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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 14.02.1990
Aktenzeichen: 301/87
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 92 Abs. 1
EWG-Vertrag Art. 93 Abs. 2
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Die in Artikel 93 Absatz 3 Satz 1 EWG-Vertrag vorgesehene Verpflichtung zur Meldung von Beihilfevorhaben soll der Kommission Gelegenheit geben, ihre Kontrolle über jede beabsichtigte Einführung oder Umgestaltung von Beihilfen rechtzeitig und im allgemeinen Interesse der Gemeinschaften auszuüben, während das in Artikel 93 Absatz 3 Satz 3 EWG-Vertrag vorgesehene Durchführungsverbot gewährleisten soll, daß die Wirkungen einer Beihilferegelung nicht eintreten, bevor die Kommission innerhalb einer angemessenen Frist das Vorhaben im einzelnen prüfen und gegebenenfalls das in Artikel 93 Absatz 2 vorgesehene Verfahren einleiten konnte.

Dieses System ist nur wirksam, wenn Sicherungsmaßnahmen ergriffen werden können, mit denen gegen jede Verletzung der Bestimmungen des Artikels 93 Absatz 3 eingeschritten werden kann, und wenn zur Wahrung der berechtigten Interessen der Mitgliedstaaten diese Maßnahmen mit einer Klage angefochten werden können. Stellt also die Kommission fest, daß eine Beihilfe eingeführt oder umgestaltet wurde, ohne daß sie davon zuvor unterrichtet wurde, so kann sie dem betreffenden Mitgliedstaat, nachdem ihm Gelegenheit gegeben wurde, sich dazu zu äussern, vorläufig aufgeben, die Zahlung der Beihilfe unverzueglich bis zum Abschluß ihrer Überprüfung einzustellen und der Kommission innerhalb der von ihr festgesetzten Frist alle Unterlagen, Informationen und Daten zu verschaffen, die notwendig sind, um die Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt zu prüfen. Die gleiche Anordnungsbefugnis steht der Kommission zu, wenn sie zwar von der Beihilfe unterrichtet wurde, der betreffende Mitgliedstaat jedoch, ohne den Ausgang des in Artikel 93 Absätze 2 und 3 EWG-Vertrag vorgesehenen Verfahrens abzuwarten, unter Verstoß gegen das in Artikel 93 Absatz 3 aufgestellte Verbot das Beihilfevorhaben durchführt.

Kommt der Mitgliedstaat der Anordnung der Kommission vollständig nach und erteilt die verlangten Auskünfte, so ist die Kommission verpflichtet, die Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt nach dem Verfahren des Artikels 93 Absätze 2 und 3 EWG-Vertrag zu prüfen. Erteilt der Mitgliedstaat hingegen trotz der Anordnung der Kommission die verlangten Auskünfte nicht, so ist die Kommission befugt, das Verfahren abzuschließen und die Entscheidung, mit der die Vereinbarkeit oder Unvereinbarkeit der Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt festgestellt wird, auf der Grundlage der ihr vorliegenden Informationen zu erlassen. In dieser Entscheidung kann gegebenenfalls die Rückforderung des bereits ausgezahlten Beihilfebetrags angeordnet werden.

Stellt der Mitgliedstaat trotz der Anordnung der Kommission die Zahlung der Beihilfe nicht ein, so kann die Kommission bei gleichzeitiger Fortsetzung ihrer Sachprüfung den Gerichtshof unmittelbar anrufen, um diese Vertragsverletzung feststellen zu lassen. Eine solche Klageerhebung ist wegen der bestehenden Dringlichkeit gerechtfertigt, da bereits eine anordnende Entscheidung vorliegt, die, nachdem dem betroffenen Mitgliedstaat Gelegenheit zur Äusserung gegeben wurde - also genau wie im Falle der Klagemöglichkeit nach Artikel 93 Absatz 2 Unterabsatz 2 EWG-Vertrag am Ende eines vorprozessualen kontradiktorischen Verfahrens -, ergangen ist. Diese Klage stellt nur eine Sonderform der Vertragsverletzungsklage dar, die auf die besonderen Probleme abgestimmt ist, die staatliche Beihilfen für den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes mit sich bringen.

2. Ist die Kommission nicht so rechtzeitig im Sinne des Artikels 93 Absatz 3 EWG-Vertrag unterrichtet worden, daß sie sich zu den Beihilfevorhaben hätte äussern können, und wurden ihr nur unvollständige Auskünfte erteilt, so verletzt sie nicht den allgemeinen Grundsatz der Rechtssicherheit, wenn sie eine Bedenk - und Prüfungszeit bis zur Absendung des Aufforderungsschreibens gemäß Artikel 93 Absatz 2 an den Mitgliedstaat in Anspruch nimmt. Es kann ihr auch nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß sie einen ziemlich langen Zeitraum bis zum Erlaß ihrer abschließenden Entscheidung verstreichen ließ, wenn sie wegen des Verhaltens des betreffenden Mitgliedstaats erst sehr spät über die Informationen verfügte, die sie für die Prüfung der Vereinbarkeit der Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt benötigte.

3. Die Gewährung rechtlichen Gehörs ist in allen Verfahren, die zu einer den Betroffenen beschwerenden Maßnahme führen können, ein fundamentaler Grundsatz des Gemeinschaftsrechts und muß auch dann sichergestellt werden, wenn eine besondere Regelung fehlt. Angewandt auf die Prüfung von Beihilfevorhaben durch die Kommission gebietet dieser Grundsatz, dem betroffenden Mitgliedstaat Gelegenheit zu geben, zu den Äusserungen Stellung zu nehmen, die beteiligte Dritte nach Artikel 93 Absatz 2 EWG-Vertrag abgegeben haben und auf die die Kommission ihre Entscheidung stützen will. Soll der Anspruch auf rechtliches Gehör nicht verletzt werden, darf die Kommission solche Äusserungen in ihrer Entscheidung gegen diesen Staat nicht berücksichtigen, soweit dieser keine Gelegenheit hatte, hierzu Stellung zu nehmen. Eine solche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör führt jedoch nur dann zu einer Nichtigerklärung, wenn das Verfahren ohne diese Verletzung zu einem anderen Ergebnis hätte führen können.

