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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 07.03.1996
Aktenzeichen: C-118/94
Rechtsgebiete: Richtlinie 79/409/EWG


Vorschriften:

Richtlinie 79/409/EWG Art. 9
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Im Rahmen der in Artikel 177 des Vertrages vorgesehenen Verteilung der Rechtsprechungsaufgaben zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof entscheidet der Gerichtshof im Wege der Vorabentscheidung, wenn die Vorlagefragen die Auslegung einer Bestimmung des Gemeinschaftsrechts betreffen, grundsätzlich ohne Prüfung der Umstände, die die nationalen Gerichte veranlasst haben, ihm die Fragen vorzulegen, und unter denen sie die gemeinschaftsrechtliche Bestimmung, um deren Auslegung sie ihn ersucht haben, anzuwenden beabsichtigen.

Anders verhielte es sich nur dann, wenn entweder klar zutage läge, daß das Verfahren des Artikels 177 zweckentfremdet wurde und den Gerichtshof in Wirklichkeit veranlassen soll, aufgrund eines fiktiven Rechtsstreits zu entscheiden, oder aber offensichtlich wäre, daß die Gemeinschaftsbestimmung, deren Auslegung vom Gerichtshof begehrt wird, nicht anwendbar sein kann.

2. Artikel 9 Absatz 1 der Richtlinie 79/409 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten, der die Möglichkeit der Abweichung der Mitgliedstaaten von dem in den Artikeln 5 und 7 der Richtlinie niedergelegten allgemeinen Verbot der Bejagung geschützter Arten vorsieht, sofern es keine andere zufriedenstellende Lösung gibt und die Abweichung auf einem der abschließend aufgeführten Gründe beruht, und Artikel 9 Absatz 2, der die strengen Formkriterien nennt, denen solche Abweichungen entsprechen müssen, sind dahin auszulegen, daß sie den Mitgliedstaaten die Zulassung dieser Abweichungen nur durch Maßnahmen gestatteN, die eine hinreichend ausführliche Bezugnahme auf die in Artikel 9 Absätze 1 und 2 vorgesehenen Angaben enthalten.

Es handelt sich hier nämlich um einen Bereich, in dem die Verwaltung des gemeinsamen Erbes den Mitgliedstaaten für ihr jeweiliges Hoheitsgebiet anvertraut wurde und in dem die Genauigkeit der Umsetzung der Richtlinien von besonderer Bedeutung ist.


Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 7. März 1996. - Associazione Italiana per il World Wildlife Fund, Ente Nazionale per la Protezione Animali, Lega per l'Ambiente - Comitato Regionale, Lega Anti Vivisezione - Delegazione Regionale, Lega per l'Abolizione della Caccia, Federnatura Veneto und Italia Nostra - Sezione di Venezia gegen Regione Veneto. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Tribunale amministrativo regionale per il Veneto - Italien. - Richtlinie 79/409/EWG des Rates über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten - Jagd - Voraussetzungen fur die Ausubung der Abweichungsbefugnis der Migliedstaaten. - Rechtssache C-118/94.

Entscheidungsgründe:

1 Das Tribunale amministrativo regionale Venetien hat mit Beschluß vom 27. Mai 1993, beim Gerichtshof eingegangen am 21. April 1994, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung des Artikels 9 der Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (ABl. L 103, S. 1, nachstehend: Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Frage stellt sich im Rahmen einer Klage, die die Associazione Italiana per il World Wildlife Fund sowie andere Naturschutzorganisationen (nachstehend: Klägerinnen) gegen die Region Venetien, unterstützt durch die Federazione Italiana della Caccia (nachstehend: Federcaccia), auf Nichtigerklärung des Erlasses vom 21. Juli 1992 erhoben haben, mit dem die Region Venetien den regionalen Jagdkalender für die Saison 1992/93 verabschiedet hatte. Die Klage ist u. a. auf Verstoß gegen die in der Richtlinie niedergelegten Grundsätze gestützt.

3 Artikel 5 Buchstabe a der Richtlinie verbietet allgemein das Töten oder Fangen sämtlicher wildlebenden Vogelarten, die im europäischen Gebiet der Mitgliedstaaten, auf welches der Vertrag Anwendung findet, heimisch sind (nachstehend: geschützte Arten).

4 Die Richtlinie sieht jedoch in Artikel 7 Absatz 1 vor, daß die in Anhang II aufgeführten Arten im Rahmen der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften bejagt werden dürfen.

