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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Beschluss verkündet am 19.03.1996
Aktenzeichen: C-120/94
Rechtsgebiete: EG-Vertrag, VerfO


Vorschriften:

EG-Vertrag Art. 225 Abs. 2
EG-Vertrag Art. 113 EG-Vertrag
VerfO Art. 78
VerfO Art. 77
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 19. März 1996. - Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Republik Griechenland. - Streichung. - Rechtssache C-120/94.

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 22. April 1994 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 225 Absatz 2 EG-Vertrag Klage erhoben auf Feststellung, daß die Griechische Republik die in Artikel 224 EG-Vertrag vorgesehenen Befugnisse mißbraucht hat, um die am 16. Februar 1994 getroffenen einseitigen Maßnahmen zum Verbot des Handels, insbesondere über den Hafen von Saloniki, mit Erzeugnissen, die aus der ehemaligen Jugoslawischen Republik Makedonien stammen, aus ihr kommen oder für sie bestimmt sind, sowie der Einfuhr von Erzeugnissen, die aus dieser Republik stammen oder kommen, nach Griechenland zu rechtfertigen, und dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 113 EG-Vertrag sowie aus der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2603/69 des Rates vom 20. Dezember 1969 (ABl. L 324, S. 25) festgelegten gemeinsamen Ausfuhrregelung, aus der durch die Verordnung (EWG) Nr. 288/82 des Rates vom 5. Februar 1982 (ABl. L 35, S. 1) festgelegten gemeinsamen Einfuhrregelung, aus der durch die Verordnung (EWG) Nr. 3698/93 des Rates vom 22. Dezember 1993 (ABl. L 344, S. 1) festgelegten Einfuhrregelung für Waren mit Ursprung in der Republik Bosnien-Herzegowina, der Republik Kroatien, der Republik Slowenien sowie der ehemaligen Jugoslawischen Republik Makedonien und aus dem durch die Verordnung (EWG) Nr. 2726/90 des Rates vom 17. September 1990 (ABl. L 262, S. 1) festgelegten gemeinschaftlichen Versandverfahren verstossen hat.

2 Mit Beschluß vom 29. Juni 1994 in der Rechtssache C-120/94 R (Kommission/Griechenland, Slg. 1994, I-3040) hat der Gerichtshof den Antrag der Kommission, der Griechischen Republik aufzugeben, die am 16. Februar 1994 gegen die ehemalige Jugoslawische Republik Makedonien getroffenen Maßnahmen bis zum Erlaß des Urteils auszusetzen, zurückgewiesen.

3 Die Parteien haben in der Sitzung vom 1. Februar 1995 unter Ausschluß der Öffentlichkeit mündlich verhandelt.

4 Der Generalanwalt hat seine Schlussanträge am 6. April 1995 vorgetragen.

5 Mit Schreiben vom 23. Oktober 1995 hat die Kommission dem Gerichtshof mitgeteilt, daß sie an einer Fortsetzung des Verfahrens nicht mehr interessiert sei, da zwischen der Griechischen Republik und der ehemaligen Jugoslawischen Republik Makedonien über bestimmte Punkte ein vorläufiges Abkommen geschlossen worden sei und die erstgenannte die von ihr am 16. Februar 1994 getroffenen Handelsmaßnahmen aufgehoben habe. Die Kommission hat folglich beschlossen, ihre Klage gemäß Artikel 78 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes zurückzunehmen, und beantragt, jeder Partei ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.

6 Mit Schreiben vom 22. November 1995 hat die griechische Regierung beantragt, über die Sache zu entscheiden. Im Rahmen eines Vetragsverletzungsverfahrens nach Artikel 169 EG-Vertrag müsse festgestellt werden, ob ein Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht vorliege; damit sei ihr Interesse an der Fortsetzung des Verfahrens bis zu dessen Abschluß hinreichend begründet, selbst wenn der angebliche Verstoß offenkundig abgestellt sei. Sodann betreffe die Klage eine Frage, die für die Gemeinschaftsrechtsordnung grundsätzliche Bedeutung habe; die Griechische Republik habe aufgrund ihrer etwaigen Haftung gegenüber Dritten, die einen Schaden aus dem angeblichen Verstoß gegen Artikel 224 EG-Vertrag geltend machen könnten, ein berechtigtes Interesse daran, daß der Gerichtshof entscheide. Schließlich ergebe sich aus den allgemeinen Grundsätzen des rechtlichen Gehörs und der Waffengleichheit der Parteien, daß der Beklagte das Recht habe, Einwände zu erheben und die Gründe darzulegen, die eine Entscheidung des Gerichtshofes über die Begründetheit erforderlich machten.

