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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 27.04.1995
Aktenzeichen: T-442/93
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 92 Absatz 1
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Eine Entscheidung der Kommission, mit der eine nationale Beihilfe für ein Unternehmen genehmigt wird, kann zwar die Interessen eines Konkurrenten erst ab dem Zeitpunkt beeinträchtigen, zu dem die nationalen Maßnahmen ergehen, die Gegenstand der Genehmigung waren; es ist jedoch davon auszugehen, daß ein Konkurrent von einer solchen Entscheidung im Sinne von Artikel 173 Absatz 4 EG-Vertrag unmittelbar betroffen ist, wenn die Absicht der nationalen Behörden, ihr Beihilfevorhaben zu verwirklichen, ausser Zweifel steht.

Er ist auch ° ebenfalls im Sinne dieser Bestimmung ° als individuell betroffen anzusehen, selbst wenn er sich nicht auf seine Teilnahme an dem dem Erlaß der genannten Entscheidung vorangegangenen Verfahren berufen kann, sofern er sich aufgrund besonderer Umstände, die damit zusammenhängen, daß es auf dem betreffenden Markt nur eine beschränkte Zahl von Unternehmen gibt und daß die Investitionen, für die die Beihilfe gewährt werden soll, zu einer erheblichen Steigerung der schon jetzt überhöhten Produktionskapazitäten führen, im Hinblick auf die fragliche Entscheidung aus dem Kreis aller übrigen Wirtschaftsteilnehmer heraushebt.

2. Die Tätigkeit der Kommission unterliegt dem Kollegialprinzip, das auf Artikel 17 des Fusionsvertrages zurückgeht, der durch Artikel 163 EG-Vertrag ersetzt wurde. Dieses Prinzip beruht auf der Gleichheit der Mitglieder der Kommission bei der Teilnahme an der Entscheidungsfindung und bedeutet insbesondere, daß die Entscheidungen gemeinsam beraten werden und daß alle Mitglieder des Kollegiums für sämtliche erlassenen Entscheidungen politisch gemeinsam verantwortlich sind.

Es ist mit diesem Prinzip vereinbar, wenn für den Erlaß von Maßnahmen der Geschäftsführung und der Verwaltung auf das Ermächtigungsverfahren zurückgegriffen wird. Eine solche Ermächtigungsregelung, die auf bestimmte Arten von laufenden Angelegenheiten beschränkt ist, was von vornherein Grundsatzentscheidungen ausschließt, ist nämlich angesichts der beträchtlichen Zunahme der von der Kommission zu treffenden Entscheidungen notwendig, da diese andernfalls ihre Aufgabe nicht erfuellen könnte.

3. Wenn die Kommission mit einer individuellen Beihilfe konfrontiert ist, von der geltend gemacht wird, daß sie sich in den Rahmen einer zuvor genehmigten allgemeinen Regelung einfüge, darf sie zunächst ° bevor sie ein Verfahren einleitet ° nur prüfen, ob die Beihilfe durch die allgemeine Regelung gedeckt ist und die in der Genehmigungsentscheidung aufgestellten Bedingungen erfuellt. Nach der Einleitung des Verfahrens gemäß Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages wäre die Einhaltung der Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit nicht gewährleistet, wenn die Kommission ihre Entscheidung über die Genehmigung der allgemeinen Regelung rückgängig machen könnte. Daher muß die Kommission, wenn der betroffene Mitgliedstaat Änderungen eines solchen zur Prüfung gemäß Artikel 93 Absatz 2 unterbreiteten Beihilfevorhabens vorschlägt, zunächst untersuchen, ob das Vorhaben infolge dieser Änderungen in seiner neuen Form durch die Entscheidung über die Genehmigung der allgemeinen Regelung gedeckt ist. Ist dies der Fall, so darf die Kommission nicht die Vereinbarkeit des geänderten Vorhabens mit Artikel 92 des Vertrages prüfen, da eine solche Prüfung bereits im Rahmen des durch die Entscheidung über die Genehmigung der allgemeinen Regelung beendeten Verfahrens vorgenommen wurde.

4. Eine Entscheidung, mit der eine Beihilfe genehmigt wird, die sich in den Rahmen einer von der Kommission bereits genehmigten allgemeinen Beihilferegelung einfügt, und die zu Recht auf der Grundlage einer Prüfung erlassen wurde, die lediglich die Einhaltung der in der Entscheidung über die Genehmigung der allgemeinen Regelung festgelegten Bedingungen zum Gegenstand hatte, kann deswegen aber nicht schon im Hinblick auf die Vorschriften über die Arbeitsweise des Kommissionskollegiums als Maßnahme der Geschäftsführung und der Verwaltung eingestuft werden, wenn eine dieser Bedingungen eine eingehende Prüfung komplexer Sach- und Rechtsfragen erfordert. Sie kann daher nicht im Wege der Ermächtigung erlassen werden.

5. Die Beachtung des Kollegialprinzips und insbesondere das Erfordernis, daß die Entscheidungen von den Mitgliedern der Kommission gemeinsam beraten werden, ist für die von den Rechtswirkungen dieser Entscheidungen betroffenen Rechtssubjekte zwangsläufig insoweit von Interesse, als sie die Gewähr dafür haben müssen, daß die Entscheidungen tatsächlich vom Kollegium getroffen worden sind und dessen Willen genau entsprechen.

Dies ist bei Entscheidungen der Fall, die am Ende eines gemäß Artikel 93 Absatz 2 eingeleiteten Verfahrens erlassen werden, die das endgültige Urteil der Kommission über die Vereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Vertrag oder mit einer zuvor genehmigten allgemeinen Beihilferegelung zum Ausdruck bringen und die sich nicht nur auf den Mitgliedstaat auswirken, an den die Entscheidung gerichtet ist, sondern auch auf den Empfänger der geplanten Beihilfe und dessen Konkurrenten.

An einer solchen Entscheidung dürfen nach ihrer Annahme durch das Kollegium nur rein orthographische oder grammatikalische Anpassungen vorgenommen werden. Selbst wenn man annimmt, daß das Kollegium eines seiner Mitglieder mit der Aufgabe betrauen kann, die Entscheidung abschließend zu erlassen, beschränkt sich dessen Tätigwerden nicht auf einen abschließenden Erlaß, sondern bedarf einer echten Ermächtigung, die ° wie im vorliegenden Fall ° unzulässig ist, wenn die dem Adressaten mitgeteilte Entscheidung derartige Änderungen gegenüber dem dem Kollegium vorgelegten Entwurf enthält, daß die Entscheidung mit all ihren tatsächlichen und rechtlichen Bestandteilen nicht als vom Kollegium erlassen angesehen werden kann.

6. Der Formmangel, der einer Entscheidung der Kommission anhaftet, die nach dem ausdrücklichen Willen des Kollegiums zu Unrecht im Wege der Ermächtigung erlassen wurde, ist nicht derart schwerwiegend, daß die genannte Entscheidung als inexistent angesehen werden müsste.


URTEIL DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (ZWEITE ERWEITERTE KAMMER) VOM 27. APRIL 1995. - ASSOCIATION DES AMIDONNERIES DE CEREALES DE LA CEE, LEVANTINA AGRICOLA INDUSTRIAL SA, SOCIETA PIEMONTESE AMIDI E DERIVATI SPA, PFEIFER & LANGEN, OGILVIE AQUITAINE SA, CARGILL BV UND LATENSTEIN ZETMEEL BV GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - STAATLICHE BEIHILFEN - ZULAESSIGKEIT - INEXISTENZ - FRUEHERE ENTSCHEIDUNG, MIT DER EINE ALLGEMEINE BEIHILFEREGELUNG GENEHMIGT WIRD - RECHTE DER BESCHWERDEFUEHRER. - RECHTSSACHE T-442/93.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

1 Bei den Klägerinnen handelt es sich um einen Unternehmensverband und sechs stärkeerzeugende Unternehmen. In der Association des amidonneries de cérérales de la CEE (Verband der Maisstärkeindustrien der EWG; im folgenden: AAC) sind sämtliche Hersteller von Stärke und stärkehaltigen Erzeugnissen der Gemeinschaft, darunter die übrigen Klägerinnen, zusammengeschlossen. Die Levantina Agricola Industrial SA (im folgenden: LAISA) stellt Maisstärke, Glucosesirupe, Sirupe mit hohem Maltosegehalt, Isoglucose und Dextrose her. Die Società piemontese amidi e derivati SpA (im folgenden: SPAD) stellt Maisstärke, Glucosesirupe, Sirupe mit hohem Maltosegehalt, Isoglucose und Dextrose her. Pfeifer & Langen stellen Getreidestärke und Glucosesirupe her. Die Ogilvie Aquitaine SA stellt Getreidestärke her. Die Cargill BV stellt Maisstärke, Getreidestärke, Glucosesirupe und Sirupe mit hohem Maltosegehalt her. Die Latenstein Zetmeel BV stellt Getreidestärke her.

2 Mit ihrer Entscheidung 88/318/EWG vom 2. März 1988 zu dem Gesetz Nr. 64 vom 1. März 1986 betreffend eine Beihilfe zugunsten des Mezzogiorno (ABl. L 143, S. 37) erteilte die Kommission die allgemeine Genehmigung für eine Beihilferegelung des italienischen Staates zugunsten des Mezzogiorno, machte diese aber von der Einhaltung der Gemeinschaftsregelung und von der späteren Mitteilung bestimmter in die Zuständigkeit der italienischen Regionen fallender Programme abhängig. Zuvor hatte die Kommission mit Entscheidung vom 30. April 1987 die Anwendung des Gesetzes Nr. 64 vom 1. März 1986 (im folgenden: Gesetz Nr. 64/86) in den meisten Gebieten des Mezzogiorno genehmigt.

3 Mit Schreiben vom 3. August 1990 beschwerte sich die AAC bei der Kommission über ein Beihilfeprogramm, das die italienischen Behörden am 12. April 1990 zugunsten der Italgrani SpA (im folgenden: Italgrani) bewilligt hatten. Mit Schreiben vom 17. Juli 1990 hatte ein Unternehmen der Agrar- und Ernährungsindustrie, die Casillo Grani Snc (im folgenden: Casillo Grani), die Kommission bereits gemäß Artikel 175 EWG-Vertrag aufgefordert, zu diesen Beihilfen Stellung zu nehmen. Auf Ersuchen der Kommission übermittelten ihr die italienischen Behörden Informationen über die geplanten Beihilfen, insbesondere die Entscheidung des Interministeriellen Ausschusses zur Koordinierung der Industriepolitik (CIPI) vom 12. April 1990 über das fragliche Investitionsprogramm.

