Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 16.07.1998
Aktenzeichen: C-355/96
Rechtsgebiete: Richtlinie 89/104/EWG


Vorschriften:

Richtlinie 89/104/EWG Art. 5
Richtlinie 89/104/EWG Art. 7 Abs. 1
EG-Vertrag Art. 189 Abs. 3
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

4 Nationale Rechtsvorschriften, die die Erschöpfung des Rechts aus einer Marke für Waren vorsehen, die vom Markeninhaber oder mit dessen Zustimmung unter dieser Marke ausserhalb des Europäischen Wirtschaftsraums in den Verkehr gebracht worden sind, sind nicht mit Artikel 7 Absatz 1 der Ersten Markenrichtlinie 89/104 vereinbar.

Einer Auslegung der Richtlinie, wonach diese den Mitgliedstaaten die Möglichkeit belässt, in ihrem innerstaatlichen Recht nicht nur für im Europäischen Wirtschaftsraum, sondern auch für in dritten Ländern in den Verkehr gebrachte Waren eine Erschöpfung vorzusehen, stehen der Wortlaut von Artikel 7 sowie Aufbau und Zweck der Vorschriften der Richtlinie über die Rechte des Markeninhabers entgegen. Zwar erscheint es nach der dritten Begründungserwägung der Richtlinie "gegenwärtig nicht notwendig, die Markenrechte der Mitgliedstaaten vollständig anzugleichen". Jedoch enthält die Richtlinie eine Harmonisierung der zentralen Sachvorschriften auf diesem Gebiet, nämlich derjenigen innerstaatlichen Rechtsvorschriften, die sich am unmittelbarsten auf das Funktionieren des Binnenmarktes auswirken.

Nach der ersten Begründungserwägung der Richtlinie weist nämlich das gegenwärtig in den Mitgliedstaaten geltende Markenrecht Unterschiede auf, durch die der freie Warenverkehr und der freie Dienstleistungsverkehr behindert und die Wettbewerbsbedingungen im Gemeinsamen Markt verfälscht werden könnten; nach der neunten Begründungserwägung ist es zur Erleichterung des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs von wesentlicher Bedeutung, zu erreichen, daß die eingetragenen Marken im Recht aller Mitgliedstaaten einen einheitlichen Schutz genießen.

Die Artikel 5 bis 7 sind daher dahin auszulegen, daß sie eine umfassende Harmonisierung der Vorschriften über die Rechte aus der Marke enthalten.

Folglich kann die Richtlinie nicht dahin verstanden werden, daß sie den Mitgliedstaaten die Möglichkeit belässt, in ihrem innerstaatlichen Recht die Erschöpfung der Rechte aus der Marke für in dritten Ländern in den Verkehr gebrachte Waren vorzusehen.

Diese Auslegung ist überdies die einzige, die die Verwirklichung des Zweckes der Richtlinie, das Funktionieren des Binnenmarktes zu schützen, in vollem Umfang zulässt. Könnten einige Mitgliedstaaten eine internationale Erschöpfung, andere hingegen nur eine gemeinschaftsweite Erschöpfung vorsehen, würden sich nämlich unvermeidlich Behinderungen des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs ergeben.

Gegenüber dieser Auslegung lässt sich nicht einwenden, daß die Richtlinie, die aufgrund des Artikels 100a des Vertrages erlassen wurde, nicht die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern regeln könne. Selbst wenn nämlich Artikel 100a des Vertrages in diesem Sinne auszulegen wäre, so regelt doch Artikel 7 nicht die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern, sondern legt die Rechte von Inhabern von Marken in der Gemeinschaft fest.

5 Der Inhaber einer Marke kann nicht allein aufgrund des Artikels 7 Absatz 1 der Ersten Markenrichtlinie 89/104 begehren, daß ein Dritter die Benutzung seiner Marke für Waren unterlässt, die unter dieser Marke vom Markeninhaber oder mit dessen Zustimmung ausserhalb des Europäischen Wirtschaftsraums in den Verkehr gebracht worden sind.

Die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, Bestimmungen einzuführen, nach denen der Inhaber einer Marke im Fall der Verletzung seiner Rechte einen Unterlassungsanspruch gegen Dritte hat, folgt aus Artikel 5 der Richtlinie, der die Rechte aus der Marke festlegt, und nicht aus Artikel 7.

