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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 02.02.2000
Aktenzeichen: BVerwG 8 C 29.98
Rechtsgebiete: VermG


Vorschriften:

VermG § 1 Abs. 3
Leitsätze:

Für das Vorliegen von unlauteren Machenschaften im Zusammenhang mit einer Schenkung von beweglichen Sachen anläßlich der Ausreise aus der DDR trifft den vermögensrechtlichen Anspruchsteller die materielle Beweislast. Die Grundsätze eines Anscheinsbeweises finden bei derartigen Sachverhalten keine Anwendung; dies gilt auch für die Veräußerung von Kulturgütern.

Eine unlautere Machenschaft liegt nicht darin, daß nach DDR-Recht Kulturgüter nicht ohne Genehmigung ausgeführt werden durften.

Ein Verstoß gegen die Denkgesetze scheidet aus, wenn das Tatsachengericht im Rahmen der Beweiswürdigung bei mehrdeutigen Tatumständen deren Mehrdeutigkeit erkannt und (plausibel) berücksichtigt hat.

Urteil des 8. Senats vom 2. Februar 2000 - BVerwG 8 C 29.98 -

I. VG Meiningen vom 09.11.1998 - Az.: VG 5 K 773/96.Me -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 8 C 29.98 VG 5 K 773/96.Me

Verkündet am 2. Februar 2000

Grosser Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 2. Februar 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Müller und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Pagenkopf, Sailer, Krauß und Golze

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Meiningen vom 9. November 1998 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Gründe:

I.

Der Kläger beansprucht die Rückübertragung einer paläontologischen Sammlung, die 1934 vom später in russischer Gefangenschaft verstorbenen Vater des Klägers eingerichtet worden ist. Die Sammlung umfaßte einige Tausend Objekte aus der Vorzeit, darunter zwei komplette Dinosaurierskelette, zahlreiche fossile Knochen, Wirbelrippen, Fährtenplatten mit Vorder- und Hinterfußabdrücken von Sauriern sowie zahlreiche andere fossile Reste. Die Sammlung ist im Schloß B. im Kreis H. unter dem Namen Paläontologisches Heimatmuseum B. aufbewahrt und bis zu ihrer Ausreise aus der DDR im Juni 1969 von der damals bereits 80jährigen Mutter des Klägers betreut worden. Die Eltern des Klägers hatten sich gegenseitig zu Vorerben und den - nach Kriegsende in Westdeutschland lebenden - Kläger zum Nacherben eingesetzt.

Im Oktober 1968 fand im Hinblick auf die beabsichtigte Ausreise der Mutter des Klägers unter Vermittlung des damaligen Leiters der Naturwissenschaftlichen Sammlung der Staatlichen Museen M. wegen des weiteren Schicksals der paläontologischen Sammlung erstmals ein Gespräch mit Prof. Dr. D., dem damaligen Direktor des Instituts für Paläontologie der Beigeladenen, statt. Prof. Dr. D. empfahl der Mutter des Klägers, den T. Prof. Dr. M. zu Rate zu ziehen. In einem an den Kläger gerichteten Schreiben vom 19. Januar 1969 erwähnte dessen Mutter erstmals im Zusammenhang mit der regelungsbedürftigen Museumsangelegenheit die Möglichkeit einer Schenkung als "einzigen Ausweg". Mit Schreiben vom 1. Februar 1969 an Prof. Dr. D. teilte Prof. Dr. M., den der Kläger inzwischen in T. aufgesucht hatte, mit, er habe geraten, die Sammlung nach B. abzugeben, da die Sammlung aufgrund der damaligen erschwerten Zugänglichkeit für Wissenschaftler und aufgrund der bevorstehenden Ausreise der Mutter des Klägers und der dadurch bedingten fehlenden Aufsicht, in B. gut aufgehoben sei. Der Kläger und seine Mutter seien zur Schenkung bereit.