4 Nach diesen Informationen betrafen die fraglichen Beihilfen einen "Programmvertrag" zwischen dem Ministerium für Maßnahmen für Süditalien und Italgrani gemäß dem Gesetz Nr. 64/86. Im Rahmen dieses Vertrages verpflichtete sich Italgrani zur Vornahme von Investitionen im Mezzogiorno in Höhe von insgesamt 964,5 Milliarden LIT, die sich wie folgt aufgliederten (in Milliarden LIT):

a) technisch-industrielle Investitionen669,5

b) Forschungszentren140,0

c) Forschungsvorhaben115,0

d) Ausbildung von Personal40,0

5 Die vorgesehenen Beihilfen beliefen sich auf insgesamt 522,1 Milliarden LIT: 297 Milliarden LIT für die technisch-industriellen Investitionen, 97,1 Milliarden LIT für die Forschungszentren, 92 Milliarden LIT für die Forschungsvorhaben und 36 Milliarden LIT für die Ausbildung von Personal.

6 Da die betreffenden Wirtschaftszweige stark am innergemeinschaftlichen Handel beteiligt waren, vertrat die Kommission die Auffassung, daß die fraglichen Interventionen Beihilfen im Sinne des Artikels 92 Absatz 1 EWG-Vertrag seien, und stellte aufgrund der ihr vorliegenden Informationen fest, daß sie nach Artikel 9 der Entscheidung 88/318 nicht unter die in Artikel 92 Absatz 3 und insbesondere im Gesetz Nr. 64/86 vorgesehenen Ausnahmen fielen. Sie leitete daher das Verfahren gemäß Artikel 93 Absatz 2 EWG-Vertrag wegen der Beihilfen für folgende Maßnahmen ein:

° die Errichtung einer Stärkefabrik und von Anlagen, die direkt oder indirekt zur Herstellung von Isoglucose bestimmt sind,

° die Gewinnung von Saatölen,

° die Erzeugung von Grieß und Mehl,

° Investitionen im Stärkesektor.

Die Kommission war ferner der Auffassung, daß Zweifel hinsichtlich der Einhaltung der Grenzen der Intensität der Investitionsbeihilfen fortbestuenden.

7 Mit Schreiben vom 23. November 1990 unterrichtete die Kommission die italienische Regierung von ihrer Entscheidung, das Verfahren gemäß Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages einzuleiten, und setzte ihr eine Frist zur Äusserung im Rahmen dieses Verfahrens. Die übrigen Mitgliedstaaten und die anderen Beteiligten wurden davon durch die Veröffentlichung einer Mitteilung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (ABl. 1990, C 315, S. 7; im folgenden: Mitteilung an die Beteiligten) unterrichtet. Acht Verbände, darunter der italienische Verband Assochimica, dem die SPAD angehört, und zwei Unternehmen, darunter Italgrani, übermittelten ihre Stellungnahmen, die am 8. April 1991 an die italienischen Behörden weitergeleitet wurden.

8 Die italienische Regierung und Italgrani erhoben beim Gerichtshof Klage auf Nichtigerklärung der der italienischen Regierung mit dem oben genannten Schreiben der Kommission vom 23. November 1990 mitgeteilten Entscheidung über die Einleitung des Verfahrens gemäß Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages. Italgrani nahm ihre Klage (C-100/91) später zurück, während der Gerichtshof in der Rechtssache C-47/91 durch Urteil vom 5. Oktober 1994 (Italien/Kommission, Slg. 1994, I-4635) die Punkte I.3 und I.4 der Entscheidung für nichtig erklärte, soweit sie nicht die Beihilfe für die Schaffung von Beständen von landwirtschaftlichen Erzeugnissen betrafen. In den genannten Punkten war die Aussetzung der Zahlung der Beihilfen angeordnet und darauf hingewiesen worden, daß Beihilfen, die trotz dieser Anordnung gezahlt würden, von den Empfängern zurückgefordert werden könnten, und daß die von diesen Beihilfen betroffenen Gemeinschaftsausgaben nicht vom EAGFL übernommen werden könnten.

9 Im Anschluß an die Stellungnahme der italienischen Behörden im Rahmen des Verfahrens vertrat die Kommission die Ansicht, daß die Beihilfen für Forschung, Ausbildung und Saatöle als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar betrachtet werden könnten, da sie die in ihrer Entscheidung 88/318 aufgestellten Bedingungen erfuellten.

10 Mit Schreiben vom 23. und 24. Juli 1991 nahmen die italienischen Behörden eine wesentliche Umgestaltung des ursprünglich vorgesehenen Investitionsprogramms und der damit verbundenen Beihilfen vor.

11 Durch das neue Programm wurde das ursprüngliche Vorhaben wie folgt umgestaltet:

° Streichung der Beihilfe für die Errichtung einer Stärkefabrik sowie für die Erzeugung von Grieß und Mehl,

° Streichung der Beihilfe zur Errichtung industrieller Schweinehaltungsbetriebe,

° Streichung der Beihilfe für die Finanzierung von Lagerbeständen von Erzeugnissen des Anhangs II des Vertrages,

° Senkung der Produktionskapazität für Stärke von 357 000 Tonnen pro Jahr auf etwa 150 000 Tonnen pro Jahr,

° Aufstockung der Investitionen und der Beihilfen für die Zuckerchemie (Glucoseerzeugung) bei gleichzeitigem Wegfall der Isoglucoseerzeugung,

° Aufstockung der Investitionen und der Beihilfen für die Gärungsindustrie und die Erzeugung von Zitronensäure,

° Aufstockung der Beihilfen für die Forschungsvorhaben.

12 Nach diesen Änderungen beliefen sich die vorgesehenen Investitionen auf 815 Milliarden LIT, die sich wie folgt aufgliederten (in Milliarden LIT):

a) technisch-industrielle Investitionen510

b) Forschungszentren140

c) Forschungsvorhaben125

d) Ausbildung von Personal40

Die vorgesehenen Beihilfen beliefen sich auf insgesamt 461 Milliarden LIT: 228,17 Milliarden LIT für die technisch-industriellen Investitionen, 96,83 Milliarden LIT für die Forschungszentren, 100 Milliarden LIT für die Forschungsvorhaben und 36 Milliarden LIT für die Ausbildung von Personal.

13 Italgrani wollte im wesentlichen folgende Erzeugnisse herstellen (in Tonnen):

Maltose23 400

Sirupe mit hohem Maltosegehalt36 000

Fructosesirupe18 000

Kristalline Fructose16 200

Mannit14 400

Sorbit27 000

Andere hydrierte Glucosen18 000

Glucose und Dextrose a.b.v.9 000

Glucose für Feinchemie9 000

Hefe16 500

Zitronensäure18 000

Pflanzliche Proteine

° texturierte Proteine112 750

° Lecithin2 610

° Sojaöl49 590

14 Nach den vorgenommenen Änderungen war die Kommission der Ansicht, daß sich die Beihilfeintensität in den insbesondere im Gesetz Nr. 64/86 festgelegten Grenzen halte. Sie räumte jedoch ein, daß der Zusammenhang zwischen Stärke und den betreffenden beihilfefähigen Erzeugnissen insofern nicht ausser acht gelassen werden dürfe, als diese Erzeugnisse Verarbeitungsprodukte und/oder Derivate von Stärke seien. Daher wurde die Gewährung sämtlicher Beihilfen von bestimmten Auflagen abhängig gemacht.

15 Am Ende des Verfahrens erließ die Kommission die Entscheidung 91/474/EWG vom 16. August 1991 betreffend die Beihilfen der italienischen Regierung zugunsten der Firma Italgrani zur Errichtung eines agroalimentären Komplexes im Mezzogiorno (ABl. L 254, S. 14, im folgenden: Entscheidung), deren verfügender Teil wie folgt lautet:

"Artikel 1

(1) Die der Firma Italgrani gewährten Beihilfen der italienischen Regierung in Höhe von insgesamt 461,00 Milliarden italienischen Lire zur Durchführung des am 12. April 1990 vom CIPI (Interministerieller Ausschuß zur Koordinierung der Industriepolitik) genehmigten und mit Schreiben vom 23. und 24. Juli 1991 umgestalteten Investitionsprogramms sind mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar und kommen für die Interventionen gemäß dem Gesetz Nr. 64/86 vom 1. März 1986 (Interventionen zugunsten des Mezzogiorno) in Frage.

(2) Die vorgenannten Beihilfen in Höhe von 461,00 Milliarden italienischen Lire dürfen allerdings nur gewährt werden, wenn der Firma Italgrani für die Durchführung des betreffenden Investitionsprogramms folgende Auflagen gemacht werden:

° Verarbeitungserzeugnisse oder Derivate von Stärke dürfen nur unter Verwendung von Stärke gemeinschaftlichen Ursprungs erzeugt werden.

° Italgrani darf im Rahmen des Programms mit einer Jahreskapazität von etwa 150 000 Tonnen nur so viel Stärke erzeugen, wie sie zur Deckung ihres eigenen Bedarfs für die Herstellung von Stärkeverarbeitungserzeugnissen und/oder -derivaten benötigt; die betreffende Stärkeerzeugung kann daher entsprechend dem Bedarf für die Erzeugung von Stärkeverarbeitungsprodukten und/oder Derivaten variieren, ohne den Bedarf jedoch zu überschreiten.

° Es ist untersagt, die im Rahmen des Programms erzeugte Stärke (in Italien, in der Gemeinschaft oder in Drittländern) zu vermarkten.

Artikel 2

...

Artikel 3

...

Artikel 4

..."

Verfahren

16 Unter diesen Umständen haben die Klägerinnen mit Klageschrift, die am 27. November 1991 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben. Auch die Association of Sorbitol Producers within the EC (Verband der Sorbiterzeuger in der EG; im folgenden: ASPEC) und eine Reihe von Herstellern von Stärkederivaten sowie Casillo Grani haben die Entscheidung der Kommission mit einer Klage angefochten (Rechtssachen T-435/93 und T-443/93).

17 Durch Beschluß des Präsidenten des Gerichtshofes vom 1. Oktober 1992 ist die Französische Republik als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Klägerinnen zugelassen worden. Durch Beschlüsse des Präsidenten des Gerichtshofes vom 8. Februar 1993 sind Casillo Grani und Italgrani als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge der Klägerinnen bzw. der Kommission zugelassen worden.

18 In Anwendung von Artikel 4 des Beschlusses 93/350/Euratom, EGKS, EWG des Rates vom 8. Juni 1993 zur Änderung des Beschlusses 88/591/EGKS, EWG, Euratom zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 144, S. 21) ist die Rechtssache durch Beschluß des Gerichtshofes vom 27. September 1993 an das Gericht verwiesen worden. Die Rechtssache ist der Zweiten erweiterten Kammer zugewiesen worden.

19 Das schriftliche Verfahren ist teilweise vor dem Gerichtshof abgelaufen und durch die am 3. Dezember 1993 eingereichten Stellungnahmen der Klägerinnen zu den Streithilfeschriftsätzen von Italgrani und Casillo Grani beendet worden.

