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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 31.08.2001
Aktenzeichen: BVerwG 9 B 38.01
Rechtsgebiete: BauGB


Vorschriften:

BauGB § 129 Abs. 1 Satz 1
BauGB § 133 Abs. 3 Satz 1
Ob eine zweite Erschließungsanlage einem bereits anderweitig erschlossenen Grundstück eine prinzipiell bessere Qualität der Erschließung im bebauungsrechtlichen Sinne vermittelt, hängt stets von der Situation des Einzelfalles ab. Dies gilt auch, soweit es nur um die Erhebung von Vorausleistungen geht.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

BVerwG 9 B 38.01

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 31. August 2001 durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Hien und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Storost und Kipp

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 13. März 2001 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 31 296,64 DM festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde kann keinen Erfolg haben. Die zu ihrer Begründung angeführten Gesichtspunkte rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht.

1. Einen für das angefochtene Urteil erheblichen Verfahrensmangel, der zur Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO führen könnte, hat die Beklagte entgegen § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht bezeichnet. Voraussetzung dafür wäre, dass ein solcher Mangel sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in deren rechtlicher Würdigung substantiiert dargetan wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> Nr. 26 S. 14 m.w.N.). Wird - wie hier - mangelnde Sachaufklärung gerügt, muss dementsprechend substantiiert dargelegt werden, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiellrechtlichen Auffassung des Tatsachengerichts aufklärungsbedürftig waren, welche für erforderlich und geeignet gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese unter Zugrundelegung der materiellrechtlichen Auffassung des Tatsachengerichts zu einer für die Beschwerdeführerin günstigeren Entscheidung hätten führen können; weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Aufklärungsmaßnahmen, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht diese Maßnahmen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (vgl. BVerwGE 31, 212 <217 f.>; 55, 159 <169 f.>; Beschlüsse vom 19. August 1997 a.a.O. S. 14 f. und vom 18. Juni 1998 - BVerwG 8 B 56.98 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 154 S. 475). Eine derartige substantiierte Darlegung enthält die Beschwerdebegründung nicht.

Soweit die Beklagte rügt, das Berufungsgericht hätte entsprechend ihrem in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag durch Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis darüber erheben müssen, ob die fragliche Straße (durchgehend) durch normale Lastkraftwagen befahren werden kann, trägt sie selbst vor, dass das Berufungsgericht ihre mit diesem Beweisantrag untermauerte Behauptung bejaht hat. Damit fehlt es an der schlüssigen Darlegung, dass das Gericht verpflichtet gewesen wäre, dem Beweisantrag stattzugeben. Denn für eine unter Beweis gestellte Behauptung, von deren Richtigkeit das Gericht ausgeht, bedarf es keiner Beweiserhebung.

Soweit die Beklagte rügt, das Berufungsgericht hätte die Tragfähigkeit des Straßenunterbaus im Bereich der Regenrinne durch einen Sachverständigen überprüfen lassen müssen und dabei wahrscheinlich festgestellt, dass das regelmäßige Überfahren der Regenrinne nicht schade, weil das Aufkommen an Schwerlastverkehr auf der Straße voraussichtlich nur gering sein werde, fehlt es schon an der Darlegung, dass sich dem Gericht eine diesbezügliche Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen. Denn die Beklagte hatte - wie das Berufungsgericht festgestellt hat - dem substantiierten, auf die von der Beklagten selbst vorgelegte Ausführungszeichnung gestützten Vortrag des Klägers zu diesem Punkt nicht widersprochen, so dass auch der gestellte Beweisantrag nicht dahin auszulegen war, dass er sich auf diese straßenbautechnische Frage bezog. Abgesehen davon ist nicht schlüssig dargetan, dass das von der Beklagten erwartete Ergebnis einer solchen Beweiserhebung unter Zugrundelegung der - für die Verfahrensweise maßgeblichen - materiellrechtlichen Auffassung des Berufungsgerichts zu einer für die Beklagte günstigeren Entscheidung hätte führen können. Denn eine Erhöhung des regelmäßig mit Lastkraftwagen befahrbaren Bereichs an den Masten 2 und 3 um 30 cm auf 3,09 m bzw. 3,17 m hätte nichts daran geändert, dass neben der vom Berufungsgericht geforderten Mindestbreite des befahrbaren Bereichs von 3 m der von ihm zusätzlich für notwendig gehaltene Schutzraum für Fußgänger nicht vorhanden war. Dasselbe gilt für den Vortrag der Beklagten, das Berufungsgericht hätte sachverständigen Rat über die Frage einholen müssen, ob ein regelmäßiges Überfahren der Regenrinne deren Zweckbestimmung zuwiderläuft, und dabei festgestellt, dass die Regenrinne in die zum Befahren zur Verfügung stehende Fläche integriert werden kann, ohne die Befahrbarkeit der Straße insgesamt infrage zu stellen.

2. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich auch nicht, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat. Dies wäre nur der Fall, wenn für die Entscheidung des Berufungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Rechtsfrage von Bedeutung war, deren noch ausstehende höchstrichterliche Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (vgl. BVerwGE 13, 90 <91 f.>; stRspr). Daran fehlt es hier.

Die Beschwerde hält die Fragen für klärungsbedürftig,

- ob es erforderlich ist, dass eine Straße, um ihre Befahrbarkeit und damit Erforderlichkeit im Sinne des § 129 Abs. 1 BauGB zu bejahen, durchgehend auf der eigentlichen Fahrbahn befahrbar ist,

- ob es im Rahmen der Erhebung von Vorausleistungen nicht ausreichend ist, um die Erforderlichkeit einer Erschließungsmaßnahme zu bejahen, wenn eine Erschließungsstraße an zwei Engstellen nur unter Benutzung der Regenrinne von Lastkraftwagen befahrbar ist, und

- ob es im Sinne des § 129 Abs. 1 BauGB erforderlich ist, dass eine Straße in einem Gewerbegebiet, die dem Heran- und Herauffahren von Lastkraftwagen auf die gewerblich genutzten Grundstücke dient, auch Schutzraum für Fußgänger aufweist.

In dieser Allgemeinheit würden sich die Fragen im angestrebten Revisionsverfahren jedoch nicht stellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann bei einer zum Anbau bestimmten Straße in Ausnahmefällen die "Erforderlichkeit" im Sinne des § 129 Abs. 1 Satz 1 BauGB dann zweifelhaft erscheinen, wenn die angrenzenden Grundstücke bereits anderweitig erschlossen und schon dadurch bebaubar oder gewerblich nutzbar sind. Insoweit kommt es darauf an, ob die Zweitanlage dem Grundstück eine prinzipiell bessere Qualität der Erschließung im bebauungsrechtlichen Sinne vermittelt (vgl. BVerwG, Urteile vom 10. Februar 1978 - BVerwG 4 C 4.75 - Buchholz 406.11 § 127 BBauG Nr. 29 S. 26 und vom 3. März 1995 - BVerwG 8 C 25.93 - Buchholz 406.11 § 129 BauGB Nr. 28 S. 3). Dabei kommt es stets auf die Situation des Einzelfalles an. Eine generalisierende Beantwortung der Frage, wann von einer solchen Qualitätsverbesserung der Erschließung im bebauungsrechtlichen Sinne auszugehen ist, scheitert schon daran, dass die Anforderungen an die Erschließung dem jeweiligen Bebauungsplan bzw. - im unbeplanten Innenbereich - den nach § 34 BauGB maßgebenden Umständen zu entnehmen sind. Dies gilt auch für die Anforderungen an die Befahrbarkeit und Breite einer zum Anbau bestimmten Straße.

Allerdings hält es das Bundesverwaltungsgericht für zulässig, bei der Beurteilung der Anforderungen an die Erschließung gewisse "Regeln" aufzustellen und in diesem Sinne etwa anzunehmen, dass Grundstücke in Gewerbegebieten in der Regel ausschließlich durch eine Anbaustraße erschlossen werden, die ihnen eine uneingeschränkte Möglichkeit des Herauffahrens eröffnet (vgl. BVerwGE 78, 237 <242>; 88, 70 <76>). Hiervon ist auch vorliegend das Oberverwaltungsgericht ausgegangen, indem es die Erschließung der in einem Gewerbegebiet gelegenen Grundstücke durch die in Rede stehende Straße nur dann als qualitativ verbessert ansah, wenn diese Straße komplikationslos mit Lastkraftwagen befahren werden kann. Die hiernach zu prüfende tatsächliche Frage, ob die geplante Erschließungsanlage nach Art und Umfang des vorgesehenen Ausbaus hierfür geeignet war, hat es unter Heranziehung charakteristischer Fahrzeugdaten aufgrund der örtlichen Verhältnisse verneint. Grundsätzlicher Klärungsbedarf in rechtlicher Hinsicht wird hierdurch nicht aufgeworfen.

Dies gilt auch in Ansehung des Umstandes, dass es vorliegend nur um die Erhebung von Vorausleistungen geht. Da die Vorausleistung eine auf die endgültige Beitragspflicht ausgerichtete, dem Erschließungsbeitrag zeitlich vorangehende Leistung darstellt, kann eine Vorausleistungspflicht nur für ein Grundstück entstehen, das - bezogen auf die Anlage, derentwegen eine Vorausleistung erhoben werden soll - zum Kreis der beitragspflichtigen Grundstücke gehört (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 6. Aufl. 2001, § 21 Rn. 30). Das setzt u.a. voraus, dass das Grundstück von der betreffenden Anlage erschlossen wird und der für sie entstehende Aufwand beitragsfähig ist (§ 129 Abs. 1 Satz 1, § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus § 13 Abs. 2, § 14 GKG.

Ende der Entscheidung

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