Am 27. Februar 1969 stellte die Mutter des Klägers einen Antrag auf Ausreise zu ihrem Sohn. In an diesen gerichteten Schreiben vom 14. und 27. März 1969 hob sie die Dringlichkeit der Regelung der Museumsangelegenheit vor der Ausreise hervor und bat ihn um Zusage der Schenkung gegenüber Prof. Dr. D., da kein anderer Ausweg bestehe, "um das Lebenswerk von Vater zu erhalten". Unter dem 3. April 1969 schloß sie die offenbar vom Kläger erwähnte Möglichkeit einer bloßen Verwaltung der Sammlung aus, weil zu deren Erhaltung Geld nötig sei, das "man nur für ein Eigentum gibt". Daraufhin erklärte sich der Kläger mit Schreiben vom 7. April 1969 Prof. Dr. D. gegenüber mit der Schenkung einverstanden und wiederholte dieses Einverständnis mit notarieller Erklärung vom 14. Mai 1969.

Mit einer notariellen Erklärung vom 22. Mai 1969 gab der Kläger vor einem Notar in Frankfurt/Main kund, daß seine Mutter ihn in mehreren Briefen auf die Abhängigkeit ihrer Ausreise von der vorherigen Schenkung des Museums an den Staat hingewiesen habe; er sei deshalb zur Abgabe seiner Einverständniserklärung gezwungen gewesen.

Am 29. Mai 1969 schloß die Mutter des Klägers mit der Beigeladenen vor dem Staatlichen Notariat Hildburghausen einen Schenkungsvertrag über die paläontologische Sammlung. Mit notariell beglaubigter Vollmacht vom selben Tage übertrug sie die Verwaltung des in ihrem Eigentum weiterhin verbleibenden Grundbesitzes dem damaligen Bürgermeister der Gemeinde B.

Am 20. Juni 1969 verließ die Mutter des Klägers unter Mitnahme ihres gesamten übrigen Hab und Guts die DDR. Kurz danach bedankte sich der Kläger bei Prof. Dr. D. ausdrücklich "herzlich für Ihren Rat und Ihre Hilfe" und führte in seinem Schreiben aus, "daß durch die Schenkung an das Museum für Naturkunde in Berlin Arbeit und Forschung meines Vaters am besten der Wissenschaft und Nachwelt erhalten bleiben". Weitere Dankesschreiben, u.a. auch der Mutter des Klägers, schlossen sich an, in denen u.a. auch Dank für den langwierigen Abbau und Abtransport der fünf bis sechs Lkw-Ladungen umfassenden Sammlung erstattet wurde. Der Kläger betonte dabei, daß durch die Überführung der Sammlung nach B. die Forschungsergebnisse erhalten blieben. Das sei der Wunsch seines Vaters gewesen.

Der Kläger beantragte als Alleinerbe seiner 1981 verstorbenen Mutter mit Schreiben vom 5. Oktober 1990 die Rückübertragung der paläontologischen Sammlung. Mit Bescheid vom 14. Juni 1994 lehnte das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen Hildburghausen den Antrag im wesentlichen mit der Begründung ab, eine Zwangslage der Mutter des Klägers sei nicht hinreichend dargelegt worden. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos.

Die 1996 erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht im wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, der Kläger habe keinen Anspruch auf Rückübertragung der paläontologischen Sammlung, da keine schädigende Maßnahme im Sinne des § 1 VermG vorgelegen habe. Die von ihm behauptete unlautere Machenschaft bei der Schenkung vom 29. Mai 1969 in Gestalt eines Machtmißbrauchs bzw. einer Nötigung sei nicht festzustellen. Der Kläger habe nicht beweisen können, daß die Mutter des Klägers die paläontologische Sammlung im Zusammenhang mit ihrer Ausreise unter staatlichem Druck habe verschenken müssen. Der vorliegende Schriftwechsel sowie die Zeugenvernehmung habe ergeben, daß die Mutter des Klägers aufgrund der tatsächlichen Schwierigkeiten und der rechtlichen Verhältnisse in der DDR sich auf Anraten des westdeutschen Prof. Dr. M. zur Schenkung entschlossen habe, um die bestmögliche Erhaltung des Lebenswerkes ihres Ehemannes zu sichern. Daß bei einer nur leihweisen Überlassung der Sammlung oder sonstigen Verwaltung die Ausreise versagt worden wäre, sei nicht erwiesen.