20 Das Gericht (Zweite erweiterte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen. Das Gericht hat die Kommission jedoch aufgefordert, Unterlagen über den Erlaß der Entscheidung vorzulegen; ausserdem hat es die Parteien ersucht, sich zu den Konsequenzen des Urteils des Gerichtshofes vom 15. Juni 1994 in der Rechtssache C-137/92 P (Kommission/BASF u. a., "PVC", Slg. 1994, I-2555) für die vorliegende Klage zu äussern.

21 Durch Beschluß des Präsidenten der Zweiten erweiterten Kammer vom 28. September 1994 ist die Rechtssache mit den Rechtssachen T-435/93 und T-443/93 zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung verbunden worden.

22 Nach der Bestimmung des Sitzungstermins hat einer der Prozeßbevollmächtigten der Streithelferin Casillo Grani das Gericht mit Schreiben, das am 3. Oktober 1994 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, davon in Kenntnis gesetzt, daß Casillo Grani für zahlungsunfähig erklärt worden sei. Mit Fernkopie, die am 2. November 1994 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat er eine Kopie einer Entscheidung des mit der Durchführung des Konkursverfahrens beauftragten Richters übermittelt, in der dem Konkursverwalter des Unternehmens aufgegeben wird, für das Verfahren vor dem Gericht die Rechtsanwälte Siragusa und Scassellati-Sforzolini zu Zustellungsbevollmächtigten zu bestellen.

23 Die Klägerinnen und die Streithelferin Italgrani haben in der Sitzung vom 9. November 1994 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet. Am Ende der Sitzung hat das Gericht die Kommission aufgefordert, das in Randnummer 22 des oben genannten Urteils Italien/Kommission erwähnte Fernschreiben an die italienische Regierung vom 14. November 1986 vorzulegen. Nach der Vorlage dieses Fernschreibens durch die Kommission sind die Parteien aufgefordert worden, sich zu dessen Bedeutung für die vorliegende Klage zu äussern.

Anträge der Parteien

24 Die Klägerinnen beantragen,

° die Entscheidung für nichtig zu erklären,

° der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

25 In ihrer Erwiderung beantragen die Klägerinnen ausserdem,

° die Inexistenz der angefochtenen Entscheidung festzustellen.

26 Die Kommission beantragt,

° die Klage als unzulässig oder unbegründet abzuweisen,

° den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

27 Die Französische Republik beantragt,

° die Entscheidung für nichtig zu erklären,

° der Kommission die Kosten dieses Rechtszuges aufzuerlegen.

28 Die Streithelferin Casillo Grani beantragt,

° die Inexistenz der Entscheidung festzustellen,

° hilfsweise die angefochtene Entscheidung für nichtig und die Entscheidung 88/318 für auf den vorliegenden Fall unanwendbar zu erklären,

° der Kommission die ihr entstandenen Kosten aufzuerlegen.

29 Die Streithelferin Italgrani beantragt,

° die Klage als unzulässig oder unbegründet abzuweisen,

° den Klägerinnen die Kosten einschließlich der Kosten der Streithelferin aufzuerlegen.

Zur Streithilfe der Firma Casillo Grani

30 Wie sich aus den Akten ergibt, war Casillo Grani am Ausgang des Rechtsstreits nur insofern interessiert, als sie mit der Empfängerin der fraglichen Beihilfen in Wettbewerb stand. Nachdem Casillo Grani jedoch, wie ihr Prozeßbevollmächtigter dem Gericht am 2. November 1994 mitgeteilt hat, für zahlungsunfähig erklärt worden ist, ist dieses Interesse weggefallen. Überdies sind die streitigen Beihilfen der Beihilfebegünstigten, der Streithelferin Italgrani, nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung noch nicht ausgezahlt worden. Die Entscheidung konnte somit auch auf die Wettbewerbssituation von Casillo Grani vor dem Eintritt ihrer Zahlungsunfähigkeit keine Auswirkungen haben.

31 Daher haben sich die Anträge und das Vorbringen von Casillo Grani erledigt.

Zulässigkeit

Zusammenfassung des Vorbringens der Parteien

32 Die Kommission wendet sich, ohne eine förmliche Einrede der Unzulässigkeit zu erheben, gegen die Zulässigkeit der Klage. Hierzu trägt sie unter Bezugnahme auf das Urteil des Gerichtshofes vom 28. Januar 1986 in der Rechtssache 169/84 (Cofaz u. a./Kommission, Slg. 1986, 391) vor, im Bereich staatlicher Beihilfen würden nur Unternehmen, die im Verwaltungsverfahren eine gewisse Rolle gespielt hätten und deren Marktstellung durch die Beihilfemaßnahmen, die Gegenstand der angefochtenen Entscheidung seien, spürbar beeinträchtigt werde, als im Sinne von Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag (nunmehr Artikel 173 Absatz 4 EG-Vertrag) unmittelbar und individuell betroffen angesehen.

33 In bezug auf die erste Voraussetzung räumt die Kommission ein, daß die Klägerinnen entweder unmittelbar oder mittelbar im Verfahren eine gewisse Rolle gespielt hätten. Die AAC sei jedoch nur wegen der Beihilfen für die Stärkeerzeugung tätig geworden, die weggefallen seien. Somit könne sich keine der Klägerinnen auf das Tätigwerden der AAC berufen, um diese Voraussetzung zu erfuellen.

34 In bezug auf die zweite Voraussetzung trägt die Kommission vor, Pfeifer & Langen und Latenstein Zetmeel stellten nur Getreidestärke her, deren Erzeugung nicht subventioniert werde, und seien daher von der Entscheidung nicht unmittelbar und individuell betroffen. Bei den übrigen Klägerinnen stehe ein Teil ihrer Erzeugung in Wettbewerb zur subventionierten Erzeugung. Sie hätten jedoch keine hinreichenden Gründe dafür genannt, daß die Entscheidung ihre Stellung auf dem fraglichen Markt spürbar beeinträchtigen und dadurch ihre berechtigten Interessen verletzen könne. Hierzu seien nämlich keine schlüssigen Angaben gemacht worden.

35 Speziell in bezug auf die AAC weist die Kommission darauf hin, daß der Gerichtshof schon in seinem Urteil vom 14. Dezember 1962 in den verbundenen Rechtssachen 16/62 und 17/62 (Confédération nationale des producteurs de fruits et légumes u. a./Rat, Slg. 1962, 963) klargestellt habe, daß "die Ansicht unhaltbar [erscheint], daß ein Verband in seiner Eigenschaft als Repräsentant einer Unternehmergruppe von einer die allgemeinen Interessen dieser Gruppe berührenden Maßnahme individuell betroffen werde". Als der Gerichtshof in seinem Urteil vom 2. Februar 1988 in den verbundenen Rechtssachen 67/85, 68/85 und 70/85 (Van der Kooy u. a./Kommission, Slg. 1988, 219) anerkannt habe, daß eine Einrichtung, die die Interessen einer Gruppe von Erzeugern vertrete, von einer Vereinbarkeitsentscheidung der Kommission unmittelbar und individuell betroffen gewesen sei, habe er sich auf drei Gründe gestützt: 1) Die Position der Einrichtung als Verhandlungspartner für die betreffende Tarifregelung sei betroffen gewesen, 2) sie habe aktiv am Verfahren teilgenommen, und 3) sie sei verpflichtet gewesen, neue Tarifverhandlungen aufzunehmen und eine neue Vereinbarung abzuschließen.

36 Die Kommission wiederholt, daß sich die AAC nur zu den Beihilfen für die Stärkeerzeugung geäussert habe, die letztlich weggefallen seien. Ausserdem habe die AAC nicht dargelegt, daß ihre Stellung in vergleichbarer Weise wie die des Verbandes im Urteil Van der Kooy u. a./Kommission beeinträchtigt werde. Die AAC sei daher von der Entscheidung der Kommission nicht individuell betroffen.

37 Die Streithelferin Italgrani schließt sich dem Vorbringen der Kommission im wesentlichen an. Sie fügt hinzu, daß sich die übrigen Klägerinnen nicht auf das Tätigwerden der AAC berufen könnten, die weder im Auftrag dieser Unternehmen noch zur Wahrnehmung ihrer speziellen Interessen am Verfahren teilgenommen habe.

38 Die Klägerinnen tragen vor, sie hätten in der vorprozessualen Phase eine maßgebliche Rolle gespielt, denn die AAC habe eine Beschwerde eingelegt und sich nach der Veröffentlichung der Mitteilung an die Beteiligten ergänzend zu dem fraglichen Beihilfevorhaben geäussert. Die AAC habe dabei stellvertretend für ihre Mitglieder gehandelt, deren Interessen sie laut ihrer Satzung wahrzunehmen habe.

39 Italgrani befinde sich auf einem durch grosse Überschüsse gekennzeichneten Markt in unmittelbarem Wettbewerb mit ihnen. In Anbetracht der Tatsache, daß die neue Produktionskapazität der geplanten Stärkefabrik (von etwa 360 000 Tonnen pro Jahr) die gesamte gegenwärtige Erzeugung dieser Produkte in Italien (etwa 338 000 Tonnen pro Jahr) übersteige und daß die beiden italienischen Mitglieder der AAC, die Cerestar Italia SpA (im folgenden: Cerestar) und die SPAD, 209 000 Tonnen bzw. 167 000 Tonnen stärkehaltiger Erzeugnisse herstellten, könne man sich leicht vorstellen, welche Auswirkung die Beihilfen in Italien haben würden. Das geänderte Vorhaben würde nämlich gemeinschaftsweit zu einer Steigerung der Produktion stärkehaltiger Erzeugnisse um etwa 7 % führen. Auf einem durch grosse Überkapazitäten und eine stagnierende Nachfrage gekennzeichneten Markt würden die fraglichen Beihilfen den gemeinschaftlichen Stärkemarkt in spürbarer Weise verfälschen und insbesondere die Stellung der klagenden Unternehmen stark beeinträchtigen.

40 Die Auswirkung auf die gesamte Stärkeindustrie sei um so spürbarer, als der Markt für stärkehaltige Erzeugnisse durch eine völlige Substituierbarkeit des Angebots gekennzeichnet sei. Die Nachfrageelastizität sei gering, so daß eine Steigerung der Produktionskapazität zu einem starken Preisverfall führen würde.