4. Hat ein Mitgliedstaat eine Beihilfe gewährt, ohne sie zuvor in der Planungsphase der Kommission gemeldet zu haben, so brauchen in der Begründung der Entscheidung, mit der die Unvereinbarkeit dieser Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt festgestellt wird, nicht die tatsächlichen Auswirkungen dieser Beihilfe auf den Wettbewerb oder den Handel zwischen Mitgliedstaaten dargelegt zu werden. Anderenfalls würden diejenigen Mitgliedstaaten, die Beihilfen unter Verstoß gegen die Mitteilungspflicht gemäß Artikel 93 Absatz 3 EWG-Vetrag zahlen, zu Lasten derjenigen begünstigt, die die Beihilfen in der Planungsphase anmelden.

5. Bei der Prüfung, ob Finanzhilfen eines Mitgliedstaats für ein Unternehmen staatliche Beihilfen darstellen, ist es angebracht, zu ermitteln, ob das Unternehmen die fraglichen Mittel auf den privaten Kapitalmärkten hätte aufbringen können.

6. Im Rahmen des Artikels 92 Absatz 3 EWG-Vertrag verfügt die Kommission über ein weites Ermessen, dessen Ausübung wirtschaftliche und soziale Wertungen voraussetzt, die auf die Gemeinschaft als Ganzes zu beziehen sind. Die Kommission überschreitet die Grenzen ihres Ermessens nicht, wenn sie die Auffassung vertritt, die Ausnahmebestimmung des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe c EWG-Vertrag für Beihilfen zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete, die die Handelsbedingungen nicht in einer dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden Weise verändern, komme nicht für Beihilfen in Betracht, die die Kosten des begünstigten Unternehmens gesenkt und somit die Wettbewerbsfähigkeit anderer Hersteller in der Gemeinschaft geschwächt haben, so daß diese möglicherweise vom Markt verdrängt werden, obwohl sie bisher dank der aus eigener Kraft unternommenen Umstrukturierung, Produktivitätssteigerung und Qualitätsverbesserung ihre Tätigkeit fortführen konnten.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 14. FEBRUAR 1990. - FRANZOESISCHE REPUBLIK GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - STAATLICHE BEIHILFEN - VORHERIGE BEKANNTGABE - KAPITALHILFEN, GEWAEHRUNG VON ZINSVERBILLIGTEN DARLEHEN UND ERMAESSIGUNG DER SOZIALLASTEN. - RECHTSSACHE 301/87.

Entscheidungsgründe:

1 Die Französische Republik hat mit Klageschrift, die am 4. Oktober 1987 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 173 Absatz 1 EWG-Vertrag beantragt, die Entscheidung 87/585/EWG der Kommission vom 15. Juli 1987 über die von der französischen Regierung gewährten Beihilfen für ein Unternehmen der Textil -, Bekleidungs - und Papierindustrie/Boussac Saint Frères ( ABl. L 352, S. 42 ) für nichtig zu erklären.

2 Wie aus den Akten hervorgeht, gewährten die französischen Behörden zwischen Juni 1982 und August 1984 einem französischen Unternehmen der Textil -, Bekleidungs - und Papierindustrie, der Compagnie Boussac Saint Frères ( CBSF ), Finanzhilfen. Diese Finanzhilfen bestanden in einer Kapitalbeteiligung, die vom Institut de développement industriel ( IDI ) vorgenommen und später an die Société de participation et de restructuration industrielle ( Sopari ) übertragen wurde, in weiteren Kapitalhilfen der Sopari an die CBSF, in zinsverbilligten Darlehen und in Ermässigungen der Soziallasten im Rahmen der einschlägigen Beihilferegelung für die Textil - und Bekleidungsindustrie.

3 Nach wiederholter Aufforderung durch die Kommission unterrichtete die französische Regierung die Kommission mit Fernschreiben vom 22. März 1984 und mit Schreiben vom 23. August 1984 davon, daß der CBSF eine Finanzhilfe gewährt worden war. Nach einer ersten Prüfung stellte die Kommission fest, daß die gewährten Beihilfen ihr nicht zuvor in der Planungsphase gemeldet worden seien, und erklärte sie daher für rechtswidrig. Sie war ausserdem der Ansicht, daß alle diese Beihilfen gemäß Artikel 92 Absatz 1 EWG-Vertrag mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar seien und nicht die Voraussetzungen für die Anwendung einer der Ausnahmebestimmungen des Artikels 92 Absatz 3 erfuellten.

4 Mit Schreiben vom 3. Dezember 1984 leitete die Kommission das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 Unterabsatz 1 EWG-Vertrag ein und forderte die französische Regierung zur Äusserung auf.

5 Die französische Regierung nahm mit Schreiben vom 4. Februar, 4. Juni und 11. Oktober 1985, vom 5. Februar, 19. Juni und 21. Juli 1986 und vom 27. März und 21. Mai 1987 sowie in drei Sitzungen mit Vertretern der Kommission vom 18. Oktober 1985 und vom 14. Mai und 4. Juli 1986 Stellung.

6 Die Kommission erließ am 15. Juli 1987 die Entscheidung 87/585, die Gegenstand der vorliegenden Klage ist. Diese Entscheidung enthält die Feststellung, daß es sich bei den gewährten Finanzhilfen um mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare Beihilfen im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 EWG-Vertrag handele, daß diese Beihilfen unter Verstoß gegen Artikel 93 Absatz 3 EWG-Vertrag gewährt worden und daher rechtswidrig seien und daß sie nicht gemäß Artikel 92 Absatz 3 EWG-Vertrag als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden könnten. Nach Artikel 2 der Entscheidung ist ein Teil der Beihilfen zurückzufordern; die französische Regierung hat die Kommission von den insoweit getroffenen Maßnahmen zu unterrichten. In den Begründungserwägungen ihrer Entscheidung weist die Kommission ferner darauf hin, daß ihr im Rahmen des durch diese Entscheidung abgeschlossenen Verfahrens vier weitere Mitgliedstaaten, sechs Verbände und ein Einzelunternehmen Stellungnahmen zugeleitet hätten.