Das Verwaltungsgericht hat die Revision zugelassen, weil geklärt werden müsse, ob ein Anscheinsbeweis für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 VermG auch bei der Veräußerung von beweglichen Sachen im Zusammenhang mit einer Ausreise Anwendung finde.

Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts. Er ist der Ansicht, es bestehe ein Beweis des ersten Anscheins, daß der Verlust von Vermögenswerten bei der Ausreise auf unlauteren Machenschaften beruhe. Das gelte auch für bewegliche Sachen wie im vorliegenden Fall. Die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts verstoße im übrigen gegen die Gesetze der Denklogik, da die Möglichkeit einer Leihgabe nicht hinreichend in Betracht gezogen sei. Der Vorschlag einer Schenkung stamme von Prof. Dr. D. Aus den diversen Schreiben der Mutter gehe zudem hervor, daß auf diese objektiv staatlicher Druck ausgeübt worden sei, um die paläontologische Sammlung zu verschenken.

Der Beklagte verteidigt das verwaltungsgerichtliche Urteil. Er verneint ebenso wie der Oberbundesanwalt das Bestehen eines Anscheinsbeweises für den Fall, daß es im Zusammenhang mit einer Ausreise zur Veräußerung von beweglichen Sachen gekommen ist. Eine entsprechende Verwaltungspraxis der DDR-Behörden sei nicht bekannt.

Die Beigeladene, die keinen Antrag stellt, schließt sich dieser Auffassung an.

II.

Die Revision des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts beruht nicht auf einer Verletzung des Bundesrechts (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rückübertragung der paläontologischen Sammlung, da keine schädigende Maßnahme im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG vorgelegen hat, der allein als Beurteilungsgrundlage in Betracht kommt. Das Verwaltungsgericht hat in rechtsfehlerfreier Weise das Vorliegen einer unlauteren Machenschaft bei der notariellen Schenkung vom 29. Mai 1969 in Form eines Machtmißbrauchs oder einer Nötigung verneint und im Ergebnis richtig dargelegt, daß die materielle Beweislast für die Nichtfeststellbarkeit der tatsächlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 VermG den Kläger trifft.

1. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat das Verwaltungsgericht das gesetzliche Merkmal der unlauteren Machenschaft, das der Gesetzgeber mit den Beispielsfällen Machtmißbrauch, Korruption, Nötigung oder Täuschung von seiten des Erwerbers, staatlicher Stellen oder Dritter umschreibt, zutreffend ausgelegt.

Eine solche unlautere Machenschaft liegt vor, wenn im Einzelfall in manipulativer, sittlich vorwerfbarer Weise unter Verstoß gegen die Rechtsordnung der DDR auf bestimmte Vermögenswerte zugegriffen worden ist. Das danach notwendige qualifizierte Einzelfallunrecht scheidet aber aus, wenn bei einem Erwerbsvorgang - gemessen an den in der DDR gültigen Rechtsvorschriften und den sie tragenden ideologischen Grundvorstellungen - alles mit rechten Dingen zugegangen ist (stRspr, vgl. Urteil vom 29. Februar 1996 - BVerwG 7 C 59.94 - BVerwGE 100, 310 <312> m.w.N.). Danach setzt die Annahme einer Nötigung in Anlehnung an § 240 StGB die rechtswidrige Einflußnahme auf die Willensentschließung oder Willensbetätigungsfreiheit durch Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel voraus. Typischer Fall einer unlauteren Machenschaft ist in dem vorliegenden Zusammenhang, wenn die Erteilung einer Ausreisegenehmigung davon abhängig gemacht worden ist, daß der Ausreisewillige zuvor Vermögenswerte veräußert oder auf sein Eigentum verzichtet (BTDrucks 11/7831 S. 3; Urteil vom 28. Juni 1995 - BVerwG 7 C 52.93 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 48 S. 126 <127>).