6 Zwar kann eine Richtlinie nicht selbst Verpflichtungen für einen Bürger begründen, so daß diesem gegenüber eine Berufung auf die Richtlinie als solche nicht möglich ist, doch muß ein nationales Gericht, das nationales Recht anwendet und dieses - gleich, ob es sich um vor oder nach der Richtlinie ergangene Vorschriften handelt - auszulegen hat, seine Auslegung soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie ausrichten, um das mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen und auf diese Weise Artikel 189 Absatz 3 des Vertrages nachzukommen.


Urteil des Gerichtshofes vom 16. Juli 1998. - Silhouette International Schmied GmbH & Co. KG gegen Hartlauer Handelsgesellschaft mbH. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Oberster Gerichtshof - Österreich. - Richtlinie 89/104/EWG - Erschöpfung des Markenrechts - In der Gemeinschaft oder in einem Drittstaat in den Verkehr gebrachte Ware. - Rechtssache C-355/96.

Entscheidungsgründe:

1 Der Oberste Gerichtshof hat mit Beschluß vom 15. Oktober 1996, beim Gerichtshof eingegangen am 30. Oktober 1996, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag zwei Fragen nach der Auslegung von Artikel 7 der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 1989, L 40, S. 1; im folgenden: Richtlinie) in der Fassung des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3; im folgenden: EWR-Abkommen) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen den österreichischen Gesellschaften Silhoütte International Schmied GmbH und Co. KG (im folgenden: Klägerin) und Hartlauer Handelsgesellschaft mbH (im folgenden: Beklagte).

3 Artikel 7 der Richtlinie, der die Erschöpfung des Rechts aus der Marke betrifft, bestimmt:

"(1) Die Marke gewährt ihrem Inhaber nicht das Recht, einem Dritten zu verbieten, die Marke für Waren zu benutzen, die unter dieser Marke von ihm oder mit seiner Zustimmung in der Gemeinschaft in den Verkehr gebracht worden sind.

(2) Absatz l findet keine Anwendung, wenn berechtigte Gründe es rechtfertigen, daß der Inhaber sich dem weiteren Vertrieb der Waren widersetzt, insbesondere wenn der Zustand der Waren nach ihrem Inverkehrbringen verändert oder verschlechtert ist."

4 Gemäß Artikel 65 Absatz 2 in Verbindung mit Anhang XVII Nummer 4 des EWR-Abkommens wurde Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie für die Zwecke des Abkommens so geändert, daß der Ausdruck "in der Gemeinschaft" durch die Worte "in einem Vertragsstaat" ersetzt wurde.

5 Artikel 7 der Richtlinie wurde durch § 10a des Markenschutzgesetzes (MSchG) in das österreichische Recht umgesetzt. Absatz 1 dieser Bestimmung lautet: "Die Marke gewährt ihrem Inhaber nicht das Recht, einem Dritten zu verbieten, die Marke für Waren zu benutzen, die unter dieser Marke von ihrem Inhaber oder mit seiner Zustimmung im EWR in den Verkehr gebracht worden sind."

6 Die Klägerin stellt Brillen der oberen Preisklassen her. Sie vertreibt die Brillen weltweit unter der in Österreich und in den meisten Staaten registrierten Marke "Silhoütte". In Österreich beliefert die Klägerin Fachoptiker selbst mit den Brillen; in anderen Staaten hat sie entweder Tochtergesellschaften oder Vertriebspartner.

7 Die Beklagte vertreibt über ihre zahlreichen Tochtergesellschaften in Österreich u. a. Brillen und wirbt vor allem mit ihren niedrigen Preisen. Sie wird von der Klägerin nicht beliefert, weil diese den Vertrieb durch die Beklagte als dem von ihr aufgebauten Image besonderer Qualität und Aktualität abträglich erachtet.

8 Im Oktober 1995 verkaufte die Klägerin der bulgarischen Firma Union Trading 21 000 Auslaufmodelle von Brillenfassungen zum Preis von 261 450 USD. Sie hatte ihrem Verkaufsrepräsentanten aufgetragen, den Kunden anzuweisen, die Brillenfassungen nur in Bulgarien und in den Staaten der früheren Sowjetunion zu verkaufen und nicht in andere Länder zu exportieren. Der Verkaufsrepräsentant teilte der Klägerin mit, daß er diese Anweisung an den Käufer weitergegeben habe. Ob dies tatsächlich geschehen ist, konnte nach Angabe des Obersten Gerichtshofs nicht festgestellt werden.