7 Wegen weiterer Einzelheiten der Vorgeschichte des Rechtsstreits, des Vorbringens der Beteiligten und des Verfahrensablaufs wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt ist im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

8 Die französische Regierung stützt ihre Klage auf eine Verletzung der Verfahrensvorschriften des Artikels 93 EWG-Vertrag, eine unzureichende Begründung der angefochtenen Entscheidung, eine unzutreffende Anwendung des Artikels 92 EWG-Vertrag und eine Verletzung des allgemeinen Verhältnismässigkeitsgrundsatzes.

A - Zu den Wirkungen der fehlenden Meldung

9 Zunächst ist ein von der Kommission aufgeworfenes Problem zu untersuchen. Die Kommission ist der Ansicht, da der Gerichtshof die unmittelbare Geltung der klaren, zwingenden und dem Ordre public angehörenden Bestimmungen des Artikels 93 Absatz 3 Satz 3 EWG-Vertrag anerkannt habe, führe eine Nichtbeachtung dieser Bestimmungen bereits für sich allein zur Rechtswidrigkeit der Beihilfen. Diese Rechtswidrigkeit mache jede Sachprüfung überfluessig und berechtige die Kommission, die Rückforderung der Beihilfen anzuordnen. Soweit also die französische Regierung den Teil der angefochtenen Entscheidung beanstande, in dem die Kommission die Unvereinbarkeit der fraglichen Beihilfen mit Artikel 92 EWG-Vertrag feststelle, müsse der Gerichtshof die betreffenden Rügen unberücksichtigt lassen.

10 Die französische Regierung trägt vor, eine etwaige Verletzung der Verfahrensvorschriften des Artikels 93 Absatz 3 EWG-Vertrag mache die Finanzierungsmaßnahmen noch nicht rechtswidrig und rechtfertige für sich allein nicht die Rückforderung der Beihilfen. Die Kommission müsse in jedem Fall hinsichtlich der beanstandeten Hilfen in eine Sachprüfung eintreten.

11 Es ist festzustellen, daß jede dieser beiden Thesen dazu angetan ist, bei der Anwendung erhebliche Schwierigkeiten zu verursachen. Legte man die Ansicht der Kommission zugrunde, würde letztlich anerkannt, daß mit dem Gemeinsamen Markt vereinbare Beihilfen wegen formeller Mängel untersagt werden können. Andererseits kann auch der Auffassung der französischen Regierung nicht gefolgt werden, der zufolge die Kommission im Falle einer von einem Mitgliedstaat unter Verstoß gegen das Verfahren des Artikels 93 Absatz 3 EWG-Vertrag eingeführten oder umgestalteten Beihilfe lediglich dieselben Rechte und Pflichten wie im Falle einer in der Planungsphase ordnungsgemäß gemeldeten Beihilfe hätte. Eine solche Auslegung würde im Ergebnis denjenigen Mitgliedstaat begünstigen, der Artikel 93 Absatz 3 EWG-Vertrag nicht beachtet, und diese Bestimmung ihrer praktischen Wirksamkeit berauben.

12 Angesichts dessen ist das vorliegende Problem anhand einer Gegenüberstellung der jeweiligen Rechte und Pflichten der Kommission und der Mitgliedstaaten im Falle einer Einführung oder Umgestaltung von Beihilfen zu prüfen.

13 Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß die Artikel 92, 93 und 94, die den "Staatliche Beihilfen" überschriebenen Abschnitt 3 des EWG-Vertrags bilden, Mechanismen vorsehen, die die Kommission in die Lage versetzen sollen, aufgrund der ihr vorliegenden Informationen festzustellen, ob es sich bei den beanstandeten Finanzierungsmaßnahmen um Beihilfen im Sinne dieser Artikel handelt.

14 Sodann ist zu bemerken, daß der Rat bisher noch keine Durchführungsverordnung zu den Artikeln 92 und 93 EWG-Vertrag auf der Grundlage des Artikels 94 EWG-Vertrag erlassen hat.

15 Im übrigen ist auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes zu verweisen. Wie in dem Urteil vom 22. März 1977 in der Rechtssache 78/76 ( Steinike und Weinlig, Slg. 1977, 595 ) entschieden wurde, ist das in Artikel 92 Absatz 1 EWG-Vertrag aufgestellte Verbot weder absolut noch unbedingt, da insbesondere in Absatz 3 dieses Artikels der Kommission ein weiter Ermessensspielraum zugestanden wird, Beihilfen unter Abweichung von dem allgemeinen Verbot des Artikels 92 Absatz 1 zuzulassen. Bei der Beurteilung, ob eine staatliche Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist, sind in solchen Fällen vielschichtige und raschen Änderungen unterliegende wirtschaftliche Gegebenheiten zu berücksichtigen und zu bewerten.

16 Artikel 93 EWG-Vertrag schreibt deshalb ein besonderes Verfahren für die fortlaufende Überprüfung und die Überwachung der Beihilfen durch die Kommission vor. Für neue Beihilfen, die die Mitgliedstaaten einzuführen beabsichtigen, ist ein vorab durchzuführendes Verfahren vorgeschrieben, ohne das eine Beihilfe nicht als ordnungsgemäß eingeführt angesehen werden kann. Nach dem EWG-Vertrag, der in seinem Artikel 93 der Kommission die fortlaufende Überprüfung und die Überwachung der Beihilfen überträgt, soll die Feststellung der Unvereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt somit in einem geeigneten Verfahren erfolgen, dessen Durchführung vorbehaltlich der Kontrolle durch den Gerichtshof Sache der Kommission ist.

