Veräußerung des Grundstücks.

Das Verwaltungsgericht hat dem Hilfsantrag stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Es hat im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin sei Berechtigte in Ansehung des ehemaligen Betriebsgrundstücks. Bis zur investiven Veräußerung hätte die Klägerin das Grundstück als Unternehmensrest nach § 6 Abs. 6 a Satz 1 VermG herausverlangen können. Nach der Veräußerung beziehe sich die vermögensrechtliche Berechtigung auf die Erlösauskehr nach § 6 Abs. 6 a Satz 4 VermG. Die Rückgabe des Unternehmens selbst sei mit der Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens nach § 4 Abs. 1 Satz 2 VermG unmöglich gewesen; der Geschäftsbetrieb sei eingestellt worden, und die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes hätten gefehlt. Es habe auch eine Schädigung stattgefunden. Zwar könne insoweit weder auf die erzwungene Einbringung des Betriebsgrundstücks in die ebenfalls unter Zwang gegründete Kommanditgesellschaft noch auf die Veräußerung des ererbten Komplementäranteils durch den staatlichen Verwalter abgestellt werden; denn dies seien lediglich anteilsbezogene Schädigungen, die nicht zu einer Vermögenseinbuße der Gesellschaft selbst geführt hätten. Eine solche Schädigung sei jedoch die von den Gesellschaftern im Jahre 1972 beschlossene Auflösung; denn dadurch sei der Gesellschaft das Unternehmen entzogen worden. Diese Auflösung erfülle den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Buchst. d VermG; für eine Ursächlichkeit des in dieser Vorschrift genannten Ministerratsbeschlusses spreche der enge zeitliche Zusammenhang. Die Klägerin habe die Rückgabe auch beantragen können, obwohl sie seinerzeit nicht mehr Gesellschafterin gewesen sei; denn diese Stellung habe sie ebenfalls durch eine Schädigungsmaßnahme verloren, was sie berechtigt hätte, nach § 6 Abs. 5 b VermG die Wiedereinräumung der Gesellschafterstellung zu verlangen. Demzufolge müsse dieser Gesellschaftsanteil bei der Berechnung des Quorums berücksichtigt werden. Der auf den Unternehmensrest gerichtete Rückübertragungsanspruch sei nicht durch die Eröffnung der Gesamtvollstreckung erloschen. Auch durch die Vereinigung des beanspruchten Grundstücks mit anderen Grundstücken sei die Rückgabe nicht unmöglich geworden. Es fehlten jegliche Anhaltspunkte dafür, dass das entstandene Grundstück aus Rechtsgründen nicht mehr teilbar gewesen sei. Somit sei der Restitutionsanspruch erst infolge der investiven Veräußerung erloschen; gleichzeitig sei nach § 6 Abs. 6 a Satz 4 VermG der Anspruch der ehemaligen Gesellschafter auf Erlösauskehr entstanden. Der Anspruch sei auch nicht auf einen dem Komplementäranteil entsprechenden Anteil des Veräußerungserlöses beschränkt, weil die Klägerin ohne Veräußerung des Grundstücks nach § 6 Abs. 5 c Satz 2 VermG die Löschung des staatlichen Anteils hätte verlangen können.

Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen des Beklagten und des Beigeladenen, mit denen sie ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiterverfolgen.

Der Beklagte macht geltend: Die Klägerin sei nicht Berechtigte hinsichtlich des früheren Betriebsgrundstückes; denn sie sei niemals dessen Eigentümerin gewesen. Geschädigt worden sei die Klägerin durch die Entziehung ihres Gesellschaftsanteils. Insoweit sei sie auf Entschädigung verwiesen, weil die Kommanditgesellschaft nicht mehr existiere. Die Gesellschaft selbst sei keiner Schädigungsmaßnahme ausgesetzt gewesen. Die Anwendung des § 1 Abs. 1 Buchst. d VermG durch das Verwaltungsgericht gehe an der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vorbei, nach der Vermögensverschiebungen innerhalb des staatlichen Bereichs nicht vom Vermögensgesetz erfasst würden. Im Übrigen hätte der Klägerin der Erlös aus der Veräußerung des Betriebsgrundstücks nach § 6 Abs. 6 a Satz 4 VermG allenfalls in Höhe ihres Anteils an der Gesellschaft zugestanden.

