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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 26.09.2001
Aktenzeichen: BVerwG 8 C 11.00
Rechtsgebiete: VermG, REAO


Vorschriften:

VermG § 1 Abs. 6
VermG § 2 Abs. 1 Sätze 3 u. 4
VermG § 3 Abs. 1 Satz 1
VermG § 6 Abs. 1 a
REAO Art. 3 Abs. 1 b, Abs. 2 und 3, Art. 8
Fehlen bei einer Unternehmensrestitution weitere nichtjüdische geschädigte Berechtigte nach dem Vermögensgesetz, so tritt die Conference on Jewish Material Claims against Germany für die von jüdischen Berechtigten nicht geltend gemachten Ansprüche gemäß § 2 Abs. 1 Sätze 4 und 3 VermG als Rechtsnachfolger auch dann ein, wenn jüdische Anteilseigner an der aus rassischen Gründen zur Selbstauflösung gezwungenen jüdischen juristischen Person weniger als 50 v.H. der Anteile auf sich vereinigt hatten.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 8 C 11.00

Verkündet am 26. September 2001

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 26. September 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Müller und die Richter am Bundesverwaltunggsgericht Dr. Pagenkopf, Sailer, Krauß und Postier

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Beigeladenen zu 2 gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 6. April 2000 wird zurückgewiesen.

Die Beigeladene zu 2 trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1, die diese selbst trägt.

Gründe:

I.

Die Revision wendet sich gegen die erstinstanzlich erfolgte Verpflichtung des Beklagten, die Berechtigung der Klägerin im Sinne des Vermögensgesetzes festzustellen. Die Klägerin, die Conference on Jewish Material Claims against Germany INC. (JCC), macht geltend, sie sei Rechtsnachfolgerin des ehemals jüdischen Unternehmens H.-GmbH, welches die streitbefangenen, in Berlin-..., Straße X sowie F.-Straße belegenen Grundstücke durch nationalsozialistische Verfolgung verloren habe.

Die H.-GmbH war seit 1929 Eigentümerin eines rund 130 000 m² großen Grundstücks in Berlin-.... Seit 1933 veräußerte sie das inzwischen parzellierte Grundstück an verschiedene Personen. Die hier streitbefangenen Flächen sind von zwei Verkäufen erfasst, und zwar von dem notariellen Vertrag vom 8. März 1939 an die Hausbau-Gesellschaft ... bezüglich der Parzellen 5163/32, 5165/32 - 5173/32 und 5157/32 - 5199/32 mit einer Größe von insgesamt 15 721 m² sowie von der notariellen Veräußerung vom 31. Mai 1939 bezüglich des Grundstücks F.-Straße 7 an die Eheleute E. und E. K. Für beide Verträge erteilte die Stadt Berlin die Genehmigung nach § 8 der Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens vom 3. Dezember 1938 (RGBl I 1709). In dem notariellen Vertrag vom 8. März 1939 ist die Erklärung des Geschäftsführers der H.-GmbH enthalten, dass diese wohl als jüdisch angesehen werden könne.

Nahezu alleiniger Gesellschafter der H.-GmbH war - wirtschaftlich gesehen - die ... AG (...). Über deren Aktionäre im Zeitpunkt der Verkäufe liegen keine Erkenntnisse vor. Ab dem 1. Dezember 1939 wurde die Liquidation der H.-GmbH durchgeführt und am 1. Dezember 1941 abgeschlossen.

Anmeldungen zur Restitution des Vermögens der liquidierten H.-GmbH durch ehemalige unmittelbare oder mittelbare Gesellschafter bzw. deren Rechtsnachfolger sind nicht erfolgt. Die Klägerin hat mit Anträgen vom 2. Dezember 1992 für Grundvermögen in Berlin-..., F.-Straße/O.-Straße und vom 23. Dezember 1992 für Betriebsvermögen der H.-GmbH sowie durch den Pauschalantrag vom 21. Dezember 1992, präzisiert mit Schreiben vom 13. April 1994, die Restitution der streitbefangenen Grundstücke angemeldet. Durch Bescheid vom 12. Juli 1995 lehnte der Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, es sei nicht ersichtlich, dass die H.-GmbH eine jüdische juristische Person gewesen sei.

