Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 11.06.2001
Aktenzeichen: BVerwG 8 C 17.01
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 116 Abs. 2
VwGO § 138 Abs. 1 Nr. 6
Leitsatz:

Im Falle der Zustellung des Urteils anstelle der Verkündung (§ 116 Abs. 2 VwGO) ist die äußerste Frist zur Abfassung des vollständigen Urteils nur dann nicht gewahrt, wenn das mit Tatbestand und Entscheidungsgründen versehene und von den Richtern unterzeichnete Urteil nicht innerhalb von fünf Monaten nach dem Tag der abschließenden Beratung der Geschäftsstelle übergeben worden ist. Auf den Zeitpunkt der Zustellung des Urteils an die Beteiligten kommt es nicht an.

Beschluss des 8. Senats vom 11. Juni 2001 - BVerwG 8 B 17.01 -

I. VG Gera vom 26.06.2000 - Az.: VG 3 K 1159/94 GE -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

BVerwG 8 B 17.01 VG 3 K 1159/94 GE

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 11. Juni 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Müller und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze und Postier

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Gera vom 26. Juni 2000 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 354 375 DM festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Soweit sie den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entspricht, ist sie jedenfalls unbegründet.

1. Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt nicht vor. Weder ist das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts unter Verstoß gegen § 116 Abs. 2 VwGO nicht innerhalb von zwei Wochen nach der mündlichen Verhandlung beschlossen worden, noch ist das Urteil als "nicht mit Gründen versehen" i.S.d. § 138 Nr. 6 VwGO anzusehen, weil es später als fünf Monate nach der Beratung vollständig abgefasst und den Beteiligten zugestellt worden ist.

a) In der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 26. Juni 2000 ist der Beschluss verkündet worden, dass eine Entscheidung den Beteiligten an Verkündungs statt zugestellt werden soll. In diesen Fällen ist nach § 116 Abs. 2 VwGO das Urteil binnen zwei Wochen nach der mündlichen Verhandlung der Geschäftsstelle zu übergeben. Zu Unrecht meint die Beschwerde, es sei schon zweifelhaft, ob innerhalb dieser Frist wenigstens der Tenor der Entscheidung der Geschäftsstelle übergeben worden sei. Vielmehr ergibt sich aus den Gerichtsakten, dass der von den mitwirkenden Richtern unterschriebene Tenor am 27. Juni 2000, also einen Tag nach der mündlichen Verhandlung bei der Geschäftsstelle eingegangen ist. Ausweislich eines weiteren Vermerkes in den Gerichtsakten ist der Tenor der Entscheidung im Übrigen noch am selben Tage u.a. dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin telefonisch bekannt gegeben worden. Es trifft also nicht zu, dass das Urteil nicht innerhalb der Frist des § 116 Abs. 2 VwGO beschlossen wurde (vgl. zu diesem Erfordernis Beschluss vom 6. Mai 1998 - BVerwG 7 B 437.97 - Buchholz 310 § 116 VwGO Nr. 22 m.w.N.).

b) Allerdings ist das Urteil innerhalb der 2-Wochen-Frist nicht vollständig abgefasst, das heißt mit Tatbestand und Entscheidungsgründen von den beteiligten Berufsrichtern unterschrieben und der Geschäftsstelle übergeben worden. Auf diesem Mangel beruht das angefochtene Urteil aber nicht. Ein bei Verkündung noch nicht vollständig abgefasstes Urteil ist i.S.d. § 138 Nr. 6 VwGO nicht mit Gründen versehen, wenn Tatbestand und Entscheidungsgründe nicht binnen fünf Monaten nach Verkündung schriftlich niedergelegt, von den Richtern besonders unterschrieben und der Geschäftsstelle übergeben worden sind (GmS-OGB, Beschluss vom 27. April 1993 - GmS-OGB 1/92 - BVerwGE 92, 367). Diese zu § 117 Abs. 4 VwGO ergangene Entscheidung gilt entsprechend auch in den Fällen des § 116 Abs. 2 VwGO (Beschlüsse vom 20. September 1993 - BVerwG 6 B 18.93 - Buchholz 310 § 116 VwGO Nr. 21 und vom 18. August 1999 - BVerwG 8 B 124.99 - Buchholz 310 § 138 Ziff. 6 VwGO Nr. 37; vgl. auch Beschluss vom 6. Mai 1998 - BVerwG 7 B 437.97 - a.a.O.). Maßgeblich ist insoweit allein der Zeitpunkt der Übergabe des vollständigen Urteils an die Geschäftsstelle des Gerichts (vgl. Beschlüsse vom 26. April 1999 - BVerwG 8 B 67.99 - Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 30 S. 2 <6 f.> und vom 24. August 1999 - BVerwG 8 B 12.99 - BA S. 5 f.), nicht aber die Zustellung an die Beteiligten. Sichergestellt werden soll, dass die Entscheidungsgründe den Inhalt der Beratung zuverlässig wiedergeben. Dafür ist es allein entscheidend, wann die beteiligten Richter die Entscheidungsgründe abschließend festgehalten haben. Dies ist mit der Übergabe an die Geschäftsstelle erreicht. Der danach liegende Zeitraum bis zur Zustellung an die Beteiligten hat auf den Inhalt der Entscheidungsgründe keinen Einfluss mehr. Im Übrigen sind Verzögerungen bei der Ausfertigung, insbesondere aber bei der Zustellung des Urteils von den Richtern nicht mehr zu beeinflussen.