Frei von Rechtsfehlern ist das Verwaltungsgericht zur Auffassung gelangt, daß eine derartige unlautere Machenschaft, insbesondere eine rechtswidrige Einflußnahme auf die Willensbetätigung weder gegenüber der Mutter des Klägers noch gegenüber diesem als Nacherben in den Nachlaß seines verstorbenen Vaters nachgewiesen ist. Nach den nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen der Vorinstanz beruhte die Schenkung der paläontologischen Sammlung durch die Mutter des Klägers an die Beigeladene im Einverständnis des Klägers nicht auf einer unlauteren Machenschaft.

a) Eine solche liegt nicht schon darin, daß die paläontologische Sammlung der damals geltenden Verordnung zum Schutze des Deutschen Kunstbesitzes und des Besitzes an wissenschaftlichen Dokumenten und Materialien vom 2. April 1953 (GBl S. 522) unterfiel und deshalb nicht ohne staatliche Genehmigung ausgeführt werden durfte. Eine vergleichbare, rechtlich unbenkliche gesetzliche Regelung findet sich u.a. auch in der Bundesrepublik Deutschland (vgl. das Gesetz zum Schutze Deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung i.d.F. der Bekanntmachung vom 8. Juli 1999, BGBl I S. 1754). Ebenso wie in der genannten DDR-Verordnung ist auch nach § 5 dieses Gesetzes eine Genehmigungspflicht bei der Ausfuhr von eingetragenem Kulturgut vorgesehen. Im übrigen hat das Verwaltungsgericht weder festgestellt noch ist aus den Akten ersichtlich, daß die Mutter des Klägers erfolglos einen Antrag auf Ausfuhr der als Kulturgut zu wertenden Sammlung gestellt hat.

b) Eine unlautere Machenschaft läßt sich auch nicht mit einem generellen Mitnahmeverbot beweglicher Sachen bei der Ausreise aus der DDR begründen. Nach den gesetzlichen Bestimmungen der DDR bestand ein derartiges Verbot nicht. Ausreisewillige durften grundsätzlich ihre bewegliche Habe mitnehmen. Dies folgt u.a. aus der Dritten Durchführungsbestimmung zum Zollgesetz - Aus- und Einfuhrverfahren für Umzugs- und Erbschaftsgut - vom 25. Januar 1963 (GBl II S. 51), nach deren §§ 4 ff., 7, 8 zwar die Ausfuhr dieses Guts antrags- und genehmigungspflichtig war, aber an sich keinen Beschränkungen unterlag. Im Gegensatz zur ausreisebedingten Veräußerung von Grundstücken und Gebäuden enthielten auch unveröffentlichte Bestimmungen keine Hinweise bezüglich des Mobiliarvermögens Ausreisewilliger (vgl. etwa die Ordnung Nr. 0118/77 des Ministers des Innern und Chefs der Deutschen Volkspolizei vom 8. März 1977 <ROW 1991, 280>). Dementsprechend durfte auch die Mutter des Klägers ihre gesamte persönliche Habe nach Westdeutschland überführen.

c) Die Mutter des Klägers ist auch nicht dadurch genötigt worden, daß die Ausreise im konkreten Einzelfall von der unentgeltlichen Überlassung der als Kulturgut zu wertenden Sammlung an DDR-Stellen abhängig gemacht worden ist. Nach der Verordnung zum Schutze des Deutschen Kunstbesitzes und des Besitzes an wissenschaftlichen Dokumenten und Materialien vom 2. April 1953 (GBl S. 522) war im Falle einer Genehmigungsversagung für eine beantragte Ausfuhr nur die Zurücklassung der Sammlung in der DDR, nicht aber eine Übertragung des Eigentums an den betroffenen Kulturgütern an Dritte oder den Staat vorgesehen, mithin entgegen der Auffassung der Revision auch keine Schenkung unter Aufgabe des Eigentums geboten. Ein solcher Zwang ist von den Ausreisestellen der DDR auch nicht tatsächlich ausgeübt worden.