Dagegen hat die Klägerin am 3. August 1995 Klage erhoben. Nachdem sie für eine Vielzahl von Einzelgrundstücken die Klage zurückgenommen und im Übrigen das Verwaltungsgericht für eine Reihe von Einzelgrundstücken die Verfahren abgetrennt hatte, hat es mit dem angegriffenen Urteil vom 6. April 2000 den Beklagten zur Feststellung der Restitutionsberechtigung der Klägerin verpflichtet. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Die Klägerin habe fristgemäß die Restitution des ehemaligen Vermögens der H.-GmbH angemeldet. Andere bevorrechtigte Restitutionsanträge lägen nicht vor. Die H.-GmbH sei von einer Unternehmensschädigung betroffen und zumindest im Hinblick auf die hier relevanten Veräußerungen als jüdische Gesellschaft behandelt worden sowie daher bezüglich dieser Verkäufe, die eine tatsächliche Einheit mit der späteren Liquidation der Gesellschaft bildeten, als Verfolgte anzusehen. Dafür, dass die Verfolgungsbedingtheit durch Beweise widerlegt sei, ergebe sich nichts. Die Klägerin sei Rechtsnachfolgerin der H.-GmbH und daher zur Restitution berechtigt. Die Voraussetzungen dafür lägen vor, weil die H.-GmbH durch die Veräußerung des Grundbesitzes und ihre spätere Auflösung zur Selbstauflösung gezwungen worden sei. Die Klägerin habe daher als Rechtsnachfolgerin einer aufgelösten juristischen Person, deren Hauptgesellschafter unmittelbar bzw. mittelbar eine Aktiengesellschaft mit unbekannten Aktionären sei, Anspruch auf einzelne Vermögenswerte des stillgelegten Unternehmens der juristischen Person. Dabei sei die Klägerin von den sonst für Unternehmensrestitutionen geltenden Einschränkungen befreit; denn in Anlehnung an das alliierte Rückerstattungsrecht seien die Berechtigten privilegiert. Die mögliche Konkurrenz zwischen den Ansprüchen der Klägerin und den hinter der geschädigten juristischen Person stehenden jüdischen oder nicht jüdischen Anteilseignern oder Gesellschaftern sei durch Abstufung zu lösen. Die Klägerin sei nur dann als Rechtsnachfolgerin anzusehen, wenn Ansprüche von vorrangigen Berechtigten nicht geltend gemacht würden. Vorrangig berechtigt sei zunächst die juristische Person selbst, wenn für diese frühere Gesellschafter oder deren Rechtsnachfolger die Rückgabe des Unternehmens beantragten. Darüber hinaus könne der geschädigte Gesellschafter oder dessen Rechtsnachfolger die Einräumung von Bruchteilseigentum an eingezogenen Vermögenswerten des Unternehmens verlangen. Damit werde das Ziel des Gesetzes erreicht, eine möglichst weitgehende Wiedergutmachung gegenüber der geschädigten jüdischen juristischen Person zu gewährleisten.

Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Revision rügt die Beigeladene zu 2 die Verletzung von Bundesrecht.

Sie beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 6. April 2000 aufzuheben und die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Berlin vom 6. April 2000 den Beklagten zu verpflichten, die Verpflichtung der Klägerin zur Rückerstattung der erhaltenen Kaufpreise festzustellen.

Die Klägerin tritt dem angefochtenen Urteil bei und beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Der Beklagte und die Beigeladene zu 1 stellen keine Anträge.

II.

Die Revision ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten zu Recht verpflichtet, die Berechtigung der Klägerin nach dem Vermögensgesetz hinsichtlich der streitbefangenen Grundstücke festzustellen. Der Hilfsantrag ist unzulässig.

1. Die Revision mit dem Hauptantrag ist zulässig. Die Klägerin wendet zwar ein, das angefochtene Urteil könne die Revisionsklägerin nicht belasten, weil diese auch dann den durch den investiven Verkauf der streitbefangenen Grundstücke erlangten Kaufpreis nicht behalten dürfe, wenn die Klage abgewiesen werde. Denn dann stehe der Kaufpreis der Beigeladenen zu 1 zu, weil diese als Zweitbetroffene restitutionsberechtigt sei. Ob aber die dem zugrunde liegende Rechtsauffassung zutrifft, dass die Beigeladene zu 1 das Eigentum an den streitbefangenen Grundstücken durch eine schädigende Maßnahme im Sinne von § 1 VermG verloren hat, kann dahinstehen. Der entsprechende Antrag ist bislang nicht beschieden worden und seine Erfolgsaussicht liegt nicht offen zu Tage. Das Verwaltungsgericht Berlin hat im Hinblick auf den von der Klägerin in Bezug genommenen Beschluss Nr. 811 des Magistrats von Berlin vom 27. September 1951 keinen Schädigungstatbestand im Sinne von § 1 VermG ausgemacht, sondern "von einer Art zuordnungsrechtlichen Bewältigung offener Vermögensfragen nach Zusammenbruch des vorangegangenen Regimes" gesprochen (Urteil vom 6. April 2001 - VG 31 A 10.01 -). Es hieße daher, hier ein Restitutionsverfahren anstelle des behördlichen Verfahrens durchzuführen, um die Anspruchsberechtigung der Beigeladenen zu 1 abzuklären. Ein Revisionsverfahren ist aber auf die Kontrolle der Rechtsanwendung gerichtet, und eine Ermittlung des Sachverhaltes findet grundsätzlich nicht statt (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO). Unter diesen Umständen lässt sich das schutzwürdige Interesse der Beigeladenen zu 2 an der Durchführung des Revisionsverfahrens nicht erschüttern.

