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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 06.04.1995
Aktenzeichen: T-145/89
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Die Rechtmässigkeit einer von der Kommission in einer Wettbewerbssache gegenüber einem Unternehmen getroffenen Entscheidung kann nicht durch die Weigerung der Kommission, erneut Akteneinsicht zu gewähren, oder dadurch, daß sie bestimmte Unterlagen nicht während der Fristen für die Klage übersandt hat, beeinträchtigt werden, wenn der dahin gehende Antrag nach dem Erlaß der Entscheidung gestellt wurde, und somit einen Umstand darstellt, der sich nach diesem Erlaß abgespielt hat.

2. Der Markt der verschiedenen Typen von Betonstahlmatten (Lagermatten, Lettermatten, Listenmatten und Zeichnungsmatten) stellt hinsichtlich der Anwendung des Artikels 85 Absatz 1 EWG-Vertrag einen einzigen Betonstahlmattenmarkt dar, da zum einen ein Preisrückgang bei den Lagermatten dazu führen kann, daß diese die Listenmatten und Zeichnungsmatten substituieren können, und eine Verschiebung der Kundschaft zu den Lagermatten zur Folge haben kann, und zum anderen in dem betreffenden Industriezweig eine gewisse Fähigkeit vorhanden ist, die Produktionsanlagen anzupassen, um die verschiedenen in Rede stehenden Arten von Betonstahlmatten herzustellen.

3. Trägt die Kommission zum Nachweis der Beteiligung eines Unternehmens an einer nach Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag verbotenen Absprache eine Reihe von Tatsachen vor, die als Indizien für das Bestehen dieser Absprache dargestellt werden, und trägt das betroffene Unternehmen gegen diese Indizien eine Rechtfertigung vor, wonach diese Tatsachen mit der Durchführung eines Patentlizenzvertrags in Zusammenhang stehen, von dem die Kommission nicht behauptet, daß er rechtswidrig sei, so hat das Gericht zu prüfen, ob sich die von der Kommission vorgetragenen Indizien nicht auch anders als durch das Bestehen einer Absprache, insbesondere durch das Bestehen des geltend gemachten Lizenzvertrags, erklären lassen.

4. Der Geist der Verordnung Nr. 67/67, wie er sich in ihren Begründungserwägungen und in ihrem Artikel 3 Buchstabe b Nr. 2 widerspiegelt, besteht darin, die in der Verordnung vorgesehene Freistellung von der Voraussetzung abhängig zu machen, daß durch die Möglichkeit von Parallelimporten gewährleistet wird, daß die Verbraucher angemessen an den durch den Alleinvertrieb entstehenden Vorteilen beteiligt werden. Dementsprechend kann einer Alleinvertriebsvereinbarung, die kein Ausfuhrverbot enthält, nicht die Gruppenfreistellung gemäß der Verordnung Nr. 67/67 zugute kommen, wenn die betreffenden Unternehmen an einer abgestimmten Verhaltensweise teilnehmen, die Paralleleinfuhren verhindern soll.

5. Artikel 85 EWG-Vertrag ist zwar nicht auf Vereinbarungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen anwendbar, zu denen es zwischen Unternehmen kommt, die als Mutter- und Tochtergesellschaft ein und demselben Konzern angehören und die eine wirtschaftliche Einheit bilden, in deren Rahmen die Tochtergesellschaft ihr Vorgehen auf dem Markt nicht wirklich autonom bestimmen kann, doch ist eine solche Sachlage nicht gegeben, wenn ein Unternehmen über ein anderes nur die Kontrolle ausübt, die es aufgrund einer Beteiligung an dessen Kapital innehat, die von der Mehrheit sehr weit entfernt ist.

6. In einem Kaufvertrag enthaltene Ausfuhrklauseln, die den Zwischenhändler verpflichten, die betreffende Ware in einem bestimmten Land zu verkaufen, stellen einen Verstoß gegen Artikel 85 EWG-Vertrag dar, wenn sie im wesentlichen den Zweck haben, die Wiederausfuhr der Ware in das Herstellungsland zu verhindern, um ein System doppelter Preise im Gemeinsamen Markt aufrechtzuerhalten und so den Wettbewerb innerhalb dieses Marktes einzuschränken.

7. Nimmt ein Unternehmen, selbst ohne sich aktiv zu beteiligen, an Sitzungen zwischen Unternehmen teil, die den Zweck haben, die Preise ihrer Erzeugnisse festzusetzen, und distanziert es sich nicht offen vom Inhalt dieser Sitzungen, wodurch es den anderen Teilnehmern Anlaß zu der Annahme gibt, daß es dem Ergebnis der Sitzungen zustimmt und sich daran halten wird, so kann der Nachweis als erbracht angesehen werden, daß es sich an der aus diesen Sitzungen resultierenden Absprache beteiligt.

8. Für eine vorsätzlich begangene Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln des Vertrages ist es nicht erforderlich, daß sich das Unternehmen des Verstosses gegen diese Regeln bewusst gewesen ist; es genügt, daß es sich nicht in Unkenntnis darüber befinden konnte, daß sein Verhalten eine Einschränkung des Wettbewerbs bezweckte.


URTEIL DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (ERSTE KAMMER) VOM 6. APRIL 1995. - BAUSTAHLGEWEBE GMBH GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - WETTBEWERB - ZUWIDERHANDLUNG GEGEN ARTIKEL 85 EWG-VERTRAG. - RECHTSSACHE T-145/89.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

1 In der vorliegenden Rechtssache geht es um die Entscheidung 89/515/EWG der Kommission vom 2. August 1989 betreffend ein Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag (IV/31.553 ° Betonstahlmatten, ABl. L 260, S. 1; im folgenden: Entscheidung), mit der die Kommission gegen vierzehn Hersteller von Betonstahlmatten eine Geldbusse wegen Verstosses gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag festsetzte. Gegenstand der Entscheidung sind Betonstahlmatten. Dabei handelt es sich um vorgefertigte Bewehrungen aus glatten oder gerippten kaltgezogenen Stahldrähten, die durch rechteckiges Punktschweissen zu einem Netz verbunden werden. Dieses Erzeugnis wird in fast allen Anwendungsgebieten des bewehrten Stahlbetonbaus eingesetzt.

2 Von 1980 an soll es in diesem Sektor auf dem deutschen, dem französischen und dem Benelux-Markt zu einer Reihe von Absprachen und Praktiken gekommen sein, die zu der Entscheidung führten.

3 Für den deutschen Markt erteilte das Bundeskartellamt am 31. Mai 1983 die Erlaubnis zur Bildung eines Strukturkrisenkartells der deutschen Betonstahlmattenhersteller, die nach einmaliger Verlängerung im Jahr 1988 ablief. Das Kartell bezweckte einen Kapazitätsabbau und sah ausserdem Lieferquoten und eine Preisregelung vor, die allerdings nur für die ersten beiden Jahre der Anwendung des Kartellvertrags genehmigt wurde (vgl. Punkte 126 und 127 der Entscheidung).

4 Die französische Wettbewerbskommission gab am 20. Juni 1985 eine Stellungnahme zur Lage des Wettbewerbs auf dem Betonstahlmattenmarkt in Frankreich ab, worauf die Entscheidung Nr. 85 - 6 DC des französischen Ministers für Wirtschaft, Finanzen und Haushalt vom 3. September 1985 erging, mit der verschiedenen französischen Gesellschaften Geldbussen auferlegt wurden, weil sie in der Zeit von 1982 bis 1984 Maßnahmen und Praktiken durchgeführt hatten, die eine Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs und eine Behinderung des normalen Funktionierens des Marktes bezweckten und bewirkten.

5 Am 6. und 7. November 1985 führten Beamte der Kommission gemäß Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204) gleichzeitig und ohne vorherige Ankündigung Nachprüfungen in den Geschäftsräumen von sieben Unternehmen und zwei Unternehmensvereinigungen durch, und zwar bei Tréfilunion SA, Sotralentz SA, Tréfilarbed Luxembourg/Saarbrücken SARL, Ferriere Nord SpA (Pittini), Baustahlgewebe GmbH, Thibo Draad- en Bouwstaalprodukten BV (Thibodraad), NV Bekärt, Syndicat national du tréfilage d' acier (STA) und Fachverband Betonstahlmatten e. V.; am 4. und 5. Dezember 1985 erfolgten weitere Nachprüfungen in den Geschäftsräumen der Unternehmen ILRO SpA, G. B. Martinelli, NV Usines Gustave Boël (afdeling Trébos), Tréfileries de Fontaine-l' Evêque, Frère-Bourgeois Commerciale SA (FBC), Van Merksteijn Staalbouw BV und ZND Bouwstaal BV.

6 Aufgrund des im Rahmen dieser Prüfungen gefundenen Materials und der gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 erhaltenen Auskünfte gelangte die Kommission zu der Schlußfolgerung, daß die betreffenden Hersteller zwischen 1980 und 1985 durch eine Reihe von Vereinbarungen oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen betreffend Lieferquoten und Preise für Betonstahlmatten gegen Artikel 85 EWG-Vertrag verstossen hätten. Die Kommission leitete das Verfahren nach Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 ein, und am 12. März 1987 wurde die Mitteilung der Beschwerdepunkte den betroffenen Unternehmen übersandt, die hierzu Stellung nahmen. Eine Anhörung ihrer Vertreter fand am 23. und 24. November 1987 statt.

7 Am Ende dieses Verfahrens erließ die Kommission die Entscheidung. Darin heisst es (Punkt 22), daß es sich bei den Wettbewerbsbeschränkungen um eine Reihe von Vereinbarungen und/oder abgestimmten Verhaltensweisen handele, die die Festsetzung von Preisen und/oder Lieferquoten sowie die Aufteilung der Märkte für Betonstahlmatten zum Gegenstand hätten. Diese Absprachen hätten sich auf verschiedene Teilmärkte (französischer, deutscher oder Benelux-Markt) bezogen, doch hätten sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt, da an ihnen Unternehmen mit Sitz in mehreren Mitgliedstaaten beteiligt gewesen seien. Es wird weiter ausgeführt: "Im vorliegenden Fall handelt es sich weniger um eine globale Absprache zwischen sämtlichen Herstellern aus allen betroffenen Mitgliedstaaten, sondern eher um einen Komplex mehrerer Absprachen mit teilweise wechselnden Beteiligten. Jedoch hat dieser Absprachenkomplex eine weitgehende Reglementierung eines wesentlichen Teils des Gemeinsamen Marktes durch die Reglementierung der einzelnen Teilmärkte bewirkt."

8 Die Entscheidung enthält folgenden verfügenden Teil:

"Artikel 1

Die Unternehmen Tréfilunion SA, Société Métallurgique de Normandie (SMN), CCG (TECNOR), Société de treillis et panneaux soudés (STPS), Sotralentz SA, Tréfilarbed SA bzw. Tréfilarbed Luxembourg/Saarbrücken Sarl, Tréfileries de Fontaine l' Evêque, Frère Bourgeois Commerciale SA (jetzt Steelinter SA), NV Usines Gustave Boël, afdeling Trébos, Thibo Draad- en Bouwstaalprodukten BV (jetzt Thibo Bouwstaal BV), Van Merksteijn Staalbouw BV, ZND Bouwstaal BV, Baustahlgewebe GmbH, ILRO SpA, Ferriere Nord SpA (Pittini) und GB Martinelli fu GB Metallurgica SpA haben gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag verstossen, indem sie sich in dem Zeitraum vom 27. Mai 1980 bis zum 5. November 1985 in einem oder mehreren Fällen an einer oder mehreren Vereinbarungen und/oder abgestimmten Verhaltensweisen (Absprachen) beteiligten, die in der Festsetzung von Verkaufspreisen, der Einschränkung des Absatzes, der Aufteilung der Märkte sowie in Maßnahmen zur Anwendung dieser Absprachen und zu deren Kontrolle bestanden.

Artikel 2

Die in Artikel 1 genannten Unternehmen, soweit sie nach wie vor auf dem Betonstahlmatten-Sektor in der EWG tätig sind, sind verpflichtet, die festgestellten Zuwiderhandlungen unverzueglich abzustellen (falls sie dies noch nicht getan haben) und in Zukunft bezueglich ihrer Betonstahlmatten-Aktivitäten von allen Vereinbarungen und/oder abgestimmten Verhaltensweisen, die dasselbe oder ähnliches bezwecken oder bewirken, Abstand zu nehmen.

Artikel 3

Gegen die nachstehend aufgeführten Unternehmen werden wegen der in Artikel 1 festgestellten Zuwiderhandlungen folgende Geldbussen festgesetzt:

1. Tréfilunion SA (TU): eine Geldbusse von 1 375 000 ECU,

2. Société Métallurgique de Normandie (SMN): eine Geldbusse von 50 000 ECU,

3. Société des treillis et panneaux soudés (STPS): eine Geldbusse von 150 000 ECU,

4. Sotralentz SA: eine Geldbusse von 228 000 ECU,

5. Tréfilarbed Luxembourg-Saarbrücken Sarl: eine Geldbusse von 1 143 000 ECU,

6. Steelinter SA: eine Geldbusse von 315 000 ECU,

7. NV Usines Gustave Boël, afdeling Trébos: eine Geldbusse von 550 000 ECU,

8. Thibo Bouwstaal BV: eine Geldbusse von 420 000 ECU,

9. Van Merksteijn Staalbouw BV: eine Geldbusse von 375 000 ECU,

10. ZND Bouwstaal BV: eine Geldbusse von 42 000 ECU,

11. Baustahlgewebe GmbH (BStG): eine Geldbusse von 4 500 000 ECU,

12. ILRO SpA: eine Geldbusse von 13 000 ECU,

13. Ferriere Nord SpA (Pittini): eine Geldbusse von 320 000 ECU,

14. GB Martinelli fu GB Metallurgica SpA: eine Geldbusse von 20 000 ECU.

..."

9 Im maßgebenden Zeitraum war die Baustahlgewebe GmbH (im folgenden: BStG) ein Gemeinschaftsunternehmen, dessen Anteilseigner zu 34 % die Thyssen Draht AG, zu 33,5 % die Klöckner Draht GmbH, zu 25,001 % die Arbed und zu 7,499 % die Rösler Draht AG, Schwabenthal, waren. Ihr Kapital belief sich auf 20 Millionen DM. BStG besaß ihre eigenen Produktionsanlagen in Deutschland (Aalen bei Stuttgart und Glinde bei Hamburg). Ausserdem besaß sie eine Reihe von Maschinen, die in den Werken ihrer Anteilseigner installiert waren, und verkaufte im eigenen Namen die Produktion aus diesen Maschinen. Dies galt insbesondere für die Werke St. Ingbert (Deutschland) und Rörmond (Niederlande), die beide im Eigentum des Arbed-Konzerns standen. Mit einem Jahresabsatz von ca. 320 000 Tonnen hatte BStG bei weitem den grössten Marktanteil (ca. 36 %) in der Bundesrepublik Deutschland.

Verfahren

10 Unter diesen Umständen hat die Klägerin mit Klageschrift, die am 20. Oktober 1989 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, die vorliegende Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung erhoben. Zehn der dreizehn anderen Adressaten dieser Entscheidung haben ebenfalls Klage erhoben.

11 Mit Beschlüssen vom 15. November 1989 hat der Gerichtshof die vorliegende Rechtssache und die zehn anderen Rechtssachen gemäß Artikel 14 des Beschlusses 88/591/EGKS, EWG, Euratom des Rates vom 24. Oktober 1988 zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 319, S. 1) an das Gericht verwiesen. Diese Klagen sind unter den Nummern T-141/89 bis T-145/89 und T-147/89 bis T-152/89 in das Register eingetragen worden.

12 Mit Beschluß vom 13. Oktober 1992 hat das Gericht die vorgenannten Rechtssachen wegen ihres Zusammenhangs gemäß Artikel 50 der Verfahrensordnung zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung verbunden.

13 Mit Schriftsätzen, die zwischen dem 22. April und dem 7. Mai 1993 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, haben die Parteien auf die Fragen geantwortet, die ihnen das Gericht gestellt hatte.

14 In Anbetracht der Antworten auf diese Fragen hat das Gericht auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen.

15 Die Parteien haben in der mündlichen Verhandlung, die vom 14. bis 18. Juni 1993 stattgefunden hat, Ausführungen gemacht und auf die Fragen des Gerichts geantwortet.

Anträge der Parteien

16 Die Klägerin beantragt,

° die Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit sie sich gegen die Klägerin richtet;

hilfsweise,

° die gegen die Klägerin in Artikel 3 Nr. 11 der Entscheidung festgesetzte Geldbusse in Höhe von 4,5 Mio. ECU auf eine angemessene Summe herabzusetzen;

° der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

17 Ausserdem beantragt die Klägerin im Zusammenhang mit ihrem Klagegrund der Verletzung der Verteidigungsrechte, der Kommission aufzugeben, der Klägerin folgende Unterlagen zur Einsicht vorzulegen:

° die gesamten Verfahrensakten, soweit sie sich auf die Klägerin beziehen;

° sämtliche Dokumente, Schriftwechsel, Protokolle und Notizen, die sich mit der Unterrichtung der Kommission durch das Bundeskartellamt über das Strukturkrisenkartell befassen;

° sämtliche Unterlagen, Dokumente, Protokolle und Notizen betreffend die trilateralen Verhandlungen zwischen der Kommission, dem Bundeskartellamt und Vertretern der deutschen Kartellgemeinschaft über die Verlängerung des Strukturkrisenkartells.

18 Die Kommission beantragt,

° die Klage als unbegründet abzuweisen;

° der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Begründetheit

19 Die Klägerin stützt ihre Klage im wesentlichen auf drei Klagegründe. Mit dem ersten macht sie eine Verletzung der Verteidigungsrechte, mit dem zweiten einen Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag und mit dem dritten einen Verstoß gegen Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 geltend.

Zum Klagegrund der Verletzung der Verteidigungsrechte

20 Die Klägerin gliedert diesen Klagegrund in zwei Teile. Der erste Teil stützt sich auf eine Verletzung der Rechte der Verteidigung im Verwaltungsverfahren; mit dem zweiten Teil wird eine Verletzung dieser Rechte nach dem Erlaß der Entscheidung gerügt. Im Zusammenhang mit diesem Klagegrund beantragt die Klägerin ausserdem, der Kommission aufzugeben, bestimmte Unterlagen vorzulegen.