41 In bezug auf die AAC führen die Klägerinnen aus, die Nichtigkeitsklage stehe auch den Unternehmensverbänden offen; dies gelte hier um so mehr, als in der AAC sämtliche Unternehmen des betreffenden Sektors zusammengeschlossen seien. Die AAC sei nicht nur wegen der Beihilfen für Stärke tätig geworden; ihr Vorstoß habe sich auf alle stärkehaltigen Erzeugnisse bezogen, zu denen sowohl die Stärke als auch ihre Derivate gehörten. In ihrer Stellungnahme zu den Streithilfeschriftsätzen von Italgrani und Casillo Grani fügen die Klägerinnen hinzu, die AAC sei bei der Einführung der Neuregelung des Stärkesektors im Jahr 1986 der Gesprächspartner der Kommission gewesen und sei dies weiterhin bei allen Gemeinschaftsregelungen, die die Interessen der Stärkehersteller berührten. Sie habe daher eine den Verbänden in den Urteilen des Gerichtshofes vom 24. März 1993 in der Rechtssache C-313/90 (CIRFS u. a./Kommission, Slg. 1993, I-1125) und Van der Kooy u. a./Kommission vergleichbare Stellung eingenommen.

42 Schließlich seien Konkurrenten auch dann berechtigt, die Entscheidung über die Genehmigung einer Beihilfe anzugreifen, wenn die Kommission ihnen keine Gelegenheit gegeben habe, sich zu äussern und am Verfahren teilzunehmen (Urteile des Gerichtshofes vom 19. Mai 1993 in der Rechtssache C-198/91, Cook/Kommission, Slg. 1993, I-2487, und vom 15. Juni 1993 in der Rechtssache C-225/91, Matra/Kommission, Slg. 1993, I-3203). Da die Kommission ihnen keine Gelegenheit gegeben habe, sich zum endgültigen Programm zu äussern, müsse dies hier entsprechend gelten.

43 Die Französische Republik hat keine Erklärungen zur Zulässigkeit abgegeben.

Würdigung durch das Gericht

44 Nach Artikel 173 Absatz 4 EG-Vertrag können natürliche oder juristische Personen Entscheidungen anfechten, die an sie ergangen sind oder die, obwohl sie als Verordnung oder als eine an eine andere Person gerichtete Entscheidung ergangen sind, sie unmittelbar und individuell betreffen. Die Zulässigkeit der vorliegenden Klage hängt somit davon ab, ob die angefochtene Entscheidung, die an die italienische Regierung gerichtet ist und mit der das gemäß Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages eingeleitete Verfahren beendet wurde, die Klägerinnen unmittelbar und individuell betrifft.

45 Hinsichtlich der Frage, ob die Klägerinnen von der angefochtenen Entscheidung unmittelbar betroffen sind, ist Italgrani zwar darin zuzustimmen, daß die Entscheidung ohne nationale Durchführungsmaßnahmen des CIPI die Interessen der Klägerinnen nicht beeinträchtigen kann. Der CIPI hatte jedoch bereits mit seiner Entscheidung vom 12. April 1990 das ursprünglich vorgesehene Investitionsprogramm sowie die damit verbundenen Beihilfen genehmigt; ausserdem wurden die späteren Änderungen von den italienischen Behörden selbst vorgenommen. Daher besteht die Möglichkeit, daß sich die italienischen Behörden dazu entschließen, die durch die Entscheidung der Kommission genehmigten Beihilfen nicht zu gewähren, nur rein theoretisch, denn die Interventionsabsicht der italienischen Behörden steht ausser Zweifel.

46 Somit sind die Klägerinnen von der streitigen Entscheidung unmittelbar betroffen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. Januar 1985 in der Rechtssache 11/82, Piraiki-Patraiki u. a./Kommission, Slg. 1985, 207). Hinzu kommt, daß der CIPI nach den Akten das geänderte Programm mit Entscheidung vom 8. Oktober 1991 genehmigt hat. Zwar sind die fraglichen Beihilfen Italgrani noch nicht ausgezahlt worden, doch hängt dies, wie Italgrani in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, mit der Entscheidung der italienischen Behörden zusammen, den Ausgang des vorliegenden Rechtsystreits abzuwarten.

47 In bezug auf die Frage, ob die Klägerinnen von der streitigen Entscheidung individuell betroffen sind, ist darauf hinzuweisen, daß nach ständiger Rechtsprechung Personen, die nicht Adressat einer Entscheidung sind, nur dann geltend machen können, im Sinne von Artikel 173 des Vertrages individuell betroffen zu sein, wenn diese Entscheidung sie wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und sie daher in ähnlicher Weise individualisiert wie den Adressaten (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 15. Juli 1963 in der Rechtssache 25/62, Plaumann/Kommission, Slg. 1963, 213, und vom 18. Mai 1994 in der Rechtssache C-309/89, Codorniu/Rat, Slg. 1994, I-1853, Randnr. 20).

48 Handelt es sich um Entscheidungen der Kommission, mit denen ein gemäß Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages eingeleitetes Verfahren beendet wird, so kann ein Unternehmen nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes u. a. deshalb im Sinne von Artikel 173 von einer solchen Entscheidung betroffen sein, weil es die Beschwerde veranlasst hat, die zu dem Untersuchungsverfahren geführt hat, weil es angehört worden ist und weil seine Erklärungen den Verfahrensablauf weitgehend bestimmt haben, vorausgesetzt, daß seine Marktstellung durch die Beihilfe, die Gegenstand der angefochtenen Entscheidung ist, spürbar beeinträchtigt wird (vgl. Urteil Cofaz u. a./Kommission, a. a. O.).

49 Das Urteil Cofaz ist jedoch nicht dahin auszulegen, daß Unternehmen, die nicht das Vorliegen genau dieser Umstände nachweisen können, niemals als individuell betroffen im Sinne von Artikel 173 des Vertrages angesehen werden können. Der Gerichtshof hat nämlich nur festgestellt, daß Unternehmen, die solche Umstände aufzeigen können, im Sinne von Artikel 173 betroffen sind; dies schließt aber nicht aus, daß ein Unternehmen in anderer Weise unter Hinweis auf besondere Umstände, die es in ähnlicher Weise individualisieren wie den Adressaten, den Nachweis erbringen kann, daß es individuell betroffen ist.

50 Nach den Akten ist die SPAD mit einer Jahresproduktion stärkehaltiger Erzeugnisse von etwa 160 000 Tonnen einer der beiden wichtigsten italienischen Hersteller dieser Erzeugnisse, von denen in Italien etwa 390 000 Tonnen pro Jahr hergestellt werden. Nach den Äusserungen des italienischen Verbandes Assochimica (Gruppo Chimica Agraria), dem die SPAD angehört, im Rahmen des Verfahrens gemäß Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages sind die anderen wichtigen italienischen Hersteller dieser Erzeugnisse die Cerestar und die Seda Manildra Europe SpA, deren Jahresproduktion 209 000 Tonnen bzw. 12 000 Tonnen beträgt. Die Kommission hat keine tatsächlichen Anhaltspunkte geliefert, die diese Angaben über die Lage auf dem italienischen Markt für stärkehaltige Erzeugnisse in Frage stellen könnten.

51 Ausserdem ist der angefochtenen Entscheidung zu entnehmen, daß die geplante Jahresproduktion stärkehaltiger Erzeugnisse von Italgrani etwa 190 000 Tonnen beträgt, was eine Steigerung der gegenwärtigen Jahresproduktion in Italien von etwa 50 % bedeutet. Eine derartige Steigerung kann nach Ansicht des Gerichts nicht ohne beträchtliche Auswirkungen auf die Wettbewerbssituation der auf dem italienischen Markt bereits vorhandenen Hersteller erfolgen.

52 Die SPAD hatte laut den Akten vor der Einleitung des Verfahrens gemäß Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages beim Tribunale Amministrativo Regionale Latium eine Klage gegen die Entscheidung des CIPI vom 12. April 1990 erhoben, mit der das Investitionsvorhaben von Italgrani und die damit verbundenen Beihilfen genehmigt worden waren. Cerestar hatte gegen die Entscheidung ebenfalls Klage erhoben. Wie sich den Äusserungen der Assochimica entnehmen lässt, beruhten sie überdies auf Unterlagen, die während dieser Verfahren gesammelt wurden. Ferner ergibt sich aus ihnen, daß die Mitglieder der Assochimica als unmittelbare Konkurrenten insbesondere über die geplanten Beihilfen für die stärkehaltigen Erzeugnisse beunruhigt waren.

53 Zwar kann die blosse Tatsache, daß eine Maßnahme geeignet ist, die auf ydem betreffenden Markt bestehenden Wettbewerbsverhältnisse zu beeinflussen, noch nicht ausreichen, um jeden Wirtschaftsteilnehmer, der in irgendeiner Wettbewerbsbeziehung zu dem von der Maßnahme Begünstigten steht, als durch diese Maßnahme unmittelbar und individuell betroffen anzusehen (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 10. Dezember 1969 in den verbundenen Rechtssachen 10/68 und 18/68, Eridania u. a./Kommission, Slg. 1969, 459). In Anbetracht der hier gemachten Angaben zum italienischen Markt für stärkehaltige Erzeugnisse, der Rolle der SPAD bei der Beteiligung der Assochimica am Verwaltungsverfahren und der erheblichen Steigerung der Produktionskapazität aufgrund der von der Empfängerin der in der streitigen Entscheidung vorgesehenen Beihilfen geplanten Investitionen hat die SPAD nach Überzeugung des Gerichts jedoch Umstände dargetan, die insgesamt eine besondere Situation haben entstehen lassen, die die Klägerin im Hinblick auf die fragliche Maßnahme aus dem Kreis aller übrigen Wirtschaftsteilnehmer heraushebt. Die SPAD kann deshalb im Sinne des Urteils Plaumann einem Adressaten der Entscheidung gleichgestellt werden.

54 Nach alledem ist die Klage zulässig, soweit sie von der SPAD erhoben worden ist.

55 Da es sich um ein und dieselbe Klage handelt, braucht die Klagebefugnis der übrigen Klägerinnen nicht geprüft zu werden (vgl. Urteil CIRFS u. a./Kommission, a. a. O.).

Begründetheit

56 Die Klägerinnen führen fünf Klagegründe an:

° Verletzung der Vorschriften über das Verfahren zum Erlaß der Entscheidungen der Kommission;

° einen offensichtlichen Beurteilungsfehler und eine Verletzung von Artikel 92 EWG-Vertrag, da den geplanten Investitionen die wirtschaftliche Grundlage und die Möglichkeit der Verwirklichung fehle und da zwischen dem vorgesehenen Programm und dem früheren Programm kein Zusammenhang bestehe;

° Unvereinbarkeit der angefochtenen Entscheidung mit den Agrarverordnungen;

° Verletzung von Artikel 190 EWG-Vertrag, da die angefochtene Entscheidung nicht ausreichend und widersprüchlich begründet sei;

° Verletzung der Rechte der Beschwerdeführer, da sie nie Gelegenheit gehabt hätten, die Akten einzusehen oder sich zum Entscheidungsentwurf zu äussern.

