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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 27.06.2001
Aktenzeichen: BVerwG 8 C 9.00
Rechtsgebiete: VermG


Vorschriften:

VermG § 16 Abs. 3
VermG § 30 a Abs. 4 Satz 3
VermG § 30 a Abs. 3 Satz 2
VermG § 30 a Abs. 3 Satz 1
VermG § 37 Abs. 1
§ 16 Abs. 3 VermG erfasst alle dinglichen Nutzungsrechte. Gemäß § 30 a Abs. 4 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Sätze 2 und 1 VermG ist die nachträgliche Aufhebung eines dinglichen Nutzungsrechts (§ 16 Abs. 3 VermG) nach Ablauf der in § 30 a Abs. 2 VermG genannten Frist (= 25. Juni 1994) ausgeschlossen, wenn diese Nebenentscheidung in einem Restitutionsbescheid versehentlich unterblieben ist, der Restitutionsberechtigte diesen unvollständigen Bescheid aber hat bestandskräftig werden lassen.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 8 C 9.00 VG A 1 K 1189/97

Verkündet am 27. Juni 2001

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 27. Juni 2001 durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Pagenkopf, Sailer, Krauß, Golze und Postier

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 24. November 1999 und der Widerspruchsergänzungsbescheid des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen Sachsen-Anhalt vom 15. April 1997 werden aufgehoben.

Der Beklagte einerseits und die Beigeladenen zu 1 bis 4 andererseits tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 5, die dieser selbst trägt.

Gründe:

I.

Die Kläger wenden sich gegen die Aufhebung eines zu ihren Gunsten eingetragenen dinglichen Nutzungsrechts an dem Grundstück R. 7 c in Halle/Saale. Dessen Eigentümer war ursprünglich die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen, die die ehemalige DDR im Februar 1953 ohne Beachtung der polizeilichen Meldevorschriften verlassen hatte. Das Grundstück wurde daraufhin gemäß § 1 der Verordnung zur Sicherung von Vermögenswerten vom 17. Juli 1952 am 4. Mai 1955 in das Eigentum des Volkes überführt. Anfang der achtziger Jahre war das auf dem Grundstück befindliche zweistöckige Wohnhaus stark heruntergekommen. Mehrmals im Jahr drangen Grund- und Saalewasser in den Keller ein; Dach, Fassade und elektrische Anlage wiesen erhebliche Mängel auf. Dies führte dazu, dass der seinerzeitige Mieter auszog. Nachdem der Rat der Stadt Halle den Klägern das Haus vorläufig zugewiesen hatte, entwickelte der Kläger - der nach seinen Angaben aufgrund seiner Erfahrungen aus dem Kohlebergbau entsprechende Kenntnisse hatte - einen Filterbrunnen und eine Drainage, mit der das an die Hauswände drängende Grundwasser abgeleitet wurde. Ferner führte im Auftrag und auf Rechnung des VEB Gebäudewirtschaft Halle als des seinerzeitigen Rechtsträgers der VEB Hoch- und Montagebau Saale, dessen damaliger Direktor der Kläger war, sodann die eigentlichen umfangreichen Sanierungsarbeiten durch. Seither bewohnten die Kläger das Gebäude als Mieter.

Mit notariellem Kaufvertrag vom 16. März 1990 erwarben die Kläger das auf dem Grundstück befindliche Gebäude auf der Grundlage des Gesetzes über den Verkauf volkseigener Eigenheime, Miteigentumsanteile und Gebäude für Erholungszwecke vom 19. Dezember 1973 (GBl DDR I Nr. 58). Mit Urkunde vom 4. April 1990 verlieh ihnen der Rat der Stadt Halle rückwirkend zum 1. März 1990 das Nutzungsrecht an dem Grundstück. Am 25. April 1990 wurden die Kläger im Gebäudegrundbuch als Eigentümer des Gebäudes eingetragen.