9 Im November 1995 lieferte die Klägerin die Fassungen der Firma Union Trading in Sofia. Die Beklagte erwarb diese Ware - von wem, konnte nach Angabe des Obersten Gerichtshofs nicht festgestellt werden - und bot sie ab Dezember 1995 in Österreich zum Kauf an. In einer Pressekampagne wies die Beklagte darauf hin, daß es ihr gelungen sei, trotz Nichtbelieferung durch die Klägerin 21 000 Silhoütte-Fassungen im Ausland käuflich zu erwerben.

10 Die Klägerin beantragte beim Landesgericht Steyr eine einstweilige Verfügung, mit der sie begehrte, der Beklagten zu verbieten, in Österreich Brillen oder Brillenfassungen unter ihrem Markenzeichen zum Verkauf anzubieten, soweit sie nicht von der Klägerin selbst oder mit ihrer Zustimmung im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) in den Verkehr gebracht worden seien. Ihre Rechte aus der Marke seien nicht erschöpft, da die Richtlinie die Erschöpfung dieser Rechte nur für den Fall vorsehe, daß die Erzeugnisse im EWR durch den Inhaber der Marke selbst oder mit dessen Zustimmung durch Dritte in den Verkehr gebracht worden seien. Sie stützte ihren Antrag auf § 10a MSchG, die §§ 1 und 9 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) und § 43 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB).

11 Die Beklagte beantragte, den Antrag abzuweisen, da die Klägerin Brillenfassungen nicht unter der Auflage verkauft habe, daß jeder Reimport in die Gemeinschaft ausgeschlossen sei. § 43 ABGB sei nicht anwendbar. Das Markenschutzgesetz räume auch keinen Unterlassungsanspruch ein, und ihr Verhalten sei angesichts der unklaren Rechtslage nicht sittenwidrig.

12 Der Antrag der Klägerin wurde durch das Landesgericht Steyr und im Rahmen des Rekurses vom Oberlandesgericht Linz zurückgewiesen. Daraufhin hat die Klägerin ausserordentlichen Revisionsrekurs zum Obersten Gerichtshof erhoben.

13 Der Oberste Gerichtshof hat festgestellt, daß die Rechtssache, mit der er befasst worden sei, den Reimport von Originalware des Markeninhabers betreffe, die von diesem in einem Drittstaat in den Verkehr gebracht worden sei. Vor dem Inkrafttreten von § 10a MSchG hätten die österreichischen Gerichte den Grundsatz der weltweiten Erschöpfung des Markenrechts (danach sind die Rechte des Markeninhabers, wenn das Markenprodukt in den Verkehr gebracht worden ist, unabhängig vom Ort dieses Inverkehrbringens erschöpft) angewandt. Nach den Materialien zu dem österreichischen Gesetz, mit dem Artikel 7 der Richtlinie umgesetzt worden sei, habe die Lösung der Frage nach der Geltung des Grundsatzes der weltweiten Erschöpfung der Rechtspraxis überlassen bleiben sollen.

14 Der Oberste Gerichtshof hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist Artikel 7 Absatz 1 der Ersten Richtlinie des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (89/104/EWG, ABl. L 40 vom 11. Februar 1989 - Markenrichtlinie) dahin auszulegen, daß die Marke ihrem Inhaber das Recht gewährt, einem Dritten zu verbieten, die Marke für Waren zu benutzen, die unter dieser Marke in einem Staat, der nicht Vertragsstaat ist, in den Verkehr gebracht worden sind?

2. Kann der Markeninhaber allein aufgrund von Artikel 7 Absatz 1 der Markenrichtlinie begehren, daß der Dritte die Benutzung der Marke für Waren unterlässt, die unter dieser Marke in einem Staat, der nicht Vertragsstaat ist, in den Verkehr gebracht worden sind?

Zur ersten Frage

15 Mit der ersten Frage will der Oberste Gerichtshof wissen, ob nationale Rechtsvorschriften, die die Erschöpfung des Rechts aus einer Marke für Waren vorsehen, die vom Markeninhaber oder mit dessen Zustimmung ausserhalb des EWR unter dieser Marke in den Verkehr gebracht worden sind, mit Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie vereinbar sind.

16 Artikel 5 der Richtlinie zählt die "Rechte aus der Marke" abschließend auf. Artikel 7 regelt die "Erschöpfung des Rechts aus der Marke".