17 Wie der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung ( vgl. das Urteil vom 9. Oktober 1984 in den verbundenen Rechtssachen 91/83 und 127/83, Heineken, Slg. 1984, 3435 ) weiter ausgeführt hat, soll Artikel 93 Absatz 3 Satz 1 EWG-Vertrag der Kommission Gelegenheit geben, ihre Kontrolle über jede beabsichtigte Einführung oder Umgestaltung von Beihilfen rechtzeitig und im allgemeinen Interesse der Gemeinschaften auszuüben. Artikel 93 Absatz 3 Satz 3 EWG-Vertrag sichert den durch diesen Artikel eingeführten Kontrollmechanismus, der seinerseits für die Gewährleistung des Funktionierens des Gemeinsamen Marktes wesentlich ist. Das in diesem Artikel vorgesehene Durchführungsverbot soll gewährleisten, daß die Wirkungen einer Beihilferegelung nicht eintreten, bevor die Kommission innerhalb einer angemessenen Frist das Vorhaben im einzelnen prüfen und gegebenenfalls das in Artikel 93 Absatz 2 vorgesehene Verfahren einleiten konnte.

18 Das vorstehend geprüfte System ist nur wirksam, wenn Maßnahmen ergriffen werden können, mit denen gegen jede Verletzung der Bestimmungen des Artikels 93 Absatz 3 EWG-Vertrag eingeschritten werden kann, und wenn zur Wahrung der berechtigten Interessen der Mitgliedstaaten diese Maßnahmen mit einer Klage angefochten werden können. Im Rahmen dieses Systems muß es möglich sein, Sicherungsmaßnahmen zu erlassen, wenn die Beihilfepraktiken bestimmter Mitgliedstaaten dazu führen, daß die Regelung der Artikel 92 und 93 EWG-Vertrag unterlaufen wird.

19 Stellt also die Kommission fest, daß eine Beihilfe eingeführt oder umgestaltet wurde, ohne daß sie davon zuvor unterrichtet wurde, so kann sie dem betreffenden Mitgliedstaat, nachdem ihm Gelegenheit gegeben wurde, sich dazu zu äussern, vorläufig aufgeben, die Zahlung der Beihilfe unverzueglich bis zum Abschluß ihrer Überprüfung einzustellen und der Kommission innerhalb der von ihr festgesetzten Frist alle Unterlagen, Informationen und Daten zu verschaffen, die notwendig sind, um die Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt zu prüfen.

20 Die gleiche Anordnungsbefugnis steht der Kommission zu, wenn sie zwar von der Beihilfe unterrichtet wurde, der betreffende Mitgliedstaat jedoch, ohne den Ausgang des in Artikel 93 Absätze 2 und 3 EWG-Vertrag vorgesehenen Verfahrens abzuwarten, unter Verstoß gegen das in Artikel 93 Absatz 3 aufgestellte Verbot das Beihilfevorhaben durchführt.

21 Kommt der Mitgliedstaat der Anordnung der Kommission vollständig nach, so ist diese verpflichtet, die Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt nach dem Verfahren des Artikels 93 Absätze 2 und 3 EWG-Vertrag zu prüfen.

22 Erteilt der Mitgliedstaat trotz der Anordnung der Kommission die verlangten Auskünfte nicht, so ist die Kommission befugt, das Verfahren abzuschließen und die Entscheidung, mit der die Vereinbarkeit oder Unvereinbarkeit der Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt festgestellt wird, auf der Grundlage der ihr vorliegenden Informationen zu erlassen. In dieser Entscheidung kann gegebenenfalls die Rückforderung des bereits ausgezahlten Beihilfebetrags angeordnet werden.

23 Stellt der Mitgliedstaat die Zahlung der Beihilfe nicht ein, so kann die Kommission bei gleichzeitiger Fortsetzung ihrer Sachprüfung den Gerichtshof unmittelbar anrufen, um diese Vertragsverletzung feststellen zu lassen. Eine solche Klageerhebung ist wegen der bestehenden Dringlichkeit gerechtfertigt, da bereits eine anordnende Entscheidung vorliegt, die, nachdem dem betroffenen Mitgliedstaat Gelegenheit zur Äusserung gegeben wurde - also genau wie im Falle der Klagemöglichkeit nach Artikel 93 Absatz 2 Unterabsatz 2 EWG-Vertrag am Ende eines vorprozessualen kontradiktorischen Verfahrens -, ergangen ist. Diese Klage stellt nur eine Sonderform der Vertragsverletzungsklage dar, die auf die besonderen Probleme abgestimmt ist, die staatliche Beihilfen für den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes mit sich bringen.

24 Im vorliegenden Fall hat die Kommission unstreitig, wenn auch nur hilfsweise, die Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt geprüft. Diese Prüfung kann deshalb Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sein.

B - Zur Verletzung der Verfahrensvorschriften

25 Im Rahmen dieses Klagegrunds macht die französische Regierung zunächst geltend, die Kommission habe gegen den allgemeinen Grundsatz der Rechtssicherheit verstossen, da sie angesichts der ihr von den französischen Behörden rechtzeitig übermittelten detaillierten Informationen nicht innerhalb einer angemessenen Frist tätig geworden sei. Ausserdem sei im vorliegenden Fall der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden, da die Kommission die ihr im Rahmen von Artikel 93 Absatz 2 EWG-Vertrag zugegangenen Stellungnahmen betroffener Dritter der französischen Regierung nicht übermittelt habe.

26 Zur ersten Rüge ist zunächst festzustellen, daß die französischen Behörden die ersten Informationen, die von der Kommission mehrfach angefordert worden waren, erst übermittelten, nachdem die fraglichen Beihilfen bereits grösstenteils ausgezahlt waren. Es steht somit fest, daß die Kommission nicht so rechtzeitig im Sinne des Artikels 93 Absatz 3 EWG-Vertrag unterrichtet wurde, daß sie sich zu den Beihilfevorhaben zugunsten der CBSF hätte äussern können. Im übrigen waren die Auskünfte, die die französische Regierung der Kommission im März 1984 erteilte, sehr unvollständig. So wurde erst am 23. August 1984 bruchstückhaft die Beteiligung zunächst der IDI, später der Sopari am Kapital der CBSF bestätigt.