5 Im übrigen können die Mitgliedstaaten von dieser die Jagd beschränkenden Regelung und von den anderen in den Artikeln 5, 6, 7 und 8 der Richtlinie vorgesehenen Einschränkungen und Verboten aus den in Artikel 9 Absatz 1 Buchstaben a, b und c aufgeführten Gründen abweichen, nämlich erstens im Interesse der Volksgesundheit und der öffentlichen Sicherheit und der Sicherheit der Luftfahrt, zur Abwendung erheblicher Schäden an Kulturen, zum Schutz der Pflanzen- und Tierwelt, zweitens zu Forschungs- und Unterrichtszwecken, zur Aufstockung der Bestände, zur Wiederansiedlung und zur Aufzucht im Zusammenhang mit diesen Maßnahmen und drittens, um unter streng überwachten Bedingungen selektiv den Fang, die Haltung oder jede andere vernünftige Nutzung bestimmter Vogelarten in geringen Mengen zu ermöglichen, und zwar in allen drei Fällen unter der Voraussetzung, daß es keine andere zufriedenstellende Lösung gibt.

6 Gemäß Artikel 9 Absatz 2 ist in den abweichenden Bestimmungen folgendes anzugeben: für welche Vogelarten die Abweichungen gelten, die zugelassenen Fang- oder Tötungsmittel, -einrichtungen und -methoden, die Art der Risiken und die zeitlichen und örtlichen Umstände, unter denen diese Abweichungen getroffen werden können, die Stelle, die befugt ist, zu erklären, daß die erforderlichen Voraussetzungen gegeben sind, und zu beschließen, welche Mittel, Einrichtungen und Methoden in welchem Rahmen von wem angewandt werden können, und schließlich, welche Kontrollen vorzunehmen sind.

7 Gemäß Artikel 1 Absatz 3 des italienischen Gesetzes Nr. 157 vom 11. Februar 1992 über den Schutz wildlebender warmblütiger Tierarten und die Jagd (Gazetta Ufficiale della Repubblica Italiana Nr. 46 vom 25. Februar 1992, S. 3, nachstehend: Gesetz Nr. 157) erlassen die gewöhnlichen Regionen die Bestimmungen über die Bewirtschaftung und den Schutz aller wildlebenden Tierarten im Einklang mit diesem Gesetz, internationalen Übereinkommen und den Richtlinien der Gemeinschaft. Gemäß Artikel 1 Absatz 4 des Gesetzes Nr. 157 wird die Richtlinie vollständig umgesetzt und entsprechend den Modalitäten und Fristen dieses Gesetzes durchgeführt.

8 Artikel 18 Absatz 1 des Gesetzes Nr. 157 zählt unter den bejagbaren Tierarten bestimmte Vogelarten auf, die nicht in Anhang II der Richtlinie genannt sind. Im Hinblick auf die Anpassung des innerstaatlichen Jagdrechts an das einschlägige Gemeinschaftsrecht und Völkerrecht sieht Artikel 18 Absatz 3 vor, daß der Präsident des Ministerrates auf Vorschlag des zuständigen Ministers nach Anhörung des Nationalen Instituts für wildlebende Tiere die Änderungen des Verzeichnisses der bejagbaren Arten in Übereinstimmung mit den geltenden Gemeinschaftsrichtlinien und den abgeschlossenen internationalen Übereinkommen vornimmt, wobei er dem Bestand der einzelnen Arten im Staatsgebiet Rechnung trägt. Gemäß Artikel 18 Absatz 4 obliegt es den Regionen, den regionalen Jagdkalender und die Regelung für die gesamte Jagdsaison unter Beachtung u. a. der Absätze 1 und 3 zu erlassen.

9 Vor dem Tribunale amministrativo regionale Venetien haben die Klägerinnen geltend gemacht, der von der Region Venetien festgelegte Jagdkalender erlaube die Jagd bestimmter Vogelarten, die nicht zu den in Anhang II der Richtlinie aufgezählten Arten gehörten, ohne daß im vorliegenden Fall eine Berufung auf die Abweichungsbefugnis des Artikels 9 der Richtlinie möglich sei, da die besonderen und zwingenden Gründe, die eine solche Abweichung rechtfertigten, nicht vorlägen und weder geprüft noch auf angemessene Art nachgewiesen worden seien.

10 Gemäß den Ausführungen des nationalen Gerichts kann die Gültigkeit des angefochtenen Rechtsakts nicht unmittelbar anhand der Richtlinie geprüft werden, da das Gesetz Nr. 157 erlassen worden sei, das eine Anpassungs-, aber auch eine Filterfunktion erfuelle und nach dem allein sich nunmehr die Gültigkeit der zu seiner Durchführung erlassenen Verwaltungsmaßnahmen richte. Die Rechtmässigkeit des streitigen Jagdkalenders sei daher ausschließlich nach Maßgabe des Artikels 18 des Gesetzes Nr. 157 zu beurteilen, während die Verzeichnisse in den Anhängen, die nunmehr in das innerstaatliche Recht umgesetzt worden seien, nicht unmittelbar herangezogen werden könnten.