17 Nach Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie gewährt die eingetragene Marke ihrem Inhaber ein ausschließliches Recht. Nach Absatz 1 Buchstabe a gestattet das ausschließliche Recht es seinem Inhaber, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr u. a. ein mit der Marke identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die sie eingetragen ist. Nach Artikel 5 Absatz 3, der nicht abschließend die Arten der Benutzung aufzählt, die der Inhaber nach Absatz 1 verbieten kann, erstreckt sich diese Befugnis insbesondere auf die Einfuhr und die Ausfuhr von mit der betreffenden Marke versehenen Erzeugnissen.

18 So, wie Artikel 6 der Richtlinie einige Beschränkungen der Wirkungen der Marke festlegt, bestimmt Artikel 7, daß das ausschließliche Recht aus der Marke unter den dort aufgestellten Voraussetzungen erschöpft ist, so daß der Inhaber der Marke deren Benutzung nicht mehr verbieten kann. Voraussetzung für die Erschöpfung ist zunächst, daß die Waren vom Markeninhaber oder mit dessen Zustimmung in den Verkehr gebracht worden sind. Nach dem Wortlaut der Richtlinie kann eine Erschöpfung nur eintreten, wenn die Waren in der Gemeinschaft (seit dem Inkrafttreten des EWR-Abkommens: im EWR) in den Verkehr gebracht wurden.

19 Auch ist vor dem Gerichtshof nicht vorgetragen worden, daß die Richtlinie dahin ausgelegt werden könne, daß eine Erschöpfung der Rechte aus der Marke bei Waren, die vom Inhaber oder mit seiner Zustimmung in den Verkehr gebracht wurden, unabhängig davon eintrete, wo das Inverkehrbringen erfolgte.

20 Hingegen haben die Beklagte und die schwedische Regierung vorgetragen, die Richtlinie belasse den Mitgliedstaaten die Befugnis, in ihrem innerstaatlichen Recht nicht nur für im EWR, sondern auch für in dritten Ländern in den Verkehr gebrachte Waren eine Erschöpfung vorzusehen.

21 Angesichts des Wortlauts des Artikels 7 setzt die von der Beklagten und der schwedischen Regierung vorgeschlagene Auslegung der Richtlinie voraus, daß die Richtlinie entsprechend der Rechtsprechung des Gerichtshofes zu den Artikeln 30 und 36 EG-Vertrag die Mitgliedstaaten nur verpflichtet, die gemeinschaftsweite Erschöpfung vorzusehen, daß jedoch ihr Artikel 7 die Frage der Erschöpfung der Rechte aus der Marke nicht abschließend regelt, so daß den Mitgliedstaaten die Möglichkeit verbleibt, Erschöpfungsbestimmungen vorzusehen, die über das in Artikel 7 der Richtlinie ausdrücklich Bestimmte hinausgehen.

22 Wie jedoch die Klägerin, die österreichische, die deutsche, die französische, die italienische Regierung und die Regierung des Vereinigten Königreichs sowie die Kommission geltend gemacht haben, stehen einer solchen Auslegung der Wortlaut von Artikel 7 sowie Aufbau und Zweck der Vorschriften der Richtlinie über die Rechte des Markeninhabers entgegen.

23 Zwar erscheint es nach der dritten Begründungserwägung der Richtlinie "gegenwärtig nicht notwendig, die Markenrechte der Mitgliedstaaten vollständig anzugleichen". Jedoch enthält die Richtlinie eine Harmonisierung der zentralen Sachvorschriften auf diesem Gebiet, nämlich, wie es in dieser Begründungserwägung heisst, derjenigen innerstaatlichen Rechtsvorschriften, die sich am unmittelbarsten auf das Funktionieren des Binnenmarktes auswirken; eine umfassende Harmonisierung dieser Rechtsvorschriften schließt diese Begründungserwägung nicht aus.

24 In der ersten Begründungserwägung der Richtlinie heisst es nämlich, daß das gegenwärtig in den Mitgliedstaaten geltende Markenrecht Unterschiede aufweise, durch die der freie Warenverkehr und der freie Dienstleistungsverkehr behindert und die Wettbewerbsbedingungen im Gemeinsamen Markt verfälscht werden könnten, so daß zur Errichtung und zum Funktionieren des Binnenmarktes eine Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten erforderlich sei. Nach der neunten Begründungserwägung ist es zur Erleichterung des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs von wesentlicher Bedeutung, zu erreichen, daß die eingetragenen Marken im Recht aller Mitgliedstaaten einen einheitlichen Schutz genießen, wovon jedoch die Möglichkeit der Mitgliedstaaten unberührt bleibe, bekannten Marken einen weitergehenden Schutz zu gewähren.