Der Beigeladene beruft sich zusätzlich darauf, dass die Rückgabe des Betriebsgrundstücks wegen dessen vor dem Stichtag des 29. September 1990 durchgeführter Vereinigung mit anderen Grundstücken und wegen seiner späteren Bebauung im Rahmen der Investitionsmaßnahmen unmöglich gewesen sei. Insoweit habe das Verwaltungsgericht seine Sachaufklärungspflicht verletzt. Das Gericht habe darüber hinaus nicht berücksichtigt, dass infolge des Gesamtvollstreckungsverfahrens ein Erlösauskehranspruch der Klägerin gar nicht habe entstehen können. Da der Verkaufserlös Bestandteil der Gesamtvollstreckungsmasse sei, komme eine Zahlung an die Klägerin nur in Betracht, wenn alle Gläubiger gemäß der Rangfolge nach § 17 Abs. 3 der Gesamtvollstreckungsordnung - GesO - befriedigt werden könnten. Es sei jedoch schon jetzt abzusehen, dass mit einer vollständigen Befriedigung der Gläubiger nicht zu rechnen sei.

Die Klägerin beantragt, die Revisionen zurückzuweisen, und macht geltend, dass bereits die Aufnahme eines staatlichen Gesellschafters eine Schädigungsmaßnahme gewesen sei, an die sich als weitere Schädigung die Veräußerung des Komplementäranteils angeschlossen habe. Werde in solchen Fällen die Rückgabe des Unternehmens verlangt, habe der ehemalige Inhaber Anspruch darauf, seine Einzelfirma zurückzubekommen; dies sei nur mittelbar über die Unternehmensrückgabe möglich. Im vorliegenden Fall wäre der staatliche Anteil nach § 6 Abs. 5 c VermG zu löschen gewesen, weil der Beklagte nicht den Nachweis geführt habe, dass die staatliche Beteiligung nicht aufgrund einer unlauteren Machenschaft erworben worden sei. Wegen der zwischenzeitlichen Verfügung über das umstrittene Grundstück könne sie - die Klägerin - daher den Erlös verlangen. Über Ansprüche nach § 6 Abs. 5 c Satz 3 VermG sei im Verfahren über die Erlösauskehr wegen der Grundstücksveräußerung nicht zu entscheiden, weil der Gesetzgeber - wie auch der Blick auf § 25 Abs. 5 des D-Markbilanzgesetzes (DMBilG) zeige - bewusst eine Unterscheidung zwischen dem Grund und Boden und dem sonstigen Vermögen des umgewandelten Unternehmens vorgenommen habe. Schließlich bestünden auch Zweifel, ob die Kommanditeinlage des staatlichen Gesellschafters je wirksam geleistet worden sei.

II.

Die Revisionen sind nicht begründet. Das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts lässt im Ergebnis keine Verletzung von Bundesrecht erkennen; denn die Klägerin ist Berechtigte hinsichtlich des auf das ehemalige Betriebsgrundstück entfallenen Erlöses aus der Veräußerung durch den Beigeladenen.

Maßgebliche Vorschrift für diese Feststellung ist § 16 Abs. 1 Satz 1 des Investitionsvorranggesetzes - InVorG -, der als Spezialvorschrift den Anspruch des Berechtigten auf Auskehr des Erlöses aus investiven Verkäufen regelt und insoweit Vorrang hat vor dem vom Verwaltungsgericht ausschließlich erwähnten § 6 Abs. 6 a Satz 4 VermG a.F. (nunmehr sachlich unverändert Satz 3, vgl. Art. 1 Nr. 1 des am 22. September 2000 in Kraft getretenen Vermögensrechtsergänzungsgesetzes vom 15. September 2000 <BGBl I S. 1382>). Der in § 16 Abs. 1 Satz 1 InVorG verwendete Begriff des Berechtigten knüpft allerdings an die vermögensrechtliche Berechtigung und somit bei der hier geschehenen Veräußerung eines Unternehmensrestes an § 6 Abs. 6 a VermG an, sodass dessen Regelungen - und damit auch § 6 Abs. 6 a Satz 3 VermG - ergänzend heranzuziehen sind (vgl. dazu auch den Beschluss des Senats vom 2. November 1995 - BVerwG 7 B 390.95 - Buchholz 428.1 § 16 InVorG Nr. 1).

Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 InVorG in Verbindung mit § 6 Abs. 6 a Satz 3 VermG können die Berechtigten vom Verfügungsberechtigten die Zahlung eines Geldbetrages in Höhe des ihrem Anteil entsprechenden Erlöses verlangen, wenn dem Verfügungsberechtigten die Rückgabe von Unternehmensresten infolge ihrer investiven Veräußerung nicht möglich ist. Die Klägerin erfüllt im Hinblick auf die Veräußerung des ehemaligen Betriebsgrundstücks die Anforderungen, die diese Vorschriften an die Erlösauskehrberechtigung stellen; denn sie hatte nach § 6 Abs. 6 a Satz 1 VermG einen Anspruch auf Rückübertragung dieses Grundstücks als Unternehmensrest, dessen Erfüllung infolge der investiven Veräußerung unmöglich geworden ist.

1. Die für einen solchen Anspruch notwendige Unternehmensschädigung hat das Verwaltungsgericht zutreffend bejaht, diese jedoch zu Unrecht in der Auflösung der Kommanditgesellschaft und ihrer Löschung im Handelsregister im Jahre 1972 gesehen. Da die Gesellschaft bereits mit Veräußerung des Komplementäranteils an die Industrie- und Handelsbank der DDR im Jahre 1970 vollständig in Staatshand gelangt war, stellt sich die Auflösung der Kommanditgesellschaft und die Überführung des Unternehmens in einen volkseigenen Betrieb nur noch als Eigentumsverschiebung innerhalb des staatlichen Bereichs dar. Diese erfüllt keinen Schädigungstatbestand des Vermögensgesetzes; denn das Vermögensgesetz bezweckt ausschließlich, Vermögensverluste wieder gutzumachen, die durch den politisch-ideologisch motivierten Zugriff des Staates auf privates Eigentum geprägt waren (grundlegend BVerwG, Urteil vom 2. Mai 1996 - BVerwG 7 C 10.95 - BVerwGE 101, 143; Urteil vom 11. Dezember 1997 - BVerwG 7 C 69.96 - BVerwGE 106, 51 <56>). Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, es habe sich gerade nicht um eine Eigentumsverschiebung innerhalb des staatlichen Bereichs gehandelt, sondern mit der Auflösung der Gesellschaft habe das Unternehmen erst dem staatlichen Bereich vollständig zugeordnet werden sollen, geht daran vorbei, dass allein die privatrechtliche Form eines Unternehmensträgers nichts darüber aussagt, ob er noch in privater oder bereits in staatlicher Hand ist. Zwar trifft es zu, dass die Eingliederung des Unternehmens in einen volkseigenen Betrieb der Endpunkt des Zugriffs war, der mit der staatlichen Beteiligung am Unternehmensträger begonnen hatte. Das ändert jedoch nichts daran, dass die Enteignungsmaßnahme im Rechtssinne mit der Überführung aller Gesellschaftsanteile in Staatshand vollendet war und es sich bei der anschließenden Umwandlung um einen bloßen Organisationsakt handelte.

Den Blick auf die eigentliche Unternehmensschädigung hat sich das Verwaltungsgericht verstellt, weil es die vorausgehenden Schädigungsakte, die staatliche Beteiligung und die Veräußerung des Komplementäranteils, ausschließlich isoliert betrachtet und dabei vernachlässigt hat, dass es sich um einen von einem Gesamtvorsatz getragenen gestreckten Enteigungsvorgang gehandelt hat; denn die auf der Grundlage eines Beschlusses der SED aus dem Jahre 1956 (vgl. dazu Wasmuth, in: RVI, Band II, Einführung zum Vermögensgesetz, 100 B, Rn. 148 f. m.w.N.) eingeführten staatlichen Beteiligungen waren der Ausgangspunkt einer Politik der Verstaatlichung, welche die vollständige Überführung der Produktionsmittel in Volkseigentum verfolgte und mit dem Ministerratsbeschluss vom 9. Februar 1972 ihren Abschluss fand. Die erzwungene Einräumung der staatlichen Beteiligung stellte nichts anderes als einen ersten Schritt und damit die Vorstufe zur endgültigen Enteignung dar (vgl. Nolting, in: Kimme, Offene Vermögensfragen, § 6 VermG Rn. 274, unter Berufung auf die Präambel der Verordnung über die Bildung halbstaatlicher Betriebe vom 26. März 1959, GBl I S. 253). Diesem Konzept folgend musste die Rechtsvorgängerin der Klägerin zunächst die Aufnahme eines staatlichen Kommanditisten dulden; später wurde die Komplementärin nach zwischenzeitlicher ständiger Erhöhung des staatlichen Kapitalanteils endgültig durch eine Schädigungsmaßnahme nach § 1 Abs. 1 Buchst. c VermG aus der Gesellschaft gedrängt. Diese ist darin zu sehen, dass der staatliche Verwalter im Jahr 1970 den Komplementäranteil der Mutter der Klägerin an die Industrie- und Handelsbank der DDR veräußerte. Die Art der Schädigung war insofern nicht ganz "programmgemäß", als es wegen der Flucht der Klägerin und dem dadurch möglichen Zugriff durch den staatlichen Verwalter einer Überleitung in Volkseigentum nach Maßgabe des Beschlusses des Ministerrats aus dem Jahre 1972 nicht mehr bedurfte.