I ° Zum ersten Teil des Klagegrundes

Vorbringen der Parteien

21 Die Klägerin beklagt sich darüber, daß die Kommission ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt habe. Die Kommission habe zunächst in der Mitteilung der Beschwerdepunkte die "deutsche Gruppe" und den Fachverband Betonstahlmatten für die von ihr untersuchten angeblichen Kartellverstösse verantwortlich zu machen versucht; aufgrund dieses Verhaltens sei die Klägerin davon ausgegangen und habe davon ausgehen dürfen, daß sie gar nicht in erster Linie betroffen sei. Aus diesem Grund habe sie es im Rahmen des Verwaltungsverfahrens nicht für erforderlich gehalten, Akteneinsicht zu beantragen und zu nehmen sowie sich anwaltlich beraten zu lassen. Erst in der Entscheidung habe die Kommission den Fachverband Betonstahlmatten als Adressaten herausgenommen und die zuvor nach ihren Mitgliedern nicht näher konkretisierte "deutsche Gruppe" einfach durch die Klägerin ersetzt. Zu dieser Konzentration aller Vorwürfe auf sie habe die Klägerin nicht Stellung nehmen können, und sie sei auch von der Kommission nicht dazu aufgefordert worden. Wenn die Kommission der Auffassung gewesen sei, daß eine derartige Umstellung aller Vorwürfe gegen die Klägerin erforderlich gewesen sei, so hätte sie die Mitteilung der Beschwerdepunkte ändern, der Klägerin erneut zustellen und ihr erneut Gelegenheit zur schriftlichen und mündlichen Stellungnahme geben müssen.

22 Die Kommission macht geltend, die Mitteilung der Beschwerdepunkte sei eine vorbereitende Verfahrenshandlung, die für die Unternehmen, gegen die das Verfahren eingeleitet worden sei, bestimmt sei und die ihnen die wirksame Ausübung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör ermöglichen solle. Die tatsächlichen und rechtlichen Beurteilungen in diesem Schriftstück seien nur vorläufig; die Kommission habe sie u. a. unter Berücksichtigung der Erklärungen der genannten Unternehmen zu überprüfen (vgl. Beschluß des Gerichtshofes vom 18. Juni 1986 in den Rechtssachen 142/84 und 156/84, British-American Tobacco und Reynolds/Kommission, Slg. 1986, 1899). Berücksichtige die Kommission ° wozu sie verpflichtet sei ° die im Verwaltungsverfahren zutage tretenden Umstände, um Beschwerdepunkte fallenzulassen, die sich bestimmten, ursprünglich Betroffenen gegenüber als nicht ausreichend begründet erwiesen hätten, so liege darin bei unveränderter Beweislage und entsprechender Aufrechterhaltung der Beschwerdepunkte den übrigen Betroffenen gegenüber keine Neubeurteilung, die eine Ergänzung der zuvor mitgeteilten Beschwerdepunkte erforderlich mache. In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission erklärt, sie sei nach Abschluß des Verwaltungsverfahrens der Ansicht gewesen, die gegen den Fachverband Betonstahlmatten erhobenen Vorwürfe nicht mehr aufrechterhalten zu können; sie habe aber nach wie vor BStG als eine der für die fraglichen Praktiken Verantwortlichen angesehen.

Würdigung durch das Gericht

23 Aus dem Begleitschreiben des Generaldirektors für Wettbewerb vom 12. März 1987 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte geht hervor, daß die Unternehmen, die Adressaten der Mitteilung waren, nach Auffassung der Kommission gegen Artikel 85 EWG-Vertrag verstossen hatten. Die Kommission gab ihnen Gelegenheit, sich zu den mitgeteilten Beschwerdepunkten zu äussern, indem sie ihnen eine Frist für die Einreichung schriftlicher Bemerkungen einräumte. Diesen Bemerkungen konnten gegebenenfalls Unterlagen und Vorschläge zur Anhörung von Zeugen beigefügt werden, und es konnte eine Anhörung zur mündlichen Ergänzung der schriftlichen Bemerkungen beantragt werden. Der Unterzeichner des Schreibens wies ausserdem darauf hin, daß die für den Fall wichtigsten Dokumente beigefügt würden und daß zur Verhinderung der Preisgabe von Berufsgeheimnissen nur die Dokumente übersandt würden, die das betreffende Unternehmen direkt oder indirekt beträfen. Er stellte auch klar, daß die Unternehmen Gelegenheit hätten, zur Ausarbeitung ihrer Stellungnahme andere Dokumente der Kommission mit deren Genehmigung einzusehen.

24 Das Gericht stellt fest, daß die Klägerin einer der Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte war (siehe Punkte 11 Buchstabe a und 16), daß sie in der Sachverhaltsdarstellung und in der rechtlichen Beurteilung der Mitteilung der Beschwerdepunkte mehrmals namentlich bezeichnet wurde (siehe insbesondere Punkte 96, 97, 98, 100, 101, 104, 143, 144, 146, 148a, 175, 181, 182, 183 und 187) und daß sie zahlreiche Anlagen erhielt, auf die die Kommission ihre Beschwerdepunkte stützte. Das Gericht ist ausserdem der Ansicht, daß der Inhalt einer Mitteilung der Beschwerdepunkte jedem ihrer Adressaten, zu denen im vorliegenden Fall die Klägerin gehörte, individuell entgegengehalten werden kann, sofern die Mitteilung nicht ausdrücklich das Gegenteil besagt, was in bezug auf die Klägerin nicht der Fall war. Die Frage, ob die Kommission ihre Beschwerdepunkte gegenüber der Klägerin in der Entscheidung aufrechterhalten hat und, wenn ja, die ihnen zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, gehört zu der vom Gericht vorzunehmenden Prüfung der Begründetheit der Feststellung der Zuwiderhandlung (vgl. Urteil des Gerichts vom 17. Dezember 1991 in der Rechtssache T-6/89, Enichem Anic/Kommission, Slg. 1991, II-1623, Randnrn. 37 und 40).

25 Das Gericht stellt weiter fest, daß die Klägerin der Kommission ein Schreiben vom 29. Mai 1987 übersandte, in dem sie schriftliche Bemerkungen zu der Mitteilung der Beschwerdepunkte machte. In diesem Schreiben beantragte die Klägerin hilfsweise "eine mündliche Anhörung, um die nachfolgende schriftliche Stellungnahme erläutern oder ergänzen zu können". Ausserdem behielt sich die Klägerin die Beibringung weiterer Beweismittel sowie die Hinzuziehung und Vertretung durch von ihr zu beauftragende Rechtsanwälte vor. Diese Anhörung, bei der das Unternehmen durch den Geschäftsführer von BStG, Herrn Michäl Müller, vertreten wurde, der sowohl als Vorsitzender der Geschäftsleitung von BStG als auch als Vertreter und Vorsitzender des Fachverbands Betonstahlmatten teilnahm, fand am 23. und 24. November 1987 statt.

26 Folglich kann das Gericht dem Argument der Klägerin nicht folgen, daß sie von der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht betroffen gewesen sei und daß diese Mitteilung hätte geändert werden müssen, um alle Beschwerdepunkte gegen die Klägerin zu richten. Es ist nämlich darauf hinzuweisen, daß die Klägerin in der Mitteilung der Beschwerdepunkte ausdrücklich als einer der Betroffenen bezeichnet wurde, daß sie die beigefügten Unterlagen, die sie betrafen, erhalten hatte, daß sie schriftliche Bemerkungen einreichte und bei der Anhörung vor der Kommission vertreten war und daß die Tatsache, daß sie während des Verwaltungsverfahrens keinen Anwalt beauftragte, das Ergebnis einer Entscheidung ihrerseits war, die zu treffen sie sich ausdrücklich das Recht vorbehalten hatte. Daraus folgt, daß die Klägerin während des Verwaltungsverfahrens vor der Kommission mehrmals in rechtlich hinreichender Weise ihren Standpunkt darlegen konnte.

27 Der erste Teil des Klagegrundes ist daher zurückzuweisen.

II ° Zum zweiten Teil des Klagegrundes

Vorbringen der Parteien

28 Die Klägerin macht geltend, bei der Vorbereitung der Klageschrift habe die Kommission dadurch ihre Verteidigungsrechte und namentlich ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, daß sie ihren Antrag vom 30. August 1989 auf Akteneinsicht im wesentlichen abgelehnt habe. Mit diesem Schreiben habe die Klägerin bei der Kommission beantragt, ihr Einsicht in die Unterlagen zu gewähren, auf denen die Mitteilung der Beschwerdepunkte und die Entscheidung beruhten. Sie habe einen Schriftwechsel mit der Kommission geführt, in dessen Verlauf sie diese darauf hingewiesen habe, daß das fundamentale Verteidigungsrecht auf Akteneinsicht nach dem Erlaß einer formellen Entscheidung fortbestehe, und die Kommission habe geantwortet, daß sie der Klägerin in der Anlage zu der Mitteilung der Beschwerdepunkte die Unterlagen übersandt habe, auf denen diese beruhe. Nachdem ihr die Kommission mit Telefax vom 11. Oktober 1989 angeboten habe, Kopien von bestimmten Dokumenten zuzusenden, habe die Klägerin unter Bezugnahme auf dieses Angebot mit Telefax vom 16. Oktober 1989 zum einen um Übersendung des Berichts und des Vorgangs über die Nachprüfung vom 6. und 7. November 1985 in ihren Geschäftsräumen sowie des Berichts über die an denselben Tagen in den Geschäftsräumen des Fachverbands Betonstahlmatten vorgenommene Nachprüfung gebeten und zum anderen Einsicht in die Protokolle und sonstigen Unterlagen beantragt, die die Unterrichtung der Kommission durch das Bundeskartellamt über das deutsche Strukturkrisenkartell beträfen. Bis zur Einreichung der Klage am 20. Oktober 1989 habe die Kommission nicht reagiert.

29 Die Kommission trägt vor, daß die Klägerin ihre Rüge auf einen angeblichen Rechtsverstoß der Kommission nach der Zustellung der Entscheidung stütze und daß die Rechtmässigkeit einer Entscheidung nicht von Vorgängen abhängen könne, die nach ihrer Zustellung lägen. Auch wenn die Beachtung der Verteidigungsrechte verlange, daß das betroffene Unternehmen die Möglichkeit erhalten habe, in zweckdienlicher Weise seinen Standpunkt zu den Dokumenten geltend zu machen, die die Kommission bei den Überlegungen, die ihre Entscheidung trügen, berücksichtigt habe, so sei die Kommission doch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes nicht verpflichtet, den betroffenen Beteiligten den Akteninhalt bekanntzugeben (vgl. Urteil vom 17. Januar 1984 in den Rechtssachen 43/82 und 63/82, VBVB und VBBB/Kommission, Slg. 1984, 19, Randnr. 25). Wenn dieser Grundsatz während des Verwaltungsverfahrens gelte, müsse er erst recht nach dessen Abschluß gelten, wie dies vorliegend der Fall sei.

Würdigung durch das Gericht

30 Das Gericht stellt fest, daß der Antrag der Klägerin auf erneute Akteneinsicht nach dem Erlaß der Entscheidung bei der Kommission gestellt wurde, daß es sich somit um einen Umstand handelt, der sich nach diesem Erlaß abgespielt hat, und daß die Rechtmässigkeit der Entscheidung folglich keinesfalls durch die Weigerung der Kommission, die beantragte Einsicht zu gewähren, oder dadurch, daß sie bestimmte Unterlagen nicht während der Fristen für die Klage übersandt hat, beeinträchtigt werden konnte.

31 Daher ist der zweite Teil des Klagegrundes zurückzuweisen.

III ° Zu der von der Klägerin beantragten prozeßleitenden Maßnahme

32 Die Klägerin beantragt in ihrer Klageschrift ausdrücklich, der Kommission aufzugeben, ihr folgende Unterlagen zur Einsicht vorzulegen:

° die gesamten Verfahrensakten, soweit sie sich auf die Klägerin beziehen;

° sämtliche Dokumente, Schriftwechsel, Protokolle und Notizen, die sich mit der Unterrichtung der Kommission durch das Bundeskartellamt über das Strukturkrisenkartell befassen;

° sämtliche Unterlagen, Dokumente, Protokolle und Notizen betreffend die trilateralen Verhandlungen zwischen der Kommission, dem Bundeskartellamt und Vertretern der deutschen Strukturkrisenkartell-Gemeinschaft.

33 Das Gericht ist der Ansicht, daß der Antrag der Klägerin als Antrag auf eine prozeßleitende Maßnahme im Sinne des Artikels 64 § 3 Buchstabe d der Verfahrensordnung anzusehen ist.

34 Um die Zweckmässigkeit dieser prozeßleitenden Maßnahme zu beurteilen, ist zunächst der Antrag auf Vorlage der gesamten Verfahrensakten, soweit sie sich auf die Klägerin beziehen, zu prüfen. Insoweit ist darauf hinzuweisen, daß die Klägerin nicht bestreitet, während des Verwaltungsverfahrens vor der Kommission alle Aktenunterlagen erhalten zu haben, die sie direkt oder indirekt betreffen und auf die die Mitteilung der Beschwerdepunkte gestützt war. Ausserdem hat sie keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, daß andere Unterlagen für ihre Verteidigung von Bedeutung gewesen wären. Infolgedessen ist das Gericht der Ansicht, daß der Klägerin Gelegenheit gegeben wurde, so wie sie es wünschte, ihren Standpunkt zu sämtlichen Beschwerdepunkten, die die Kommission in der an sie gerichteten Mitteilung der Beschwerdepunkte ihr gegenüber formuliert hatte, und zu den zur Stützung dieser Beschwerdepunkte bestimmten Beweiselementen, die die Kommission in dieser Mitteilung der Beschwerdepunkte erwähnt hatte oder die dieser beigefügt waren, geltend zu machen, und daß daher die Verteidigungsrechte gewahrt wurden (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 9. November 1983 in der Rechtssache 322/81, Michelin/Kommission, Slg. 1983, 3461, Randnr. 7, und Urteile des Gerichts vom 10. März 1992 in der Rechtssache T-15/89, Chemie Linz/Kommission, Slg. 1992, II-1275, Randnr. 51, und vom 18. Dezember 1992 in den Rechtssachen T-10/92, T-11/92, T-12/92 und T-15/92, Cimenteries CBR u. a./Kommission, Slg. 1992, II-2667, Randnrn. 38 und 39). Daraus ergibt sich, daß die Anwälte der Klägerin sowohl bei der Vorbereitung der Klageschrift als auch während des Verfahrens vor dem Gericht in der Lage gewesen sind, die Rechtmässigkeit der Entscheidung in voller Kenntnis der Umstände zu prüfen und die Verteidigung der Klägerin in vollem Umfang zu gewährleisten. Folglich besteht kein Anlaß, der Kommission die Vorlage der genannten Unterlagen aufzugeben.

35 Sodann ist der Antrag der Klägerin auf Vorlage der vom Bundeskartellamt übermittelten Unterlagen, soweit er sich auf das Strukturkrisenkartell bezieht, und der Unterlagen betreffend die trilateralen Verhandlungen zwischen der Kommission, dem Bundeskartellamt und den Vertretern der deutschen Strukturkrisenkartell-Gemeinschaft zu prüfen. Dazu ist zu bemerken, daß die Klägerin nicht vorgebracht hat, daß sie, ohne über diese Unterlagen zu verfügen, nicht imstande gewesen sei, sich gegen die ihr zur Last gelegten Beschwerdepunkte zu verteidigen, und daß sie kein Indiz vorgetragen hat, das dartun könnte, in welcher Hinsicht diese Schriftstücke für den Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits von Bedeutung sein konnten. In jedem Fall kommt hinzu, daß es sich um Unterlagen in bezug auf das Strukturkrisenkartell handelt, das als solches nicht Bestandteil der in der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlungen ist (siehe unten, Randnrn. 55 ff.), und daß die Unterlagen, die sich auf dieses Kartell beziehen, daher Beweismittel darstellen, die mit dem Gegenstand des vorliegenden Verfahrens nichts zu tun haben. Somit besteht kein Anlaß, die von der Klägerin beantragte prozeßleitende Maßnahme zu erlassen.

Zum Klagegrund des Verstosses gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag

I ° Zum relevanten Markt

Vorbringen der Parteien

36 Die Klägerin trägt vor, die Behauptung in Punkt 3 der Entscheidung, daß eine weitgehende Substituierbarkeit zwischen Lagermatten und Listenmatten bestehe, sei unrichtig. Hierzu weist sie darauf hin, daß die sogenannte Listenmatte im Unterschied zu der Lagermatte eine für ein individuelles Bauvorhaben maßgeschneiderte Betonstahlmatte sei und daß eine Listenmatte grundsätzlich nicht in einem anderen Bauwerk als demjenigen, für das sie speziell angefertigt worden sei, eingesetzt werden könne. Ausserdem müsse zwischen Listenmatten und den in den Niederlanden hergestellten Lettermatten unterschieden werden, bei denen es sich in Wirklichkeit um teilstandardisierte Matten handele. Eine Substituierbarkeit zwischen Lager- und Listenmatten liege aufgrund der unterschiedlichen Preise (Lagermatte: 760 DM/Tonne, Listenmatte: 850 bis 1 500 DM/Tonne) nicht vor. Wo die Lagermatte passe, setze der Verbraucher sie wegen ihres konkurrenzlos günstigen Preises ein und würde an ihrer Stelle nie die wesentlich teurere Listenmatte verwenden. Listenmatten stuenden vielmehr im Wettbewerb mit Betonstabstahl (einem EGKS-Produkt), der im Objektgeschäft des Handels mit dem Bauunternehmer individuell bauwerksbezogen angearbeitet angeboten werde. Zum Beweis ihres Vorbringens schlägt die Klägerin die Einholung eines Sachverständigengutachtens vor.

37 Die Kommission macht geltend, der Preis von Lagermatten könne der Klägerin nicht gleichgültig sein, da er Einfluß auf das Preisniveau für Listenmatten habe (Punkte 3 und 114 der Entscheidung). Als Exporteur von Listenmatten habe der Klägerin daran gelegen sein müssen, das Preisniveau für Lagermatten innerhalb gewisser Bandbreiten im Verhältnis zum Listenmattenpreis zu halten. Genau das sei der Zweck der Festlegung von Mindestpreisen im Rahmen der Preisabsprachen für den Benelux-Markt gewesen.