Nach der Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts hat die Mutter des Klägers die Sammlung im Interesse der Erhaltung des Lebenswerks ihres Mannes dem Naturkundemuseum in Berlin geschenkt. Das Verwaltungsgericht hat nicht die Überzeugung gewinnen können, daß die objektiven Tatumstände vorliegen, aus denen auf eine Nötigung durch staatliche Stellen oder Dritte zu schließen war. Auf der Grundlage seiner Beweiswürdigung hat es für nicht erwiesen erachtet, daß die Ausreise der Mutter versagt worden wäre, wenn sie die Sammlung nur zur Leihe überlassen hätte oder - wie ihren Grundbesitz - dem Bürgermeister zur Verwaltung übergeben hätte. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht angenommen, die Mutter habe sich, auch angesichts des Umfangs und des schlechten Zustands der Sammlung, auf Anraten des Tübinger Prof. Dr. M. zur Schenkung entschlossen, "um einen bestmöglichen Erhalt des Lebenswerkes ihres Ehemannes zu sichern", und deswegen die zunächst erwogene Leihgabe oder Verwaltung verworfen.

Diese Sachverhalts- und Beweiswürdigung bindet den Senat (§ 137 Abs. 2 VwGO). Denn der von der Revision geltend gemachte Verstoß gegen die Denkgesetze liegt nicht vor. Er würde voraussetzen, daß nach dem Sachverhalt nur eine einzige Schlußfolgerung möglich ist, die das Verwaltungsgericht indes nicht gezogen hat (vgl. Beschluß vom 12. Januar 1995 - BVerwG 4 B 197.94 - Buchholz 406.12 § 22 BauNVO Nr. 4). Ein derartiger Denkfehler ist dem Verwaltungsgericht jedoch nicht unterlaufen. Es hat unter Auswertung aller vorhandenen Tatsachen und Indizien die plausible Schlußfolgerung gezogen, daß nicht nachgewiesen sei, daß die Mutter des Klägers genötigt worden sei, die Sammlung zu verschenken, und dabei insbesondere dem Umstand Rechnung getragen, daß die Idee einer Schenkung erst von dem konsultierten westdeutschen Professor stammte und daß nach den Schreiben der Mutter nur die Schenkung der einzige Ausweg zur Erhaltung des Lebenswerks des Ehemannes war. Zugleich hat es in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise dem Umstand Bedeutung beigemessen, daß es unmöglich gewesen wäre, die Sammlung ohne fachkundige Demontage und Präparation einfach mitzunehmen, und die nach der Ausreise gefertigten Dankschreiben des Klägers und seiner Mutter als Indiz für einen fehlenden staatlichen Druck zu einer Schenkung gewertet. Indem das Verwaltungsgericht auch die Möglichkeit einer Leihgabe in Erwägung gezogen hat, hat es auch nicht etwa bei mehrdeutigen Tatumständen deren Mehrdeutigkeit verkannt, was zu einem Verstoß gegen die Denkgesetze führen kann (vgl. BGH NJW 1987, 1557 f.).

Soweit die Revision bei der Würdigung der Aussage des Zeugen Prof. Dr. D. einen denkgesetzlichen Verstoß festzustellen glaubt, so verkennt sie, daß die von dessen Aussage abweichende Bekundung des Zeugen B. offenbar in Unkenntnis vom Inhalt des Schreibens des Prof. Dr. D. vom 15. April 1969 und der vorausgegangenen Empfehlung des westdeutschen Prof. Dr. M. zur Schenkung erfolgt ist. Auch insoweit ist die Schlußfolgerung des Verwaltungsgerichts plausibel.