11 Das nationale Gericht stellt im übrigen fest, der nationale Gesetzgeber habe offensichtlich Artikel 9 der Richtlinie nicht als Bindung seiner Ermessensausübung angesehen, da er in Anwendung der ihm in diesem Artikel eingeräumten Ermächtigung zum Erlaß abweichender Bestimmungen, aber ohne ausdrückliche Bezugnahme auf diese, in die Liste in Artikel 18 des Gesetzes Nr. 157 einige Vogelarten aufgenommen habe, deren Bejagung nach der Richtlinie verboten sei.

12 Das Tribunale amministrativo regionale Venetien war der Auffassung, die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits hänge von der Auslegung des Artikels 9 der Richtlinie ab. Es hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist der italienische Staat nach Artikel 9 der Richtlinie verpflichtet, durch geeignete Rechts- oder Verwaltungsvorschriften (je nachdem, ob gesetzliche oder verwaltungsrechtliche Mittel eingesetzt werden) die einzelnen Gesichtspunkte anzuführen, die nach der Richtlinie die Abweichung rechtfertigen.

Zur Zulässigkeit der Vorlagefrage

13 Die Federcaccia macht geltend, das Vorabentscheidungsersuchen sei unzulässig, weil die Frage des vorlegenden Gerichts die Vereinbarkeit der italienischen Umsetzungsvorschriften mit Artikel 9 der Richtlinie betreffe und nicht die Auslegung dieses Artikels.

14 Diese Einrede ist zurückzuweisen. Es ergibt sich nämlich schon aus dem Wortlaut des Vorlagebeschlusses, daß das nationale Gericht vom Gerichtshof eine Auslegung des Artikels 9 der Richtlinie begehrt. Da die Vorlagefragen die Auslegung einer Bestimmung des Gemeinschaftsrechts betreffen, entscheidet der Gerichtshof grundsätzlich ohne Prüfung der Umstände, die die nationalen Gerichte veranlasst haben, ihm die Fragen vorzulegen, und unter denen sie die gemeinschaftsrechtliche Bestimmung, um deren Auslegung sie ihn ersucht haben, anzuwenden beabsichtigen (vgl. Urteil vom 18. Oktober 1990 in den verbundenen Rechtssachen C-297/88 und C-197/89, Dzodzi, Slg. 1990, I-3763, Randnrn. 35 und 39).

15 Anders verhielte es sich nur dann, wenn entweder klar zutage läge, daß das Verfahren des Artikels 177 zweckentfremdet wurde und den Gerichtshof in Wirklichkeit veranlassen soll, aufgrund eines fiktiven Rechtsstreits zu entscheiden, oder aber offensichtlich wäre, daß die Gemeinschaftsbestimmung, deren Auslegung vom Gerichtshof begehrt wird, nicht anwendbar sein kann (Urteil Dzodzi, a. a. O., Randnr. 40). Dies ist im vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben.

16 Die Vorlagefrage ist somit zu beantworten.

Zur Vorlagefrage

17 Mit der Vorlagefrage wird der Gerichtshof im wesentlichen ersucht, festzustellen, unter welchen Voraussetzungen Artikel 9 der Richtlinie die Mitgliedstaaten ermächtigt, von dem allgemeinen Verbot der Bejagung geschützter Arten gemäß den Artikeln 5 und 7 der Richtlinie abzuweichen.

18 Soweit ein nationales Gericht bei der Anwendung nationalen Rechts ° gleich, ob es sich um vor oder nach der Richtlinie erlassene Vorschriften handelt ° dieses Recht auszulegen hat, muß es die Auslegung soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie ausrichten, um das mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen und auf diese Weise Artikel 189 Absatz 3 EG-Vertrag nachzukommen (Urteile vom 10. April 1984 in der Rechtssache 14/83, Von Colson und Kamann, Slg. 1984, 1891, Randnr. 26, und vom 14. Juli 1994 in der Rechtssache C-91/92, Faccini Dori, Slg. 1994, I-3325, Randnr. 26).