25 Angesichts dieser Begründungserwägungen sind die Artikel 5 bis 7 der Richtlinie dahin auszulegen, daß sie eine umfassende Harmonisierung der Vorschriften über die Rechte aus der Marke enthalten. Diese Auslegung wird dadurch bestätigt, daß Artikel 5 den Mitgliedstaaten ausdrücklich die Befugnis belässt, bestimmte, vom Gemeinschaftsgesetzgeber besonders aufgezählte Vorschriften beizubehalten oder einzuführen. So können die Mitgliedstaaten nach Artikel 5 Absatz 2, auf den sich die neunte Begründungserwägung bezieht, bekannten Marken einen weitergehenden Schutz gewähren.

26 Folglich kann die Richtlinie nicht dahin verstanden werden, daß sie den Mitgliedstaaten die Möglichkeit belässt, in ihrem innerstaatlichen Recht die Erschöpfung der Rechte aus der Marke für in dritten Ländern in den Verkehr gebrachte Waren vorzusehen.

27 Diese Auslegung ist überdies die einzige, die die Verwirklichung des Zweckes der Richtlinie, das Funktionieren des Binnenmarktes zu schützen, in vollem Umfang zulässt. Könnten einige Mitgliedstaaten eine internationale Erschöpfung, andere hingegen nur eine gemeinschaftsweite Erschöpfung vorsehen, würden sich nämlich unvermeidlich Behinderungen des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs ergeben.

28 Gegenüber dieser Auslegung lässt sich nicht einwenden, wie dies die schwedische Regierung getan hat, daß die Richtlinie, die aufgrund des Artikels 100a EG-Vertrag erlassen wurde, der die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über das Funktionieren des Binnenmarktes regelt, nicht die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern regeln könne, so daß ihr Artikel 7 dahin auszulegen sei, daß die Richtlinie nur die Beziehungen innerhalb der Gemeinschaft betreffe.

29 Selbst wenn nämlich Artikel 100a EG-Vertrag in dem von der schwedischen Regierung vertretenen Sinne auszulegen wäre, so regelt doch Artikel 7, wie in diesem Urteil ausgeführt wird, nicht die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern, sondern legt die Rechte von Inhabern von Marken in der Gemeinschaft fest.

30 Schließlich können die zuständigen Gemeinschaftsstellen durch den Abschluß völkerrechtlicher Verträge die in Artikel 7 vorgesehene Erschöpfung immer noch auf Waren ausdehnen, die in dritten Ländern in den Verkehr gebracht wurden, wie dies auch im Rahmen des EWR-Abkommens geschehen ist.

31 Aufgrund der vorstehenden Ausführungen ist auf die erste Frage zu antworten, daß nationale Rechtsvorschriften, die die Erschöpfung des Rechts aus einer Marke für Waren vorsehen, die vom Markeninhaber oder mit dessen Zustimmung ausserhalb des EWR unter dieser Marke in den Verkehr gebracht worden sind, nicht mit Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie in der Fassung des EWR-Abkommens vereinbar sind.

Zur zweiten Frage

32 Mit seiner zweiten Frage möchte der Oberste Gerichtshof wissen, ob der Inhaber einer Marke allein aufgrund des Artikels 7 Absatz 1 der Richtlinie begehren kann, daß ein Dritter die Benutzung seiner Marke für Waren unterlässt, die unter dieser Marke vom Markeninhaber oder mit dessen Zustimmung ausserhalb des EWR in den Verkehr gebracht worden sind.

33 In seinem Vorlagebeschluß, wie er durch ein späteres Schreiben präzisiert worden ist, hat der Oberste Gerichtshof festgestellt:

- Die zweite Frage sei deshalb gestellt worden, weil das Markenschutzgesetz keinen Unterlassungsanspruch normiere und auch keine Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie entsprechende Bestimmung enthalte. Wegen eines Markeneingriffes könne nur dann Unterlassung begehrt werden, wenn gleichzeitig ein Verstoß gegen § 9 UWG vorliege, dessen Anwendung eine Verwechslungsgefahr voraussetze, die dann nicht bestehe, wenn es sich um Originalware des Markeninhabers handele.