2. Aufgrund dieser Unternehmensschädigung wäre die Klägerin im Ergebnis auch berechtigt gewesen, die Rückgabe des Betriebsgrundstückes als Unternehmensrest zu verlangen (§ 6 Abs. 6 a Satz 1 VermG). Die Übertragung des Unternehmens selbst war nach § 4 Abs. 1 Satz 2 VermG ausgeschlossen; denn das Verwaltungsgericht hat mit bindender Wirkung für den Senat festgestellt, dass das Unternehmen mit der Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens seine werbende Tätigkeit eingestellt hat und zugleich die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs gefehlt haben.

Das Vermögensgesetz bewältigt die Wiedergutmachung mehraktiger Unternehmenszugriffe durch Rückabwicklung der einzelnen Schädigungsakte ausgehend vom letzten Teilakt, der die vollständige Überführung in Volkseigentum zur Folge hatte. Zunächst kann der verdrängte Gesellschafter die Rückgabe seiner Anteile verlangen, wobei sein Antrag zugleich als Antrag auf Rückgabe des Unternehmens an den nach § 6 Abs. 1 a Satz 1 VermG Berechtigten - den wiederzubelebenden ehemaligen Unternehmensträger, hier: die Kommanditgesellschaft - zu verstehen ist, weil die Anteile ansonsten nicht rückgabefähig wären (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 1997 - BVerwG 7 C 69.96 -, a.a.O. S. 53). Der zweite Teilakt der Rückabwicklung wird durch § 6 Abs. 5 c VermG sichergestellt. Nach dessen Satz 1 steht den Gesellschaftern des Berechtigten, also den Gesellschaftern des wieder belebten Unternehmensträgers, die staatliche Beteiligung zu, es sei denn, dass die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 VermG nicht vorliegen. Die Gesellschafter des Berechtigten oder ihre Rechtsnachfolger können nach § 6 Abs. 5 c Satz 2 VermG verlangen, dass die ihnen zustehende staatliche Beteiligung entweder gelöscht oder auf sie übertragen wird.