19 In den Fällen, in denen die Gemeinschaftsbehörden die Mitgliedstaaten durch Richtlinie zu einem bestimmten Verhalten verpflichten, würde deren praktische Wirksamkeit abgeschwächt, wenn die einzelnen sich vor Gericht nicht auf sie berufen und die staatlichen Gerichte sie nicht als Bestandteil des Gemeinschaftsrechts berücksichtigen könnten (Urteil vom 19. Januar 1982 in der Rechtssache 8/81, Becker, Slg. 1982, 53, Randnr. 23). So können sich die einzelnen in all den Fällen, in denen Bestimmungen einer Richtlinie inhaltlich als unbedingt und hinreichend genau erscheinen, vor einem nationalen Gericht gegenüber dem Staat auf diese Bestimmungen berufen, wenn der Staat die Richtlinie nicht fristgemäß oder nur unzulänglich in nationales Recht umgesetzt hat (Urteil vom 22. Juni 1989 in der Rechtssache 103/88, Fratelli Costanzo, Slg. 1989, 1839, Randnrn. 29 und 30). Im übrigen ist das nationale Gericht, das im Rahmen seiner Zuständigkeit die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts anzuwenden hat, gehalten, für deren volle Wirksamkeit Sorge zu tragen, indem es erforderlichenfalls jede ° auch spätere ° entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt, ohne daß es die vorherige Beseitigung dieser Bestimmung auf gesetzgeberischem Wege oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müsste (Urteile vom 9. März 1978 in der Rechtssache 106/77, Simmenthal, Slg. 1978, 629, und vom 4. Juli 1992 in den verbundenen Rechtssachen C-13/91 und C-113/91, Debus, Slg. 1992, I-3617, Randnr. 32).

20 Zur Beantwortung der Vorlagefrage ist zunächst festzustellen, daß der Gerichtshof in seinem Urteil vom 27. April 1988 in der Rechtssache 252/85 (Kommission/Frankreich, Slg. 1988, 2243, Randnr. 5) im Hinblick auf die Richtlinie schon festgestellt hat, daß die Umsetzung von Gemeinschaftsbestimmungen in innerstaatliches Recht zwar nicht notwendigerweise eine förmliche und wörtliche Übernahme der Bestimmungen in eine ausdrückliche, besondere Rechtsvorschrift erfordert und daß ihr durch einen allgemeinen rechtlichen Kontext Genüge getan werden kann, wenn dieser tatsächlich die vollständige Anwendung der Gemeinschaftsbestimmungen hinreichend klar und bestimmt gewährleistet, daß der Genauigkeit der Umsetzung in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die Verwaltung des gemeinsamen Besitzes den Mitgliedstaaten für ihr jeweiliges Hoheitsgebiet anvertraut ist, allerdings besondere Bedeutung zukommt.

21 Zu der in Artikel 9 der Richtlinie vorgesehenen Möglichkeit der Abweichung von den die Jagd beschränkenden Vorschriften und den anderen Einschränkungen und Verboten nach den Artikeln 5, 6 und 8 der Richtlinie hat der Gerichtshof festgestellt, daß diese drei Bedingungen unterliegt. Erstens muß der Mitgliedstaat die Abweichung auf den Fall beschränken, daß es keine andere zufriedenstellende Lösung gibt. Zweitens muß die Abweichung mindestens auf einem der in Artikel 9 Absatz 1 Buchstaben a, b und c abschließend aufgeführten Gründe beruhen. Drittens muß die Abweichung den in Artikel 9 Absatz 2 genannten strengen Formkriterien entsprechen, die die Abweichungen auf das unbedingt Notwendige beschränken und ihre Überwachung durch die Kommission ermöglichen sollen. Obwohl dieser Artikel eine weitgehende Abweichung von der allgemeinen Schutzregelung gestattet, sieht er also nur eine konkrete und gezielte Anwendung vor, um bestimmten Erfordernissen und besonderen Situationen Rechnung zu tragen (Urteile vom 8. Juli 1987 in der Rechtssache 247/85, Kommission/Belgien, Slg. 1987, 3029, Randnr. 7, und in der Rechtssache 262/85, Kommission/Italien, Slg. 1987, 3073, Randnr. 7).

22 Zu dem Bereich der Erhaltung der wildlebenden Vogelarten wurde ausgeführt, daß die Kriterien, aufgrund deren die Mitgliedstaaten von den in der Richtlinie ausgesprochenen Verboten abweichen dürfen, in eindeutige innerstaatliche Bestimmungen übernommen werden müssen (Urteil vom 15. März 1990 in der Rechtssache C-339/87, Kommission/Niederlande, Slg. 1990, I-851, Randnr. 28).