2. Die Revision gegen das erstinstanzliche Urteil ist jedoch unbegründet; sie ist daher zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten ohne Verletzung von Bundesrecht verpflichtet festzustellen, dass die Klägerin Berechtigte in Bezug auf die streitbefangenen Grundstücke ist. Die Klägerin hat einen fristgerechten Antrag gestellt (a), und sie ist Berechtigte im Sinne des Vermögensgesetzes; denn sie ist Rechtsnachfolgerin einer jüdischen juristischen Person, die aus den Gründen des § 1 Abs. 6 VermG aufgelöst worden war (b) und deren Vermögenswerte von Maßnahmen gemäß § 1 Abs. 6 VermG betroffen gewesen sind (c).

a) Die Klägerin hat die vermögensrechtlichen Ansprüche an den streitbefangenen Grundstücken rechtzeitig angemeldet. Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 VermG sind Ansprüche durch einen Antrag geltend zu machen, der nach § 30 a Abs. 1 Satz 1 VermG bei Unternehmen und unbeweglichem Vermögen bis zum 31. Dezember 1992 gestellt werden musste. Das Verwaltungsgericht hat die Anmeldung der Klägerin vom 2. und 23. Dezember 1992 derart ausgelegt, dass damit die streitbefangenen Grundstücke angemeldet worden sind. Gegen diese Auslegung, an deren Ergebnis das Revisionsgericht grundsätzlich gebunden ist (§ 137 Abs. 2 VwGO), hat sich die Revision nicht gewandt.

b) Die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Klägerin sei Rechtsnachfolgerin der H.-GmbH, verletzt entgegen der Auffassung der Revision kein Bundesrecht.

Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG sind Berechtigte im Sinne dieses Gesetzes u.a. Rechtsnachfolger juristischer Personen, deren Vermögenswerte von Maßnahmen nach § 1 Abs. 6 VermG betroffen gewesen sind. Die Klägerin gilt im Hinblick auf jüdische juristische Personen und deren Rechtsnachfolger selbst als Rechtsnachfolgerin, wenn diese oder Nachfolgeorganisationen des Rückerstattungsrechts keinen Anspruch angemeldet haben (§ 2 Abs. 1 Satz 3 VermG). Dasselbe gilt gemäß § 2 Abs. 1 Satz 4 VermG, sofern die jüdische juristische Person aus den Gründen des § 1 Abs. 6 VermG zur Selbstauflösung gezwungen worden war. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt:

Den Anspruch auf Rückübertragung hat weder die von den nationalsozialistischen Zwangsmaßnahmen betroffene Gesellschaft noch einer deren Anteilseigner oder eine der Nachfolgeorganisationen des Rückerstattungsrechts gestellt. Die Klägerin bleibt daher als einziger Nachfolger übrig.

Allerdings regeln die Vorschriften von § 2 VermG die Rückgabeberechtigung nicht abschließend. Hier ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Veräußerungen im Jahr 1939 und die anschließende Liquidation eine einheitliche Unternehmensschädigung ergeben. Nach § 6 Abs. 1 a Satz 1 VermG ist bei der Rückgabe oder Rückführung eines Unternehmens Berechtigter derjenige Unternehmensträger, dessen Vermögenswerte von Maßnahmen gemäß § 1 VermG betroffen waren, dies aber nur, sofern das nach Satz 2 erforderliche Quorum von mehr als 50 v.H. der Kapitalbeteiligung zustande gekommen ist. Dieses Quorum ist von den im Zeitpunkt der Schädigung vorhandenen Gesellschaftern der H.-GmbH oder deren Rechtsnachfolgern nicht gebildet worden. Doch die Rechtsfolge, dass dann keine Rückforderung erfolgen darf (§ 6 Abs. 1 a Satz 3 VermG), greift in den Schädigungsfällen von § 1 Abs. 6 VermG nicht ein, für die § 2 Abs. 1 Satz 3 und 4 VermG das Nähere bestimmt. Dies ergibt sich aus Folgendem:

§ 2 Abs. 1 Sätze 3 und 4 VermG sind mit Art. 1 Nr. 2 des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes vom 14. Juli 1992 (BGBl I 1257) eingefügt worden - damals noch als Sätze 2 und 3 -, um die bisherige Rechtslage klarzustellen (BTDrucks 12/2480). Nach Auffassung des Gesetzgebers hatte sich die Berechtigung der JCC bereits aus § 2 Abs. 1 Satz 3 der Anmeldeverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. Oktober 1990 (BGBl I 2162) und der amtlichen Erläuterung zu § 2 VermG (BTDrucks 11/7831 S. 4) ergeben. So galten nach § 2 Abs. 1 Satz 3 Anmeldeverordnung als Rechtsnachfolger auch Nachfolgeorganisationen im Sinne des Rückerstattungsrechts und - soweit diese keine Ansprüche stellten - die JCC. Ferner war nach der amtlichen Erläuterung der Begriff "Rechtsnachfolger" in den Fällen von § 1 Abs. 6 VermG weit auszulegen und die Nachfolgeorganisationen im Sinne der Rückerstattungsgesetzgebung als Rechtsnachfolger anzusehen, soweit der Vermögenswert ehemals Eigentum inzwischen aufgelöster Vereinigungen war. Eine Unterscheidung danach, ob von der Schädigung ein jüdisches Unternehmen, ein jüdischer Verein oder eine jüdische Gemeinde betroffen war, bestand insoweit nicht und ist danach entgegen der Revision nicht gerechtfertigt.

Der Zweck der Nachfolgeregelung, der darin liegt zu verhindern, dass der Fiskus des Staates begünstigt wird, in dessen jüngster Geschichte sich das wiedergutzumachende Unrecht ereignet hat (BTDrucks 11/7831 S. 4), legt ebenfalls nahe, die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der H.-GmbH anzusehen, und dies auch, ohne dass es auf ein Quorum ankommt. Die Regelung trägt dem Umstand Rechnung, dass die Juden unter der Herrschaft des Nationalsozialismus systematisch ermordet wurden und daher in zahllosen Fällen weder die Geschädigten selbst noch Nachkommen in der Lage sind, vermögensrechtliche Ansprüche geltend zu machen.

Gegen die Anwendung der Quorumsregelung spricht ferner, dass die Auflösung jüdischer Gewerbebetriebe erfolgen konnte, obwohl die jüdischen Anteilseigner nicht die Mehrheit an der Gesellschaft hielten; bereits eine Kapitalbeteiligung von mehr als 1/4 reichte nach Art. 1 § 1 Abs. 3 b) der Dritten Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14. Juni 1938 (RGBl I 627) aus. Dem würde es widersprechen, wenn die Rechtsnachfolge durch die JCC eine jüdische Kapitalbeteiligung von mehr als 50 v.H. voraussetzen müsste.

Auch Nachfolgeorganisationen im Sinne des Rückerstattungsrechts waren für die Geltendmachung des Rückerstattungsanspruchs auf kein Quorum angewiesen (vgl. Art. 7 REAO <abgedruckt in: Godin, Rückerstattung feststellbarer Vermögensgegenstände 2. Aufl. 1950 S. 24 ff.>, Art. 8 US-REG und Art. 7 BR-REG <jeweils abgedruckt in: Kubuschok/Weißstein, Rückerstattungsrecht der britischen und amerikanischen Zone, 1950 S. 24 ff.>). Dies ist von Belang, da die alliierten Rückerstattungsregeln und die dazu ergangene Rechtsprechung im Rahmen von § 1 Abs. 6 VermG heranzuziehen sind (Urteile vom 16. Dezember 1998 - BVerwG 8 C 14.98 - BVerwGE 108, 157 <163> = Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 167 und vom 22. Februar 2001 - BVerwG 7 C 93.99 - DVBl 2001, 1155 - jeweils m.w.N.). Das Vermögensgesetz verfolgt das Ziel, sich im Bereich der Restitution verfolgungsbedingter Vermögensverluste, zu denen es während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft auf dem Gebiet der späteren DDR gekommen war, soweit wie möglich an die Grundsätze des alliierten Rückerstattungsrechts anzulehnen; der Gesetzgeber geht davon aus, dass da, wo die Anwendung rückerstattungsrechtlicher Grundsätze angezeigt erscheint, dies im Wege der analogen Anwendung erfolgen wird (BTDrucks 12/2994 S. 50). Daraus ergibt sich für die Klägerin, dass sie dank ihrer bereits durch § 2 Abs. 1 Satz 3 Anmeldeverordnung eingeräumten subsidiären Stellung ebenso wie die Nachfolgeorganisationen des alliierten Rückerstattungsrechts für die erfolgreiche Geltendmachung eines Rückübertragungsanspruchs keines Quorums bedarf.