Die Klägerin war die einzige private Gesellschafterin, sodass das Quorum des § 6 Abs. 1 a Satz 2 VermG erfüllt war; denn die staatliche Beteiligung zählt nach § 17 Abs. 1 Satz 1 der Unternehmensrückgabeverordnung - URüV - bei dessen Berechnung nicht mit (vgl. zu den Einzelheiten BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 1997 - BVerwG 7 C 69.96 -, a.a.O. S. 57). Der Klägerin stand auch nach § 6 Abs. 5 c Satz 1 VermG der staatliche Anteil zu, weil keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass dieser Beteiligung keine schädigende Maßnahme zugrunde lag; insbesondere der Beigeladene, dem aufgrund des Insolvenzverfahrens die Verwaltung des Vermögens des privatisierten Unternehmensträgers obliegt und der insoweit allein prozessführungsbefugt ist, hat dies nicht in Frage gestellt. Das in § 6 Abs. 5 c Satz 2 VermG vorgesehene Wahlrecht zwischen Löschung und Übertragung des staatlichen Anteils war für die Klägerin ohne Bedeutung, weil beides zwangsläufig zur Beendigung der gerade erst für die Anteilsrückgabe wieder belebten Gesellschaft führen musste; denn das Recht der Personengesellschaften kennt eine Einpersonengesellschaft nicht (vgl. BGHZ 113, 132 <133>; Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., § 44 II 2, S. 1300). Der wieder belebte Unternehmensträger kann in solchen Fällen, in denen er neben der staatlichen Beteiligung lediglich einen einzigen privaten Anteilseigner aufweist, nur weiter leben, wenn der verdrängte Gesellschafter oder dessen Rechtsnachfolger sich im Rahmen der für die Wiederbegründung der Anteile notwendigen Unternehmensrückgabe auf einen Anspruch auf Wiedereinräumung seines Anteils beschränkt, ohne zugleich die staatlichen Anteile und damit das Unternehmen insgesamt für sich zu beanspruchen. Es wird allerdings von Teilen der Literatur bezweifelt, ob eine solche Beschränkung zulässig ist (so Nolting, a.a.O., Rn. 273 f.; anderer Ansicht Messerschmidt, in: Fieberg u.a., VermG, Rn. 528 zu § 6). Dies mag hier jedoch offen bleiben; denn die Klägerin hat während des Verfahrens hinreichend deutlich gemacht, dass sie die Rückgabe des Betriebsgrundstücks und - nach dessen Veräußerung - den ungeteilten Erlös beansprucht, und sich darauf berufen, dass der staatliche Anteil Ergebnis einer Schädigungsmaßnahme sei. Dies kann nicht anders verstanden werden, als dass sie die umfassende Wiedereinräumung der Berechtigung und damit die Beseitigung der staatlichen Beteiligung anstrebt; nur auf diese Weise ist ihr Verfahrensziel erreichbar.

3. Der Anspruch der Klägerin auf Übertragung des Betriebsgrundstücks ist erst infolge der investiven Veräußerung der Fläche untergegangen, zu der es heute gehört. Das zuvor eröffnete Gesamtvollstreckungsverfahren war kein Rückgabehindernis. Der Rechtsprechung des Senats, nach der die Eröffnung dieses Verfahrens über das Vermögen eines der Restitution unterliegenden Unternehmens nicht nur die Unternehmensrückgabe, sondern auch Ansprüche nach § 6 Abs. 6 a Satz 1 VermG ausschließt (Urteil vom 31. August 1995 - BVerwG 7 C 25.94 - Buchholz 428 § 3 b VermG Nr. 1; Urteil vom 26. September 1996 - BVerwG 7 C 61.95 - Buchholz a.a.O. Nr. 3), ist durch die mit Gesetz vom 17. Juli 1997 (BGBl I S. 1823) in § 3 b Abs. 1 Satz 2 VermG eingefügte Ausnahmeregelung der Boden entzogen worden. Ebenso hat das Verwaltungsgericht eine vor der investiven Veräußerung eingetretenen Unmöglichkeit der Rückgabe nach § 4 Abs. 1 Satz 1 VermG verneint; es hat keine Anhaltspunkte dafür feststellen können, dass sich das ursprüngliche Grundstück nicht hätte wiederherstellen lassen. Dagegen hat der Beigeladene allerdings eine Verfahrensrüge erhoben, weil das Verwaltungsgericht seinen Vortrag vom 8. Januar und 16. November 1998 unberücksichtigt gelassen habe. Diese Verfahrensrüge kann jedoch nicht durchgreifen, weil in den genannten Schriftsätzen lediglich auf die auch vom Verwaltungsgericht berücksichtigte Vereinigung des ehemaligen Betriebsgrundstücks mit einem anderen Grundstück verwiesen und auf das Bauvorhaben aufmerksam gemacht wird, das Grund der investiven Veräußerung war. Daraus ergab sich nicht das Geringste dafür, dass bis zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt des Verkaufs zu investiven Zwecken eine Wiederherstellung der alten Grundstücksgrenzen nicht möglich war oder gemäß § 5 Abs. 2 VermG am 29. September 1990 andere Umstände vorgelegen haben, die den Ausschluss der Rückgabe nach § 5 Abs. 1 Buchst. a bis d VermG gerechtfertigt hätten.