23 Im übrigen hatte der Gerichtshof in seinem genannten Urteil Kommission/Italien Artikel 9 der Richtlinie im Hinblick auf eine nationale Vorschrift über die Jagd auszulegen, nach der die Regionen selbst Einrichtungen zum Fang und zur Veräusserung von Zugvögelarten, die aus den in demselben Gesetz für bejagbar erklärten Arten auszuwählen waren, zum Zweck der Haltung verwalten oder ihre Verwaltung aufgrund einer genauen Regelung auch ausserhalb der Jagdzeit genehmigen konnten, damit diese als Lockvögel bei der Jagd vom Anstand oder zu Liebhaberzwecken auf traditionellen Messen und Märkten gehalten würden. In diesem Urteil hat der Gerichtshof nun zunächst festgestellt, daß die fragliche Bestimmung keinen Hinweis auf Artikel 9 Absatz 1 enthalte, wonach eine Abweichung von den Artikeln 7 und 8 der Richtlinie nur gestattet werden könne, sofern es keine andere zufriedenstellende Lösung gebe, und dann, daß diese Vorschrift entgegen Artikel 9 Absatz 2 der Richtlinie weder die zugelassenen Fang- oder Tötungsmittel, -einrichtungen und -methoden noch die zeitlichen und örtlichen Umstände nenne, für die die Abweichungen gölten. Der Umstand, daß die betreffende Vorschrift weder die in Artikel 9 Absatz 2 der Richtlinie enthaltenen Kriterien und Voraussetzungen selbst aufstelle noch die Regionen verpflichte, diesen Kriterien und Voraussetzungen Rechnung zu tragen, bringe ein Element der Rechtsunsicherheit bezueglich der Verpflichtungen mit sich, die die Regionen bei ihren Regelungen zu beachten hätten. Somit sei nicht gewährleistet, daß der Fang bestimmter Vogelarten auf ein striktes Minimum begrenzt werde, wie Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe c es vorschreibe, daß die Fangzeit nicht ohne Not mit den Zeiten zusammenfalle, in denen die Richtlinie einen besonderen Schutz gewähren wolle, und daß die Fangmittel, -einrichtungen oder -methoden nicht massiv und nicht selektiv oder geeignet seien, örtlich das Verschwinden einer Vogelart herbeizuführen. Der Gerichtshof gelangte zu dem Ergebnis, daß die wesentlichen Aspekte des Artikels 9 der Richtlinie nicht vollständig, klar und unzweideutig in das italienische Recht umgesetzt worden seien (Urteil Kommission/Italien, a. a. O., Randnr. 39).

24 Der Gerichtshof hat auch festgestellt, daß eine staatliche Regelung, die die Bejagung bestimmter Arten vorbehaltlich anderslautender Bestimmungen der Regionalbehörden grundsätzlich gestatte, den Schutzerfordernissen der Richtlinie nicht genüge und mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit unvereinbar sei (Urteil vom 17. Januar 1991 in der Rechtssache C-157/89, Kommission/Italien, Slg. 1991, I-57, Randnrn. 16 und 17).

25 Eine staatliche Regelung, die die Bejagung bestimmter Vogelarten gestattet, die nicht in dem Verzeichnis in Anhang II der Richtlinie aufgeführt sind, ohne Kriterien für die Abweichung aufzustellen oder die Regionen zu verpflichten, diesen Kriterien Rechnung zu tragen und sie anzuwenden, erfuellt also nicht die Voraussetzungen, denen Abweichungen nach Artikel 9 der Richtlinie entsprechen müssen.

26 Auf die Vorlagefrage ist demgemäß zu antworten, daß Artikel 9 der Richtlinie den Mitgliedstaaten die Abweichung von dem in den Artikeln 5 und 7 der Richtlinie niedergelegten allgemeinen Verbot der Bejagung geschützter Arten nur durch Maßnahmen gestattet, die eine hinreichend ausführliche Bezugnahme auf die in Artikel 9 Absätze 1 und 2 vorgesehenen Angaben enthalten.

Kostenentscheidung:

Kosten

27 Die Auslagen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben hat, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

auf die ihm vom Tribunale amministrativo regionale Venetien mit Beschluß vom 27. Mai 1993 vorgelegte Frage für Recht erkannt:

Artikel 9 der Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten gestattet den Mitgliedstaaten die Abweichung von dem in den Artikeln 5 und 7 dieser Richtlinie niedergelegten allgemeinen Verbot der Bejagung geschützter Arten nur durch Maßnahmen, die eine hinreichend ausführliche Bezugnahme auf die in Artikel 9 Absätze 1 und 2 vorgesehenen Angaben enthalten.

Ende der Entscheidung

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