Würdigung durch das Gericht

38 Das Gericht stellt fest, daß die Beschreibung des Marktes, die die Klägerin vornimmt, keineswegs der Beschreibung der Kommission widerspricht. Die Klägerin unterscheidet nämlich zwischen Lagermatten, Letter- oder teilstandardisierten Matten, Listenmatten und Zeichnungsmatten und trägt vor, daß die ersten beiden Typen ganz ähnlich seien und daß die letzten beiden Typen ebenfalls ähnlich seien, sich aber wesentlich von den ersten beiden unterschieden. Nach Ansicht des Gerichts besagt die Entscheidung im Ergebnis nichts anderes, wenn sie in Punkt 3 ausführt, daß "eine weitgehende Substituierbarkeit... hauptsächlich zwischen Lagermatten und Listenmatten [besteht]" und "man hinsichtlich des relevanten Produktmarktes allgemein vom Markt für Betonstahlmatten sprechen [kann], innerhalb dessen ein Untermarkt für Zeichnungsmatten besteht".

39 Bezueglich der Preise von Lagermatten und Listenmatten, auf die sich die Klägerin bezieht, stellt das Gericht fest, daß sie nicht sehr weit auseinanderliegen. Diese Preisannäherung beruht offensichtlich auf objektiven Faktoren, die diese beiden Mattenmärkte beeinflussen, nämlich auf dem Preis von Walzdraht, dem Rohstoff für diese beiden Erzeugnisse, und auf der Entwicklung der Nachfrage auf dem Verbrauchermarkt, nämlich dem Baumarkt, der die allgemeine Konjunktur widerspiegelt.

40 Nach diesen Feststellungen ist eine Frage zu prüfen, die eng mit ihnen zusammenhängt, nämlich die nach dem Einfluß des Lagermattenpreises auf den Preis von Listenmatten und Zeichnungsmatten. Es handelt sich mit anderen Worten darum, ob ein Preisrückgang bei den Lagermatten dazu führen kann, daß diese die Listenmatten und Zeichnungsmatten substituieren können, und eine Verschiebung der Kundschaft zu den Lagermatten zur Folge haben kann. Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß die Verwendung von Lagermatten auf bestimmten Baustellen, auf denen Listenmatten oder Zeichnungsmatten verwendet werden müssten, nur dann, wenn die äussere Form der zu errichtenden Bewehrungen dies erlaubt, und jedenfalls nur unter der Voraussetzung möglich ist, daß auf den Baustellen Anpassungen vorgenommen werden, die technisch keine Schwierigkeit darstellen und auch keine zu hohen zusätzlichen Kosten verursachen. Insoweit ist ausserdem festzustellen, daß sich in der mündlichen Verhandlung ergeben hat, daß die Verwendung von Lagermatten auf Baustellen, auf denen normalerweise Zeichnungsmatten verwendet werden müssten, tatsächlich möglich ist, wenn der Lagermattenpreis so niedrig ist, daß er dem Bauherrn eine bedeutende Einsparung verschafft, die die zusätzlichen Kosten deckt und die technischen Nachteile ausgleicht, die mit dem Wechsel des verwendeten Materials verbunden sind, und daß diese Situation während eines Teils des von den Absprachen erfassten Zeitraums bestanden hat.

41 Das Gericht stellt weiter fest, daß bestimmte von der Entscheidung betroffene Unternehmen, zu denen die Klägerin gehört, fähig sind, verschiedene Typen von Betonstahlmatten herzustellen, woraus sich vernünftigerweise schließen lässt, daß in dem Industriezweig eine gewisse Fähigkeit vorhanden ist, die Produktionsanlagen anzupassen, um die verschiedenen in Rede stehenden Arten von Betonstahlmatten herzustellen.

42 Schließlich stellt das Gericht fest, daß sich die Lieferverträge vom 24. November 1976 und 22. März 1982 zwischen BStG auf der einen und Bouwstaal Rörmond BV und Arbed SA Afdeling Nederland auf der anderen Seite (Anlagen 109 und 109 A der Mitteilung der Beschwerdepunkte) auf Lagermatten und andere Matten als Lagermatten beziehen.

43 Nach alledem ist das Gericht der Ansicht, daß die von der Kommission vorgenommene Analyse des Marktes nicht unrichtig ist und daß folglich die Rüge der Klägerin zurückzuweisen ist, ohne daß, wie sie es vorgeschlagen hat, die Erstellung eines Sachverständigengutachtens anzuordnen wäre.

II ° Zum Nachweis der Absprachen

A ° Zum Fehlen einer globalen Absprache

44 Die Klägerin bestreitet zunächst das Bestehen einer globalen Absprache. Sie macht geltend, daß der Vorwurf der Kommission, die deutschen Hersteller hätten unter Führung der Klägerin eine europaweite globale Interpenetrationsabsprache herbeigeführt, die aus einem Netz von Absprachen für die einzelnen nationalen Märkte bestanden habe, durch nichts belegt sei. Zwar habe ihr Geschäftsführer über vereinzelte Kontakte, die er auf internationaler Ebene gehabt habe, in dem Beschlußgremium des Strukturkrisenkartells am Rande berichtet, doch seien niemals Beschränkungen des grenzueberschreitenden Handels beschlossen worden oder Gegenstand von Absichtserklärungen gewesen.

45 Insoweit meine die Kommission zu Unrecht, sich auf einen Vermerk von Rechtsanwalt Günter Müller, Hauptgeschäftsführer der Wirtschaftsvereinigung Ziehereien und Kaltwalzwerke und Kartellvertreter des Strukturkrisenkartells gemäß § 36 des deutschen Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), vom 15. Oktober 1985 an einen Mitarbeiter der Klägerin (Anlage 101 [a] der Mitteilung der Beschwerdepunkte; Punkt 131 der Entscheidung) stützen zu können, in dem Rechtsanwalt Müller darum gebeten habe, den Entwurf für das Ergebnisprotokoll einer Sitzung der Markt-Kommission umzuformulieren, um die Gründe für die schlechte Situation des Marktes im nordwestlichen Raum, die auf Importen und Lieferungen erheblicher Mengen durch Nichtkartellmitglieder beruht habe, mit einer unverfänglichen Formulierung darlegen zu können. Die Klägerin schlägt hierfür die Vernehmung verschiedener Unternehmensvertreter im Beschlußgremium des Strukturkrisenkartells und des Rechtsanwalts Günter Müller als Zeugen vor.

46 Das Gericht weist darauf hin, daß die Kommission nie der Ansicht war, daß eine globale Absprache vorgelegen habe, sondern daß sie von einem Komplex mehrerer Absprachen (Punkt 22 der Entscheidung) zu verschiedenen Zeiten und auf verschiedenen geographischen Märkten ausging; in der Entscheidung (Punkte 132 und 175) wird den deutschen Herstellern im allgemeinen und der Klägerin im besonderen vielmehr vorgeworfen, sich an bilateralen Absprachen mit den Herstellern anderer Mitgliedstaaten beteiligt zu haben.

47 Daher ist der Schluß zu ziehen, daß der Klägerin in der Entscheidung nicht vorgeworfen wird, sich an einer globalen Absprache beteiligt zu haben, und daß diese Rüge somit zurückzuweisen ist, ohne daß es erforderlich wäre, die von der Klägerin vorgeschlagene Zeugenvernehmung anzuordnen.

B ° Zum deutschen Markt

1. Die Berücksichtigung des deutschen Strukturkrisenkartells als Bestandteil der in der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlungen

Vorbringen der Parteien

48 Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe jedenfalls wegen ihrer Beteiligung am deutschen Strukturkrisenkartell keine Geldbusse gegen sie festsetzen können. Denn da dieses Kartell nicht gegen das Verbot des Artikels 85 Absatz 1 EWG-Vertrag verstossen habe, habe auch die Klägerin nicht gegen diese Vorschrift verstossen, wei sie von der Rechtmässigkeit des Kartells ausgegangen sei. Auf den Vortrag der Kommission, der Kartellvertrag sei nicht Bestandteil der in der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlungen gewesen und bei der Berechnung der gegen die Klägerin festgesetzten Geldbusse nicht zu deren Nachteil berücksichtigt worden, erwidert die Klägerin, daß dieser Vortrag in eklatantem Widerspruch zum Wortlaut der Entscheidung stehe, aus dem sich eindeutig das Gegenteil ergebe. In diesem Zusammenhang zitiert die Klägerin Punkt 126 der Entscheidung, wonach sich "die Absprachen, die den deutschen Markt betreffen,... aus dem Kartellvertrag selbst [ergeben]". Sie bemerkt, daß sich die Punkte 127 bis 129 ausschließlich mit dem Kartell befassten, wobei die Darlegungen in Punkt 130 der Entscheidung gipfelten, wonach "die Abstellung (in den §§ 5 Absatz 2 und 7 Absatz 1 des Kartellvertrags) auf Lieferquoten für den deutschen Markt und nicht auf Produktionsquoten... bewusst und absichtlich gewählt wurde, um das Kartell als Instrument zur Erreichung von bilateralen Absprachen mit ausländischen Herstellern betreffend die Einschränkung der gegenseitigen Marktdurchdringung (siehe unten Punkt 132 ff.) zu benutzen".

49 Im Teil "Rechtliche Beurteilung" der Entscheidung lege die Kommission die Gründe dar, aus denen das Kartell mit Artikel 85 Absatz 1 unvereinbar gewesen sei, und sie gehe nur in Punkt 206 (Erwägungen zur Höhe der Geldbusse) auf die Tatsache ein, daß das Kartell vom Bundeskartellamt genehmigt worden sei. In diesem Punkt werde keineswegs gesagt, daß das Kartell "weder Gegenstand der der Klägerin auferlegten Busse noch der von der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung ist". Hätte die Kommission wirklich für das Kartell keine Geldbusse verhängen wollen, so wäre es ihr ein leichtes gewesen, dies deutlich kenntlich zu machen, wie sie es in anderer Hinsicht auch getan habe (siehe z. B. Punkt 133 a. E. der Entscheidung).

50 Ausserdem sei es nicht erforderlich gewesen, den Kartellvertrag mit einer Verpflichtung zur Abstellung für die Zukunft zu verbieten, wie dies in der Entscheidung für jede festgestellte Zuwiderhandlung geschehen sei (Punkte 209 und 210 der Entscheidung), da der Zeitraum, für den er geschlossen worden sei, bereits abgelaufen gewesen sei. Die Niederschrift über die Anhörung vom 24. November 1987 zeige überdies, daß deren fast ausschließliches Thema in bezug auf den deutschen Markt die Frage der Auswirkungen des Kartells gewesen sei. Als Herr Michäl Müller die Kommission ausdrücklich gebeten habe, zu bestätigen, daß der Kartellvertrag von dem Verfahren abgetrennt sei, habe der verantwortliche Beamte der Kommission geantwortet, diese sei keine Verpflichtung eingegangen, den Kartellvertrag aus dem Verfahren auszuklammern.

51 Für die Klägerin steht eindeutig fest, daß ihr der Kartellvertrag tatsächlich in der Entscheidung vorgeworfen worden ist und daß er die Hauptbasis für die gegen sie festgesetzte Geldbusse sowie die einzige erkennbare Begründung für die wiederholte Behauptung der Kommission darstellt, daß die Klägerin wegen der Funktion ihres Geschäftsführers als Vorsitzender des Aufsichtsgremiums der Mitglieder des Kartells eine besondere Verantwortung getragen habe.

52 Zum Beweis ihres Vorbringens schlägt die Klägerin die Vernehmung von Herrn Hohls, seinerzeit Berichterstatter der 5. Beschlussabteilung des Bundeskartellamts, von Herrn Kirschstein, seinerzeit Vorsitzender der 5. Beschlussabteilung des Bundeskartellamts, und von Rechtsanwalt Günter Müller als Zeugen vor.

53 Die Kommission trägt vor, daß der Kartellvertrag nicht Bestandteil der in der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlungen sei, und weist darauf hin, daß sie der Genehmigung durch das Bundeskartellamt Rechnung getragen (Punkt 206) und insoweit keine Geldbusse verhängt habe. Sie sei nicht gehindert, in einer formellen Entscheidung eine informell geregelte Zuwiderhandlung anzuführen, ohne daß diese deshalb Bestandteil der formellen Entscheidung würde. Die Kommission räumt ein, daß sie in Punkt 174 ihrer Entscheidung die §§ 5 Absatz 2 und 7 Absatz 1 des Kartellvertrags für unvereinbar mit Artikel 85 Absatz 1 angesehen hat. Sie habe jedoch (Punkt 210 der Entscheidung) hervorgehoben, daß sie diese beiden Klauseln nicht offiziell verbiete. Anstatt die Unvereinbarkeit des Kartellvertrags mit den Wettbewerbsregeln formell im verfügenden Teil der Entscheidung festzustellen und gegen die Klägerin stellvertretend für die Mitglieder des Kartells eine Geldbusse festzusetzen, habe sich die Kommission darauf beschränkt, mit dem Bundeskartellamt und Vertretern des Krisenkartells über eine Abänderung der betreffenden Klauseln zu verhandeln (Punkt 129 der Entscheidung), die dann auch tatsächlich geändert worden seien.

54 Bezueglich der Anhörung vom 24. November 1987 weist die Kommission darauf hin, daß ihr verantwortlicher Beamter auf die Bitte von Herrn Michäl Müller "unverbindlich und korrekt" klargestellt habe, daß die Kommission keine Verpflichtung eingegangen sei, den Kartellvertrag aus dem Verfahren auszuklammern.

Würdigung durch das Gericht

55 Das Gericht ist der Ansicht, daß die Würdigung der Entscheidung die Schlußfolgerung erlaubt, daß das Kartell als solches nicht Bestandteil der in der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlungen ist. Die Klägerin zitiert Punkt 126 der Entscheidung nämlich unvollständig, dessen vierter Absatz wie folgt lautet: "Die Absprachen, die den deutschen Markt betreffen, ergeben sich aus dem Kartellvertrag selbst oder drücken sich in den Bestrebungen aus, dieses Kartell gegen unkontrollierte Importe zu schützen." Der vorherrschende Gedanke, der in diesem Absatz geäussert wird, kommt bereits im ersten Absatz dieses Punktes zum Ausdruck, nämlich daß "die Absprachen, die den deutschen Markt betreffen,... vor dem Hintergrund der Gründung und der Funktionsweise des Strukturkrisenkartells Betonstahlmatten zu betrachten [sind]". Dieser Gedanke wird in anderen Punkten der Entscheidung bekräftigt und klar formuliert. So wird in Punkt 130 ausgeführt, daß der Kartellvertrag, insbesondere die §§ 5 Absatz 2 und 7 Absatz 1, als Instrument zur Erreichung von "bilateralen Absprachen mit ausländischen Herstellern betreffend die Einschränkung der gegenseitigen Marktdurchdringung" benutzt worden sei. In Punkt 175 wird ebenfalls ausgeführt, daß die genannten Klauseln "darüber hinaus zum Zweck oder zumindest zur Folge [hatten], daß das Strukturkrisenkartell als Instrument zur Erreichung von bilateralen Absprachen zwischen deutschen Herstellern einerseits und Herstellern aus anderen Mitgliedstaaten andererseits benutzt wurde". Schließlich wird in Punkt 206 festgestellt, daß das Kartell "zur Abschottung des deutschen Marktes vor dem Wettbewerb aus anderen Mitgliedstaaten durch gegen das Gemeinschaftsrecht verstossende Maßnahmen" verwendet worden sei.

56 Aufgrund dieser Würdigung ist das Gericht der Auffassung, daß das Kartell in der Entscheidung als ein Element angesehen wird, das die Absprachen zwischen den verschiedenen Herstellern erleichtert hat und das Klauseln enthielt, die gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag verstießen; doch kann aus dem Wortlaut der Entscheidung nicht geschlossen werden, daß dieses Kartell als solches Bestandteil der in der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlungen ist. Punkt 210 stellt vielmehr eindeutig fest, daß sich die Kommission darauf beschränkt hat, die Unvereinbarkeit der genannten Klauseln mit Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag darzulegen. Diese Auslegung der Entscheidung wird durch Punkt 174 nicht widerlegt, in dem nur festgestellt wird, daß der Kartellvertrag den Wettbewerb bei grenzueberschreitenden Geschäften beschränkt hat und damit geeignet war, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Punkt 206 der Entscheidung äussert sich nur zu den rechtlichen Wirkungen des Kartellvertrags im Hinblick auf die verschiedenen Zuwiderhandlungen, die in anderen Punkten der Entscheidung festgestellt werden. Hieraus ergibt sich, daß sich Artikel 1 des verfügenden Teils der Entscheidung, soweit er das Vorliegen von Vereinbarungen und/oder abgestimmten Verhaltensweisen feststellt, nicht auf das Krisenkartell bezieht.

57 Demnach besteht kein Anlaß, die von der Klägerin vorgeschlagene Vernehmung von Zeugen zur Funktionsweise und zu den Einzelheiten der Organisation des Kartells anzuordnen.

58 Nach alledem ist der Schluß zu ziehen, daß das deutsche Strukturkrisenkartell als solches nicht Bestandteil der in der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlungen ist und daß der Klägerin in der Entscheidung nicht ihre Beteiligung an diesem Kartell vorgeworfen worden ist. Die Rüge der Klägerin ist daher zurückzuweisen.

2. Zur Absprache von 1985 zwischen BStG und Tréfilunion über den Interpenetrationsverkehr zwischen Deutschland und Frankreich

Angefochtene Handlung

59 In der Entscheidung (Punkte 135 bis 143 und 176) wird der Klägerin vorgeworfen, sie habe sich an Absprachen mit dem französischen Unternehmen Tréfilunion über den Interpenetrationsverkehr zwischen Deutschland und Frankreich beteiligt. Diese Absprachen seien am 7. Juni 1985 während eines Gesprächs zwischen Herrn Michäl Müller und Herrn Marie, Direktor bei der Tréfilunion, getroffen worden, wie aus einem internen Vermerk von Herrn Marie vom 16. Juli 1985 (Anlage 106 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) und einem internen Vermerk von Herrn Michäl Müller vom 27. August 1985 (Anlage 107 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) hervorgehe. In der Entscheidung wird ausgeführt (Punkt 140), daß die während dieses Treffens gegenseitig gemachten Zugeständnisse auch eingehalten worden seien, was sich aus der Tatsache ergebe, daß weder Tréfilunion oder die anderen französischen Hersteller Beschwerde bei der Kommission gegen das deutsche Strukturkrisenkartell geführt hätten, noch das Werk Gelsenkirchen (Deutschland) der Klägerin Exporte von Listenmatten nach Frankreich aufgenommen habe. Darüber hinaus gehe aus den beiden Vermerken hervor, daß jede zukünftige Exporttätigkeit mit einer bestimmten Lieferquote verknüpft werden sollte.