Zur Verletzung der Vorschriften über das Verfahren zum Erlaß der Entscheidungen der Kommission

Die Umstände, die das Gericht dazu veranlasst haben, von der Kommission die Vorlage der internen Unterlagen über das angewandte Verfahren zu verlangen

57 In ihrer Erwiderung haben die Klägerinnen beantragt, die Entscheidung wegen der bei ihrem Erlaß begangenen besonders schweren und offensichtlichen Verletzungen wesentlicher Formvorschriften für inexistent ° oder zumindest für nichtig ° zu erklären. Sie haben insoweit auf das Urteil des Gerichtshofes vom 23. Februar 1988 in der Rechtssache 131/86 (Vereinigtes Königreich/Rat, "Legehennen", Slg. 1988, 905) und das später durch das PVC-Urteil aufgehobene Urteil des Gerichts vom 27. Februar 1992 in den verbundenen Rechtssachen T-79/89, T-84/89 bis T-86/89, T-89/89, T-91/89, T-92/89, T-94/89, T-96/89, T-98/89, T-102/89 und T-104/89 (BASF u. a./Kommission, Slg. 1992, II-315) Bezug genommen. Sie haben darauf hingewiesen, daß dieser Klagegrund im Laufe des Verfahrens ohne Bindung an Fristen geltend gemacht werden könne, da er zum ordre public gehöre.

58 Zur Stützung dieses Klagegrunds haben die Klägerinnen geltend gemacht, aus der Klagebeantwortung der Kommission in der Rechtssache T-443/93, Casillo Grani/Kommission, ergebe sich, daß das Kommissionskollegium am 31. Juli 1991, also kaum eine Woche nach der Mitteilung des neuen Investitionsprogramms von Italgrani und der damit verbundenen Beihilfen durch die italienischen Behörden und ausserdem kurz vor den Ferien der Kommission beschlossen habe,

° das gemäß Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages eingeleitete Verfahren hinsichtlich der fraglichen Beihilfe zu beenden;

° das damals für Fragen der Landwirtschaft und der ländlichen Entwicklung zuständige Kommissionsmitglied, Herrn Mac Sharry, zu ermächtigen, im Einvernehmen mit dem Präsidenten durch eine förmliche, mit Auflagen versehene Entscheidung die abschließende Genehmigung für die neue Beihilferegelung in der von den italienischen Behörden mitgeteilten Fassung zu erteilen;

° die italienischen Behörden aufzufordern, der Kommission jährliche Berichte vorzulegen.

59 Damit stehe fest, daß die Kommission unter Verletzung des Kollegialprinzips niemals die förmliche Entscheidung erlassen habe. Aus der Entscheidung, wie sie im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht worden sei, ergebe sich nämlich, daß sie am 16. August 1991 "für die Kommission" erlassen worden sei. Die Kommission sei zwar gemäß Artikel 27 Absatz 1 ihrer Geschäftsordnung (63/41/EWG) vom 9. Januar 1963 (ABl. 1963, Nr. 17, S. 181), der gemäß Artikel 1 des Beschlusses 67/426/EWG der Kommission vom 6. Juli 1967 (ABl 1967, Nr. 147, S. 1) vorläufig in Kraft geblieben sei, in seiner sich aus dem Beschluß 75/461/Euratom, EGKS, EWG der Kommission vom 23. Juli 1975 (ABl. L 199, S. 43) ergebenden gegenwärtigen Fassung berechtigt, ihre Mitglieder zu ermächtigen, "eindeutig umschriebene Maßnahmen der Geschäftsführung und der Verwaltung zu treffen", sofern der Grundsatz kollegialer Verantwortlichkeit voll und ganz gewahrt bleibe; die Entscheidung könne jedoch nicht als eine solche Maßnahme eingestuft werden.

60 Darüber hinaus würden gemäß Artikel 12 der Geschäftsordnung der Kommission die "von der Kommission in einer Sitzung... gefassten formellen Beschlüsse... in der Sprache oder in den Sprachen, in denen sie verbindlich sind, durch die Unterschriften des Präsidenten und des Exekutivsekretärs festgestellt". Nach Artikel 10 der Geschäftsordnung müsse das Protokoll der Sitzung vom Kommissionskollegium in der folgenden Sitzung genehmigt werden. Diese Verpflichtungen seien aber offenkundig nicht eingehalten worden. Folglich müsse die Entscheidung wegen der Verletzung wesentlicher Formvorschriften für inexistent oder zumindest für nichtig erklärt werden. Hilfsweise haben die Klägerinnen das Gericht ersucht, der Kommission aufzugeben, die Unterlagen vorzulegen, anhand deren geprüft werden könne, ob sämtliche Formalitäten eingehalten worden seien.

61 In ihrer Gegenerwiderung hat die Kommission geltend gemacht, die Klägerinnen hätten in ihrer Erwiderung einen auf die Rechtswidrigkeit der Entscheidung gestützten Nichtigkeitsgrund vorgebracht, auf den sie sich in ihrer Klageschrift nicht berufen hätten. Dieser Klagegrund sei unzulässig, da es sich um ein neues Angriffsmittel im Sinne der Verfahrensordnung handele.

62 Hilfsweise hat die Kommission ausgeführt, der Grundsatz ihrer kollegialen Verantwortlichkeit bilde ein Kernstück ihres Entscheidungsverfahrens. In der Praxis treffe sie jedoch nur die wichtigsten Entscheidungen in den Sitzungen. In den anderen Fällen müsse, um eine Lähmung der Kommissionstätigkeit zu verhindern, auf flexiblere Entscheidungsverfahren und insbesondere auf das in Artikel 27 der Geschäftsordnung der Kommission geregelte Ermächtigungsverfahren zurückgegriffen werden, wonach die Kommission "° unter der Voraussetzung, daß der Grundsatz kollegialer Verantwortlichkeit voll und ganz gewahrt bleibt ° ihre Mitglieder ermächtigen [kann], in ihrem Namen und vorbehaltlich ihrer Kontrolle eindeutig umschriebene Maßnahmen der Geschäftsführung und der Verwaltung zu treffen".

63 Die Kommission hat ferner geltend gemacht, sie habe die von den Klägerinnen aufgezählten Entscheidungen in ihrer Sitzung vom 31. Juli 1991 auf der Grundlage der in der Sitzung der Kabinettchefs vom 29. Juli 1991 geleisteten Vorarbeiten und eines vollständigen und detaillierten Entscheidungsentwurfs in Form eines an die italienischen Behörden gerichteten Schreibens getroffen. Sie habe die Entscheidung somit nach Beratung in all ihren Teilen genehmigt und eines ihrer Mitglieder mit der Ausarbeitung des Textes der Entscheidung betraut. Die Bestimmungen des Vertrages und der Geschäftsordnung seien folglich voll und ganz eingehalten worden.

64 Zur angeblichen Verletzung der Artikel 10 und 12 der Geschäftsordnung trägt die Kommission vor, diese Bestimmungen hätten nicht die ihnen von den Klägerinnen zugeschriebene Tragweite. Die Feststellung der Entscheidung sei in Wahrheit lediglich ein internes Verfahren der Kommission, denn die Bestimmungen der Artikel 10 und 12 ihrer Geschäftsordnung beträfen weder Dritte noch beeinträchtigten sie deren Rechte und Garantien. Es sei daher ausgeschlossen, sich vor Gericht auf eine Verletzung dieser Artikel zu berufen.

65 Unter diesen Umständen hat das Gericht, um über die von den Klägerinnen vorgebrachten Klagegründe entscheiden zu können, die Kommission ersucht, den dem Kommissionskollegium in seiner Sitzung vom 31. Juli 1991 unterbreiteten Entwurf eines Schreibens an die italienische Regierung, das Protokoll dieser Sitzung, die angefochtene Entscheidung, wie sie der italienischen Regierung übermittelt und zum maßgeblichen Zeitpunkt vom Präsidenten und vom Generalsekretär der Kommission festgestellt worden ist, sowie die "fiche bleue" für das Verfahren zum Erlaß dieser Entscheidung vorzulegen.

Zusammenfassung des Parteivorbringens zu den von der Kommission vorgelegten internen Unterlagen und zum PVC-Urteil

66 Die Klägerinnen vertreten erneut den Standpunkt, daß die fraglichen Angriffsmittel als zulässig anzusehen seien.

67 Zur Begründetheit dieser Angriffsmittel tragen die Klägerinnen zunächst in Ergänzung zu den bereits in ihrer Erwiderung gemachten Ausführungen vor, aufgrund des PVC-Urteils seien die von der Kommission in ihrer Gegenerwiderung genannten Argumente zurückzuweisen, da diese Argumente, wie die Kommission selbst angegeben habe, aus dem gegen das Urteil des Gerichts in der genannten Rechtssache eingelegten Rechtsmittel übernommen worden seien.

68 Die Unterschiede zwischen dem vom Kollegium angenommenen und dem den Parteien mitgeteilten und im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlichten Rechtsakt seien noch viel bedeutsamer als in der PVC-Rechtssache. Der dem Kollegium unterbreitete Entwurf des Schreibens an die italienische Regierung sei nicht in der Form eines Entscheidungsvorschlags abgefasst gewesen, denn er habe insbesondere keinen verfügenden Teil enthalten. Aus dem PVC-Urteil ergebe sich jedoch, daß schon allein aufgrund dieses Umstands der gesamte Rechtsakt als inexistent anzusehen sei.

69 Ausserdem bestuenden insofern offenkundige Unterschiede zwischen dem dem Kollegium unterbreiteten Entwurf des Schreibens und der endgültigen Entscheidung, als wesentliche Angaben hinzugefügt, Zahlen geändert und ganze Absätze eingefügt oder weggelassen worden seien. Als Entgegnung auf die Behauptung der Kommission, das Kollegium sei auf der Grundlage eines vollständigen und detaillierten Entscheidungsentwurfs tätig geworden, zählen die Klägerinnen die hauptsächlichen Unterschiede zwischen den beiden Schriftstücken auf und ziehen daraus den Schluß, daß die an dem vom Kollegium genehmigten Text vorgenommenen Anpassungen über rein orthographische oder grammatikalische Anpassungen hinausgingen, wie sie gemäß dem PVC-Urteil an einem Text nach seiner Annahme durch das Kollegium vorgenommen werden dürften.

70 Zu dem geltend gemachten Verstoß gegen Artikel 27 der Geschäftsordnung der Kommission fügen die Klägerinnen den bereits in ihrer Erwiderung gemachten Ausführungen hinzu, nach den der Kommission vorgelegten Unterlagen habe die Herrn Mac Sharry übertragene Aufgabe in Wahrheit die Befugnis umfasst, allein und ohne jeden Entscheidungsvorschlag eine Entscheidung im Namen der Kommission zu treffen, denn in der Ermächtigung sei das Kommissionsmitglied nicht einmal dazu verpflichtet worden, den Entwurf des Schreibens zu berücksichtigen. Eine solche Aufgabe könne weder als Maßnahme der Geschäftsführung und der Verwaltung noch als eine eindeutig umschriebene Aufgabe angesehen werden und könne deshalb nicht gemäß dem genannten Artikel auf nur ein Kommissionsmitglied übertragen werden.