27 In Anbetracht dessen ist es nicht zu beanstanden, daß die Kommission vom 23. August 1984 an drei Monate Bedenk - und Prüfungszeit bis zur Absendung des Aufforderungsschreibens vom 3. Dezember 1984 in Anspruch genommen hat. Ausserdem ist festzustellen, daß ein Teil der der Kommission erteilten Auskünfte von der französischen Regierung mehrfach berichtigt und ergänzt wurde. Erst mit den Schreiben vom 27. März und vom 21. Mai 1987 erhielt die Kommission von der französischen Regierung die erforderlichen Klarstellungen und die endgültigen Informationen, aufgrund deren sie die Entscheidung vom 15. Juli 1987 erlassen konnte.

28 Zwar liegen zwischen dem ersten Schreiben der französischen Regierung vom 22. März 1984 und dem Aufforderungsschreiben vom 3. Dezember 1984 sowie zwischen diesem und der Entscheidung vom 15. Juli 1987 ziemlich lange Zeiträume, jedoch verfügte die Kommission erst ab dem 21. Mai 1987 über die Informationen, die sie für die Prüfung der Vereinbarkeit der Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt benötigte. Unter diesen Umständen ist festzustellen, daß die Kommission durch ihr Verhalten nicht gegen den allgemeinen Grundsatz der Rechtssicherheit verstossen hat.

29 Zur zweiten Rüge, mit der eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird, ist zu bemerken, daß nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes ( vgl. die Urteile vom 10. Juli 1986 in den Rechtssachen 234/84 und 40/85, Königreich Belgien/Kommission, Slg. 1986, 2263 und 2321, sowie vom 11. November 1987 in der Rechtssache 259/85, Französische Republik/Kommission, Slg. 1987, 4393 ) die Gewährung rechtlichen Gehörs in allen Verfahren, die zu einer den Betroffenen beschwerenden Maßnahme führen können, ein fundamentaler Grundsatz des Gemeinschaftsrechts ist und auch dann sichergestellt werden muß, wenn eine besondere Regelung fehlt.

30 In den genannten Urteilen hat der Gerichtshof anerkannt, daß dieser Grundsatz gebietet, dem betroffenen Mitgliedstaat Gelegenheit zu geben, zu den Äusserungen Stellung zu nehmen, die beteiligte Dritte nach Artikel 93 Absatz 2 EWG-Vertrag abgegeben haben und auf die die Kommission ihre Entscheidung stützen will. Der Gerichtshof hat festgestellt, daß die Kommission solche Äusserungen in ihrer Entscheidung gegen diesen Staat nicht berücksichtigen darf, soweit dieser keine Gelegenheit hatte, hierzu Stellung zu nehmen.

31 Eine solche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör führt jedoch nur dann zu einer Nichtigerklärung, wenn das Verfahren ohne diese Verletzung zu einem anderen Ergebnis hätte führen können. Insoweit ist festzustellen, daß die fraglichen Stellungnahmen, die auf Ersuchen des Gerichtshofes vorgelegt wurden, nichts Neues gegenüber den Informationen enthalten, über die die Kommission bereits verfügte und die der französischen Regierung bekannt waren. Bei dieser Sachlage war der Umstand, daß die französische Regierung keine Gelegenheit hatte, diese Stellungnahmen zu kommentieren, nicht geeignet, das Ergebnis des Verwaltungsverfahrens zu beeinflussen. Diese Rüge ist daher ebenfalls zurückzuweisen.

C - Zur Begründung der Entscheidung

32 Die französische Regierung trägt vor, die Begründung der angefochtenen Entscheidung sei unzureichend, weil sie keine Beurteilung der tatsächlichen Auswirkungen der bereits gezahlten Beihilfen auf den Wettbewerb und auf die Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten enthalte und weil sie im Hinblick auf die Schließungen der Produktionsstätten widersprüchlich erscheine. Die französische Regierung beanstandet die Begründung der Entscheidung auch insoweit, als sie auf einer unzutreffenden Würdigung des Marktanteils der CBSF und des Handelsverkehrs zwischen Mitgliedstaaten beruhe. Diese letzte Rüge betrifft im wesentlichen auch die Vereinbarkeit der Finanzhilfen mit dem Gemeinsamen Markt und ist daher zusammen mit dem Klagegrund, mit dem eine Verletzung des Artikels 92 geltend gemacht wird, zu prüfen.

33 Die erste Rüge ist zurückzuweisen. Müsste nämlich die Kommission in ihrer Entscheidung die tatsächlichen Auswirkungen bereits gewährter Beihilfen darlegen, so würden dadurch diejenigen Mitgliedstaaten, die Beihilfen unter Verstoß gegen die Mitteilungspflicht gemäß Artikel 93 Absatz 3 EWG-Vertrag zahlen, zu Lasten derjenigen begünstigt, die die Beihilfen in der Planungsphase anmelden. Die Begründung der angefochtenen Entscheidung brauchte also keine aktualisierte Würdigung der Auswirkungen der eingeführten und in der Planungsphase nicht angemeldeten Beihilfen zu enthalten.

34 Mit der zweiten Rüge macht die französische Regierung insbesondere geltend, die angefochtene Entscheidung sei insoweit widersprüchlich, als sie zwar die Kapazitätsverringerung berücksichtige, die auf die Schließung der kurz zuvor auf andere Produzenten übertragenen Produktionsstätten zurückgehe, nicht aber die innerhalb der CBSF selbst erfolgte Kapazitätsverringerung.

35 Dazu ist festzustellen, daß in den Begründungserwägungen der Entscheidung die Kapazitätsverringerung eingehend untersucht wird. So führt die Kommission aus, daß die CBSF im Textil - und Bekleidungssektor über eine sehr vielfältige und breite Produktpalette verfügt habe und daß die Kapazitätsveränderungen bestenfalls eine Grundtendenz erkennen ließen. In einigen Teilbereichen der Textilindustrie ( z. B. Leinen und Baumwollstoffe ), die für die CBSF von grosser Bedeutung seien, sei die Nachfrage erheblich geschrumpft, weshalb die Unternehmen überall in der Gemeinschaft sich der neuen Lage hätten anpassen müssen. Ein weiterer Kapazitätsabbau ergebe sich aus der Verschrottung veralteter Maschinen, die noch aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg stammten. Die Zahlen über den Kapazitätsabbau seien zum tatsächlichen Umsatz des Unternehmens ( zu konstanten Preisen von 1982 ) in Beziehung zu setzen; in diesem Fall erscheine die echte Verringerung viel weniger bedeutend. Berücksichtige man, daß 27 Produktionsstätten auf andere Hersteller übertragen worden seien, die teilweise ihre Produktionstätigkeit weiter ausübten, so könne keine wirkliche interne Produktionsabnahme geltend gemacht werden. Kurz nach ihrer Übernahme hätten 13 dieser Produktionsstätten schließen müssen, während die Textilproduktion endgültig eingestellt worden sei.