60 Nach der Entscheidung (Punkt 176) stellen die während des Gesprächs vom 7. Juni 1985 zwischen Herrn Michäl Müller und Herrn Marie getroffenen Absprachen über den Interpenetrationsverkehr zwischen Deutschland und Frankreich eine Einschränkung des Wettbewerbs zwischen deutschen und französischen Herstellern dar, die geeignet sei, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.

Vorbringen der Parteien

61 Die Klägerin trägt vor, daß die Schlußfolgerungen, die die Kommission aus den beiden vorgenannten Vermerken ziehe, unzutreffend seien, da sich aus ihrem Inhalt nicht ergebe, daß Absprachen getroffen worden seien. Es handele sich um das einzige Gespräch, das zwischen Herrn Michäl Müller und Herrn Marie im gesamten fraglichen Zeitraum, und zwar in ihrer Eigenschaft als Verbandsvorsitzende, stattgefunden habe. Aus den Vermerken ergebe sich, daß Herr Marie Herrn Michäl Müller Vorschläge bezueglich einer zukünftigen Importregelung unterbreitet habe, die dieser nur zur Kenntnis genommen habe. Im übrigen falle der Teil des Gesprächs über eine geplante Beschwerde bei der Kommission in den politischen Bereich und habe wohl kaum etwas mit einer Beschränkung des Wettbewerbs zu tun. Zum Beweis ihres Vorbringens schlägt die Klägerin in der Klageschrift vor, ihren Justitiar, Rechtsanwalt Pillmann, als Zeugen zu vernehmen, und in der Erwiderung, die Parteivernehmung von Herrn Michäl Müller anzuordnen.

62 Die Kommission macht geltend, aus den Vermerken vom 16. Juli 1985 und 27. August 1985 gehe das Einvernehmen zwischen den Wettbewerbern hervor, daß die Klägerin die Aufnahme von Exporten von Listenmatten nach Frankreich zurückstelle und Tréfilunion das Strukturkrisenkartell in seinem Bestand nicht durch eine Beschwerde bei der Kommission gefährde. Zudem ergebe sich aus diesen Vermerken eine Absprache dahin gehend, die gegenseitigen Exporte mit dem Ziel der Marktaufteilung im Sinne einer "Balance der Interpenetrations -Lieferungen zwischen beiden Ländern in absoluten Tonnagen" einzugrenzen. Für die Kommission stellt diese Vereinbarung bereits für sich genommen einen Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag dar, ohne daß festgestellt werden müsse, ob die Absicht verwirklicht worden sei, die Gesamtheit der deutschen Hersteller in diese Absprache einzubeziehen.

Würdigung durch das Gericht

63 Das Gericht stellt fest, daß in der Entscheidung (Punkt 140) der Klägerin vorgeworfen wird, sie habe mit Tréfilunion eine generelle Verhaltensabstimmung herbeigeführt, die darauf abgezielt habe, die gegenseitige Penetration ihrer Erzeugnisse in Deutschland und Frankreich zu begrenzen, und die sich in drei Punkten konkretisiert habe: Tréfilunion führe nicht Beschwerde bei der Kommission gegen das deutsche Krisenkartell; das Werk Gelsenkirchen der Klägerin exportiere zwei bis drei Monate lang keine Listenmatten nach Frankreich; schließlich hätten sich die beiden Parteien dahin geeinigt, daß ihre zukünftige Exporttätigkeit mit bestimmten Quoten verknüpft werde.

64 Das Gericht ist der Ansicht, daß eine Untersuchung der beiden genannten Vermerke (siehe Randnr. 59) die Schlußfolgerung erlaubt, daß der Kommission rechtlich der Beweis für eine Verhaltensabstimmung der Klägerin mit Tréfilunion über die ersten beiden Punkte gelungen ist. In seinem Vermerk erwähnt Herr Marie nämlich unter der Überschrift "Schlußfolgerungen", daß "keine Beschwerde gegen den Kartellvertrag... in Brüssel eingereicht [wird]". Der Vermerk von Herrn Michäl Müller ist in dieser Hinsicht ebenso eindeutig: "M. Marie [sagte] zu, die Beschwerdeführung... zurückzustellen... Er sei bereit, einer Zulassung für Gelsenkirchen zuzustimmen, wenn diese für 2 - 3 Monate... nicht wahrgenommen würde... Ich habe die 2 - 3 Monate Wartezeit akzeptiert." Das Gericht ist der Auffassung, daß die Zusage von Herrn Marie, keine Beschwerde gegen das deutsche Kartell zu führen, als ein Verhalten gegenüber einem Konkurrenten anzusehen ist, das eine Gegenleistung für Zugeständnisse dieses Konkurrenten im Rahmen einer gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag verstossenden Absprache war.

65 Eine Würdigung des Wortlauts der beiden Vermerke zeigt auch bei beiden Parteien den Wunsch, zu einem Gleichgewicht und einer Beschränkung der gegenseitigen Penetration ihrer Erzeugnisse in den beiden Ländern zu gelangen. Das Gericht stellt insoweit zum einen fest, daß Herr Michäl Müller in seinem vorgenannten Vermerk ausführt, daß "wir... durchaus an einer Eingrenzung der gegenseitigen Interpenetrations-Lieferungen interessiert seien. Nur sei dies wegen der Vielzahl der Beteiligten eben wesentlich schwieriger zu regeln als im nationalen Raum, am ehesten aber sicher dann, wenn das Preisniveau in allen beteiligten Märkten einigermassen gleichartig sei." In demselben Vermerk weist Herr Michäl Müller darauf hin, daß Herr Marie einige Vorschläge gemacht und einige Wünsche geäussert habe, darunter den nach der "Balance der Interpenetrations-Lieferungen zwischen beiden Ländern in absoluten Tonnagen". Zum anderen schreibt Herr Marie in seinem vorgenannten Vermerk unter der Überschrift "Schlußfolgerungen", daß "in allernächster Zeit und in Erwartung des nächsten Treffens... BStG Kontakt mit den anderen deutschen Herstellern auf[nimmt], um den Zugang der französischen Hersteller mittels Aufhebung bestimmter Regelungen zu erleichtern und eine Penetrationsziffer auszuhandeln; zu versuchen, die Aktivität von Moselstahl (über Stinnes) zu reduzieren und die Möglichkeit einer Integrierung von Gelsenkirchen im BRD-Gesamtvolumen zu erforschen, wobei der zu erreichende Anteil auf dem französischen Markt noch festgesetzt werden muß".

66 Angesichts dieser Würdigung ist das Gericht der Auffassung, daß lediglich nachgewiesen ist, daß die beiden Parteien den Abschluß einer Quotenabsprache in Aussicht genommen haben, der von der Reaktion der anderen deutschen Unternehmen abhing. FORTSETZUNG DER GRÜNDE UNTER DOK.NUM : 689A0145.1

67 Aufgrund des Vorstehenden vertritt das Gericht die Ansicht, daß der Kommission der Beweis für die in Punkt 140 Absatz 1 der Entscheidung dargelegten Tatsachen rechtlich gelungen ist, nämlich für die Zusage von Tréfilunion, keine Beschwerde gegen das Strukturkrisenkartell zu führen, und für den Verzicht der Klägerin auf die Ausfuhr von Listenmatten nach Frankreich für einen Zeitraum von zwei bis drei Monaten. Dagegen ist das Gericht der Auffassung, daß der Kommission der Beweis für das Bestehen einer Vereinbarung, die die Verknüpfung der zukünftigen Exporte mit der Festsetzung von Quoten bezweckte, wie sie in Punkt 140 Absatz 2 der Entscheidung beschrieben wird, rechtlich nicht gelungen ist.

68 Ohne daß es erforderlich wäre, die Vernehmung von Zeugen oder das Erscheinen der Klägerin anzuordnen, ist zum einen die Rüge der Klägerin in bezug auf die in Punkt 140 Absatz 1 der Entscheidung beschriebenen Vereinbarungen zurückzuweisen und festzustellen, daß die Kommission zu Recht die Auffassung vertreten hat, daß diese Vereinbarungen einen Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag darstellten, und zum anderen der Rüge der Klägerin in bezug auf die in Punkt 140 Absatz 2 der Entscheidung vorgeworfenen Tatsachen stattzugeben, so daß wegen dieser Tatsachen, weil sie von der Kommission rechtlich nicht nachgewiesen worden sind, kein Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag festgestellt werden kann.

3. Die Absprachen zwischen BStG und Sotralentz

Angefochtene Handlung

69 In der Entscheidung (Punkte 144 bis 146 und 177) wird der Klägerin im Rahmen der Absprachen zum Schutz des deutschen Strukturkrisenkartells gegen unkontrollierte Einfuhren von Betonstahlmatten vorgeworfen, sie habe sich an einer Absprache mit Sotralentz über die Kontingentierung der Ausfuhren dieses Unternehmens nach Deutschland beteiligt. Die Entscheidung stützt sich auf ein Fernschreiben von BStG vom 24. Oktober 1985 an Sotralentz, mit dem die Zahlen über die Marktversorgung in Deutschland mitgeteilt wurden, und auf die Antwort von Sotralentz durch Fernschreiben vom 4. November 1985, mit dem sie die im September und Oktober 1985 nach Deutschland versandten Mengen mitteilte. Die Entscheidung stützt sich insoweit auf die Erklärungen, die Herr Michäl Müller den Kommissionsbediensteten gegenüber während der Nachprüfung vom 6. und 7. November 1985 abgab, und geht davon aus, daß dieser Informationsaustausch jeden Monat stattgefunden habe und zumindest ein aufeinander abgestimmtes Verhalten darstelle, das geeignet sei, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen (Punkte 144 und 177). In der Entscheidung wird schließlich festgestellt, daß dieser Informationsaustausch nicht nur die Existenz einer Quotenabsprache, sondern auch das Bestreben von BStG zeige, Importe aus Frankreich auf monatlicher Basis zu kontrollieren (Punkt 146); dieser Berechnungsmodus habe auch dem Kartellvertrag zugrunde gelegen.

70 In der Entscheidung wird darauf hingewiesen, daß BStG und Sotralentz versucht hätten, diese Korrespondenz mit dem Bestehen eines Patentlizenzvertrags zwischen den beiden Unternehmen zu rechtfertigen, aufgrund dessen Sotralentz Listenmatten in Frankreich nach dem BStG-Patent hergestellt habe. Bei der Mitteilung ihrer Versandmengen habe Sotralentz lediglich Melde- und Zahlungspflichten entsprochen, die ihr im Rahmen dieses Vertrages auferlegt worden seien. Nach der Entscheidung (Punkt 145) wird dies widerlegt durch a) die Tatsache, daß die Meldepflichten eines Lizenznehmers seine ganze Produktion beträfen und nicht nur die Lieferungen an einen bestimmten Markt, b) die Tatsache, daß BStG die genaue Marktversorgung in Deutschland mitgeteilt habe, was nur im Rahmen einer Quotenregelung zu erklären sei, und c) die Tatsache, daß das Patent von BStG bereits abgelaufen gewesen sei, bevor die betreffenden Auskünfte übermittelt worden seien, und daß zu diesem Zeitpunkt keine Melde- und Zahlungspflicht von Sotralentz bestanden habe.

Vorbringen der Parteien

71 Die Klägerin bestreitet die angebliche Absprache mit Sotralentz. Sie trägt vor, es habe sich nur um einen Patentlizenzvertrag gehandelt, um eine langjährige bilaterale Vertragsbeziehung, die mit Zahlungsverpflichtungen von Sotralentz verbunden gewesen sei, und nicht um eine Kooperation im Rahmen eines globalen Netzes von Interpenetrationsabsprachen.

72 Die Kommission sieht in der Tatsache, daß BStG Sotralentz die gesamten in Deutschland gelieferten Mengen mitgeteilt habe, ein Indiz für das Bestehen einer Quotenabsprache. Aufgrund der Feststellung, daß der Informationsaustausch monatlich erfolgt sei, habe sie in Verbindung mit anderen Umständen, die sich in dieser Sache ergeben hätten, die Schlußfolgerung ziehen können, daß sich der in der Entscheidung geprüfte Informationsaustausch nicht aus den Verpflichtungen des Lizenzvertrags ergeben habe.

73 Auf die vom Gericht im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung gestellten Fragen haben die Parteien angegeben, welche Patente Gegenstand des Lizenzvertrags zwischen der Klägerin und Sotralentz gewesen sind und wann sie jeweils abgelaufen waren.

Würdigung durch das Gericht

74 Es ist zu prüfen, ob die von der Kommission vorgetragenen Gesichtspunkte ° nämlich der monatliche Informationsaustausch und die Tatsache, daß BStG Sotralentz die gesamten in Deutschland gelieferten Mengen mitgeteilt habe ° ein Bündel von ernsthaften, genauen und übereinstimmenden Indizien darstellen, die das Bestehen einer Quotenabsprache beweisen können.

75 Die Klägerin hat gegen diese Indizien eine Rechtfertigung für den festgestellten Informationsaustausch vorgetragen, die auf das Bestehen eines Patentlizenzvertrags mit Sotralentz gestützt ist. Unter diesen Umständen hat das Gericht zu prüfen, ob sich die von der Kommission vorgetragenen Indizien nicht auch anders als durch das Bestehen einer Quotenvereinbarung, insbesondere durch das Bestehen eines Patentlizenzvertrags zwischen BStG und Sotralentz, erklären lassen (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 31. März 1993 in den Rechtssachen C-89/85, C-104/85, C-114/85, C-116/85, C-117/85 und C-125/85 bis C-129/85, Ahlström u. a./Kommission, Slg. 1993, I-1307, Randnrn. 70 bis 72).

76 Das Gericht weist zunächst darauf hin, daß sich die Kommission nicht zu der Frage geäussert hat, ob der Patentlizenzvertrag zwischen BStG und Sotralentz einen Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag darstellte. Daraus folgt, daß diese Frage für die Würdigung durch das Gericht nicht relevant ist.

77 Bezueglich der Zahl der vom Lizenzvertrag vom 28. Juni 1979 erfassten Patente und ihrer Laufzeit stellt das Gericht angesichts der Antworten der verschiedenen Parteien auf die Fragen, die es ihnen im schriftlichen und mündlichen Verfahren gestellt hat, fest, daß das Unternehmen BStG Inhaber von Patenten für das französische, das niederländische und das deutsche Gebiet war. Für das französische Gebiet war BStG Inhaber des Patents Nr. 1 578 746 (Procédé pour l' obtention d' une barre d' armature de béton ° Verfahren und Vorrichtung zum Herstellen eines Betonbewehrungsstabes) und des Patents Nr. 6 920 046 (Treillis d' armature soudé par points ° Punktgeschweisste Bewehrungsmatte), für das niederländische Gebiet Inhaber des Patents Nr. 135 455 (Werkwijze voor het vervaardigen van een stalen wapeningsstaaf voor beton ° Verfahren und Vorrichtung zum Herstellen eines Betonbewehrungsstabes) und für das deutsche Gebiet Inhaber des Patents Nr. 1 609 605 (Verfahren und Vorrichtung zum Herstellen eines Betonbewehrungsstabes), das bis zum 3. Januar 1985 gültig war, sowie des Patents Nr. 1 759 969 (Punktgeschweisste Bewehrungsmatte), das bis zum 25. Juni 1986 gültig war.

78 Der am 28. Juni 1979 zwischen BStG und Sotralentz geschlossene Lizenzvertrag behielt BStG in § 5 das Recht vor, kalenderjährlich die Menge der Vertragsartikel, die Sotralentz zu vertreiben berechtigt war, zu beschränken. Der Vertrag garantierte Sotralentz jedoch, daß diese jährliche Hoechstmenge von BStG nicht auf weniger als 1 % des gesamten Absatzes von Betonstahlmatten und Abstandhaltern in Deutschland und 2,5 % des gesamten Absatzes von Betonstahlmatten und Abstandhaltern in den Niederlanden festgesetzt werden durfte. Der Vertrag sah in bezug auf den Vertrieb der Patenterzeugnisse für das Jahr 1979 eine Hoechstmenge von 12 500 Tonnen für Deutschland und 4 000 Tonnen für die Niederlande vor.

79 Der Lizenzvertrag sah ausserdem die Zahlung einer Lizenzgebühr von 1,50 DM/Tonne für die von Sotralentz vertriebene Menge von Vertragsartikeln vor, die vierteljährlich zu erfolgen hatte (§ 6 Absätze 1 und 5). In der mündlichen Verhandlung ist dargetan worden, daß diese Gebühr nicht gezahlt, sondern bei den Käufen bestimmter Werkzeuge, die Sotralentz bei der Abteilung "Maschinenbau" von BStG getätigt habe, berücksichtigt worden sei. Der Lizenzvertrag sah eine Vertragsstrafe für den Fall vor, daß die vorgesehene Jahresmenge um jeweils 200 Tonnen überschritten wurde (§ 8). Ferner war vereinbart, daß Sotralentz über die Lieferung von Vertragsartikeln ordnungsgemäß Buch zu führen hatte und daß diese Buchführung von BStG jederzeit geprüft werden konnte (§ 6 Absätze 6 und 7). Schließlich war der Vertrag am 1. März 1979 auf unbestimmte Zeit in Kraft getreten, er sollte jedoch spätestens mit Erlöschen des letzten bestehenden Vertragsschutzrechts enden (§ 9).