71 Schließlich ergebe sich aus den von der Kommission vorgelegten Unterlagen, daß die Feststellung gemäß Artikel 12 der Geschäftsordnung der Kommission nicht erfolgt sei und daß die Sprachenregelung nicht eingehalten worden sei, weil der Entwurf des Schreibens an die italienische Regierung zum grössten Teil in Französisch verfasst worden sei, obwohl im vorliegenden Fall nur die italienische Fassung verbindlich sei.

72 Die Kommission beruft sich erneut darauf, daß die fraglichen Klagegründe verspätet vorgebracht worden und deshalb gemäß Artikel 48 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts unzulässig seien. Die Klägerinnen hätten sie nämlich erst in ihrer Erwiderung geltend gemacht und sich dabei auf keine neuen rechtlichen oder tatsächlichen Gründe gestützt, die erst während des Verfahrens zutage getreten seien, da alle angeführten Tatsachen schon zum Zeitpunkt der Einreichung der Klageschrift bekannt gewesen seien. Die Kommission fügt hinzu, das Urteil des Gerichts vom 27. Februar 1992 in den verbundenen Rechtssachen T-79/89, T-84/89 bis T-86/89, T-89/89, T-91/89, T-92/89, T-94/89, T-96/89, T-98/89, T-102/89 und T-104/89 (BASF u. a./Kommission, Slg. 1992, II-315) könne keinesfalls als neuer Grund im Sinne von Artikel 48 der Verfahrensordnung des Gerichts angesehen werden.

73 Unter Bezugnahme auf das Urteil des Gerichtshofes vom 30. September 1982 in der Rechtssache 108/81 (Amylum/Rat, Slg. 1982, 3107) führt die Kommission aus, diese neuen, verspätet vorgebrachten Klagegründe könnten nicht als zum ordre public gehörend angesehen werden. Im übrigen ergebe sich aus dem PVC-Urteil, daß die von den Klägerinnen angeführten angeblichen Verfahrensmängel jedenfalls nicht zur Inexistenz der angefochtenen Entscheidung führen könnten.

74 Hilfsweise wendet die Kommission gegen die Begründetheit der Klagegründe ein, daß das fragliche Beihilfeprogramm in Anwendung einer bereits genehmigten allgemeinen Beihilferegelung ergangen sei und daß sie somit nur die Vereinbarkeit des individuellen Beihilfeprogramms mit der genannten allgemeinen Regelung habe prüfen können. Die Rechtfertigung für die Einleitung des Verfahrens gemäß Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages habe nämlich darin bestanden, daß bei den ursprünglich geplanten Investitionen die Bedingungen der allgemeinen Regelung nicht gewahrt zu sein schienen. Wenn das Beihilfeprogramm sogleich in seiner gegenwärtigen, durch die italienischen Behörden geänderten Fassung unterbreitet worden wäre, hätten die Dienststellen der Kommission dem Beschwerdeführer lediglich mitgeteilt, daß das Vorhaben der bereits genehmigten allgemeinen Regelung entspreche. Daher sei die Prüfung des geänderten Beihilfeprogramms mit keinerlei Ermessensausübung verbunden gewesen, sondern es habe sich nur um eine schlichte Maßnahme der Geschäftsführung gehandelt.

75 Die Kommission schließt daraus unter Bezugnahme auf das Urteil des Gerichtshofes vom 23. September 1986 in der Rechtssache 5/85 (AKZO Chemie/Kommission, Slg. 1986, 2585), daß die Entscheidung im Wege der Ermächtigung habe erlassen werden dürfen. Dieses Ergebnis sei vor allem auch deshalb dringend geboten, weil es Tausende von Fällen der Anwendung allgemeiner Beihilferegelungen gebe und weil daher das Ermächtigungsverfahren angewandt werden müsse, um eine Lähmung der Kommissionstätigkeit in diesem Bereich zu verhindern. Ausserdem würden im PVC-Urteil vom Ermächtigungsverfahren nur Entscheidungen ausgenommen, mit denen eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 EG-Vertrag festgestellt werde und Sanktionen verhängt würden. In dem genannten Urteil habe der Gerichtshof nämlich keine Definition des Begriffs der Maßnahmen der Geschäftsführung vorgenommen, die nach Artikel 27 der Geschäftsordnung der Kommission im Wege der Ermächtigung erlassen werden dürften; die im Urteil angesprochenen Ermittlungsmaßnahmen würden nur als Beispiel für Maßnahmen der Geschäftsführung genannt.

76 Äusserst hilfsweise macht die Kommission geltend, daß die Entscheidung auf der Grundlage eines detaillierten und umfassenden Entwurfs eines Schreibens erlassen worden sei und daß daher, selbst wenn eine Ermächtigung zum Erlaß der Entscheidung nicht zulässig gewesen sein sollte, kein Verstoß gegen das Kollegialprinzip vorliege. Da die angefochtene Entscheidung die Klägerinnen nicht besonders beschwere, sei auch nicht davon auszugehen, daß die unterbliebene Feststellung der Entscheidung sowie die nach der Beratung im Kommissionskollegium vorgenommenen Textänderungen ihre Rechtmässigkeit beeinträchtigen könnten.

77 Schließlich trägt die Kommission vor, dem PVC-Urteil sei eindeutig zu entnehmen, daß diese etwaigen Formmängel keinesfalls zur Inexistenz der angefochtenen Entscheidung führen könnten.

Würdigung durch das Gericht

78 Nach Artikel 48 § 2 Absatz 1 der Verfahrensordnung des Gerichts können "neue Angriffs- und Verteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens nicht mehr vorgebracht werden, es sei denn, daß sie auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind".

79 Im vorliegenden Fall haben sich die Klägerinnen in ihrer Klageschrift nicht auf eine angebliche Verletzung der Vorschriften über das Verfahren zum Erlaß der Entscheidungen der Kommission berufen. In ihrer Erwiderung haben sie die genannten Klagegründe unter Heranziehung der Klagebeantwortung der Kommission in der Rechtssache T-443/93, Casillo Grani/Kommission, geltend gemacht, aus der sich ergibt, daß das Kommissionskollegium in seiner Sitzung vom 31. Juli 1991 auf der Grundlage des Entwurfs eines Schreibens an die italienische Regierung Stellung genommen und beschlossen hat, Herrn Mac Sharry zu ermächtigen, durch eine förmliche Entscheidung die abschließende Genehmigung für die neue Beihilferegelung zu erteilen. Die Kommission macht zwar geltend, daß die fraglichen Klagegründe nicht auf neue Tatsachen gestützt würden; sie hat jedoch nicht nachgewiesen, daß den Klägerinnen die Einzelheiten des Verfahrens zum Erlaß der angefochtenen Entscheidung vor der Einreichung der Klageschrift bekannt waren. Ausserdem enthielten die den Klägerinnen zuvor zugänglichen Unterlagen keinen Anhaltspunkt dafür, daß sie vor der Übermittlung der Klagebeantwortung in der Rechtssache T-443/93, Casillo Grani/Kommission, hätten wissen können oder müssen, daß die Entscheidung im Wege der Ermächtigung erlassen worden war und daß sich das Kollegium nur auf der Grundlage des Entwurfs eines Schreibens an die italienische Regierung geäussert hatte.

80 Die auf diese Weise offengelegten Einzelheiten haben tatsächlich ernste Zweifel an der Rechtmässigkeit des Verfahrens zum Erlaß der angefochtenen Entscheidung geweckt. Das Gericht hat deshalb die Kommission zur Vorlage der einschlägigen internen Unterlagen aufgefordert, die den Klägerinnen die endgültige Formulierung der fraglichen Klagegründe ermöglicht haben. Diese werden somit auf tatsächliche Gründe gestützt, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind; sie sind daher nicht verspätet vorgebracht worden (vgl. in diesem Sinne auch das PVC-Urteil, a. a. O., Randnrn. 57 bis 60).

81 Hinsichtlich der Begründetheit dieser Klagegründe ist auf Artikel 12 der Geschäftsordnung der Kommission hinzuweisen, der in seiner zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung geltenden Fassung folgendes vorsieht: "Die von der Kommission in einer Sitzung oder im schriftlichen Verfahren gefassten formellen Beschlüsse werden in der Sprache oder in den Sprachen, in denen sie verbindlich sind, durch die Unterschriften des Präsidenten und des Exekutivsekretärs festgestellt." Die im Wege der Ermächtigung gefassten Beschlüsse brauchen daher nicht festgestellt zu werden. Da die angefochtene Entscheidung nicht festgestellt wurde und da die Kommission geltend gemacht hat, daß die Entscheidung im Wege der Ermächtigung erlassen worden sei, ist zunächst zu prüfen, ob die Entscheidung im Wege der Ermächtigung erlassen werden durfte.

82 Wie der Gerichtshof im Urteil AKZO und im PVC-Urteil ausgeführt hat, unterliegt die Tätigkeit der Kommission dem Kollegialprinzip, das auf Artikel 17 des Vertrages vom 8. April 1965 zur Einsetzung eines gemeinsamen Rates und einer gemeinsamen Kommission der Europäischen Gemeinschaften (ABl. 1967, Nr. 152, S. 2) zurückgeht, der nunmehr durch Artikel 163 EG-Vertrag ersetzt wurde; dieser lautet: "Die Beschlüsse der Kommission werden mit der Mehrheit der in Artikel 157 bestimmten Anzahl ihrer Mitglieder gefasst. Die Kommission kann nur dann wirksam tagen, wenn die in ihrer Geschäftsordnung festgesetzte Anzahl von Mitgliedern anwesend ist."

83 Der Gerichtshof hat in den genannten Urteilen weiter ausgeführt, daß dieses Kollegialprinzip auf der Gleichheit der Mitglieder der Kommission bei der Teilnahme an der Entscheidungsfindung beruht und insbesondere bedeutet, daß die Entscheidungen gemeinsam beraten werden und daß alle Mitglieder des Kollegiums für sämtliche erlassenen Entscheidungen politisch gemeinsam verantwortlich sind.