36 Es genügt nicht, wenn die französische Regierung gegenüber diesen eingehenden Feststellungen lediglich geltend macht, die Entscheidung sei widersprüchlich, ohne andere Argumente als die von der Kommission in den Begründungserwägungen der angefochtenen Entscheidung bereits geprüften anzuführen. In diesem Punkt ist die Entscheidung so deutlich und ausführlich, daß die französische Regierung die Gründe der Kommission erkennen und beurteilen konnte und der Gerichtshof die Begründetheit der Entscheidung überprüfen kann. Die gegen die Begründung gerichtete Rüge ist mithin zurückzuweisen.

D - Zur Anwendung des Artikels 92 EWG-Vertrag

37 Die französische Regierung macht in erster Linie geltend, daß die Finanzierungsmaßnahmen keine Beihilfen seien, den Handel zwischen Mitgliedstaaten nicht beeinträchtigten und nicht durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen den Wettbewerb verfälschten oder zu verfälschen drohten. Hilfsweise trägt sie vor, die Beihilfen seien gemäß Artikel 92 Absatz 3 Buchstaben a und c EWG-Vertrag mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar und stuenden im Einklang mit den verschiedenen Leitlinien und Mitteilungen der Kommission von 1971, 1977 und 1984.

38 Zur Begründung ihres Hauptvorbringens macht die französische Regierung zunächst geltend, die fraglichen Kapitalhilfen, zinsverbilligten Darlehen und Ermässigungen der Soziallasten seien keine Beihilfen, da sie der CBSF unter marktwirtschaftlichen Bedingungen gewährt und gleichzeitig private Investitionen getätigt worden seien. So hätten die französischen Behörden beschlossen, zusammen mit privaten Investoren der CBSF eine Finanzhilfe zu gewähren, und zwar aufgrund einer Marktanalyse und einer Unternehmensbewertung, die den Schluß erlaubt hätten, daß das Unternehmen mittels einer Umstrukturierung innerhalb eines angemessenen Zeitraums wirtschaftlich arbeiten werde. Diese Umstrukturierung habe unter anderem in einem Abbau der Überkapazitäten und des Personals, in einer Umstellung der unwirtschaftlichen oder zu problematischen Tätigkeiten auf rentable Tätigkeiten, in einer Rationalisierung der Produktion und in einer Steigerung der Produktivität bestanden.

39 Bei der Prüfung, ob derartige Maßnahmen staatliche Beihilfen darstellen, ist es angebracht, das in der Entscheidung der Kommission angeführte und von der französischen Regierung im übrigen nicht beanstandete Kriterium zugrunde zu legen und zu ermitteln, ob das Unternehmen die fraglichen Mittel auf dem Kapitalmarkt hätte aufbringen können.

40 Vorliegend geht aus den Akten hervor, daß die Finanzlage des Unternehmens im Jahre 1981 keine annehmbare Rendite des investierten Kapitals innerhalb eines angemessenen Zeitraums erwarten ließ und daß es der CBSF wegen ihres unzulänglichen Cash-flow nicht möglich gewesen wäre, die erforderlichen Mittel auf dem Kapitalmarkt aufzubringen. Ausserdem ist festzustellen, daß die ersten privaten Investitionen, die im übrigen viel niedriger sind als die öffentlichen Hilfen, erst getätigt wurden, nachdem letztere gewährt worden waren. Die der CBSF von der Sopari nach der IDI-Übertragung gewährten Kapitalhilfen stellen somit eine staatliche Beihilfe im Sinne des Artikels 92 Absatz 1 EWG-Vertrag dar.

41 Das gleiche gilt für die zinsverbilligten Darlehen und die Ermässigung der Soziallasten, da sie die CBSF ebenfalls von Kosten entlasteten, die das Unternehmen normalerweise aus seinen Eigenmitteln hätte bestreiten müssen; dadurch wurden die Marktkräfte daran gehindert, ihre normalen Wirkungen zu zeitigen.

42 Die französische Regierung macht noch geltend, daß die Finanzierungsmaßnahmen nicht den Handelsverkehr beeinträchtigten und nicht den Wettbewerb zwischen Mitgliedstaaten verfälschten oder zu verfälschen drohten. So liege der Anteil der CBSF am europäischen Textilmarkt, dessen Volumen rund 115 Mrd ECU ausmache, unter 0,5 %. Die Ausfuhren der CBSF hätten zwischen 1982 und 1986 nicht zugenommen, sondern seien um 33 % zurückgegangen. Die von der Kommission zugrunde gelegten Zahlen erstreckten sich auf Tätigkeitsbereiche der CBSF, für die keine staatlichen Beihilfen gewährt worden seien; ausserdem berücksichtigten sie nicht den Konjunkturaufschwung im Leinensektor in den Jahren 1983 und 1984.