Es ist ferner nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht die H.-GmbH als eine jüdische juristische Person im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 4 VermG angesehen hat. Unter "jüdisch" ist gemeint, was im Zeitpunkt der schädigenden Maßnahme - gemessen an der damals herrschenden Ideologie - darunter verstanden wurde. Danach ist nicht erforderlich, dass an einer juristischen Person ausschließlich jüdische natürliche Personen mittelbar oder unmittelbar beteiligt waren, wie sich dies aus der Dritten Verordnung zum Reichsbürgergesetz ergibt, die bestimmte, wann ein Gewerbebetrieb als jüdisch galt. Die Konsequenz, dass die JCC letzthin als Rechtsnachfolgerin auch von solchen Gesellschaften in Betracht kommen kann, denen nichtjüdische Mitglieder angehört hatten, ist gerechtfertigt, um den Fiskus nicht zum Nutznießer rassisch bedingten Unrechts werden zu lassen.

Die Feststellungen, aus denen das Verwaltungsgericht gefolgert hat, dass die H.-GmbH eine jüdische juristische Person gewesen war, sind für den Senat bindend, weil Verfahrensrügen nicht vorgebracht worden sind (§ 137 Abs. 2 VwGO). Die rechtliche Einordnung ist revisionsgerichtlich unbedenklich.

Die H.-GmbH ist auch aus den Gründen von § 1 Abs. 6 VermG - d.h. aus rassischen Gründen - zur Selbstauflösung gezwungen worden. Dies hat das Verwaltungsgericht ausdrücklich festgestellt (UA S. 13). Die Feststellung ist nicht angegriffen worden und revisionsrechtlich ist dagegen nichts zu erinnern.

Sind mithin die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 2 Abs. 1 Satz 4 VermG erfüllt, steht zugleich fest, dass die Klägerin Rechtsnachfolgerin desjenigen ist, dem die Rückgaberechtigung bei Anmeldung originär zustünde. Bezogen auf die hier in Betracht zu ziehende Unternehmensrestitution heißt dies, dass gemäß § 2 Abs. 1 Satz 4 VermG eine unmittelbare Rechtsnachfolge nach dem untergegangenen, geschädigten Unternehmen (§ 6 Abs. 1 a Satz 1 VermG) stattfindet. Die (auch) im Rahmen einer Unternehmensstilllegung (§ 6 Abs. 6 a Satz 1 VermG) angeordnete "Wiederbelebung" der geschädigten Gesellschaft zum Zwecke der Restitution eines Betriebsgrundstücks nach § 6 Abs. 1 a Satz 2 VermG ist deshalb unabhängig davon nicht erforderlich, ob und in welchem Umfange die JCC durch jüdische Anteile am Unternehmensträger beteiligt ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn keine konkurrierende Anmeldung vorliegt. Zu der vom Verwaltungsgericht erörterten Behandlung bevorrechtigter Anträge bedarf es daher keines näheren Eingehens. Klarzustellen ist jedoch, dass - läge hier kein investiver Verkauf vor - die vom Verwaltungsgericht in Betracht gezogene Bruchteilsrestitution (§ 3 Abs. 1 Satz 10 VermG) nicht in Frage käme; denn sie stünde nach § 3 Abs. 1 Satz 5 VermG originär den geschädigten Gesellschaftern zu, von denen jedoch nicht bekannt ist, welches Mitglied jüdisch war.