84 Nach ständiger Rechtsprechung ist es mit dem Kollegialprinzip vereinbar, wenn für den Erlaß von Maßnahmen der Geschäftsführung und der Verwaltung auf das Ermächtigungsverfahren zurückgegriffen wird. So hat der Gerichtshof im Urteil AKZO darauf hingewiesen, daß "eine solche Ermächtigungsregelung, die auf bestimmte Arten von laufenden Angelegenheiten beschränkt ist, was von vornherein Grundsatzentscheidungen ausschließt, angesichts der beträchtlichen Zunahme der von der Kommission zu treffenden Entscheidungen notwendig [ist], da diese andernfalls ihre Aufgabe nicht erfuellen könnte" (Randnr. 37).

85 Somit ist zu prüfen, ob die angefochtene Entscheidung als eine Maßnahme der Geschäftsführung und der Verwaltung angesehen werden kann.

86 Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, darf die Kommission, wenn sie die Anwendung einer allgemeinen Beihilferegelung im Einzelfall untersucht, zunächst ° bevor sie ein Verfahren einleitet ° nur prüfen, ob die Beihilfe durch die allgemeine Regelung gedeckt ist und die in der Entscheidung über die Genehmigung dieser Regelung aufgestellten Bedingungen erfuellt (vgl. Urteil Italien/Kommission, a. a. O.). Auch wäre nach der Einleitung des Verfahrens gemäß Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages die Einhaltung der Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit nicht gewährleistet, wenn die Kommission ihre Entscheidung über die Genehmigung der allgemeinen Regelung rückgängig machen könnte. Daher muß die Kommission, wenn der betroffene Mitgliedstaat Änderungen eines zur Prüfung gemäß Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages unterbreiteten Beihilfevorhabens vorschlägt, zunächst untersuchen, ob das Vorhaben infolge dieser Änderungen noch durch die Entscheidung über die Genehmigung der allgemeinen Regelung gedeckt ist. Ist dies der Fall, so darf die Kommission nicht die Vereinbarkeit des geänderten Vorhabens mit Artikel 92 des Vertrages prüfen, da eine solche Prüfung bereits im Rahmen des durch die Entscheidung über die Genehmigung der allgemeinen Regelung beendeten Verfahrens vorgenommen wurde.

87 Die Tatsache, daß die angefochtene Entscheidung im vorliegenden Fall zu Recht auf der Grundlage einer Prüfung erlassen wurde, die lediglich die Einhaltung der in der Entscheidung über die Genehmigung der allgemeinen Regelung festgelegten Bedingungen zum Gegenstand hatte, reicht jedoch für sich allein nicht aus, um sie als Maßnahme der Geschäftsführung und der Verwaltung einstufen zu können. Auch wenn bei Erlaß der angefochtenen Entscheidung die Vereinbarkeit des geänderten Vorhabens mit Artikel 92 des Vertrages nicht zu prüfen war, konnte sich die Kommission nicht auf die Prüfung beschränken, ob das Vorhaben die in der Entscheidung über die Genehmigung der allgemeinen Regelung genau umrissenen Bedingungen, insbesondere in bezug auf die Beihilfeintensität und die durch die Beihilfen geförderten Regionen, erfuellte. Artikel 9 der Entscheidung 88/318 lautet nämlich: "Italien ist bei der Anwendung dieser Entscheidung verpflichtet, die von den Gemeinschaftsorganen erlassenen Vorschriften und Verordnungen auf dem Gebiet der Koordinierung der verschiedenen Beihilfen in den Bereichen der Industrie, Landwirtschaft und Fischerei einzuhalten."

88 Eine Entscheidung über die Genehmigung einer staatlichen Beihilfe, die eine Kontrolle wie die der Einhaltung der in Artikel 9 der Entscheidung 88/318 aufgestellten Bedingung erfordert, kann aber ° zumindest im vorliegenden Fall ° nicht als "Maßnahme der Geschäftsführung und der Verwaltung" eingestuft werden.

89 Die Kommission hat in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, eine solche Bedingung sei in all ihren Entscheidungen, mit denen eine allgemeine Beihilferegelung genehmigt werde, enthalten und bringe nur ein ganz offenkundiges Erfordernis zum Ausdruck, dessen Einhaltung von ihren Dienststellen routinemässig in all ihren Entscheidungen über staatliche Beihilfen überprüft werde.

90 Hierzu ist jedoch festzustellen, daß die Beihilfe für die Stärkeerzeugung nach der von der Kommission selbst vertretenen Ansicht beseitigt werden musste, damit die in Artikel 9 der Entscheidung 88/318 aufgestellte Bedingung erfuellt war. Stärke gehört nämlich zu einem Bereich, in dem die Investitionen von einer Gemeinschaftsbeteiligung ausgeschlossen sind (vgl. die Verordnung [EWG] Nr. 866/90 des Rates vom 29. März 1990 zur Verbesserung der Verarbeitungs- und Vermarktungsbedingungen landwirtschaftlicher Erzeugnisse [ABl. L 91, S. 1] sowie den Anhang der Entscheidung 90/342/EWG der Kommission vom 7. Juni 1990 zur Festlegung der Auswahlkriterien für Investitionen zur Verbesserung der Verarbeitungs- und Vermarktungsbedingungen für land- und forstwirtschaftliche Erzeugnisse [ABl. L 163, S. 71] in der zum maßgeblichen Zeitpunkt geltenden Fassung). Ausserdem hat die Kommission erklärt, daß die sektoriellen Ausschlüsse von Gemeinschaftsbeteiligungen bei bestimmten landwirtschaftlichen Erzeugnissen nach ständiger Praxis auf staatliche Beihilfen analog angewandt würden. Dennoch ergibt sich aus der angefochtenen Entscheidung, daß das letztlich genehmigte Programm subventionierter Investitionen die Schaffung einer Jahreskapazität für die Stärkeerzeugung von etwa 150 000 Tonnen vorsieht. Insoweit ist darauf hinzuweisen, daß die Kommission ihre Genehmigung von der Auflage abhängig gemacht hat, daß Italgrani im Rahmen des fraglichen Programms gerade nur so viel Stärke erzeugt, wie sie zur Deckung ihres eigenen Bedarfs für die Herstellung von Derivaten benötigt. Diese Auflage setzt aber voraus, daß das Programm in seiner endgültigen Fassung dazu führt, daß die Stärkeerzeugung von Italgrani unmittelbar oder ° da es sich um ein integriertes Vorhaben handelt ° mittelbar subventioniert wird, denn andernfalls hätte die Kommission ihre Genehmigung nicht von einer Auflage hinsichtlich der Verwendung dieser Erzeugung abhängig machen können. Dieser Widerspruch zwischen dem Vorbringen der Kommission im Rahmen des Verfahrens vor dem Gericht einerseits und dem Wortlaut der streitigen Entscheidung andererseits ist nach Ansicht des Gerichts geeignet, Zweifel an ihrer Vereinbarkeit mit den Vorschriften der gemeinsamen Agrarpolitik zu wecken.

91 Darüber hinaus ist in bezug auf die Beihilfe für die Erzeugung von Stärkederivaten festzustellen, daß die Kommission in der Mitteilung an die Beteiligten bei der Einleitung des Verfahrens gemäß Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages folgendes ausgeführt hat: "Damit das wirtschaftliche Gleichgewicht bei der Herstellung von Erzeugnissen auf Stärkebasis nicht gestört wird, setzen die potentiellen Marktlücken neue Verwendungszwecke voraus." Aus der zum maßgeblichen Zeitpunkt geltenden Regelung, dem Anhang der Entscheidung 90/342, ergibt sich, daß Investitionen, die Stärkederivate betreffen, von einer Gemeinschaftsbeteiligung ausgeschlossen sind, wenn nicht nachgewiesen worden ist, daß realistische Absatzmöglichkeiten bestehen. Die Kommission hat folglich in der Mitteilung an die Beteiligten auf die Kriterien Bezug genommen, die bei der Auswahl der für eine Gemeinschaftsbeteiligung in Betracht kommenden Investitionen im Bereich der Stärkederivate heranzuziehen sind. Die angefochtene Entscheidung enthält jedoch keine Bestimmung, in der die Bedingung, daß die zusätzliche Erzeugung von Stärkederivaten neuen Verwendungszwecken dienen muß, aufgegriffen wird; sie enthält darüber hinaus nicht einmal einen Anhaltspunkt dafür, daß das Verfahren gemäß Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages wegen Beihilfen für die Erzeugung von Stärkederivaten eingeleitet wurde.

92 Im Rahmen des Verfahrens vor dem Gericht hat die Kommission entgegen der in der genannten Mitteilung enthaltenen Aussage geltend gemacht, daß die Regelung über die Gemeinschaftsbeteiligungen auf staatliche Beihilfen für die Erzeugung von Stärkederivaten nicht analog anwendbar sei. Zur Begründung hat die Kommission auf Artikel 16 Absatz 5 der Verordnung Nr. 866/90 verwiesen, der lautet: "Die Mitgliedstaaten können im Regelungsbereich dieser Verordnung Fördermaßnahmen treffen, die in bezug auf die Bedingungen und Einzelheiten der Gewährung von denen dieser Verordnung abweichen bzw. höhere Hoechstbeträge vorsehen, sofern diese Maßnahmen mit den Artikeln 92 und 94 des Vertrages vereinbar sind." Diese Bestimmung stützt jedoch nicht die von der Kommission getroffene Unterscheidung zwischen sektoriellen Ausschlüssen von Gemeinschaftsbeteiligungen, die auf staatliche Beihilfen analog anwendbar sind, und sonstigen Ausschlüssen von Gemeinschaftsbeteiligungen, die nicht analog anwendbar sind. Davon abgesehen hat die Kommission keine Erklärung dafür gegeben, warum sie ihre Meinung im Lauf des vorprozessualen Verfahrens offenbar geändert hat.

93 Das Gericht braucht sich zur Klärung der Frage, ob die angefochtene Entscheidung als Maßnahme der Geschäftsführung und der Verwaltung eingestuft werden kann, jedoch nicht abschließend zu diesen Punkten zu äussern. Es ist nämlich festzustellen, daß die Anwendung von Artikel 9 der Entscheidung 88/318 im vorliegenden Fall die beiden Grundsatzfragen aufwirft, ob zum einen die Stärkeerzeugung der Beihilfebegünstigten unmittelbar oder mittelbar subventioniert wird und ob zum anderen die Regelung über die Gemeinschaftsbeteiligungen auf staatliche Beihilfen für die Erzeugung von Stärkederivaten analog anzuwenden ist.

94 Daraus folgt ° selbst wenn die in Artikel 9 der Entscheidung 88/318 aufgestellte Bedingung von den Dienststellen der Kommission routinemässig in alle Entscheidungen über staatliche Beihilfen aufgenommen wird °, daß die Kontrolle der Einhaltung dieser Bedingung im vorliegenden Fall eine derart eingehende Prüfung komplexer Sach- und Rechtsfragen erforderlich gemacht hat, daß die angefochtene Entscheidung nicht als Maßnahme der Geschäftsführung und der Verwaltung eingestuft werden kann.