43 Es ist festzustellen, daß in der angefochtenen Entscheidung alle diese Faktoren analysiert sind. So enthält die Begründung der Entscheidung eine Prüfung des französischen Textil - und Bekleidungsmarktes : Die französische Textil - und Bekleidungsindustrie, auf die rund 20 % des gesamten Wertzuwachses der genannten Industriezweige in der Europäischen Gemeinschaft entfielen, sei in hohem Masse am innergemeinschaftlichen Handel beteiligt, da sie rund 40 % ihrer Gesamtproduktion nach anderen Mitgliedstaaten ausführe. Die CBSF sei der drittgrösste französische Hersteller von Erzeugnissen der Textil - und Bekleidungsindustrie, der im Jahre 1986 einen Umsatz von 4,7 Mrd FF erzielt habe, wovon 56 % auf Textilwaren und Bekleidung entfielen. Die CBSF sei das fünftgrösste Textilunternehmen in der Europäischen Gemeinschaft und nehme am innergemeinschaftlichen Handel teil, da es 16 % seiner Textilproduktion nach anderen Mitgliedstaaten und weitere 9 % nach Drittländern ausführe. Die Kommission stellt in der Entscheidung weiter fest, der für die Prüfung der Vereinbarkeit der Finanzhilfen mit dem Gemeinsamen Markt relevante Zeitraum sei derjenige, in dem die Beihilfen gewährt worden seien. Während dieses Zeitraums, von Juli 1982 bis Ende 1984, hätten sich die Textilausfuhren nach anderen Mitgliedstaaten um 32 % erhöht und habe die CBSF mehr als die Hälfte ihres Umsatzes im Textil - und Bekleidungssektor erzielt.

44 Die Kommission verweist in der Begründung der Entscheidung ausserdem darauf, daß die zur Sanierung der Finanzen der CBSF bestimmte finanzielle Unterstützung die bei der CBSF normalerweise anfallenden Kosten so weit verringert habe, daß sie einen Vorteil gegenüber ihren Mitbewerbern erlangt habe, die insoweit als beeinträchtigt anzusehen seien. Wegen der Senkung des Preises, den die CBSF normalerweise für ihre Rationalisierung und Modernisierung hätte zahlen müssen, hätten die streitigen Beihilfen den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt und den Wettbewerb verfälscht oder zu verfälschen gedroht.

45 Es ist festzustellen, daß die Erwägungen der Kommission insgesamt betrachtet deren Auffassung, die Beihilfe sei rechtswidrig, tragen. Die Rügen in bezug auf den Beihilfecharakter, die Unvereinbarkeit der Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt sowie die Begründung der Entscheidung sind daher zurückzuweisen.

46 Die französische Regierung beantragt hilfsweise, die Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt gemäß Artikel 92 Absatz 3 EWG-Vertrag zu prüfen. Sie macht geltend, es könne nicht bestritten werden, daß die CBSF saniert worden sei; zudem hätten die Beihilfen die Entwicklung und die Umstellung ihrer Produktionstätigkeit im Sinne von Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c EWG-Vertrag erleichtert.

47 Weiter sei die Beihilfe zugunsten der CBSF in Gebieten erfolgt, in denen gemessen am Gemeinschaftsdurchschnitt eine erhebliche Unterbeschäftigung im Sinne von Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe a EWG-Vertrag herrsche.

48 Schließlich stuenden die Beihilfen im Einklang mit den zahlreichen Bedingungen, die in den 1971 und 1977 allen Mitgliedstaaten mitgeteilten Leitlinien der Gemeinschaft für Beihilfen an die Textil - und Bekleidungsindustrie sowie im Rahmen der französischen Beihilferegelung von 1984 zugunsten der Textil - und Bekleidungsindustrie aufgestellt seien.

49 Dem Vorbringen der Klägerin kann nicht gefolgt werden. Im Rahmen des Artikels 92 Absatz 3 EWG-Vertrag verfügt die Kommission über ein weites Ermessen, dessen Ausübung wirtschaftliche und soziale Wertungen voraussetzt, die auf die Gemeinschaft als Ganzes zu beziehen sind.

50 In diesem Zusammenhang durfte die Kommission, ohne die Grenzen ihres Ermessens zu überschreiten, die Auffassung vertreten, für die der CBSF gewährten Beihilfen komme die Ausnahmebestimmung des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe c EWG-Vertrag nicht in Betracht, die für Beihilfen zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete gilt, soweit sie die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändern, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft. Die fraglichen Beihilfen haben nämlich die Kosten der CBSF gesenkt und somit die Wettbewerbsfähigkeit anderer Hersteller in der Gemeinschaft geschwächt, so daß diese möglicherweise vom Markt verdrängt werden, obwohl sie bisher dank der aus eigener Kraft unternommenen Umstrukturierung, Produktivitätssteigerung und Qualitätsverbesserung ihre Tätigkeit fortführen konnten.

51 Was das Vorbringen zur Anwendung des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe a EWG-Vertrag betrifft, so ist darauf hinzuweisen, daß die Kommission die Wirtschaftslage in den betroffenen Gebieten an der Wirtschaftslage in der gesamten Gemeinschaft zu messen hat. Wie sich aus den von der französischen Regierung nicht bestrittenen statistischen Angaben der Kommission und des Streithelfers ergibt, handelt es sich bei den Gebieten, in denen sich die durch die Beihilfen begünstigten Produktionsstätten der CBSF befinden, nicht um Gebiete, in denen die Lebenshaltung aussergewöhnlich niedrig wäre oder eine erhebliche Unterbeschäftigung herrschte.

52 Zur Begründung des Vorbringens im Zusammenhang mit den von der Kommission 1971 und 1977 aufgestellten Leitlinien für den Textilsektor macht die französische Regierung geltend, die Finanzierungsmaßnahmen hätten der CBSF eine Umstrukturierung ermöglicht. Diese habe in einem Abbau der Produktionskapazitäten und des Personals, in einer Umstellung der unwirtschaftlichen oder problematischen Produktionstätigkeiten im Textilsektor auf andere, rentable Tätigkeiten in diesem Sektor und in einer Produktivitätssteigerung durch den Einsatz hochentwickelter Technologien bestanden. Die beanstandeten Finanzierungsmaßnahmen hätten folglich die CBSF nicht künstlich am Leben erhalten, so daß sie nicht als Rettungsbeihilfen qualifiziert werden könnten.

53 Die Kommission führt in diesem Zusammenhang aus, daß innerhalb der CBSF keine grundlegende Umstrukturierung stattgefunden habe, durch die ihre Wettbewerbsfähigkeit im Wege einer Anpassung ihrer Grösse und ihrer Organisation hätte wiederhergestellt werden können. Ihr Überleben beruhe nicht auf privaten Investitionen, so daß es sich bei den beanstandeten Finanzierungsmaßnahmen um Rettungsbeihilfen handele, die in den Leitlinien für den Textilsektor nicht vorgesehen seien.