80 Angesichts dieser Feststellungen ist das Gericht der Auffassung, daß im vorliegenden Fall die Schlußfolgerungen, die die Kommission gezogen hat und nach denen sich der Informationsaustausch aus einer Quotenvereinbarung ergeben hat, nicht die einzig möglichen sind. Dieser Informationsaustausch entspricht nämlich den Bestimmungen des Patentlizenzvertrags, der zur Zeit der zu prüfenden Ereignisse zwischen BStG und Sotralentz bestand, und findet daher in ihnen eine plausible Erklärung. Insbesondere konnten es die Sotralentz gegenüber vorgenommene Festsetzung einer jährlichen Hoechstgrenze für Lieferungen nach Deutschland, die nicht niedriger als 1 % des gesamten Absatzes im deutschen Gebiet sein durfte, das Recht auf Einsichtnahme in die Lieferungen von Sotralentz, das BStG zur Überwachung der Einhaltung dieser Beschränkung eingeräumt wurde, und die Zahlung vierteljährlicher Gebühren erforderlich machen, daß monatlich zum Zweck einer korrekten Planung der Produktion Informationen sowohl von BStG über die in Deutschland abgesetzten Gesamtmengen als auch von Sotralentz über den Umfang ihrer eigenen Lieferungen ausgetauscht wurden. Zur Dauer des Informationsaustauschs ist darauf hinzuweisen, daß der Vertrag aufgrund der Tatsache, daß er bis zum Erlöschen des letzten bestehenden Vertragsschutzrechts wirksam sein sollte, bis zum 25. Juni 1986 in Kraft war und damit den in der Entscheidung geprüften Informationsaustausch abdeckte, der im Oktober und November 1985 stattfand.

81 Da der in der Entscheidung geprüfte Informationsaustausch in der Patentlizenzvereinbarung zwischen BStG und Sotralentz eine Erklärung findet, ergibt sich, daß der Kommission der Beweis für die Beteiligung der Klägerin an einer Absprache über die Kontingentierung der Ausfuhren von Sotralentz nach Deutschland rechtlich nicht gelungen ist.

82 Daher ist der Rüge der Klägerin stattzugeben und die Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit sie gegenüber der Klägerin von deren Beteiligung an einer Absprache über die Kontingentierung der Ausfuhren von Sotralentz nach Deutschland ausgeht.

4. Die Quoten- und Preisabsprachen mit den Benelux-Herstellern

Angefochtene Handlung

83 In der Entscheidung (Punkte 147 und 182) wird der Klägerin vorgeworfen, sie habe sich an Absprachen über den deutschen Markt beteiligt, die zum einen eine Regulierung der Ausfuhren von Benelux-Herstellern nach Deutschland und zum anderen die Respektierung der auf dem deutschen Markt geltenden Preise bezweckt hätten. In der Entscheidung heisst es, daß sich an diesen Absprachen die Klägerin, Tréfilarbed (Rörmond), Boël/Trébos, TFE/FBC ° wobei FBC die Produktion von TFE vermarktet habe ° und Thibodraad beteiligt hätten (Punkte 150, 153, 154, 179 und 181 der Entscheidung).

Vorbringen der Parteien

84 Die Klägerin bestreitet die Existenz von Preis- und Quotenabsprachen in bezug auf den deutschen Markt. Sie bestreitet die Richtigkeit der Schlußfolgerungen, die die Kommission aus in der Entscheidung genannten Unterlagen gezogen hat, und weist darauf hin, daß die Entscheidung keine Beweise für die behaupteten globalen Interpenetrationsabsprachen und auch keine Angaben zu den angeblich an diesen Absprachen beteiligten deutschen Unternehmen enthalte und daß die Kommission keine Anhaltspunkte für den Inhalt oder gar die Laufzeit der behaupteten Absprachen in bezug auf Deutschland habe.

85 Bezueglich der Beschränkung belgischer Exporte nach Deutschland weist die Klägerin darauf hin, daß das Fernschreiben vom 15. Dezember 1983 nicht den geringsten Hinweis auf eine derartige Absprache (Teilnehmer, Inhalt, Laufzeit usw.) enthalte. Es sei von Herrn Michäl Müller als Vorsitzendem des Aufsichtsgremiums der Strukturkrisenkartell-Gemeinschaft und als Vorsitzendem des Fachverbands Betonstahlmatten und nicht in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Geschäftsleitung der Klägerin verfasst worden. Ausserdem ergebe sich aus dem Satz des Fernschreibens, wonach Herr Müller "im allseitigen Interesse" bemüht gewesen sei, "auch die kleinen Ausreisser anzubinden oder doch wenigstens einzugrenzen", daß Herr Müller eben als Vorsitzender des Fachverbands Angriffe auf das Kartell habe abwehren wollen. Wenn das genannte Fernschreiben auf "vernünftige Kooperationsgespräche" verweise, so gerade deshalb, weil das Kartell keine rechtsverbindliche Exportregelung erlaubt habe.

86 In bezug auf die Preisabsprachen weist die Klägerin darauf hin, daß die Kommission bezeichnenderweise weder die Beteiligten noch den Inhalt, die Laufzeit oder sonstige die angeblichen Absprachen betreffende Einzelheiten kenne und daß ihre Beschuldigungen auf blossen Vermutungen beruhten. Die Kommission könne dem Fernschreiben vom 17. April 1985 (Anlage 111 der Mitteilung der Beschwerdepunkte; Punkt 153 der Entscheidung) über die "belgischen Baustahlmatten-Lieferungen in die BR Deutschland", das von der Deutschen Walzstahlvereinigung ° die mit der Klägerin nichts zu tun habe ° an Cockerill Sambre gesandt worden sei, nicht entnehmen, "daß zu diesem Zeitpunkt eine Preisabsprache für Betonstahlmatten bezueglich des deutschen Marktes bestand". Aus diesem Fernschreiben gehe nur hervor, daß über das deutsche Strukturkrisenkartell im Rahmen der internationalen Walzdraht-Kommission berichtet worden sei und daß dabei die positiven Erfolge des Kartells auf der Preisebene hervorgehoben worden seien. Die Walzstahlvereinigung sei der Auffassung gewesen, daß diese positiven Resultate durch Niedrigpreisexporte von TFE gestört worden seien, und habe darauf gedrängt, TFE die positiven Erfolge in Deutschland deutlich zu machen und sie zu bitten, diese nicht zu stören. Nicht mit einem einzigen Wort sei in diesem Fernschreiben auf Preisabsprachen eingegangen worden. Die Klägerin führt weiter aus, daß das Fernschreiben des Herrn Peters von Tréfilunion vom 11. Januar 1984 (Anlage 66 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) ebenfalls keinen Beweis für eine angebliche Absprache darstelle, da sich die Teilnehmer an der Sitzung, auf die es sich beziehe, darauf beschränkt hätten, sich gegenseitig Vorwürfe zu machen.

87 In ihrer Erwiderung bietet die Klägerin an, den Beweis für ihr Vorbringen durch Vernehmung von Herrn Brökman, des ehemaligen Vorsitzenden des "Kreises von Breda", als Zeugen und durch eine Parteivernehmung von Herrn Michäl Müller zu erbringen.

88 Die Kommission weist darauf hin, daß die in der Entscheidung erwähnten Unterlagen ausreichten, um die Beteiligung der Klägerin an den betreffenden Absprachen zu belegen.

89 Zum Charakter der Beteiligung von Herrn Michäl Müller macht die Kommission geltend, daß seine Mehrfachfunktion ° Vorsitz der Geschäftsleitung von BStG, Vorsitz des Fachverbands Betonstahlmatten und des Aufsichtsgremiums des Kartells ° in der Anhörung vom 24. November 1987 nicht in Abrede gestellt worden sei. Dennoch habe Herr Michäl Müller bei dieser Gelegenheit erklärt, daß der Fachverband mit der Sache nichts zu tun habe. Im übrigen weist die Kommission darauf hin, daß sich Herr Michäl Müller stets der Infrastruktur der Klägerin bedient und ° u. a. bei der Absendung des Fernschreibens vom 15. Dezember 1983 ° in ihrem Namen gehandelt habe, obwohl durchaus Alternativen gegeben gewesen wären, und daß die im Fernschreiben genannten Mitarbeiter solche von BStG gewesen seien.

Würdigung durch das Gericht

90 Das Gericht ist der Auffassung, daß sich die Beteiligung der Klägerin an den Absprachen über den deutschen Markt aus dem Fernschreiben vom 15. Dezember 1983 ergibt, das Herr Michäl Müller im Anschluß an eine Sitzung vom 5. Dezember 1983 in Breda, an der die Klägerin teilgenommen hatte, an Thibodraad sandte (Anlage 65 [b] der Mitteilung der Beschwerdepunkte; Punkt 92 der Entscheidung) und in dem es heisst: "Ich darf aber mit aller Deutlichkeit darauf hinweisen, daß die grösste Steigerung im grenzueberschreitenden Handel diejenige von Belgien nach Deutschland ist, die angesichts der engen Abstimmung mit Boël sehr deutlich dem 2. belgischen Hersteller zuzuordnen ist... Die Bereitschaft, Exporte in Nachbarländer auf dem Status quo festzuhalten bzw. nicht mehr zu steigern als Importe aus diesen Ländern, ist grundsätzlich unverändert gegeben." Die Verwicklung der Klägerin in diese Absprachen wird durch das Fernschreiben von Herrn Peters vom 11. Januar 1984 an Herrn Marie (Anlage 66 der Mitteilung der Beschwerdepunkte; Punkte 95 und 153 der Entscheidung) bestätigt, das sich auf eine Sitzung vom 5. Januar 1984 in Breda bezieht, an der die Klägerin, Boël/Trébos, FBC, Tréfilarbed, Tréfilunion und andere niederländische Unternehmen teilgenommen hatten. In diesem Fernschreiben heisst es: "Die üblichen Teilnehmer verlangen von den BStG-Vertretern, die Benelux-Märkte nicht mehr durch erhebliche Exporte nach diesen Märkten zu sehr niedrigen Preisen zu stören. Die Deutschen verteidigen sich unter Hinweis darauf, daß die Belgier (Boël und jüngst Frère-Bourgeois) vergleichbare Mengen nach Deutschland exportierten. Die Belgier stellen klar, daß sie die deutschen Marktpreise respektierten und daß man von Prozenten des Marktvolumens und nicht von Tonnen sprechen sollte. Es wurde kein konkreter Beschluß gefasst." Diese beiden Beweiselemente werden auch durch einen internen Vermerk des Herrn Debelle von FBC vom 24. April 1985 (Anlage 112 der Mitteilung der Beschwerdepunkte; Punkt 153 der Entscheidung) über eine Sitzung vom gleichen Tag in Bunnik bekräftigt, wonach "Herr Ruthotto (Vertreter der BStG) während der Sitzung bestätigt hat, daß beide belgische Hersteller die bei der Baustahlgewebe getroffenen Preisabsprachen sorgfältig respektierten".

91 Ebenfalls zu Recht hat sich die Entscheidung auf das Fernschreiben der deutschen Walzstahlvereinigung vom 17. April 1985 an Cockerill Sambre (Anlage 111 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) bezogen, um ihre Würdigung zu bestätigen. Dieses Fernschreiben betrifft "belgische Baustahlmatten-Lieferungen in die BR Deutschland" und beweist ° auch wenn es nicht die Beteiligung von BStG erwähnt ° das Bestehen der Absprache. In dem Fernschreiben heisst es, daß im Preisbereich "die Disziplin aller deutschen Mattenproduzenten gut ist", und darin wird TFE, einer Tochter von Cockerill Sambre, vorgeworfen, sie unterlaufe das allgemeine Preisniveau auf dem deutschen Markt (810 DM/Tonne), indem sie einen Preis von 770 DM/Tonne anbiete. Cockerill Sambre wird gebeten, ihre Tochter TFE "auf die positive Entwicklung im deutschen Markt aufmerksam zu machen und auf eine bessere Preisdisziplin zu drängen".

92 Angesichts dieser verschiedenen Umstände kann das Gericht dem Argument der Klägerin nicht folgen, daß Herr Michäl Müller, ihr Geschäftsführer, nur als Vorsitzender des Fachverbands Betonstahlmatten oder des Aufsichtsgremiums des Kartells und nicht als Vorsitzender der Geschäftsleitung der Klägerin gehandelt habe. Das Gericht ist der Auffassung, daß dieses Argument durch keinen Beweis untermauert wird. Das Fernschreiben vom 15. Dezember 1983 enthält nämlich nichts, was diese Schlußfolgerung erlauben würde: Herr Müller sandte sein Schreiben mit dem Fernschreiber der Klägerin und in ihrem Namen, ohne daß an irgendeiner Stelle seine Eigenschaft als Vorsitzender des Fachverbands Betonstahlmatten oder des Aufsichtsgremiums des Kartells erwähnt wird. Ausserdem heisst es im Begleitschreiben vom 16. Dezember 1983 (Anlage 65 [a] der Mitteilung der Beschwerdepunkte), mit dem Thibodraad das Fernschreiben von Herrn Müller Tréfilarbed Gentbrugge übersandte, wörtlich: "Anliegend finden Sie eine Kopie des Fernschreibens vor, das Herr Müller von BStG... geschickt hat... Anlage: Kopie Fernschreiben BStG." Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß, wie die Kommission hervorgehoben hat, Herr Müller bei der Anhörung versicherte, daß "im Auftrag des Verbandes... während der Laufzeit des Kartells mit irgendeiner Marktrelevanz nirgends, weder hinsichtlich des deutschen Marktes noch hinsichtlich anderer Märkte gehandelt worden [sei]".

93 Aus dem Vorstehenden folgt, daß die Kommission rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, daß sich die Klägerin an den Preis- und Quotenabsprachen über den deutschen Markt beteiligt hat.

94 Daher ist die Rüge der Klägerin zurückzuweisen, ohne daß es erforderlich wäre, die vorgeschlagene Vernehmung des Zeugen oder das persönliche Erscheinen von Herrn Michäl Müller anzuordnen. Im übrigen ist das Gericht der Auffassung, daß diese in der Erwiderung formulierten Beweisangebote auf jeden Fall verspätet sind, da die Klägerin keinen Umstand geltend gemacht hat, der sie daran gehindert hätte, sie in der Klageschrift zu formulieren, und daß sie folglich gemäß Artikel 48 § 1 der Verfahrensordnung zurückzuweisen sind (vgl. Urteil des Gerichts vom 11. Februar 1992 in der Rechtssache T-16/90, Panagiotopoulou/Parlament, Slg. 1992, II-89, Randnr. 57).

5. Die Alleinvertriebsverträge zwischen BStG auf der einen und Bouwstaal Rörmond BV und Arbed SA Afdeling Nederland auf der anderen Seite

Angefochtene Handlung

95 In der Entscheidung (Punkt 148) heisst es, das Interesse von BStG, ausländische Importe nach Deutschland einzuschränken oder zu regulieren, finde bezueglich der Niederlande seinen Ausdruck in den beiden Lieferverträgen zwischen BStG und Bouwstaal Rörmond BV (später Tréfilarbed Bouwstaal Rörmond) bzw. Arbed SA Afdeling Nederland vom 24. November 1976 (Anlage 109 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) und 22. März 1982 (Anlage 109 A der Mitteilung der Beschwerdepunkte). Dem letztgenannten Vertrag sei eine unterzeichnete Aktennotiz gleichen Datums beigefügt gewesen, in der sich Arbed SA Afdeling Nederland verpflichtet habe, während der Laufzeit des Vertrages weder direkt noch indirekt Lieferungen nach Deutschland zu tätigen. In diesen Verträgen habe BStG den ausschließlichen Vertrieb einer bestimmten jährlichen Menge von Betonstahlmatten aus dem Werk Rörmond in Deutschland zu einem nach bestimmten Kriterien festzusetzenden Preis übernommen. Bouwstaal Rörmond und Arbed SA Afdeling Nederland hätten sich verpflichtet, während der Dauer dieser Verträge weder direkt noch indirekt Lieferungen nach Deutschland zu tätigen.

96 In der Entscheidung (Punkt 189) wird festgestellt, daß diese Alleinvertriebsverträge nicht die Voraussetzungen der Verordnung Nr. 67/67/EWG der Kommission vom 22. März 1967 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz (3) des Vertrages auf Gruppen von Alleinvertriebsvereinbarungen (ABl. 1967, Nr. 57, S. 849) erfuellt hätten, zumindest seit dem Bestehen der Absprachen über den Interpenetrationsverkehr zwischen Deutschland und Benelux. Seit diesem Zeitpunkt seien diese Vereinbarungen als Teil einer globalen Marktaufteilungsabsprache zu betrachten, an der mehr als zwei Unternehmen beteiligt gewesen seien; demnach sei die Verordnung Nr. 67/67 auf die Vereinbarungen nicht anwendbar (Artikel 1 in Verbindung mit Artikel 8 der Verordnung Nr. 67/67). In der Entscheidung (Punkt 178) wird weiter ausgeführt, daß diese Vereinbarungen eine Einschränkung des Wettbewerbs zwischen zwei konkurrierenden Unternehmen aus zwei Mitgliedstaaten dargestellt hätten, die geeignet gewesen sei, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.

Vorbringen der Parteien

97 Die Klägerin hält es für erstaunlich, daß die Kommission versuche, "das Interesse von BStG, ausländische Importe nach Deutschland einzuschränken bzw. zu regulieren", mit den Alleinvertriebsverträgen zwischen BStG und Bouwstaal Rörmond BV, einer Tochtergesellschaft des Arbed-Konzerns, der wiederum mit 25,001 % am Kapital von BStG beteiligt gewesen sei, zu begründen. Sie macht geltend, im Werk Rörmond, das Arbed gehört habe, hätten sich sowohl Maschinen, die im Eigentum von BStG gestanden hätten und deren Produktion BStG gehört habe, als auch Maschinen befunden, die Arbed gehört hätten und deren Produktion Gegenstand von Alleinvertriebsverträgen gewesen sei. Das Vertragsverhältnis zwischen BStG und Bouwstaal Rörmond BV sei durch den gesellschaftsrechtlichen Verbund zwischen Arbed als Gesellschafter von BStG und BStG bestimmt gewesen. Die Zusammenarbeit mit Bouwstaal Rörmond BV habe konzerninternen Charakter gehabt und auf gesellschaftsrechtlichen Verträgen basiert.

98 Die Klägerin weist darauf hin, daß es sich um blosse Lieferverträge zwischen ihr und einem ihrer Gesellschafter gehandelt habe, aufgrund deren für ihre Vertragspartner nur die Verpflichtung bestanden habe, Lieferungen in das Vertragsgebiet ° also nach Deutschland ° an kein anderes Unternehmen als die Klägerin selbst vorzunehmen. Mit einer Verhinderung von Parallelimporten habe dies nichts zu tun gehabt. Die Klägerin ist der Ansicht, daß diese Verträge, die seit Ende 1976, nämlich seit dem Erwerb des Werkes Rörmond durch Arbed, bestanden hätten, nach Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung Nr. 67/67 freigestellt gewesen seien. Ausserdem hätten diese Jahre zuvor geschlossenen Verträge nicht den geringsten zeitlichen oder sachlichen Zusammenhang mit den angeblich zwischen den deutschen und den Benelux-Herstellern vereinbarten globalen Interpenetrationsabsprachen gehabt. Deshalb sei für sie die Behauptung der Kommission nicht nachvollziehbar, daß die Alleinvertriebsverträge nicht von der Verordnung Nr. 67/67 erfasst gewesen seien, weil sie "Teil einer globalen Marktaufteilungsabsprache" gewesen seien.