Mit Bescheid vom 4. August 1994 lehnte das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen der Stadt Halle den Antrag der Beigeladenen auf Rückübertragung des Grundstücks wegen redlichen Erwerbs durch die Kläger ab und stellte fest, dass die Beigeladenen entschädigungsberechtigt seien. Auf deren Widerspruch hob das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen Sachsen-Anhalt mit bestandskräftig gewordenem Widerspruchsbescheid vom 31. Januar 1997 den ablehnenden Bescheid der Stadt Halle auf und übertrug das Eigentum an dem Grundstück an die Beigeladenen in ungeteilter Erbengemeinschaft zurück. Weiterhin wurde verfügt, dass das vertragliche Mietverhältnis mit den Klägern mit der Bestandskraft des Rückübertragungsbescheides wieder auflebe. Zur Begründung führte das Landesamt an, die Kläger hätten nicht redlich erwerben können, da der Kaufvertrag über das Gebäude erst nach dem Stichtag abgeschlossen worden sei. Mit Widerspruchsergänzungsbescheid vom 15. April 1997 hob das Landesamt das für die Kläger eingetragene dingliche Nutzungsrecht auf. Unter Ziffer 2 des Bescheides heißt es, das im Gebäudegrundbuch eingetragene Eigentum am Gebäude gehe auf die Beigeladenen über; die Berichtigung des Gebäudegrundbuchs erfolge von Amts wegen. Zur Begründung führte das Landesamt aus, die Beigeladenen hätten einen Anspruch darauf, dass das Grundstück frei von den dinglichen Rechten der Kläger zurückübertragen werde, da die Kläger aufgrund des Erwerbs nach dem Stichtag nicht redlich erworben hätten.

Mit der gegen den Widerspruchsergänzungsbescheid erhobenen Klage haben die Kläger im Wesentlichen geltend gemacht, sie hätten redlich erworben, weil sie mit dem Einbau der Drainage und des Filterbrunnens vor dem Stichtag im wesentlichen Umfang werterhöhende oder substanzerhaltende Investitionen vorgenommen und überdies die Außenanlagen hergestellt, einen wertvollen Kamin eingebaut, das Bad verfliest und vertäfelt, vier Fenster mit einer Bleiverglasung versehen und eine Garage errichtet hätten. Der Beklagte hat dem entgegengehalten, die Einbringung des Know-hows zur Trockenlegung des Gebäudes habe der Kläger dem VEB Hoch- und Montagebau Saale aus seinem Arbeitsverhältnis heraus geschuldet; als außergewöhnliches Mieterengagement bleibe nur die persönliche Anlegung der Drainage übrig. Die Beigeladenen haben die von den Klägern behaupteten Aufwendungen bestritten und behauptet, auch insoweit seien sämtliche Maßnahmen von dem Rechtsträger, dem VEB Gebäudewirtschaft Halle, finanziert worden. Mit Urteil vom 24. November 1999 hat das Verwaltungsgericht Halle die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Aufhebung des Nutzungsrechts beruhe auf § 16 Abs. 3 VermG; die Kläger hätten - was aufgrund des bestandskräftigen Widerspruchsbescheides vom 31. Januar 1997 feststehe - das Nutzungsrecht nicht redlich erworben. Durch die in Ziffer 2 des Tenors des angefochtenen Bescheides überflüssigerweise verfügte Übertragung des Eigentums an dem Gebäude seien die Kläger jedenfalls nicht in ihren Rechten verletzt worden, weil infolge der in Ziffer 1 des angefochtenen Bescheides ausgesprochenen Aufhebung des Nutzungsrechts das Gebäudeeigentum erlösche und das Gebäude dadurch Bestandteil des Grundstücks werde.

Mit der Revision haben die Kläger geltend gemacht, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts bestehe hinsichtlich der Redlichkeitsprüfung keine Bindung an den bestandskräftigen Widerspruchsbescheid vom 31. Januar 1997; Rückübertragungsentscheidung und Aufhebung des dinglichen Nutzungsrechts seien vielmehr zwei verschiedene Streitgegenstände mit jeweils eigenem Regelungsgehalt. Ihre Einwendungen zu den Rückausnahmetatbeständen des § 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a bis c VermG müssten deshalb gesondert geprüft werden mit der Folge, dass ihre Redlichkeit gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 VermG festzustellen sei.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 24. November 1999 und den Widerspruchsergänzungsbescheid des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen Sachsen-Anhalt vom 15. April 1997 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er trägt vor: Bei der Aufhebung des Nutzungsrechts handele es sich nicht um einen von der Eigentumsrückübertragung zu trennenden Entscheidungsgegenstand. Das Tatbestandsmerkmal "nicht redlich" in § 16 Abs. 3 VermG sei nicht identisch mit "unredlich" im Sinne von § 4 Abs. 3 VermG, sondern bedeute, dass es an einer Redlichkeit gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 VermG mangele. Die Erwähnung des § 4 Abs. 3 VermG in § 16 Abs. 3 VermG sei ein Redaktionsversehen.