2. Zugunsten des Klägers greifen auch nicht die Grundsätze eines Anscheinsbeweises ein. Eine Anscheinsbeweisführung setzt einen Sachverhalt voraus, der nach der Lebenserfahrung regelmäßig auf einen bestimmten Verlauf hinweist und es rechtfertigt, die besonderen Umstände des einzelnen Falles zurücktreten zu lassen (stRspr, vgl. Urteil vom 24. August 1999 - BVerwG 8 C 24.98 - zur Veröffentlichung in Buchholz unter 310 § 86 Abs. 1 VwGO vorgesehen).

a) Ob ein solcher Sachverhalt vorliegt, ist vom Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) festzustellen (vgl. Urteile vom 24. August 1999 - BVerwG 8 C 24.98 - <UA S. 7> und vom 29. September 1999 - BVerwG 8 C 8.99 - <UA S. 7> - zur Veröffentlichung in Buchholz 428 § 1 Abs. 3 VermG Nr. 4 vorgesehen). Das Bundesverwaltungsgericht ist einerseits an eine derartige tatsächliche Feststellung gebunden, es sei denn, daß in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind (§ 137 Abs. 2 VwGO) und kann andererseits fehlende Tatsachenfeststellungen im Revisionsverfahren grundsätzlich nicht selbst treffen.

Das Verwaltungsgericht ist hier zu der tatsächlichen Feststellung gelangt, daß es in Ausreisefällen "im Gegensatz zu der Vorgehensweise bei Grundbesitz, in denen das Verlangen der Veräußerung (Schenkung, Verkauf) quasi die Regel war, wie sich aus einer Vielzahl von Sachverhalten aus gerichtlichen Verfahren ergibt, ... ein solches generelles Verlangen bei der Veräußerung von beweglichen Sachen jedoch nicht" gab (UA S. 8). Damit verneint das Verwaltungsgericht bei einer im Zusammenhang mit einer Ausreise stehenden Veräußerung von beweglichen Sachen das Bestehen eines Erfahrungssatzes und eines typischen Geschehensablaufs, aus dem bestimmte Schlüsse gezogen werden können.

Diese Feststellungen der Vorinstanz decken sich im übrigen mit den Ausführungen des Oberbundesanwalts und den Erfahrungen des Senats mit vermögensrechtlichen Sachverhalten, wonach die Mitnahme beweglicher Gegenstände auch in Ausreisefällen durchaus üblich war. Sie werden durch die Gestattung der Mitnahme des gesamten persönlichen Guts im vorliegenden Fall bestätigt. Bezüglich beweglicher Sachen kann deshalb nicht generell davon ausgegangen werden, nach der Lebenserfahrung sei in der DDR regelmäßig die Ausreise nur bei vorheriger Eigentumsaufgabe gestattet worden. Es fehlt mithin an der für den Anscheinsbeweis vorausgesetzten Typik.

b) Diese Feststellung des Verwaltungsgerichts über das Fehlen eines Erfahrungsatzes bei ausreisebedingter Veräußerung von beweglichen Sachen ist mit tragfähigen Revisionsgründen auch nicht angegriffen worden. Soweit die Revision in ihrer Revisionsbegründungsschrift einfach die zur Anscheinsbeweisführung bei ausreisebedingter Veräußerung von Grundstücken und Gebäuden ergangene Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 29. September 1999 - BVerwG 8 C 8.99 - m.w.N.) auf den vorliegenden Fall überträgt, verkennt sie, daß diesbezüglich vom Verwaltungsgericht zu treffende positive Feststellungen nicht vorliegen und auch nicht durch entsprechende Beweisanträge seitens des Klägers angeregt worden sind. Verfahrensrügen bezüglich der vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellung einer fehlenden Typik im Falle der im Zusammenhang mit einer Ausreise stehenden Veräußerung von beweglichen Sachen sind nicht erhoben worden. Nichts anderes gilt, wenn nicht auf bewegliche Sachen generell, sondern auf Kunst- oder Kulturgüter abzustellen wäre; auch insoweit fehlt es an festgestellten Erfahrungssätzen im Zusammenhang mit einer Ausreise aus der DDR.