- Im österreichischen Recht könne sich der Markeninhaber, zumindest nach bisherigem Verständnis, nicht auf einen Unterlassungsanspruch gegen denjenigen berufen, der Markenware parallel importiere oder reimportiere, wenn der Unterlassungsanspruch nicht schon aus § 10a Absatz 1 MSchG folge. Nach österreichischem Recht stelle sich daher die Frage, ob der mit § 10a Absatz 1 des MSchG inhaltsgleiche Artikel 7 Absatz 1 der Markenrichtlinie einen solchen Unterlassungsanspruch normiere und ob der Markeninhaber allein aufgrund dieser Bestimmung vom Dritten verlangen könne, die Benutzung der Marke für Waren zu unterlassen, die unter dieser Marke ausserhalb des EWR in den Verkehr gebracht worden seien.

34 Nach dem Aufbau der Richtlinie sind die Rechte aus der Marke in Artikel 5 festgelegt, während Artikel 7 gegenüber dieser Festlegung eine wichtige Einschränkung enthält, indem er bestimmt, daß die durch Artikel 5 gewährten Rechte ihrem Inhaber nicht erlauben, die Benutzung der Marke zu verbieten, wenn die in Artikel 7 genannten Erschöpfungsvoraussetzungen erfuellt sind.

35 Zwar verpflichtet die Richtlinie die Mitgliedstaaten unbestreitbar, Bestimmungen einzuführen, nach denen der Inhaber einer Marke im Fall der Verletzung seiner Rechte einen Unterlassungsanspruch gegen Dritte hat; diese Verpflichtung folgt jedoch aus Artikel 5 und nicht aus Artikel 7 der Richtlinie.

36 Nach ständiger Rechtsprechung kann zwar eine Richtlinie nicht selbst Verpflichtungen für einen Bürger begründen, so daß diesem gegenüber eine Berufung auf die Richtlinie als solche nicht möglich ist. Nun muß aber nach derselben Rechtsprechung ein nationales Gericht, das bei der Anwendung des nationalen Rechts - gleich, ob es sich um vor oder nach der Richtlinie ergangene Vorschriften handelt - dieses auszulegen hat, seine Auslegung soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie ausrichten, um das mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen und auf diese Weise Artikel 189 Absatz 3 EG-Vertrag nachzukommen (vgl. insbesondere Urteile vom 13. November 1990 in der Rechtssache C-106/89, Marleasing, Slg. 1990, I-4135, Randnrn. 6 und 8, und vom 14. Juli 1994 in der Rechtssache C-91/92, Faccini Dori, Slg. 1994, I-3325, Randnrn. 20 und 26).

37 Unbeschadet dieser Ausführungen zur Verpflichtung des vorlegenden Gerichts, das nationale Recht soweit wie möglich im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht auszulegen, ist somit auf die zweite Frage zu antworten, daß der Inhaber einer Marke nicht allein aufgrund des Artikels 7 Absatz 1 der Richtlinie begehren kann, daß ein Dritter die Benutzung seiner Marke für Waren unterlässt, die unter dieser Marke vom Markeninhaber oder mit dessen Zustimmung ausserhalb des EWR in den Verkehr gebracht worden sind.

Kostenentscheidung:

Kosten

38 Die Auslagen der österreichischen, der deutschen, der französischen, der italienischen, der schwedischen Regierung und der Regierung des Vereinigten Königreichs sowie der Kommission, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorliegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

auf die ihm vom Obersten Gerichtshof mit Beschluß vom 15. Oktober 1996 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1. Nationale Rechtsvorschriften, die die Erschöpfung des Rechts aus einer Marke für Waren vorsehen, die vom Markeninhaber oder mit dessen Zustimmung unter dieser Marke ausserhalb des Europäischen Wirtschaftsraums in den Verkehr gebracht worden sind, sind nicht mit Artikel 7 Absatz 1 der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken in der Fassung des EWR-Abkommens vom 2. Mai 1992 vereinbar.

2. Der Inhaber einer Marke kann nicht allein aufgrund des Artikels 7 Absatz 1 der Richtlinie 89/104 begehren, daß ein Dritter die Benutzung seiner Marke für Waren unterlässt, die unter dieser Marke vom Markeninhaber oder mit dessen Zustimmung ausserhalb des Europäischen Wirtschaftsraums in den Verkehr gebracht worden sind.

Ende der Entscheidung

Zurück