Die Beigeladenen zu 1 bis 4 beantragen ebenfalls,

die Revision zurückzuweisen.

Zur Begründung führen sie aus, es sei unerheblich, ob das Nutzungsrecht redlich oder unredlich erworben worden sei, weil es das rechtliche Schicksal des Gebäudekaufs teile. Da eine entsprechende Rückübertragungsentscheidung hinsichtlich des Gebäudes im Widerspruchsbescheid vom 31. Januar 1997 versäumt worden sei, habe die Behörde den streitigen Ergänzungsbescheid erlassen müssen, mit dem nun zu Recht ausdrücklich das Eigentum an dem Gebäude auf die Beigeladenen übertragen worden sei. Im Übrigen gelte § 16 Abs. 3 VermG nur für dingliche Nutzungsrechte, die an unbebauten Grundstücken verliehen worden seien.

Der Oberbundesanwalt tritt im Ergebnis der Revision bei und verweist darauf, dass § 16 Abs. 3 VermG für akzessorische Nutzungsrechte, die nach dem Erwerb von Gebäudeeigentum an einem bereits bestehenden Gebäude verliehen worden seien, nicht anwendbar sei.

II.

Die zulässige Revision ist begründet (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO). Denn die Aufhebung des dinglichen Nutzungsrechts durch den angefochtenen Widerspruchsergänzungsbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die gegenteilige Auffassung des Verwaltungsgerichts verstößt gegen Bundesrecht. Das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen war für diese Entscheidung bereits nicht zuständig, auf diesen Rechtsfehler können sich die Kläger allerdings nicht berufen (- 1. -). Zwar hat das Verwaltungsgericht zu Recht § 16 Abs. 3 VermG auf dingliche Nutzungsrechte angewandt, die - wie hier - im Zusammenhang mit dem Erwerb eines bereits bestehenden Gebäudes verliehen wurden (- 2. -). Der durchgreifende Bundesrechtsverstoß ergibt sich jedoch aus § 30 a Abs. 4 Satz 3 VermG; danach ist nach Ablauf der in Absatz 3 Satz 2 über die Verweisung auf Satz 1 und Absatz 2 genannten Frist des 25. Juni 1994 die Nachholung einer in einem bestandskräftigen Restitutionsbescheid unterbliebenen Aufhebung eines dinglichen Nutzungsrechts ausgeschlossen (- 3. -). Bundesrechtswidrig ist das angefochtene Urteil ferner insoweit, als es annimmt, der angefochtene Bescheid ordne die Übertragung des Gebäudeeigentums durch eine gesonderte Regelung an (- 4. -).

1. Aufgrund der Beendigung des Widerspruchsverfahrens mit dem Widerspruchsbescheid vom 31. Januar 1997 war das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen zu einer Änderung seiner Entscheidung und damit zum Erlass des streitigen Widerspruchsergänzungsbescheides vom 15. April 1997 nicht mehr befugt (§ 26 Abs. 1 und 2, § 36 Abs. 3 VermG). Für die ergänzende Aufhebung des dinglichen Nutzungsrechts - seine materiellrechtliche Zulässigkeit unterstellt - war vielmehr gemäß § 23 Abs. 1, § 24 VermG das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen der Stadt H. als Ausgangsbehörde zuständig (vgl. Urteile vom 18. Mai 1967 - BVerwG 3 C 72.65 - BVerwGE 27, 78 <79>, vom 6. Dezember 1971 - BVerwG 8 C 75.70 - BVerwGE 39, 128 <133>, vom 10. April 1978 - BVerwG 6 C 27.77 - BVerwGE 55, 299 <301> und vom 11. Mai 1979 - BVerwG 6 C 70.78 - BVerwGE 58, 100 <105>; Beschluss vom 19. Juni 2000 - BVerwG 7 B 8.00 - Buchholz 428 § 37 VermG Nr. 27). Da der Widerspruchsergänzungsbescheid vom 15. April 1997 nach Eintritt der Bestandskraft des Widerspruchsbescheides vom 31. Januar 1997 erlassen worden ist, kann dahinstehen, ob die Befugnis der Widerspruchsbehörde zur Änderung oder Ergänzung ihres Widerspruchsbescheides bereits mit Zustellung oder erst mit Bestandskraft des Widerspruchsbescheides endet. Auch besteht die Sachherrschaft der Widerspruchsbehörde hier nicht ausnahmsweise deshalb weiter, weil der Widerspruchsbescheid vom 31. Januar 1997 eine erstmalige oder zusätzliche selbständige Beschwer enthielt und damit eine Klage gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 VwGO gegen die Widerspruchsbehörde bzw. ihren Rechtsträger in Betracht kam und zunächst auch erhoben wurde. Für diesen Fall ist zwar geklärt, dass die Widerspruchsbehörde zur Abänderung ihres Widerspruchsbescheides befugt ist, wenn dies auf Anfechtung durch den Betroffenen objektiv zu dessen Gunsten, also mit dem Ziel einer vollen oder teilweisen Klaglosstellung geschieht (vgl. Urteil vom 16. Oktober 1980 - BVerwG 8 C 58.79 - Buchholz 448.0 § 33 WPflG Nr. 26 S. 27). Diese Ausnahme greift hier jedoch nicht ein, weil der Widerspruchsbescheid durch den Widerspruchsergänzungsbescheid nicht etwa zu Gunsten, sondern zu Lasten der Kläger abgeändert worden ist. Im Übrigen endet auch insoweit die Sachherrschaft jedenfalls mit Eintritt der Bestandskraft, die - wie bereits erwähnt - schon vor Erlass des Widerspruchsergänzungsbescheides eingetreten war.