95 Nach alledem konnte die angefochtene Entscheidung nicht im Wege der Ermächtigung erlassen werden.

96 Somit ist das Argument der Kommission zu prüfen, die angefochtene Entscheidung sei, selbst wenn sie nicht im Wege der Ermächtigung habe erlassen werden können, nicht unter Verletzung der Vorschriften über das Verfahren zum Erlaß ihrer Entscheidungen getroffen worden. Sie hat dazu geltend gemacht, daß das Kommissionskollegium seine Entscheidung auf der Grundlage eines eingehenden und erschöpfenden Entwurfs eines Schreibens an die italienische Regierung getroffen habe und daß Herr Mac Sharry diesen Entwurf eines Schreibens lediglich in eine förmliche Entscheidung umgewandelt habe.

97 Zum Kollegialprinzip hat der Gerichtshof im PVC-Urteil entschieden, daß die Beachtung dieses Prinzips und insbesondere das Erfordernis, daß die Entscheidungen von den Mitgliedern der Kommission gemeinsam beraten werden, für die von den Rechtswirkungen dieser Entscheidungen betroffenen Rechtssubjekte zwangsläufig insoweit von Interesse ist, als sie die Gewähr dafür haben müssen, daß die Entscheidungen tatsächlich vom Kollegium getroffen worden sind und dessen Willen genau entsprechen.

98 Im selben Urteil hat der Gerichtshof hinzugefügt (Randnr. 65): "Dies gilt insbesondere, wie auch im vorliegenden Fall, für die ausdrücklich als Entscheidungen gekennzeichneten Rechtsakte, die die Kommission gemäß den Artikeln 3 Absatz 1 und 15 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962 ° Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages ° (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204) gegenüber Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen im Interesse der Einhaltung der Wettbewerbsregeln erlässt und mit denen eine Zuwiderhandlung gegen diese Regeln festgestellt, Anordnungen gegenüber diesen Unternehmen erlassen und ihnen finanzielle Sanktionen auferlegt werden können." Der Gerichtshof hat daraus geschlossen, daß am Wortlaut des fraglichen Rechtsaktes nach seiner Annahme durch das Kollegium nur noch rein orthographische oder grammatikalische Anpassungen hätten vorgenommen werden dürfen (Randnr. 68).

99 Aus diesem Urteil ergibt sich ausdrücklich, daß Entscheidungen zur Anwendung der Wettbewerbsregeln wie die, die Gegenstand des Urteils war, darin nur als Beispiel für einen Fall der strikten Anwendung des Kollegialprinzips genannt werden. Im vorliegenden Fall wurde die angefochtene Entscheidung am Ende eines gemäß Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages eingeleiteten Verfahrens erlassen. Solche Entscheidungen, die das endgültige Urteil der Kommission über die Vereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Vertrag oder, wie hier, mit einer allgemeinen Beihilferegelung zum Ausdruck bringen, wirken sich nicht nur auf den Mitgliedstaat aus, an den die Entscheidung gerichtet ist, sondern auch auf den Empfänger der geplanten Beihilfe und dessen Konkurrenten.

100 Im vorliegenden Fall wurde dem Kommissionskollegium in seiner Sitzung vom 31. Juli 1991 aber nur der Entwurf eines das endgültige Beihilfevorhaben betreffenden Schreibens an die italienische Regierung unterbreitet, der keinen verfügenden Teil enthielt. Im Gegensatz zum Vorbringen der Kommission handelt es sich keineswegs um einen detaillierten und umfassenden Entscheidungsentwurf, denn mehrere Absätze und Tabellen dieses Entwurfs mussten in der Endfassung vervollständigt werden, so z. B. die Angaben über die Ein- und Ausfuhren der fraglichen Erzeugnisse, über die von der Empfängerin der Beihilfen geplante Erzeugung und über den Gesamtbetrag der vorgesehenen Beihilfen.

101 Ausserdem wurden einige der im Entwurf des Schreibens enthaltenen Angaben, wie z. B. die Angaben über die Beihilfeintensität, in der endgültigen Entscheidung geändert. So enthält der Entwurf des Schreibens folgende in der angefochtenen Entscheidung nicht vorkommende Angaben: "Im übrigen ist festzustellen, daß die Intensität der geplanten Beihilfen der im Rahmen der Stellungnahme der Kommission vom 1. März 1986 genehmigten Höhe der Beihilfen (Hefe, Proteine, biologisch abbaubarer Kunststoff) und der im Rahmen der auf nationale Beihilfen analog angewandten Verordnung (EWG) Nr. 866/90 genehmigten Höhe der Beihilfen (Kühlung von Obst und Gemüse, ausgenommen Tomaten, Birnen und Pfirsiche) und Glucose entspricht. Diese Intensität entspricht auch den in der Entscheidung der Kommission vom 2. März 1988 über die Genehmigung der im Gesetz Nr. 64/86 enthaltenen Regelung aufgestellten Bedingungen." Dieser Absatz erweckt den Eindruck, daß die Bestimmungen über die Gemeinschaftsbeteiligungen im allgemeinen auf staatliche Beihilfen analog anwendbar seien und daß diese Bestimmungen im vorliegenden Fall eingehalten worden seien. Wie oben ausgeführt wurde (Randnr. 91), ergibt sich jedoch aus der Anlage der Entscheidung 90/342, daß Investitionen, die Stärkederivate betreffen, von einer Gemeinschaftsbeteiligung ausgeschlossen sind, wenn nicht nachgewiesen worden ist, daß realistische Absatzmöglichkeiten bestehen.

102 Somit ist festzustellen, daß der Entwurf des Schreibens an die italienische Regierung keinen Anhaltspunkt dafür enthält, daß die Kommission zur Frage der analogen Anwendung der Vorschriften über Gemeinschaftsbeteiligungen auf staatliche Beihilfen in der angefochtenen Entscheidung ihre Meinung tatsächlich gegenüber dem in der Mitteilung an die Beteiligten vertretenen Standpunkt geändert hat.

103 Unter diesen Umständen ° und selbst wenn man annimmt, daß das Kommissionskollegium bei Entscheidungen der vorliegenden Art ein bestimmtes Mitglied mit der Aufgabe betrauen kann, eine vom Kollegium im Grundsatz getroffene Entscheidung abschließend zu erlassen ° kann im vorliegenden Fall die angefochtene Entscheidung mit all ihren tatsächlichen und rechtlichen Bestandteilen nicht als vom Kollegium erlassen angesehen werden. Daraus folgt, daß die am Entwurf des Schreibens an die italienische Regierung vorgenommenen Änderungen weit über die Änderungen hinausgehen, die an der Entscheidung des Kollegiums im Einklang mit dem Kollegialprinzip vorgenommen werden durften.

104 Zudem hat das Kollegium in der genannten Sitzung keinen Text für die endgültige Entscheidung genehmigt hat, denn es hat nach dem Protokoll der Sitzung vom 31. Juli 1991 beschlossen, "Herrn Kommissar Mac Sharry zu ermächtigen, im Einvernehmen mit dem Herrn Präsidenten durch eine förmliche, mit Auflagen versehene Entscheidung die abschließende Genehmigung für die neue Beihilferegelung... zu erteilen"; das genannte Protokoll enthält keinen Anhaltspunkt dafür, daß der betreffende Kommissar an den Wortlaut des dem Kollegium unterbreiteten Entwurfs des Schreibens gebunden war. Ein Vergleich zwischen dem Wortlaut des dem Kollegium unterbreiteten Entwurfs des Schreibens und dem Wortlaut der angefochtenen Entscheidung zeigt vielmehr, daß zwar in beiden Schriftstücken im wesentlichen dieselben Sach- und Rechtsfragen angesprochen werden, daß aber die angefochtene Entscheidung gegenüber dem Entwurf des Schreibens fast völlig neu gefasst wurde und nur wenige Absätze unverändert blieben. Unter diesen Umständen bleibt dem Gericht nur die Feststellung, daß die angefochtene Entscheidung unter Verletzung von Artikel 27 der Geschäftsordnung der Kommission im Wege der Ermächtigung erlassen worden ist.

105 Aber auch dann, wenn die angefochtene Entscheidung als vom Kommissionskollegium getroffen angesehen werden könnte, hätte die Kommission in jedem Fall Artikel 12 Absatz 1 ihrer Geschäftsordnung verletzt, da sie die genannte Entscheidung nicht in der in diesem Artikel vorgesehenen Form festgestellt hat (vgl. Randnrn. 74 bis 77 des PVC-Urteils, a. a. O.).

106 Schließlich ist zu der Frage, ob die Entscheidung mit derartigen Formmängeln behaftet ist, daß sie als inexistent anzusehen ist, festzustellen, daß das Kollegium laut dem Protokoll seiner Sitzung vom 31. Juli 1991 ausdrücklich beschlossen hat, die angefochtene Entscheidung im Wege der Ermächtigung zu erlassen. Auch wenn die Entscheidung vom Kollegium selbst hätte erlassen werden müssen, ist dieser Formmangel nach Ansicht des Gerichts nicht derart schwerwiegend, daß die genannte Entscheidung als inexistent angesehen werden müsste (vgl. in diesem Sinne auch das PVC-Urteil, a. a. O., Randnrn. 49 bis 52).

107 Nach alledem ist die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären, ohne daß die übrigen von den Klägerinnen angeführten Klagegründe geprüft zu werden brauchen.

Kostenentscheidung:

Kosten

108 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission mit ihrem Vorbringen im wesentlichen unterlegen ist und die Klägerinnen einen entsprechenden Antrag gestellt haben, sind ihr neben ihren eigenen Kosten die Kosten der Klägerinnen aufzuerlegen.

109 Gemäß Artikel 87 § 4 Absatz 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Die Französische Republik trägt daher ihre eigenen Kosten.

110 Gemäß Artikel 87 § 4 Absatz 2 der Verfahrensordnung kann das Gericht entscheiden, daß ein anderer Streithelfer als die Mitgliedstaaten und die Organe seine eigenen Kosten trägt. Da die Streithelferin Italgrani dem Rechtsstreit zur Unterstützung der Anträge der Kommission beigetreten ist, ist sie zur Tragung ihrer eigenen Kosten zu verurteilen. Da die Streithelferin Casillo Grani kein Interesse am Ausgang des Rechtsstreits mehr hat, hält das Gericht es für angemessen, sie ebenfalls zur Tragung ihrer eigenen Kosten zu verurteilen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Zweite erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Entscheidung 91/474/EWG der Kommission vom 16. August 1991 betreffend die Beihilfen der italienischen Regierung zugunsten der Firma Italgrani zur Errichtung eines agroalimentären Komplexes im Mezzogiorno wird für nichtig erklärt.

2) Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

3) Die Kommission trägt ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Klägerinnen.

4) Die Streithelferinnen tragen ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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