99 Die Kommission bemerkt, daß den beiden Lieferverträgen eine Bestimmung gemeinsam sei, wonach Bouwstaal Rörmond BV und Arbed SA Afdeling Nederland sich verpflichteten, während der Dauer des Vertrages weder direkt noch indirekt Lieferungen nach Deutschland zu tätigen. Anfangs sei diese Bestimmung im Vertrag vom 24. November 1976 selbst enthalten gewesen; beim Abschluß des Vertrages vom 22. März 1982 sei sie Gegenstand einer gesonderten Aktennotiz gleichen Datums gewesen, die wie der Liefervertrag selbst von den Vertragsparteien unterschrieben worden sei. Diese Aktennotiz spreche ausdrücklich von einem "Lieferverzicht" von Arbed SA. Ein derartiger absoluter Lieferverzicht sei von der Verordnung Nr. 67/67 nicht freigestellt. Da die Verordnung von der Unantastbarkeit der Gewährleistung von Parallelimporten ausgehe, sei nur die Verpflichtung des Lieferanten freigestellt, Vertragswaren zum Zweck des Weiterverkaufs innerhalb eines abgegrenzten Gebietes des Gemeinsamen Marktes nur an Alleinvertriebshändler zu liefern. Ein darüber hinausgehender vertraglicher Verzicht des Lieferanten auf jedwede Belieferung des Vertragsgebiets zum Zweck des Gebietsschutzes könne nicht freigestellt sein. Hinzu komme, daß die betreffenden Verträge ihren bilateralen Charakter verloren hätten, da sie sich in den Rahmen umfassender zusätzlicher Absprachen mit Wettbewerbern eingefügt hätten (Punkt 189 der Entscheidung). Im übrigen macht die Kommission geltend, in einem Schreiben der Klägerin vom 26. September 1979 an Arbed SA Afdeling Nederland (Anlage 110 der Mitteilung der Beschwerdepunkte; Punkt 148 der Entscheidung), in dem sich Herr Michäl Müller und Herr Ruthotto über Lagermattenlieferungen nach Deutschland entgegen den vertraglichen Vereinbarungen beklagt hätten, finde sich folgende Feststellung: "Natürlich soll der abgeschlossene Liefervertrag zur Beruhigung auf dem deutschen Markt beitragen, um eben unnötige Unterbietungen ohne Nachteil für Sie zu vermeiden."

100 Ausserdem erklärt die Kommission in Punkt 178 der Entscheidung, sie könne das Argument von BStG und Tréfilarbed, daß es sich dabei um einen reinen konzerninternen Vorgang gehandelt habe, weil Arbed an BStG mit 25 % beteiligt gewesen sei, nicht gelten lassen. Eine blosse Beteiligung von 25,001 % begründe angesichts der höheren Beteiligung von anderen Gesellschaftern (Thyssen 34 % und Klöckner 33,5 %) kein Mutter- und Tochterverhältnis mit der Folge, daß eine wettbewerbsbeschränkende Absprache zwischen diesen Unternehmen nicht unter Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag falle.

Würdigung durch das Gericht

101 Das Gericht stellt fest, daß sich die Klägerin zum einen gegen die Weigerung der Kommission wendet, die Verordnung Nr. 67/67 auf die betreffenden Verträge anzuwenden, und zum anderen gegen ihre Weigerung, diese Verträge als eine interne Vereinbarung im Rahmen des Konzerns, zu dem die betroffenen Unternehmen gehört hätten, anzusehen.

102 Das Gericht ist der Auffassung, daß die fraglichen Alleinvertriebsverträge nicht die in der Verordnung Nr. 67/67 aufgestellten Voraussetzungen erfuellen. Ziffer 9 des Vertrages vom 24. November 1976 zwischen BStG und Bouwstaal Rörmond bestimmt nämlich, daß "[Bouwstaal Rörmond]... während der Dauer dieses Vertrages weder direkt noch indirekt Lieferungen in die Bundesrepublik Deutschland tätigen [wird]". In bezug auf den Vertrag vom 22. März 1982 (Anlage 109 A der Mitteilung der Beschwerdepunkte) zwischen BStG und Arbed SA Afdeling Nederland ist auf eine diesem Vertrag beigefügte Klausel (Anlage 109 B der Mitteilung der Beschwerdepunkte) hinzuweisen, wonach "die Vertragspartner... übereinstimmend davon aus[gehen], daß ARBED S.A. während der Laufzeit dieses Vertrages weder direkt noch indirekt Lieferungen in die Bundesrepublik Deutschland tätigt. Als Ausgleich für diesen Lieferverzicht werden ARBED S.A...."

103 Nach Auffassung des Gerichts geht die Bedeutung der Wendung "weder direkt noch indirekt" im vorliegenden Fall über eine blosse Verpflichtung des Lieferanten, Erzeugnisse zum Zweck des Weiterverkaufs nur an BStG zu liefern, hinaus. Diese Beurteilung stützt sich auf zwei Faktoren. Erstens bestand auf seiten von Tréfilarbed Rörmond ein ausdrücklicher Verzicht auf alle Arten von Lieferungen ° für den ein Ausgleich vorgesehen war, wie sich aus dem als Nachtrag zum Vertrag vom 22. März 1982 getrennt unterzeichneten Dokument ergibt °, auch auf die Lieferungen, deren Zweck nicht der Weiterverkauf sein würde. Zweitens konnte das Wort "indirekt" vom Weiterverkäufer dahin ausgelegt werden, daß der Lieferant verpflichtet sei, das Erforderliche zu tun, um Lieferungen aus anderen Ländern nach Deutschland zu verhindern, d. h., die anderen Alleinvertriebshändler zu überwachen, um ihnen den Export nach Deutschland zu verbieten.

104 Das Gericht stellt fest, daß der Geist der Verordnung Nr. 67/67, wie er sich in ihren Begründungserwägungen und in ihrem Artikel 3 Buchstabe b Nr. 2 widerspiegelt, darin besteht, die in der Verordnung vorgesehene Freistellung von der Voraussetzung abhängig zu machen, daß durch die Möglichkeit von Parallelimporten gewährleistet wird, daß die Verbraucher angemessen an den durch den Alleinvertrieb entstehenden Vorteilen beteiligt werden. Dies steht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung, nach der einer Alleinvertriebsvereinbarung, die kein Ausfuhrverbot enthält, nicht die Gruppenfreistellung gemäß der Verordnung Nr. 67/67 zugute kommen kann, wenn die betreffenden Unternehmen an einer abgestimmten Verhaltensweise teilnehmen, die für einen nicht zugelassenen Zwischenhändler bestimmte Paralleleinfuhren verhindern soll (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 21. Februar 1984 in der Rechtssache 86/82, Hasselblad/Kommission, Slg. 1984, 883, Randnr. 35, und Urteil des Gerichts vom 7. Juli 1994 in der Rechtssache T-43/92, Dunlop Slazenger/Kommission, Slg. 1994, II-441, Randnr. 88).

105 Diese Erwägungen gelten um so mehr im vorliegenden Fall, wenn man die genannten Vertragsklauseln unter Berücksichtigung der Beschwerden der Klägerin in ihrem Schreiben vom 26. September 1979 (Anlage 110 der Mitteilung der Beschwerdepunkte; Punkt 148 der Entscheidung) auslegt, in dem sie Arbed indirekte Lieferungen nach Deutschland "über die Firma Eurotrade, Alkmaar", vorgeworfen hat, wodurch das Bestehen eines absoluten Gebietsschutzes, der gegen Geist und Wortlaut der Verordnung Nr. 67/67 verstösst, erwiesen ist.

106 Die fraglichen Verträge haben infolgedessen nicht die in der Verordnung Nr. 67/67 aufgestellten Voraussetzungen erfuellt.

107 Zu der Frage, ob diese Verträge als eine konzerninterne Vereinbarung anzusehen sind, ist das Gericht der Auffassung, daß die blosse Beteiligung in Höhe von 25,001 % des Arbed-Konzerns an BStG nicht die Voraussetzungen dafür erfuellte, daß die zwischen den beiden Gesellschaften getroffenen Vereinbarungen der Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag entzogen waren. Insoweit ist daran zu erinnern, daß Artikel 85 EWG-Vertrag nicht auf Vereinbarungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen anwendbar ist, zu denen es zwischen Unternehmen kommt, die als Mutter- und Tochtergesellschaft ein und demselben Konzern angehören und die eine wirtschaftliche Einheit bilden, in deren Rahmen die Tochtergesellschaft ihr Vorgehen auf dem Markt nicht wirklich autonom bestimmen kann (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 14. Juli 1972 in der Rechtssache 48/69, ICI/Kommission, Slg. 1972, 619, Randnr. 134, und vom 11. April 1989 in der Rechtssache 66/86, Ahmed Säed Flugreisen u. a., Slg. 1989, 803, Randnr. 35). Im vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, daß die Kontrolle, die Arbed über BStG ausübte, dem Prozentsatz entsprach, mit dem sie am Gesellschaftskapital beteiligt war, also 25,001 %, was von der Mehrheit sehr weit entfernt ist. Somit ist festzustellen, daß aus einer derartigen Beteiligung nicht der Schluß gezogen werden kann, daß Arbed und BStG einem Konzern angehörten, in dessen Rahmen sie eine wirtschaftliche Einheit mit der Folge bildeten, daß eine den Wettbewerb zwischen diesen beiden Unternehmen einschränkende Absprache nicht unter Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag fiele.

108 Jedenfalls stellt das Gericht fest, daß BStG selbst erklärt hat, daß sie ein eigenständiges und unabhängiges Unternehmen darstelle und daß sie, weil jeder ihrer vier Gesellschafter nur eine Minderheitsbeteiligung besitze, nicht als Konzernunternehmen behandelt werden könne.

109 Nach alledem ist der Schluß zu ziehen, daß die Kommission zu Recht die Ansicht vertreten hat, daß die Alleinvertriebsverträge gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag verstießen. Daher ist die Rüge der Klägerin zurückzuweisen.

6. Die Absprache zwischen BStG und Tréfilarbed (St. Ingbert)

Angefochtene Handlung

110 In der Entscheidung (Punkte 152 und 180) wird der Klägerin vorgeworfen, sie habe sich an einer Absprache mit Tréfilarbed über die Abstellung der Reimporte von Betonstahlmatten des Werkes St. Ingbert über Luxemburg nach Deutschland beteiligt. Diese Absprache habe eine Einschränkung des Wettbewerbs dargestellt, die geeignet gewesen sei, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.

Vorbringen der Parteien

111 Die Klägerin weist darauf hin, daß sie vor 1972 eine Gesellschaft gewesen sei, die die Produktion ihrer Gesellschafter, zu denen Arbed gehört habe, vertrieben habe. 1972 sei BStG auf Vorschlag des Bundeskartellamts selbst Hersteller geworden und habe einige der Maschinen gekauft, die sich in den Werken, die ihren Gesellschaftern gehört hätten ° einschließlich des im Eigentum von Arbed stehenden Werkes St. Ingbert °, befunden hätten und die dort auch geblieben seien. Von diesem Zeitpunkt an hätten die Gesellschafter, darunter Arbed, auf der Grundlage von Fertigungsverträgen für Rechnung von BStG auf den Maschinen produziert, die im Eigentum von BStG gestanden hätten. Die gesamte Produktion von St. Ingbert auf Maschinen von BStG habe somit BStG gehört. Gleichzeitig habe St. Ingbert eigene Maschinen gehabt, deren Betonstahlmattenproduktion für den Export, hauptsächlich nach Frankreich, bestimmt gewesen sei.

112 Die Klägerin bemerkt, im Rahmen dieser Fertigungsverträge sei Tréfilarbed berechtigt gewesen, begrenzte Mengen von Lagermatten zu entnehmen, um sie nach Luxemburg zu liefern, wo die deutschen Normen gälten; diese Matten seien auf den Maschinen von BStG hergestellt worden, den einzigen im Werk St. Ingbert, auf denen den deutschen Normen entsprechende Betonstahlmatten hätten produziert werden können. Nachdem die Verantwortlichen von Tréfilarbed die Möglichkeit gesehen hätten, auf dem deutschen Markt, auf dem die Preise wegen des Strukturkrisenkartells relativ hoch gewesen seien, Gewinne zu erzielen, hätten sie den Lagerbeständen, die BStG gehört hätten, gewisse Mengen von Betonstahlmatten entnommen, als wären sie für Luxemburg bestimmt gewesen. Durch die Vermittlung eines luxemburgischen Händlers seien diese Mengen von Luxemburg zurück nach Deutschland gesandt worden. Soweit Tréfilarbed auf Maschinen, die ihr nicht gehört hätten, Betonstahlmatten für den deutschen Markt produziert und das nicht deklariert habe, habe dieses Verhalten nicht nur einen Verstoß gegen den Kartellvertrag, sondern auch einen Verstoß gegen die Verträge mit BStG dargestellt, da es sich um eine BStG-Produktion gehandelt habe.

113 Im übrigen weist die Klägerin darauf hin, daß der Kartellvertrag für die deutschen Werke Lieferquoten vorgesehen habe, ohne deren strikte Einhaltung der angestrebte Kapazitätsabbau nicht habe erreicht werden können und die diese Werke nicht durch Scheinexporte (offizielle Exporte mit anschließendem Reimport nach Deutschland) hätten unterlaufen dürfen. Für die Einhaltung der Verpflichtungen aus dem Kartellvertrag habe Herr Michäl Müller als Vorsitzender des Fachverbands Betonstahlmatten gegenüber den Mitgliedsunternehmen der Verbandes und als Geschäftsführer gegenüber den BStG-Werken Sorge tragen müssen. Aus diesem Grund habe Herr Michäl Müller in seiner Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte die Abstellung der Reimporte und die Festsetzung von Strafzahlungen als Maßnahmen gegen Scheinexporte dargestellt. Diese Ausfuhren, die die Grenze nur auf dem Papier überschritten hätten, seien in Wirklichkeit Lieferungen gewesen, die von Anfang an für den Inlandsmarkt bestimmt gewesen seien und für die nicht der im Kartellvertrag festgesetzte Betrag von 80 DM/Tonne gezahlt worden sei. Als Beweis für ihre Behauptungen bietet die Klägerin in ihrer Erwiderung die Parteivernehmung von Herrn Michäl Müller an.

114 Die Kommission macht geltend, die Absprache zwischen der Klägerin und Tréfilarbed zum Zweck der Verhinderung von Reimporten von Betonstahlmatten nach Deutschland werde durch das Schreiben von Herrn Michäl Müller vom 27. April 1984 (Anlage 110 A der Mitteilung der Beschwerdepunkte) an Herrn Rimbeaux von Tréfilarbed St. Ingbert und Herrn Schürr von Tréfilarbed nachgewiesen, in dem sich Herr Michäl Müller über Reimporte von Betonstahlmatten des Werkes St. Ingbert ° mit dem Walzzeichen von BStG ° über Luxemburg nach Deutschland, "und dies zudem unterhalb der Kartell-Mindestpreise", beklage. Diese Reimporte bezeichne Herr Michäl Müller als Verstösse gegen die insoweit getroffenen "klaren und eindeutigen Vereinbarungen aus Anlaß ähnlicher Vorfälle im vergangenen Jahr"; er mache geltend, daß dieses Verhalten eines Gesellschafterwerks von BStG nicht tragbar sei, und drohe mit dem Ergreifen entsprechender Maßnahmen ° darunter der Festsetzung von Strafzahlungen ° zur Unterbindung solcher Störungen.

Würdigung durch das Gericht

115 Das Gericht stellt fest, daß die Klägerin einräumt, eine Vereinbarung mit Tréfilarbed getroffen zu haben, wonach Letztgenannte berechtigt war, bestimmte Mengen von Betonstahlmatten, die in St. Ingbert auf BStG gehörenden Maschinen hergestellt wurden, zu entnehmen, sofern sie in Luxemburg weiterverkauft würden; mit dieser Bedingung sollte die Wiederausfuhr von Betonstahlmatten nach Deutschland verhindert werden. Dies ergibt sich eindeutig aus dem Wortlaut des Schreibens von Herrn Michäl Müller vom 27. April 1984 an Tréfilarbed, in dem sich Herr Müller über Wiederausfuhren nach Deutschland "unterhalb der Kartell-Mindestpreise" unter Verstoß gegen "diesbezueglich klare und eindeutige Vereinbarungen" beklagt (Anlage 110 A der Mitteilung der Beschwerdepunkte).

116 Es ist daran zu erinnern, daß der Gerichtshof entschieden hat, daß in einem Kaufvertrag enthaltene Ausfuhrklauseln, die den Zwischenhändler verpflichten, die betreffende Ware in einem bestimmten Land zu verkaufen, einen Verstoß gegen Artikel 85 EWG-Vertrag darstellen, wenn sie im wesentlichen den Zweck haben, die Wiederausfuhr der Ware in das Herstellungsland zu verhindern, um ein System doppelter Preise im Gemeinsamen Markt aufrechtzuerhalten und so den Wettbewerb innerhalb dieses Marktes einzuschränken (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 28. März 1984 in den Rechtssachen 29/83 und 30/83, CRAM und Rheinzink/Kommission, Slg. 1984, 1679, Randnrn. 24 und 28).

117 Dazu ist festzustellen, daß die zwischen der Klägerin und Tréfilarbed getroffenen Vereinbarungen eine Einschränkung des Wettbewerbs bezweckten und bewirkten, indem sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigten und so die innerhalb des Gemeinsamen Marktes praktizierten Preisunterschiede schützten, und daß sie daher mit Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag unvereinbar sind.