4. An die Stelle dieses, das ungeteilte Eigentum an dem Betriebsgrundstück erfassenden Anspruchs der Klägerin aus § 6 Abs. 6 a Satz 1 VermG ist infolge der investiven Veräußerung nach § 16 Abs. 1 Satz 1 InVorG ein Anspruch auf ebenso ungeteilte Auskehr des auf das Betriebsgrundstück entfallenden Erlöses getreten. Zwar steht der Leitfaden Unternehmensrückübertragung des Bundesministers der Justiz - URüL - (zweite überarbeitete Auflage vom 8. Dezember 1992 - abgedruckt in RVI, Band III, D 100.6) in Abschnitt 4.2.1 Abs. 2 auf dem Standpunkt, dass ein Anspruch auf Übertragung der staatlichen Beteiligung nach § 6 Abs. 5 c VermG entfällt, wenn das Unternehmen weder ganz noch teilweise zurückgegeben wird, und daher auch die Erlösauskehr nach § 16 Abs. 1 InVorG nur anteilig verlangt werden kann. Diese Auffassung verfehlt jedoch den in § 16 Abs. 1 Satz 1 InVorG niedergelegten Grundsatz der Surrogation. Räumt man - wie auch der Leitfaden Unternehmensrückübertragung (vgl. Abschnitt 4.2.2 Abs. 2) - dem Berechtigten einen Anspruch auf Übertragung der staatlichen Beteiligung nicht nur bei der Unternehmens-, sondern auch bei der Unternehmensresterückgabe ein, muss dies auch bei der Erlösauskehr nach § 16 Abs. 1 Satz 1 InVorG und § 6 Abs. 6 a Satz 3 VermG gelten (so zu Recht Heilmann, VIZ 1993, 51 <52 f.>; Nolting, a.a.O. Rn. 271 f. zu § 6 VermG). Anderenfalls bliebe die Wiedergutmachungsregelung im Hinblick auf die in der Zwangsbeteiligung liegende unlautere Machenschaft unvollkommen; der Verfügungsberechtige würde im Falle der Veräußerung des Restitutionsgegenstandes ohne jede Rechtfertigung zu Lasten des Berechtigten begünstigt.

Mit der Berechtigung am Erlös ist die Pflicht der Klägerin nach § 6 Abs. 5 c Satz 3 VermG verbunden, die staatliche Einlage zurückzuzahlen. Neben dieser Verpflichtung muss die Klägerin sich auch die Verbindlichkeiten auf ihren Erlösauskehranspruch anrechnen lassen, die sie nach § 6 Abs. 6 a Satz 2 VermG treffen (vgl. Beschluss des Senats vom 2. November 1995 - BVerwG 7 B 390.95 -, a.a.O.). Soweit die Klägerin sinngemäß geltend macht, wegen der Sonderrolle, die dem Grund und Boden auch nach der in § 25 Abs. 5 des DMBilG getroffene Wertentscheidung zugewiesen sei, dürfe der Erlösauskehranspruch nicht mit solchen Gegenansprüchen verrechnet werden, geht ihr Verlangen am Wortlaut der genannten Vorschriften des Vermögensgesetzes vorbei. Dem Recht der Klägerin auf Feststellung ihrer grundsätzlichen Berechtigung zur Erlösauskehr steht auch nicht entgegen, dass offen bleibt, ob nach Abzug aller Verbindlichkeiten ein auszukehrender Erlös verbleibt. Abgesehen davon, dass die auf ein negatives Ergebnis hindeutende Berechnung des Beigeladenen das sich aus der oben erwähnten Neufassung des § 3 b Abs. 1 Satz 2 VermG für Unternehmensreste und Surrogate ergebende Aussonderungsrecht nach § 12 GesO verkennt, geht es hier lediglich um die Feststellung der Berechtigung dem Grunde nach. Daher ist auch der gegen die Rückzahlungspflicht nach § 6 Abs. 5 c Satz 3 VermG erhobene Einwand der Klägerin, dass die staatliche Einlage seinerzeit nicht oder nur teilweise gezahlt worden sei, nicht in diesem Verfahren zu klären.

Der Senat hält es für notwendig, die durch das Verwaltungsgericht ausgesprochene Berechtigten-Feststellung dahin zu konkretisieren, dass sie sich auf die Auskehr des Erlöses aus dem Verkauf des ehemaligen Betriebsgrundstücks bezieht, und hat daher die Zurückweisung der Revisionen mit einer entsprechenden Maßgabe versehen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und 3 sowie § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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