Die Kläger können sich jedoch gemäß § 37 Abs. 1 VermG auf diesen Verstoß gegen materielles Bundesrecht nicht berufen. Danach gilt § 36 Abs. 1 Satz 1 VermG, wonach der Widerspruch nicht auf einen Verstoß gegen die Bestimmungen über die Zuständigkeit gestützt werden kann, für das gerichtliche Verfahren entsprechend. Zwar ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts § 37 Abs. 1 VermG auf eine Rücknahmeentscheidung gemäß § 48 VwVfG nicht anwendbar, weil es sich dabei um eine Ermessensentscheidung mit besonderen Voraussetzungen handelt (vgl. Beschluss vom 19. Juni 2000, a.a.O.). Im vorliegenden Fall geht es jedoch nicht um eine Teilrücknahme, sondern um die Ergänzung einer unvollständigen gebundenen Entscheidung über einen Restitutionsanspruch gemäß § 3 Abs. 1 bzw. § 16 Abs. 3 VermG, für die § 37 Abs. 1 VermG Anwendung findet.

2. § 16 Abs. 3 VermG regelt die Aufhebung dinglicher Nutzungsrechte. Angesichts des umfassenden Wortlauts dieser durch das 2. Vermögensrechtsänderungsgesetz vom 14. Juli 1992 (BGBl I S. 1257, 1261) eingefügten Vorschrift und der zweckgerechten Ergebnisse bei Zugrundelegung des dem Wortlaut entsprechenden Normverständnisses sieht der Senat keine Veranlassung, der von den Beigeladenen und dem Oberbundesanwalt vertretenen Auffassung beizutreten, § 16 Abs. 3 VermG erfasse nur dingliche Nutzungsrechte, die an unbebauten Grundstücken zum Zwecke der Errichtung eines Eigenheims vergeben worden seien. Der Entstehungsgeschichte dieser Bestimmung lässt sich eine solche Beschränkung ebenfalls nicht entnehmen. § 16 Abs. 3 VermG sollte danach die planwidrige Lücke schließen, die darin bestand, dass zwar der unredliche Eigentümer gemäß § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 2 VermG und der unredliche schuldrechtliche Nutzungsberechtigte gemäß § 17 Satz 2 VermG ihre Rechtsstellung bei Rückübertragung des Grundstücks verloren, der unredliche dingliche Nutzungsberechtigte jedoch nicht (BTDrucks 12/2480, Ziff. 13 S. 47; Wasmuth in RVI, § 4 VermG, Rn. 247). Es spricht nichts dafür, dass der Gesetzgeber - dem die Problematik der dinglichen Nutzungsrechte somit als Regelungsziel vor Augen stand - trotz des gewählten umfassenden Wortlauts nur einen Teil der dinglichen Nutzungsrechte ansprechen wollte. Dementsprechend ist das Bundesverwaltungsgericht auch bisher von dem umfassenden Geltungsbereich der Norm ausgegangen (vgl. Urteil vom 25. März 1999 - BVerwG 7 C 17.98 - Buchholz 428 § 4 Abs. 2 VermG Nr. 3 S. 8 und Beschluss vom 22. Oktober 1998 - BVerwG 7 B 186.98 - n.v.; die durch diesen Beschluss zugelassene Revision hat sich ohne Sachentscheidung erledigt); diese Auffassung entspricht der herrschenden Meinung in der Literatur (vgl. Plesse in: Fieberg/ Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, VermG, § 16 Rn. 12; a.A. - soweit ersichtlich - nur Busche in: Säcker, VermR, § 16 VermG Rn. 31). Die Einwände des Oberbundesanwalts vermögen diese Beurteilung nicht zu erschüttern, weil sein Hinweis auf die in § 16 Abs. 3 Satz 1 VermG nicht ausdrücklich erwähnte Stichtagsregelung die befürwortete Einschränkung des Anwendungsbereichs der Norm auf die so genannten "Häuslebauer-Fälle" nicht zwingend belegt.