118 Das Gericht kann dem Argument der Klägerin nicht folgen, daß die Betonstahlmatten, deren Wiedereinfuhr nach Deutschland verboten gewesen sei, Erzeugnisse gewesen seien, über die sie entscheidungsbefugt gewesen sei, weil ihr die Maschinen, auf denen sie hergestellt worden seien, gehört hätten. Denn da die fraglichen Erzeugnisse von Tréfilarbed entnommen wurden, ist das Eigentumsrecht an den für ihre Herstellung verwendeten Maschinen ein unerheblicher Umstand, der der Klägerin nicht das Recht verleihen konnte, zu bestimmen, wohin die Erzeugnisse weiterverkauft werden durften.

119 Aus dem Vorstehenden folgt, daß der Kommission der Beweis für eine Beteiligung der Klägerin an einer Absprache mit Tréfilarbed, die das Verbot von Wiederausfuhren von Betonstahlmatten aus dem Werk St. Ingbert nach Deutschland bezweckte, rechtlich gelungen ist und daß diese Absprache gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag verstieß.

120 Daher ist die Rüge der Klägerin zurückzuweisen, ohne daß es erforderlich wäre, das persönliche Erscheinen der Klägerin anzuordnen. Im übrigen ist dieses Beweisangebot, da die Klägerin keinen Umstand geltend gemacht hat, der sie daran gehindert hätte, es in der Klageschrift zu formulieren, auf jeden Fall gemäß Artikel 48 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts als verspätet zurückzuweisen (vgl. Urteil Panagiotopoulou/Parlament, a. a. O., Randnr. 57).

121 Das Gericht ist gleichwohl der Auffassung, daß das Verbot von Wiederausfuhren nach Deutschland, auch wenn es gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag verstieß, in dem Strukturkrisenkartell-Vertrag eine Erklärung fand. Denn die blosse Durchfuhr von Betonstahlmatten, die von BStG hergestellt worden waren und ihr Walzzeichen trugen, durch Luxemburg nach Deutschland stellte einen Kartellverstoß dar, da diese Produktion der Kontrolle der Lieferquoten, die der Klägerin zugeteilt waren, entging. Daher sah sich die Klägerin vor die Alternative gestellt, entweder die Klauseln des Kartellvertrags einzuhalten, wonach sie die Höhe ihrer auf dem deutschen Markt abgesetzten Produktion zu kontrollieren und zu deklarieren hatte, oder die Wettbewerbsregeln des EWG-Vertrags einzuhalten, wonach sie keine Klausel vorschreiben konnte, die Tréfilarbed die Ausfuhr verbot. Tréfilarbed ihrerseits räumt ein, über die in Rede stehenden Erzeugnisse verfügt zu haben, ohne daß BStG davon Kenntnis gehabt und dazu ihre Zustimmung erteilt habe, womit Tréfilarbed sowohl gegen die Vereinbarungen mit BStG, wonach sie über einen Teil der Produktion von BStG habe verfügen können, als auch gegen den Kartellvertrag verstossen habe, da die nach Deutschland wiederausgeführte Produktion nicht unter die Lieferquote von BStG gefallen sei.

122 Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß damals für das Krisenkartell die Vermutung der Rechtmässigkeit bestand, da sich die Kommission nicht gegenteilig geäussert hatte, ist das Gericht nach allem der Auffassung, daß die ganz spezifischen Umstände des vorliegenden Falles als ein mildernder Umstand für das Verhalten der Klägerin anzusehen sind und daß folglich die Höhe der gegen die Klägerin wegen dieses Verstosses festgesetzten Geldbusse herabzusetzen ist.

C ° Zum Benelux-Markt: die Quoten- und Preisabsprachen

Angefochtene Handlung

123 In der Entscheidung (Punkte 78 Buchstabe b, 163 und 168) wird der Klägerin vorgeworfen, sie habe sich an Absprachen zwischen deutschen Herstellern, die nach Benelux exportierten, und den übrigen Marktteilnehmern auf dem Benelux-Markt über die Respektierung der festgesetzten Preise für den Benelux-Markt beteiligt. Diese Absprachen seien in Sitzungen getroffen worden, die zwischen August 1982 und November 1985 in Breda und Bunnik stattgefunden hätten und an denen (Punkt 168 der Entscheidung) zumindest die Unternehmen Thibodraad, Tréfilarbed, Boël/Trébos, FBC, Van Merksteijn, ZND, Tréfilunion und von den deutschen Herstellern zumindest BStG teilgenommen hätten. Die Entscheidung stützt sich auf zahlreiche Fernschreiben des Agenten von Tréfilunion in den Benelux-Ländern an Tréfilunion. Diese Fernschreiben enthielten genaue Angaben über jede Sitzung (Zeitpunkt, Ort, Beteiligte, Abwesende, Ziel der Sitzung [Besprechung der Marktsituation, Vorschläge bzw. Beschlüsse bezueglich der Preise], Festlegung des Datums und des Ortes der nächsten Sitzung).

124 In der Entscheidung (Punkte 78 Buchstabe b und 171) wird der Klägerin ausserdem vorgeworfen, sie habe sich an Absprachen zwischen deutschen Herstellern und Benelux-Herstellern ("Gesprächskreis von Breda") beteiligt, die die Anwendung mengenmässiger Beschränkungen auf die deutschen Ausfuhren nach Belgien und in die Niederlande sowie die Übermittlung der Exportzahlen bestimmter deutscher Hersteller an die belgisch-niederländische Gruppe vorgesehen hätten.

Vorbringen der Parteien

125 Die Klägerin bestreitet, sich an Preisabsprachen beteiligt zu haben. Sie räumt ein, daß Angestellte von ihr an fünf der 23 Sitzungen über den Benelux-Markt teilgenommen hätten, in denen Informationen über die praktizierten Preise ausgetauscht worden seien, und daß bei diesen Gelegenheiten Preisabsprachen für bestimmte Typen von Betonstahlmatten hätten getroffen werden können. Sie macht jedoch geltend, daß ihre Angestellten an diesen Sitzungen als eingeladene Zuhörer und Vertreter des Kartells oder des Fachverbands Betonstahlmatten teilgenommen hätten, und nicht im Namen der Klägerin, und daß der Zweck dieser Sitzungen, bei denen es sich um Einzelvorgänge gehandelt habe, darin bestanden habe, Vorwürfe gegen das deutsche Strukturkrisenkartell zu erörtern. Hinzu komme, daß für die Klägerin kein Interesse daran bestanden habe, sich an Absprachen zu beteiligen, da sie nur Listenmatten exportiere, davon nur sehr geringe Mengen ° weniger als 2 % der von ihr hergestellten Mengen ° in die sechs ursprünglichen Mitgliedstaaten Gemeinschaft exportiert habe und die Absprachen nach den Vermerken von Herrn Peters nur die Preise für Lagermatten und teilstandardisierte Lettermatten betroffen hätten.

126 Zur Anwendung mengenmässiger Beschränkungen auf die deutschen Ausfuhren nach Belgien und in die Niederlande sowie insbesondere zu dem Fernschreiben vom 15. Dezember 1983, das Herr Michäl Müller nach der Sitzung vom 5. Dezember 1983 an Thibodraad gesandt hatte und das den von der Kommission insoweit vorgelegten wesentlichen Beweis darstellt, macht die Klägerin geltend, daß Herr Michäl Müller dieses Fernschreiben als Vorsitzender des Fachverbands Betonstahlmatten und des Aufsichtsgremiums des Kartells und nicht als Vorsitzender der Geschäftsleitung der Klägerin verfasst habe. Hintergrund dieses Fernschreibens sei eine Politik gewesen, mit der habe erreicht werden sollen, daß das Kartell angenommen würde und die ausländischen Hersteller davon überzeugt würden, daß es ihnen gegenüber keine negativen Auswirkungen gebe. Ausserdem beweise dieses Fernschreiben nicht das Bestehen von Absprachen, da sein Zweck darin bestanden habe, die Bedenken der Benelux-Hersteller zu zerstreuen, indem Herr Michäl Müller versprochen habe, sich um etwaige Ausreisser zu kümmern, wozu er nach dem Kartellvertrag verpflichtet gewesen sei.

127 In ihrer Erwiderung hat die Klägerin zum Beweis ihres Vorbringens vorgeschlagen, Herrn Brökman als Zeugen zu vernehmen und die Parteivernehmung von Herrn Michäl Müller, ihres ehemaligen Vorsitzenden der Geschäftsleitung, anzuordnen.

128 Die Kommission bemerkt, daß den Sitzungen von Breda und Bunnik die Begründung einer fortgesetzten, praktisch institutionalisierten Zusammenarbeit mit dem Ziel der Festsetzung der Preise von Lager- und Listenmatten in den Niederlanden und in Belgien gemeinsam gewesen sei. Die Klägerin habe an wenigstens sechs Sitzungen teilgenommen, woraus sich ergebe, daß ihre Behauptung, es habe sich um Einzelvorgänge gehandelt, nicht zutreffe.

129 Was das angebliche mangelnde Interesse der Klägerin an einer Beteiligung an den in Rede stehenden Absprachen betrifft, so entgegnet die Kommission zunächst, daß beim Vorliegen eines wettbewerbsbeschränkenden Zweckes, wie er insbesondere bei den Preisabsprachen Benelux bestanden habe, die Motive keine Rolle spielten. Der Begriff des Bezweckens in Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag habe einen objektiven Charakter. Die Vereinbarung von Mindestpreisen stelle schon ihrem Wesen nach eine Beschränkung des Wettbewerbs dar. Im übrigen meint die Kommission, die Klägerin sei nicht so unmotiviert gewesen, wie sie sich gebe. Sie habe Listenmatten exportiert, und die Preisabsprachen Benelux hätten u. a. Listenmatten betroffen. Auch der Preis von Lagermatten habe der Klägerin wegen des Zusammenhangs, der zwischen den Preisen der verschiedenen Typen von Betonstahlmatten bestehe, nicht gleichgültig sein können.

130 Was die Eigenschaft angeht, in der Herr Michäl Müller an diesen Sitzungen teilgenommen hat, so weist die Kommission die Argumente der Klägerin aus denselben Gründen zurück, wie sie oben in Randnummer 89 dargestellt sind.

Würdigung durch das Gericht

131 Das Gericht stellt fest, daß die Klägerin ihre Teilnahme an bestimmten Sitzungen einräumt, daß sie aber bestreitet, Preis- und Quotenabsprachen getroffen zu haben. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, daß die Klägerin nicht bestreitet, daß die Sitzungen, an denen sie teilgenommen hat, den Zweck hatten, Preise festzusetzen. Daher ist zu prüfen, ob die Kommission aus der Teilnahme der Klägerin an diesen Sitzungen zu Recht auf deren Beteiligung an den Absprachen geschlossen hat.

132 Das Gericht stellt fest, daß die Klägerin an sechs Sitzungen in Breda und Bunnik teilgenommen hat: am 5. Dezember 1983 in Breda (Anlage 64 der Mitteilung der Beschwerdepunkte; Punkt 90 der Entscheidung), am 5. Januar 1984 in Breda (Anlage 66 der Mitteilung der Beschwerdepunkte; Punkt 95 der Entscheidung), am 28. Februar 1984 in Bunnik (Anlage 67 der Mitteilung der Beschwerdepunkte; Punkt 96 der Entscheidung), am 29. März 1984 in Breda (Anlage 70 der Mitteilung der Beschwerdepunkte; Punkt 99 der Entscheidung), am 24. April 1985 (Anlage 112 der Mitteilung der Beschwerdepunkte; Punkte 108 und 153 der Entscheidung) und am 24. Oktober 1985 in Breda (Anlage 80 der Mitteilung der Beschwerdepunkte; Punkt 111 der Entscheidung). Das Gericht ist der Auffassung, daß angesichts des offensichtlich wettbewerbsfeindlichen Charakters des Zweckes der Sitzungen, der durch die Fernschreiben von Herrn Peters an Tréfilunion belegt wird, die Klägerin dadurch, daß sie an den Sitzungen teilgenommen hat, ohne sich offen von ihrem Inhalt zu distanzieren, den anderen Teilnehmern Anlaß zu der Annahme gegeben hat, daß sie dem Ergebnis der Sitzungen zustimme und sich daran halten werde (vgl. Urteile des Gerichts vom 17. Dezember 1991 in der Rechtssache T-7/89, Hercules Chemicals/Kommission, Slg. 1991, II-1711, Randnr. 232, und vom 10. März 1992 in der Rechtssache T-12/89, Solvay/Kommission, Slg. 1992, II-907, Randnrn. 98 bis 100). Diese Beurteilung wird nicht dadurch widerlegt, daß in den betreffenden Sitzungen gegen die deutschen Hersteller von den anderen Herstellern Vorwürfe erhoben wurden. Aus dem Inhalt der Fernschreiben von Herrn Peters (insbesondere Anlagen 64 und 67 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) ergibt sich nämlich, daß die Klägerin als das Unternehmen angesehen wurde, das bestimmte deutsche Hersteller dazu bewegen sollte und auch tatsächlich bewogen hat, die Preise auf dem Benelux-Markt zu respektieren.

133 Die Quotenabsprachen sind durch das Fernschreiben von Herrn Michäl Müller, des Vorsitzenden der Geschäftsleitung von BStG, vom 15. Dezember 1983 an Thibodraad (Anlage 65 [b] der Mitteilung der Beschwerdepunkte) und durch das Fernschreiben von Herrn Peters vom 11. Januar 1984 an Tréfilunion (Anlage 66 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) nachgewiesen. Im Fernschreiben vom 15. Dezember 1983 heisst es: "Wie Sie wissen, bin ich im allseitigen Interesse selbstverständlich bemüht, auch die kleinen Ausreisser anzubinden oder doch wenigstens einzugrenzen... Mit dem Vorgesagten will ich nicht in Abrede stellen, daß insbesondere ein deutscher Mattenhersteller seine Lieferungen in die westlichen Nachbarländer gesteigert hat... Der deutsche Kartellvertrag erlaubt im übrigen auch keine rechtsverbindliche Export-Regelung. Es kann sich also nur um vernünftige Kooperationsgespräche zwischen unseren Gruppen handeln, die durch den Kartellvertrag in der Bundesrepublik allerdings nicht schwieriger, sondern leichter geworden sein sollten... Wie ich höre, ist die nächste Sitzung Holland/Belgien auf den 05.01.1984 in Breda terminiert. Wenn dies erwünscht ist, bin ich bereit, an dieser Besprechung teilzunehmen, und bin zuversichtlich, über ziemlich genaue Exportzahlen der angesprochenen deutschen Hersteller zu verfügen. Die Bereitschaft, Exporte in Nachbarländer auf dem Status quo festzuhalten bzw. nicht mehr zu steigern als Importe aus diesen Ländern ist grundsätzlich unverändert gegeben."

134 Die Verwicklung der Klägerin in diese Absprachen wird durch das Fernschreiben vom 11. Januar 1984, das die Sitzung vom 5. Januar 1984 betrifft, bestätigt. In diesem Fernschreiben wird folgendes ausgeführt: "Die üblichen Teilnehmer verlangen von den BStG-Vertretern, die Benelux-Märkte nicht mehr durch erhebliche Exporte nach diesen Märkten zu sehr niedrigen Preisen zu stören. Die Deutschen verteidigen sich unter Hinweis darauf, daß die Belgier (Boël und jüngst Frère-Bourgeois) vergleichbare Mengen nach Deutschland exportierten. Die Belgier stellen klar, daß sie die deutschen Marktpreise respektierten und daß man von Prozenten des Marktvolumens und nicht von Tonnen sprechen sollte. Es wurde kein konkreter Beschluß gefasst." Dieses Fernschreiben zeigt also, daß, wenn die belgischen Hersteller die deutschen Marktpreise respektierten, sie dies als Gegenleistung für eine Beschränkung der Ausfuhren von BStG in die Benelux-Länder und für einen von BStG auf dem Markt praktizierten Mindestpreis taten.

135 Angesichts dieser verschiedenen Umstände kann das Gericht aus den gleichen Gründen, wie sie oben in Randnummer 92 dargelegt sind, dem Argument der Klägerin nicht folgen, daß Herr Michäl Müller, der Vorsitzende ihrer Geschäftsleitung, nur als Vorsitzender des Fachverbands Betonstahlmatten oder des Aufsichtsgremiums des Kartells und nicht als Vorsitzender der Geschäftsleitung der Klägerin gehandelt habe.

136 Das Gericht kann auch dem Argument der Klägerin nicht folgen, daß sie wegen der geringen Mengen von Listenmatten, die sie exportiert habe, kein Interesse an einer Beteiligung an den Preisabsprachen gehabt habe. Denn erstens ist festzustellen, daß diese Exporte, in absoluten Zahlen ausgedrückt, nicht so gering waren, da sie sich nach einem Schreiben der Klägerin vom 24. März 1989 im Jahr 1985 auf 18 000 Tonnen beliefen, von denen 5 128 Tonnen für die sechs ursprünglichen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft bestimmt waren, was einen Exportumsatz im Gebiet der Gemeinschaft von 4 969 032 DM ergab. Zweitens ist daran zu erinnern, daß ein Zusammenhang zwischen den Preisen verschiedener Typen von Betonstahlmatten besteht, da der Preis von Lagermatten den Preis von Listen- und Zeichnungsmatten beeinflusst (siehe oben, Randnrn. 38 ff.). Als Exporteur von Listenmatten musste die Klägerin zwangsläufig wünschen, das Niveau der Lagermattenpreise innerhalb einer gewissen Bandbreite im Verhältnis zu den Listenmattenpreisen aufrechtzuerhalten. Drittens ist schließlich festzustellen, daß die Absprachen, an denen sich die Klägerin beteiligt hat, auf Gegenseitigkeit beruhten. BStG respektierte die Preise und Quoten auf dem Benelux-Markt, und die Benelux-Hersteller taten das gleiche auf dem deutschen Markt.

137 Aus dem Vorstehenden folgt, daß der Kommission der Beweis für eine Beteiligung der Klägerin an den Absprachen über den Benelux-Markt in bezug auf die Preise und an den Absprachen über die mengenmässigen Beschränkungen der deutschen Ausfuhren in die Benelux-Länder sowie über die Mitteilung der Exportzahlen rechtlich gelungen ist.

138 Daher ist die Rüge der Klägerin zurückzuweisen, ohne daß es erforderlich wäre, die von der Klägerin vorgeschlagene Vernehmung des Zeugen oder das persönliche Erscheinen von Herrn Michäl Müller anzuordnen. Im übrigen ist das Gericht der Auffassung, daß diese in der Erwiderung formulierten Beweisangebote auf jeden Fall verspätet sind, da die Klägerin keinen Umstand geltend gemacht hat, der sie daran gehindert hätte, sie in der Klageschrift zu formulieren, und daß sie folglich gemäß Artikel 48 § 1 der Verfahrensordnung zurückzuweisen sind (vgl. Urteil Panagiotopoulou/Parlament, a. a. O., Randnr. 57).