54 Dazu ist festzustellen, daß die Kommission in ihrer Entscheidung zu Recht darauf verweist, daß unter dem Druck der Wettbewerber aus Drittländern die Produktion in der Textil - und Bekleidungsindustrie der Gemeinschaft allgemein zurückgegangen und zwischen 1975 und 1985 die Gesamtbeschäftigtenzahl in diesem Wirtschaftszweig um 40 % abgebaut worden ist. Die Einsparungen bei der CBSF sind somit teilweise auf die allgemeine Entwicklung des Marktes in einem Wirtschaftszweig zurückzuführen, in dem die Nachfrage erheblich zurückgegangen ist. Ausserdem hat die CBSF, anstatt eine Umstrukturierung vorzunehmen, nur veraltete Maschinen aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg verschrottet und durch Investitionen in Spitzentechnologien Produktionsanlagen verspätet modernisiert, um sie in Gang zu halten, ohne echte Änderungen an ihnen vorzunehmen, die geeignet gewesen wären, die schon Jahre zuvor verlorene Wettbewerbsfähigkeit wiederzuerlangen. Die beanstandeten Finanzierungsmaßnahmen sollten die CBSF künstlich am Leben erhalten, obwohl sie konkursreif war. Es ist insbesondere angesichts der in dem fraglichen Wirtschaftszweig bestehenden Überkapazitäten in absehbarer Zeit nicht zu erwarten, daß dieses Unternehmen ohne neue Beihilfen überlebensfähig sein wird.

55 Darüber hinaus steht fest, daß die Finanzierungsmaßnahmen nicht die Wirkung hatten, die CBSF kurzfristig so wettbewerbsfähig zu machen, daß sie auf dem internationalen Textilmarkt hätte erfolgreich tätig werden können.

56 Die der CBSF gewährten Beihilfen verstossen auch gegen mehrere Bedingungen, von deren Erfuellung 1984 die Durchführung einer sektoralen Beihilferegelung zugunsten der französischen Textil - und Bekleidungsindustrie in Form einer Ermässigung der Soziallasten abhängig gemacht worden war. Hinsichtlich der Bedingung, wonach Beihilfen nur für Investitionen und nur für solche Unternehmen gewährt werden durften, die imstande waren, mindestens 50 % der Investitionskosten aus eigenen Mitteln aufzubringen, genügt der Hinweis auf den insoweit unbestrittenen Akteninhalt, dem zufolge die gewährten Beihilfen bis 1986 die von der CBSF im Textilsektor getätigten Investitionen überstiegen.

57 In Anbetracht der in der Entscheidung enthaltenen Aussagen zur Lage der Textil - und Bekleidungsindustrie in der Gemeinschaft und in Frankreich, zum innergemeinschaftlichen Handelsverkehr und zu der angeblichen Umstrukturierung der CBSF ist festzustellen, daß die Kommission mit der Ansicht, die Beihilfen fielen nicht unter die Ausnahmebestimmungen des Artikels 92 Absatz 3 EWG-Vertrag, die Grenzen ihres Ermessens nicht überschritten hat.

58 Der auf die Anwendung des Artikels 92 EWG-Vertrag gestützte Klagegrund greift mithin nicht durch.

E - Zu der gerügten Verletzung des allgemeinen Verhältnismässigkeitsgrundsatzes

59 Nach Ansicht der französischen Regierung verstösst die angefochtene Entscheidung gegen den allgemeinen Verhältnismässigkeitsgrundsatz. Die Entscheidung berücksichtige nämlich weder die der CBSF entstandenen Umstrukturierungskosten noch den Umstand, daß die CBSF, wenn eine Sanierung unterblieben wäre, mit erheblichen Konsequenzen für Gläubiger und Allgemeinheit hätte liquidiert werden müssen. Ausserdem stehe die verlangte Rückforderung ausser Verhältnis zu den Beeinträchtigungen des Wettbewerbs.

60 Dieser Klagegrund ist zurückzuweisen. Wie nämlich die Kommission in ihrer Entscheidung dargelegt hat, können die gewährten Beihilfen nicht als Grundlage für eine echte Umstrukturierung der CBSF angesehen werden. Die CBSF hat lediglich die Produktionsanlagen modernisiert, ohne an ihnen eine grundlegende Änderung vorzunehmen, indem sie völlig veraltete Maschinen erneuert und die Produktionsverfahren und -prozesse an die technologische Entwicklung angepasst hat, die in der übrigen Textilindustrie der Gemeinschaft Jahre zuvor stattgefunden hatte. Angesichts der in der Entscheidung enthaltenen Angaben zu dem Personal - und Kapazitätsabbau durfte die Kommission die Ansicht vertreten, daß die Beihilfen keine Umstrukturierungsinvestitionen darstellten, und die Kosten der angeblichen Umstrukturierung in ihrer Entscheidung unberücksichtigt lassen.

61 Wie die Kommission in ihrer Entscheidung festgestellt hat, wurden von 27 Produktionsstätten mit 4 730 Beschäftigten, die auf unabhängige Unternehmen übertragen worden waren, 13 Produktionsstätten mit 3 153 Beschäftigten, was 66,66 % der insgesamt übertragenen Arbeitsplätze entspricht, geschlossen; in diesen Produktionsstätten wurde die Textilherstellung endgültig eingestellt. Die Kommission betrachtete die zur Unterstützung dieser 13 Transfers gezahlte Beihilfe als aufgehoben. Indem die Kommission nur die Rückforderung von rund 33 % der Gesamtbeihilfen verlangt, hat sie den Verhältnismässigkeitsgrundsatz beachtet.

62 Folglich ist auch der letzte Klagegrund zurückzuweisen.

63 Da keiner der von der französischen Regierung geltend gemachten Klagegründe durchgreift, ist die Klage insgesamt abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

64 Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Französische Republik mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten einschließlich derjenigen des Streithelfers aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden :

1 ) Die Klage wird abgewiesen.

2 ) Die Französische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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