3. Erfasst § 16 Abs. 3 VermG somit alle dinglichen Nutzungsrechte, so steht der Aufhebung des dinglichen Nutzungsrechts im vorliegenden Fall § 30 a Abs. 4 Satz 3 VermG entgegen. Das angefochtene Urteil, das diese Vorschrift übersehen hat, verletzt insoweit Bundesrecht.

a) Nach § 30 a Abs. 4 Satz 3 VermG gilt Abs. 3 Satz 2 entsprechend, wenn in einem bestandskräftigen Bescheid über die Rückübertragung des Eigentums - wie hier - "eine Entscheidung über die Aufhebung eines Rechtsverhältnisses der in § 16 Abs. 3 bezeichneten Art ... ganz oder teilweise unterblieben" ist. Nach dem in Bezug genommenen § 30 a Abs. 3 Satz 2 VermG kann die unterbliebene Aufhebung des Nutzungsrechts "nach Ablauf der in Satz 1 genannten Frist nicht mehr beantragt werden". § 30 a Abs. 3 Satz 1 VermG schließlich verweist auf den "in Absatz 2 genannten Zeitpunkt", also den "Ablauf von sechs Monaten nach In-Kraft-Treten des Registerverfahrensbeschleunigungsgesetzes". Nach dem 25. Juni 1994 können somit nachträgliche Bescheide über die in einem bestandskräftigen Restitutionsbescheid übersehene Aufhebung dinglicher Nutzungsrechte nicht mehr ergehen. § 30 a Abs. 4 Satz 3 VermG mit der beschriebenen Verweisungskette begründet nämlich insoweit - worauf bereits die Überschrift hindeutet - eine materielle Ausschlussfrist, die nicht nur das Antragsrecht des Betroffenen, sondern auch die Entscheidungsbefugnis der Vermögensämter erfasst. Dass die in § 30 a Abs. 4 Satz 3 VermG behandelte Verfristung von Anträgen und Ansprüchen von anderer Rechtsnatur sein sollte als bei § 30 a Abs. 1 VermG, lässt sich der Vorschrift nicht entnehmen.

b) Die Erwägung, die Norm beziehe sich nur auf "Anträge", schließe aber behördliche "Entscheidungen" nicht aus, weil sie nur auf Absatz 3 Satz 2 verweist und dort - anders als in Satz 1 - nur vom Antragsrecht die Rede ist, ist nicht stichhaltig.

§ 30 a Abs. 3 Satz 1 VermG betrifft nämlich einen nur für die dort geregelte Aufhebung der staatlichen Verwaltung einschlägigen, für die Aufhebung von Nutzungsrechten aber von vornherein unerheblichen Sachverhalt: nur die staatliche Verwaltung konnte sowohl kraft Gesetzes enden als auch durch Verwaltungsakt aufgehoben werden (vgl. §§ 11, 11 a VermG); für die gesetzliche Beendigung der staatlichen Verwaltung trifft Absatz 3 Satz 1 die erforderliche Regelung, weil mangels Verwaltungsakts Absatz 3 Satz 2 nicht eingreift. Für die in § 30 a Abs. 4 Satz 3 VermG angesprochene Aufhebung eines dinglichen Nutzungsrechts bedurfte es hingegen stets einer behördlichen Entscheidung. Der Bezugnahme auf Absatz 3 Satz 2 und der Nichterwähnung von Absatz 3 Satz 1 kann deshalb keine darüber hinausgehende Bedeutung beigemessen werden.