c) Soweit die Revision mit ihrer ergänzenden Revisionsbegründung vom 31. Januar 2000 prozeßordnungswidrig neue Tatsachen bezüglich eines generellen Ausschlusses einer Leihgabe bei Kulturgütern und eines angeblichen typischen Geschehensablaufs für eine staatlicherseits erzwungene Übernahme von Kulturgütern im Ausreisefall nunmehr erstmals in das Verfahren einführt, so verkennt sie die Bindung des Revisionsgerichts an die im Urteil der Vorinstanz festgestellten Tatsachen. Ihr Tatsachenvortrag ist daher unbeachtlich.

Im übrigen ist aber das neue Vorbringen ohnehin nicht zur Darlegung der Grundlage für eine Anscheinsbeweisführung geeignet.

Die von der Revision vorgelegten Unterlagen belegen nur, daß 1985 eine Beratung der Kulturgutschutzkommission über verschiedene Gegenstände stattgefunden hat. Sie betraf Fälle, die nach dem erst seit 1974 gültigen Kulturschutzgesetz der DDR zu beurteilen waren und sich auf die Ausfuhr von Münzen, alten Spieleisenbahnen etc. bezogen. Unter dem 4. Beratungspunkt war vom "Gen. Schmeichler" berichtet worden, daß Bürgern bei der Ausreise die Mitnahme von (diesem) Kulturgut verweigert worden ist, diese das Gut deshalb in der DDR verkaufen und "dasselbe Kulturgut dann durch den Außenhandel der DDR in die BRD weiterverkauft worden ist". Dieser Vorgang wird vom "Gen. Schmeichler" ausdrücklich "als politisch nicht tragbar" gewertet. Daraus läßt sich keinerlei Schluß für einen angeordneten generellen Zwang zur vorherigen Eigentumsaufgabe ziehen. Das Verbot einer Leihgabe oder Übertragung zur Verwaltung wird überhaupt nicht angesprochen.

Auch aus dem überreichten Papier zur Vorbereitung angeblicher Verhandlungen zum Abschluß eines Abkommens zwischen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland über die gegenseitige Rückführung von Kulturgütern könnte ein Anscheinsbeweis in der von der Revision gewünschten Richtung nicht hergeleitet werden. Dieses geplante Abkommen sollte sich nur mit der Herausgabe von "verbrachtem Kulturgut, das sich in Privatbesitz befindet" befassen, wobei es um den "gegenseitigen Austausch aller aus Museen auf das Territorium des anderen Staates ausgelagerte Objekte" ging.

3. Nach allem verbleibt es damit bei den allgemeinen Beweislastregeln, wonach vorliegend der Kläger die Folgen der Unerweislichkeit der zur Ausfüllung des § 1 Abs. 3 VermG notwendigen Tatsachen trägt (vgl. Urteile vom 24. März 1994 - BVerwG 7 C 11. 93 - BVerwGE 95, 289 <294> und vom 24. August 1999 - BVerwG 8 C 24.98 - sowie Beschluß vom 1. November 1993 - BVerwG 7 B 190.93 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 11).

Die Revision ist daher mit der Kostenfolge der § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO zurückzuweisen.

Beschluß

Unter Aufhebung des Streitwertbeschlusses des Verwaltungsgerichts Meiningen vom 9. November 1998 wird der Streitwert für beide Instanzen auf je 60 000 DM festgesetzt (§ 13 Abs. 1 Satz 1, §§ 14, 25 Abs. 2 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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