c) In Bezug auf den Schädigungstatbestand hat das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt, dass die Vermögenswerte der H.-GmbH Maßnahmen im Sinne von § 1 VermG unterlegen haben. Nach § 1 Abs. 6 VermG findet dieses Gesetz entsprechende Anwendung auf vermögensrechtliche Ansprüche von Bürgern und Vereinigungen, die in der Zeit vom 30. Januar 1933 bis zum 8. Mai 1945 aus rassischen, politischen, religiösen oder weltanschaulichen Gründen verfolgt wurden und deshalb ihr Vermögen infolge von Zwangsverkäufen, Enteignungen oder auf andere Weise verloren haben. Bei Veräußerung oder Aufgabe der Vermögensgegenstände wird dabei nach Maßgabe von Art. 3 REAO die Kausalität zwischen Verfolgung und Vermögensverlust und damit der Zwangscharakter des Rechtsgeschäfts vermutet (§ 1 Abs. 6 Satz 2 VermG). Die gesetzliche Vermutung kann für Veräußerungen nach dem 14. Dezember 1935 nur durch den dem Beklagten obliegenden Beweis widerlegt werden, dass der Veräußerer einen angemessenen Kaufpreis erhalten hat und dass er über ihn frei verfügen konnte sowie dass das Rechtsgeschäft nach seinem wesentlichen Inhalt auch ohne die Herrschaft des Nationalsozialismus abgeschlossen worden wäre oder der Erwerber in besonderer Weise und mit wesentlichem Erfolg den Schutz der Vermögensinteressen des Berechtigten oder seines Rechtsnachfolgers wahrgenommen hat (§ 1 Abs. 6 Satz 2 VermG i.V.m. Art. 3 Abs. 2 und 3 REAO; vgl. dazu Urteil vom 13. September 2000 - BVerwG 8 C 21.99 - Buchholz 428 § 1 Abs. 6 VermG Nr. 8).

Die H.-GmbH gehörte als jüdische juristische Person zu einem Personenkreis, den in seiner Gesamtheit die deutsche Regierung und die NSDAP aus rassischen Gründen vom kulturellen und wirtschaftlichen Leben Deutschlands auszuschließen beabsichtigt hatte (Art. 3 Abs. 1 Buchst. b REAO). Bei einer juristischen Person handelte es sich um eine solche Vereinigung im Sinne von § 1 Abs. 6 VermG. Die hier maßgeblichen Veräußerungen vom 8. März und 31. Mai 1939 waren nach dem In-Kraft-Treten der Dritten Verordnung zum Reichsbürgergesetz und der Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens erfolgt, so dass für diese Veräußerungen, auf die nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts die genannten Verordnungen angewandt wurden, die Verfolgungsvermutung eingreift.

Da die Verträge nach der Vermutungsregel von § 1 Abs. 6 Satz 2 VermG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b REAO als Zwangsverkäufe gelten, kann gemäß Art. 3 Abs. 3 REAO diese Vermutung u.a. nur dann widerlegt werden, wenn das Rechtsgeschäft seinem wesentlichen Inhalt nach auch ohne die Herrschaft des Nationalsozialismus abgeschlossen worden wäre oder der Erwerber in besonderer Weise und mit wesentlichem Erfolg den Schutz der Vermögensinteressen des Berechtigten oder seines Rechtsnachfolgers wahrgenommen hat. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts, die den Senat mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen binden (§ 137 Abs. 2 VwGO), ist dieser Beweis im vorliegenden Falle nicht geführt. Das Verwaltungsgericht hat für eine derartige Widerlegung nichts gefunden, sondern ausgeführt, es habe sich bei den Veräußerungen überwiegend um Vorbereitungshandlungen zur Auflösung der Gesellschaft gehandelt, die sonst nach Art. 1 § 1 Satz 1 der Einsatzverordnung vom 3. Dezember 1938 hätte angeordnet werden können.

3. Der Hilfsantrag mit dem Ziel, die Klägerin zur Erstattung der erhaltenen Kaufpreise zu verpflichten, ist unzulässig. Es handelt sich gegenüber der bloßen Verpflichtung zur isolierten Berechtigtenfeststellung um eine Änderung der Klage im Sinne von § 91 VwGO und nicht um eine Erweiterung des Klageantrages in der Hauptsache gemäß § 264 Nr. 2 ZPO i.V.m. § 173 VwGO. Der Antrag verstößt daher gegen § 142 VwGO. Eine unbillige Rechtsschutzverkürzung - wie sie die Revision sieht - ist mit der Zurückweisung des Antrags nicht verbunden, hätte das Begehren doch bereits in erster Instanz geltend gemacht werden können (vgl. § 66 Satz 2 VwGO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 1 000 000 DM festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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