Zum Klagegrund des Verstosses gegen Artikel 15 der Verordnung Nr. 17

139 Das Gericht stellt fest, daß die Klägerin der Kommission vorwirft, sie habe gegen sie eine Geldbusse festgesetzt, da sie ihre Beteiligung am Strukturkrisenkartell als eine Beteiligung an einer Zuwiderhandlung betrachtet habe. Die Klägerin trägt vor, daß das Krisenkartell keine Zuwiderhandlung dargestellt habe und daß die Kommission dafür folglich keine Geldbusse gegen sie habe verhängen können. Ausserdem meint die Klägerin, daß die wegen ihrer Beteiligung am Strukturkrisenkartell verhängte Geldbusse gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes und den Grundsatz der persönlichen Schuld verstosse.

140 Das Gericht erinnert daran, daß oben festgestellt worden ist, daß das Strukturkrisenkartell als solches nicht Bestandteil der in der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlungen ist (siehe oben, Randnrn. 55 ff.). Daher besteht kein Anlaß, über die Rügen der Klägerin zu entscheiden.

I ° Zur fehlenden Individualisierung der Kriterien für die Bestimmung der Schwere der Zuwiderhandlungen

Vorbringen der Parteien

141 Die Klägerin weist darauf hin, daß nach ständiger Rechtsprechung (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 7. Juni 1983 in den Rechtssachen 100/80 bis 103/80, Musique diffusion française u. a./Kommission, Slg. 1983, 1825) eine Geldbusse für jedes einzelne Unternehmen nach Maßgabe seiner persönlichen Beteiligung und Schuld festgesetzt und begründet werden müsse und daß insbesondere das Verhalten, die Rolle und der Gewinn des Unternehmens sowie das Volumen und der Wert der betroffenen Waren festgestellt werden müssten. Die Klägerin trägt vor, die Punkte 197 ff. der Entscheidung, die sich mit der Berechnung der festgesetzten Geldbussen befassten, seien derart allgemein und vage, daß nicht nachvollzogen werden könne, wie die Kommission dazu gekommen sei, gegen sie eine Geldbusse festzusetzen, die so hoch sei wie die Geldbussen, die gegen alle anderen dreizehn Unternehmen zusammen verhängt worden seien. Diese mangelnde Differenziertheit der Überlegungen in bezug auf die Bemessung der Geldbussen stelle nicht nur einen Verstoß gegen das grundlegende Prinzip der persönlichen Schuld, sondern auch einen Begründungsmangel dar.

142 Die Klägerin weist darauf hin, daß in Punkt 203 der Entscheidung ausgeführt werde, daß bei der Festsetzung der Geldbussen das Ausmaß der Verstösse, deren Dauer sowie die finanzielle und wirtschaftliche Stellung der jeweiligen Unternehmen berücksichtigt worden seien und daß das deutsche Strukturkrisenkartell als mildernder Umstand für die nichtdeutschen Hersteller betrachtet worden sei (Punkt 206). Die Klägerin macht geltend, sie habe das Kartell im Hinblick darauf, daß zum einen das Bundeskartellamt seine Genehmigung erteilt gehabt habe und zum anderen die Kommission, die über das Bestehen des Kartells offiziell informiert gewesen sei, keinerlei Bedenken erhoben habe, als erlaubt angesehen. Folglich müsse die Verhängung einer Sanktion mit Rücksicht auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes in jedem Fall ausscheiden, und man könne nicht pauschal einen "vorsätzlichen" Verstoß behaupten (Punkt 197 der Entscheidung). Die Entscheidung weise somit in bezug auf die Feststellung der Schwere der Zuwiderhandlungen einen Begründungsmangel auf.

143 Die Klägerin bemerkt, selbst wenn die Behauptungen der Kommission über ihre Beteiligung an Absprachen mit französischen und Benelux-Herstellern richtig seien, was sie nachdrücklich bestreite, wäre die Dauer ihrer Beteiligung allenfalls geringfügig.

144 In bezug auf ihre finanzielle und wirtschaftliche Stellung bemerkt die Klägerin ausserdem, daß sie ungleich schwächer sei als die jeder der beteiligten Gesellschaften, die zu 100 % Konzernen angehörten. Die Klägerin sei ein eigenständiges und unabhängiges Unternehmen, und da jeder ihrer vier Gesellschafter nur eine Minderheitsbeteiligung besitze, könne sie nicht als Konzernunternehmen behandelt werden, was die Kommission jedoch bei der Bemessung der Geldbusse anscheinend getan habe.

145 Die Kommission macht geltend, sie habe sich aufgrund der in den Punkten 198 bis 202 der Entscheidung angeführten Erwägungen veranlasst gesehen, Geldbussen festzusetzen, die trotz der Schwere des Verstosses erheblich unterhalb der unter normalen Umständen gerechtfertigten Beträge lägen. Die Kommission führt ausserdem die mildernden Umstände auf, die sie berücksichtigt habe, namentlich die Tatsache, daß der Preis von Betonstahlmatten zu 75 % bis 80 % vom Preis von Walzdraht abhänge, das Bestehen eines strukturellen Rückgangs der Nachfrage nach Betonstahlmatten, die Bildung des deutschen Strukturkrisenkartells, die von den französischen Behörden gegenüber einigen französischen Unternehmen festgesetzten Geldbussen und die Tatsache, daß sich einige der ursprünglich an den Vereinbarungen beteiligten Unternehmen zurückgezogen hätten und damit die Wirksamkeit der Vereinbarungen geschwächt hätten. Sie weist darauf hin, daß sich aus Punkt 207 der Entscheidung ergebe, daß Unternehmen wie die Klägerin, deren leitende Persönlichkeiten zugleich Führungsrollen in den Fachverbänden gespielt hätten, wegen ihrer besonders aktiven Mitwirkung höhere Geldbussen als die übrigen erhalten hätten. Die Kommission meint, daß die verhängten Geldbussen folglich differenziert seien.

Würdigung durch das Gericht

146 Das Gericht stellt fest, daß die Klägerin die Entscheidung in einer Weise interpretiert, die einen ihrer Teile künstlich isoliert, obwohl jeder Teil der Entscheidung, da diese ein Ganzes darstellt, im Licht der anderen Teile gesehen werden muß. Insgesamt gesehen hat die Entscheidung der Klägerin die erforderlichen Angaben mitgeteilt, so daß diese die verschiedenen Zuwiderhandlungen, die ihr vorgeworfen wurden, sowie die spezifischen Umstände ihres Verhaltens, insbesondere auch die in bezug auf die Dauer ihrer Beteiligung an den verschiedenen Zuwiderhandlungen, erkennen konnte. Das Gericht stellt ausserdem fest, daß die Kommission in dem Teil der Entscheidung über die rechtliche Beurteilung die verschiedenen Kriterien für die Bewertung der Schwere der der Klägerin zur Last gelegten Zuwiderhandlungen und die verschiedenen Umstände, die die wirtschaftlichen Folgen der Zuwiderhandlungen abgeschwächt haben, dargelegt hat.

147 Bezueglich der mildernden Umstände ist darauf hinzuweisen, daß die Kommission in ihrer schriftlichen Antwort auf die Fragen des Gerichts angegeben hat, daß der Klägerin kein individueller mildernder Umstand zugute gekommen sei. Das Gericht ist der Auffassung, daß die Kommission es zu Recht abgelehnt hat, bei der Klägerin als mildernden Umstand zu berücksichtigen, daß sie keiner mächtigen Wirtschaftseinheit angehört habe. Insoweit genügt die Feststellung, daß die Klägerin, mit einer jährlichen Absatzmenge von ca. 320 000 Tonnen im maßgebenden Zeitraum, das Unternehmen war, das bei weitem den grössten Anteil am deutschen Markt besaß (ca. 36 %).

148 Im übrigen ist das Gericht der Auffassung, daß die Kommission, abgesehen von der Beurteilung des Gerichts in Randnummer 122, das Bestehen des Strukturkrisenkartells zu Recht nicht als allgemeinen mildernden Umstand gegenüber der Klägerin berücksichtigt hat. Zum einen ist darauf hinzuweisen, daß die Klägerin von der Möglichkeit des Artikels 85 Absatz 3 EWG-Vertrag, der Kommission den Kartellvertrag anzuzeigen, um eine Erklärung über die Nichtanwendbarkeit von Absatz 1 zu erhalten, keinen Gebrauch gemacht hat, und zum anderen darauf, daß die Klägerin das Kartell benutzt hat, um den deutschen Markt durch Maßnahmen, die mit dem Gemeinschaftsrecht nicht vereinbar waren, gegen die Konkurrenz der Hersteller anderer Mitgliedstaaten zu schützen.

149 Bezueglich der zu Lasten der Klägerin berücksichtigten erschwerenden Umstände stellt das Gericht fest, daß die Klägerin nichts vorgebracht hat, was die Beweise widerlegen könnte, die die Kommission vorgelegt hat, um die aktive Rolle zu belegen, die die Klägerin bei den Absprachen gespielt hat, wie sie sich aus dem Fernschreiben vom 15. Dezember 1983 (Anlage 65 [b] der Mitteilung der Beschwerdepunkte; Punkte 93 und 94 der Entscheidung) und dem Fernschreiben von Herrn Peters vom 4. März 1984 über die Sitzung vom 28. Februar 1984 (Anlage 67 der Mitteilung der Beschwerdepunkte; Punkt 96 der Entscheidung) ergibt.

150 Soweit die Klägerin ausführt, ihr könne nicht vorgeworfen werden, vorsätzlich gehandelt zu haben, genügt der Hinweis darauf, daß es für eine vorsätzlich begangene Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln des Vertrages nicht erforderlich ist, daß sich das Unternehmen des Verstosses gegen diese Regeln bewusst gewesen ist; es genügt, daß es sich nicht in Unkenntnis darüber befinden konnte, daß sein Verhalten eine Einschränkung des Wettbewerbs bezweckte (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 11. Juli 1989 in der Rechtssache 246/86, Belasco u. a./Kommission, Slg. 1989, 2117, Randnr. 41, und vom 8. Februar 1990 in der Rechtssache C-279/87, Tipp-Ex/Kommission, Slg. 1990, I-261; Urteil des Gerichts in der Rechtssache T-15/89, Chemie Linz/Kommission, a. a. O., Randnr. 350).

151 Folglich ist das Gericht der Auffassung, daß die Entscheidung, insgesamt gesehen, der Klägerin die erforderlichen Angaben mitgeteilt hat, so daß diese erkennen konnte, ob sie begründet war oder nicht, und das Gericht in die Lage versetzt hat, seine Kontrolle ihrer Rechtmässigkeit auszuüben.

152 Daher ist die Rüge der Klägerin zurückzuweisen.

II ° Zur Unverhältnismässigkeit der Geldbusse

Vorbringen der Parteien

153 Die Klägerin rügt die ihrer Ansicht nach unverhältnismässige Höhe der Geldbusse. Es handele sich um eine Geldbusse in Höhe von 4,5 Millionen ECU (9,2 Millionen DM), die fast 50 % des Eigenkapitals der Klägerin (20 Millionen DM) ausmache und ihre Existenz gefährde.

154 Die Klägerin trägt vor, die Kommission habe nicht begründet, weshalb sie ihr eine Geldbusse in Höhe von 3 % ihres Umsatzes auferlegt habe, obwohl ihre Beteiligung an den angeblichen Zuwiderhandlungen sehr gering gewesen sei und die Beteiligung am Kartell nach dem Vorbringen der Kommission nicht mit einer Busse belegt worden sei. Darüber hinaus verstosse die Verhängung einer exorbitanten Geldbusse von 4,5 Millionen ECU eindeutig gegen den Gleichheits- und den Verhältnismässigkeitsgrundsatz.

155 Die Kommission ist der Ansicht, gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 sei die maßgebende Bezugsgrösse für die Festsetzung der Geldbusse der Umsatz und nicht das Eigenkapital, wie die Klägerin zu glauben scheine. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes (Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission, a. a. O.) könne sowohl der Gesamtumsatz, der etwas über die Grösse und Wirtschaftskraft des Unternehmens aussage, als auch der Teil dieses Umsatzes, der mit den Waren erzielt worden sei, hinsichtlich deren die Zuwiderhandlung begangen worden sei, und der somit ein Anhaltspunkt für das Ausmaß dieser Zuwiderhandlung sein könne, berücksichtigt werden. Im vorliegenden Fall sei die Entscheidung bei sämtlichen Betroffenen vom Umsatz an Betonstahlmatten ausgegangen, wobei der Umsatz der Klägerin den jedes einzelnen ihrer Mitbewerber um ein Mehrfaches übersteige.

156 Was den angewandten Prozentsatz betrifft, so weist die Kommission darauf hin, daß die der Klägerin auferlegte Geldbusse 3,15 % ihres Umsatzes an Betonstahlmatten ausmache; dieser Prozentsatz entspreche der Anzahl und der Bedeutung der ihr zur Last gelegten Zuwiderhandlungen sowie dem höheren Maß an Verantwortlichkeit als individuell erschwerenden Umständen (Punkt 207 der Entscheidung). Die der Klägerin auferlegte Geldbusse liege zudem, relativ gesehen, nur unwesentlich, nämlich 0,15 %, über der eines der niederländischen Unternehmen, das seine Busse klaglos bezahlt habe.

157 Ausserdem weist die Kommission darauf hin, daß die Bußgeldpraxis seit 1979 mit Billigung des Gerichtshofes allgemein verschärft worden sei. Die Rechtssache Tipp-Ex habe dem Gerichtshof Gelegenheit gegeben, hervorzuheben, daß eine Geldbusse von 3 % des Produktumsatzes in der Gemeinschaft erheblich unter der in der Verordnung Nr. 17 festgesetzten Obergrenze von 10 % liege und nicht als überhöht angesehen werden könne (Urteil Tipp-Ex/Kommission, a. a. O.).

Würdigung durch das Gericht

158 Das Gericht erinnert daran, daß die Kommission nach Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 Geldbussen in Höhe von eintausend bis einer Million ECU oder über diesen Betrag hinaus bis zu 10 % des von dem einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr erzielten Umsatzes festsetzen kann. Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbusse innerhalb dieser Grenzen sind nach dieser Vorschrift die Schwere und die Dauer der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen. Da der Begriff des Umsatzes vom Gerichtshof so ausgelegt worden ist, daß er sich auf den Gesamtumsatz bezieht (vgl. Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission, a. a. O., Randnr. 119), ist der Schluß zu ziehen, daß die Kommission, die nicht den Gesamtumsatz der Klägerin, sondern nur den Umsatz an Betonstahlmatten in den sechs ursprünglichen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft berücksichtigt und die 10%-Grenze nicht überschritten hat, angesichts der Schwere und der Dauer der Zuwiderhandlung somit nicht gegen Artikel 15 der Verordnung Nr. 17 verstossen hat.

159 Zum Argument des Verhältnisses zwischen der Höhe des Gesellschaftskapitals der Klägerin und der Höhe der Geldbusse ist zu bemerken, daß die Tatsache, daß sie nur ein geringes Gesellschaftskapital besitzt, eine wirtschaftliche Entscheidung der Klägerin darstellt, die keinen Einfluß auf die Höhe der Geldbusse haben kann, die auf dem Umsatz beruht.

160 Wegen des Prozentsatzes von 3,15 braucht nur darauf hingewiesen zu werden, daß der Klägerin, abgesehen von der Entscheidung in Randnummer 122, kein mildernder Umstand zugute kommt, daß hingegen bei ihr ° wie auch bei Tréfilunion, der gegenüber ein höherer Prozentsatz, 3,60 %, angewandt wurde ° ein erschwerender Umstand berücksichtigt wurde, der, wie die Kommission zu Recht hervorgehoben hat, der Anzahl und der Bedeutung der der Klägerin zur Last gelegten Zuwiderhandlungen entspricht.

161 Daraus folgt, daß die Rüge der Klägerin zurückzuweisen ist.

162 Im Licht aller vorstehenden Erwägungen und angesichts der Tatsache, daß sich die Klägerin weder an einer Vereinbarung mit Tréfilunion, die die Verknüpfung ihrer zukünftigen Exporte mit der Festsetzung von Quoten bezweckte, noch an einer Absprache mit Sotralentz über die Kontingentierung der Ausfuhren von Soltralentz auf den deutschen Markt beteiligt hat, sowie unter Anwendung eines mildernden Umstands auf die Absprache zwischen der Klägerin und Tréfilarbed, die die Abstellung der Wiederausfuhren von St. Ingbert nach Deutschland bezweckte, kommt das Gericht aufgrund seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung zu dem Ergebnis, daß die gegen die Klägerin festgesetzte Geldbusse von 4,5 Millionen ECU herabzusetzen und auf 3 Millionen ECU festzusetzen ist.

Kostenentscheidung:

Kosten

163 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach § 3 dieses Artikels kann das Gericht jedoch die Kosten teilen, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt. Da die Klage zum Teil Erfolg hat und beide Parteien beantragen, die andere Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen, ist das Gericht der Auffassung, daß die Umstände des vorliegenden Falles angemessen beurteilt werden, wenn beschlossen wird, daß die Klägerin ihre eigenen Kosten und ein Drittel der Kosten der Kommission trägt.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Artikel 1 der Entscheidung 89/515/EWG der Kommission vom 2. August 1989 betreffend ein Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag (IV/31.553 ° Betonstahlmatten) wird für nichtig erklärt, soweit darin die Beteiligung der Klägerin an einer Absprache mit Sotralentz SA, die die Kontingentierung der Ausfuhren von Sotralentz SA auf den deutschen Markt bezweckte, und das Bestehen einer Vereinbarung zwischen der Klägerin und Tréfilunion SA, die die Verknüpfung ihrer zukünftigen Exporte mit der Festsetzung von Quoten bezweckte, festgestellt werden.

2) Die Höhe der in Artikel 3 dieser Entscheidung gegen die Klägerin festgesetzten Geldbusse wird auf 3 Millionen ECU festgesetzt.

3) Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

4) Die Klägerin trägt ihre eigenen Kosten und ein Drittel der Kosten der Kommission.

5) Die Kommission trägt zwei Drittel ihrer eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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