Soweit dem Beschluss des Senats vom 18. August 1999 (BVerwG 8 B 124.99 - a.a.O.) die Rechtsansicht zu entnehmen sein sollte, es komme auf den Zeitpunkt der Zustellung an, war dies im damaligen Verfahren jedenfalls nicht entscheidungserheblich, weil auch der in den Gründen des Beschlusses wiedergegebene Zeitpunkt der Übergabe des vollständigen Urteils an die Geschäftsstelle nach Ablauf von der 5-Monats-Frist lag. Im Übrigen würde der Senat an einer weitergehenden Rechtsansicht jedenfalls nicht festhalten.

Auch in dem dem Beschluss vom 20. September 1993 (BVerwG 6 B 18.93 - a.a.O.) zugrunde liegenden Fall war die 5-Monats-Frist bereits vor Übergabe des vollständigen Urteils an die Geschäftsstelle verstrichen. Die Frage, ob auch die Zustellung an die Beteiligten innerhalb der 5-Monats-Frist erfolgen muss, war daher auch in diesem Falle jedenfalls nicht entscheidungserheblich. Schon deswegen kommt eine Vorlage der Frage an den Großen Senat nach § 11 Abs. 2 VwGO nicht in Betracht.

2. Die Beschwerde kann auch nicht mit der Begründung Erfolg haben, das angefochtene Urteil weiche von den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Juni 1997 (BVerwG 7 C 25.96 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 113) und vom 20. März 1997 (BVerwG 7 C 55.96 - Buchholz 428 § 5 VermG Nr. 13) i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ab. Die Darlegung dieses Revisionszulassungsgrundes setzt voraus, dass die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der bezeichneten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz, der sich auf dieselbe Rechtsvorschrift bezieht, widersprochen hat (stRspr. vgl. u.a. Beschluss vom 1. September 1997 - BVerwG 8 B 144.97 - Buchholz 406.11 § 128 BauGB Nr. 50 S. 7 <11> m.w.N.). Derartige voneinander abweichende Rechtssätze zeigt die Beschwerde nicht auf. Vielmehr trägt sie selbst vor, das Verwaltungsgericht habe die genannten Entscheidungen angeführt, sie aber nicht zutreffend angewandt. Mit der Begründung, die Vorinstanz habe bestimmte Rechtssätze aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht oder fehlerhaft angewandt, kann aber die Zulassung der Revision wegen Divergenz nicht erreicht werden. Dafür ist es nämlich unerheblich, ob im konkreten Einzelfall eine den Maßstäben der höchstrichterlichen Rechtsprechung durchweg entsprechende Entscheidung getroffen wurde (Beschluss vom 1. September 1997 - BVerwG 8 B 144.97 - a.a.O. m.w.N.).

3. Der Rechtssache kommt entgegen der Ansicht der Beschwerde auch keine grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu.

Grundsätzlich bedeutsam im Sinne dieser Vorschrift ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts zu erwarten ist. Daran fehlt es hier. Hinsichtlich des § 1 Abs. 3 VermG formuliert die Beschwerde schon keine abstrakte Rechtsfrage. Soweit sie darüber hinaus meint, grundsätzlich bedeutsam sei die Frage, auf welchen Zeitpunkt der Entscheidung es für den Ausschluss nach § 5 Abs. 1 Buchst. d VermG ankomme, und dass eine Umgestaltung der Rechtsform aus wirtschaftlichen Gründen bei gleich bleibendem Produktionsgeschehen nicht zu einem Ausschluss der Anwendbarkeit von § 5 Abs. 1 Buchst. d VermG führen könne, würden sich diese Fragen in einem Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich stellen. In der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bereits geklärt, dass der Restitutionsausschlussgrund des § 5 Abs. 1 Buchst. d VermG u.a. voraussetzt, dass die die Rückgabe hindernde gewerbliche Nutzung des Grundstücks nicht nur am 29. September 1990 bestand, sondern bis zur Entscheidung über die Rückübertragung fortbestanden haben muss. Da nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Verfahrensrügen erhoben worden sind, das hier streitige Grundstück jedenfalls im Zeitpunkt des Erlasses der Widerspruchsentscheidung, mit der die Rückgabe (erstmals) an die Beigeladenen angeordnet wurde, nicht (mehr) von der Klägerin betrieblich genutzt wurde, wäre es nicht entscheidungserheblich, ob - wie die Beschwerde meint - es hier auf den Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Urteils angekommen wäre. Selbst wenn nämlich - was das Verwaltungsgericht allerdings nicht festgestellt hat - zu diesem Zeitpunkt die Einbeziehung des Grundstücks in den Betrieb der Klägerin zu bejahen sein sollte, könnte dies den Ausschlussgrund des § 5 Abs. 1 Buchst. d VermG nicht rechtfertigen, weil die Einbeziehung unterbrochen war. Eine erneute Einbeziehung zu einem späteren Zeitpunkt kann nicht erneut zum Restitutionsausschluss führen. Die Frage, ob die betriebliche Nutzung im vorliegenden Fall unterbrochen war, ist keine solche von grundsätzlicher Bedeutung, sondern beantworte sich nach einer Würdigung des Einzelfalles.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf den §§ 13, 14 GKG.

Ende der Entscheidung

Zurück