c) Die bestandskräftige Restitutionsentscheidung, bei der die Aufhebung des dinglichen Nutzungsrechts übersehen wurde - hier der Widerspruchsbescheid vom 31. Januar 1997 -, steht somit nicht nur der späteren Geltendmachung durch den dadurch belas-teten Restitutionsberechtigten - hier die jetzigen Beigeladenen - entgegen, sondern auch der von Amts wegen "nachgeholten" Aufhebung durch die Behörde. So wenig das Vermögensamt auf einen nach Fristablauf gestellten Antrag von Amts wegen die Rückübertragung eines Vermögenswertes verfügen darf, so wenig darf es nach Eintritt der Bestandskraft eines unvollständigen Restitutionsbescheides und nach Ablauf der hierfür durch das Gesetz angeordneten Ausschlussfrist zu Lasten des Nutzungsberechtigten nachträgliche Korrekturen vornehmen (vgl. BTDrucks. 12/6228, S. 105). Diese Ausschlussfrist wirkt auch im Rahmen von § 48 VwVfG. Die Rücknahme eines Verwaltungsaktes verhilft der Behörde nicht zur Entscheidungsbefugnis, die ihr durch § 30 a Abs. 4 Satz 3 VermG entzogen ist.

d) § 30 a Abs. 4 Satz 3 VermG ist auch nicht auf die Sachverhalte beschränkt, bei denen die Bestandskraft schon bei In-Kraft-Treten der Vorschrift (= 25. Dezember 1993) eingetreten war (vgl. Redeker/Hirtschulz in: Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, VermG, § 30 a Rn. 22, 24). Da die dort behandelten Nebenentscheidungen nunmehr eindeutig zwingend zusammen mit der Restitutionsentscheidung in einem Bescheid zu treffen sind, entspricht der vollständige Ausschluss sowohl eines gesonderten Antragsrechts als auch einer Nachholungsbefugnis der Behörde von Amts wegen auch dann dem Ziel der Vorschrift, wenn bei Eintritt der Bestandskraft des unvollständigen Bescheides die Ausschlussfrist längst abgelaufen war. Die Regelung bezweckt nämlich die Konzentration der vermögensrechtlichen Entscheidungen in einem Verfahren und dadurch mittelbar auch die Entlastung der Vermögensämter, die nach Abschluss eines Restitutionsverfahrens nicht mehr mit dazugehörigen Neben-entscheidungen befasst werden sollen. Der Eigentümer bleibt dann zwar mit einem u.U. unredlich erworbenen Nutzungsrecht belastet; ob er auf dem Zivilrechtsweg eine Bereinigung erreichen kann (vgl. Wasmuth in RVI, § 30 a VermG, Rn. 92 f.), obliegt der Entscheidung der ordentlichen Gerichte. Dieses Ergebnis ist nicht unbillig; denn der Restitutionsberechtigte hätte es in der Hand gehabt, seine Belastung durch Anfechtung des unvollständigen und ihn insoweit beschwerenden Bescheides im Wege der Verpflichtungsklage zu verhindern.

4. Das angefochtene Urteil verletzt ferner insoweit Bundesrecht, als das Verwaltungsgericht angenommen hat, in Ziffer 2 des Widerspruchsergänzungsbescheides vom 15. April 1997 werde die Übertragung des Gebäudeeigentums angeordnet. Die nicht näher begründete Annahme eines Verwaltungsakts verstößt gegen revisible Auslegungsgrundsätze. Denn Tenor und Begründung des Bescheides ergeben eindeutig, dass das Landesamt mit dessen Ziffer 2 lediglich auf die durch die in Ziffer 1 verfügte Aufhebung des Nutzungsrechts kraft Gesetzes eintretenden zivilrechtlichen Folgen hingewiesen, nicht aber eine behördliche Regelung mit unmittelbarer rechtlicher Außenwirkung erlassen hat. Die von den Beigeladenen im Verwaltungsverfahren ausdrücklich beantragte Rückübertragung auch des Eigentums an den aufstehenden Gebäuden ist daher bisher von dem Vermögensamt nicht beschieden worden und auch nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens.

Da der angefochtene Bescheid wegen Verstoßes gegen § 30 a Abs. 4 Satz 3 VermG i.V.m. Abs. 3 Sätze 2 und 1 sowie Absatz 2 rechtswidrig ist, kommt es auf die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage nicht mehr an, welche Bedeutung die Verweisung in § 16 Abs. 3 Satz 1 VermG auf § 4 Abs. 3 VermG - ohne Erwähnung des Absatzes 2 - für den Redlichkeitsmaßstab hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Absätze 1 und 3, § 162 Abs. 3 VwGO.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 200 000 DM festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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