7 Die Kosten seien der Kommission aufzuerlegen. Artikel 69 § 5 Satz 1 der Verfahrensordnung stelle die Partei, die die Klage zurücknehme, der unterliegenden Partei (§ 2) gleich, soweit die Gegenpartei einen Kostenantrag gestellt habe und die Parteien sich nicht über die Verteilung der Kosten geeinigt hätten. Die Griechische Republik habe die Klage der Kommission weder provoziert, noch beruhe die Erledigung der Hauptsache auf ihrem Verhalten.

8 Die Kommission macht in ihren am 15. Dezember 1995 eingereichten Erklärungen geltend, daß die Klagerücknahme auf einer Beurteilung der Zweckmässigkeit einer Fortsetzung des Verfahrens beruhe, die sie in Ausübung ihrer Aufgaben als Hüterin des EG-Vertrages vorgenommen habe. Wenn die Kommission aufgrund von Artikel 169 oder 225 EG- Vertrag vorgehe, so tü sie dies nicht zum Schutz ihres eigenen Interesses. Ausserdem setze die Annahme einer Klagerücknahme durch den Gerichtshof nach Artikel 78 der Verfahrensordnung die Zustimmung des Beklagten nicht voraus; das Recht des Klägers, die Klage jederzeit während des Verfahrens vor dem Gerichtshof zurückzunehmen, werde nicht beschränkt. Der Rechtsschutz Dritter erfolge in erster Linie vor den nationalen Gerichten, die im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens des Artikels 177 EG-Vertrag klären könnten, ob nationale Maßnahmen dem Gemeinschaftsrecht entsprächen. Bei den Kosten würde sie keine Einwände dagegen erheben, daß zwischen der Klage und dem Antrag auf einstweilige Anordnung unterschieden würde.

9 Die griechische Regierung führt in ihrem Schriftsatz vom 12. Januar 1996 aus, daß der allgemeine Grundsatz des rechtlichen Gehörs praktisch unwirksam würde, wenn der Beklagte nicht berechtigt wäre, der Klagerücknahme des Klägers zu widersprechen, oder nicht vernünftigerweise damit rechnen könnte, daß seine Erklärungen ernsthaft in Betracht gezogen würden. Des weiteren könne im vorliegenden Fall nur Artikel 77 der Verfahrensordnung angewendet werden, insbesondere da die Hauptsache erledigt sei. Schließlich bestehe das Ziel des Vertragsverletzungsverfahrens nicht nur darin, Verstösse abzustellen, sondern auch darin, festzustellen, ob ein Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht vorliege.

Zur Klagerücknahme

10 Artikel 77 der Verfahrensordnung bestimmt, daß der Präsident die Streichung der Rechtssache im Register anordnet, wenn sich die Parteien über die streitigen Fragen einigen, bevor der Gerichtshof entschieden hat, und wenn sie erklären, daß sie auf die Geltendmachung ihrer Ansprüche verzichten. Artikel 78 der Verfahrensordnung sieht vor, daß der Präsident die Streichung der Rechtssache im Register anordnet, wenn der Kläger durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Gerichtshof die Klage zurücknimmt.

11 Im vorliegenden Fall ist die Erklärung der Kommission, daß sie die Klage zurücknehme, nicht nach einer Einigung zwischen ihr und der Griechischen Republik erfolgt. Vielmehr hat die Kommission als die Klägerin die Klage zurückgenommen, weil sie an der Fortsetzung des Verfahrens im Hinblick auf die nach Abschluß des mündlichen Verfahrens eingetretenen Entwicklungen kein Interesse mehr hatte.

12 Gemäß Artikel 78 der Verfahrensordnung reicht es für die Anordnung der Streichung der Rechtssache im Register durch den Präsidenten aus, daß der Kläger durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Gerichtshof die Klage zurücknimmt.

13 Also entspricht die Erklärung der Kommission, daß sie die Klage in der vorliegenden Rechtssache zurücknehme, den Voraussetzungen des Artikel 78 der Verfahrensordnung. Folglich ist die Streichung der Rechtssache im Register anzuordnen und über die Kosten zu entscheiden.

Kostenentscheidung:

Kosten

14 Artikel 78 der Verfahrensordnung bestimmt, daß über die Kosten gemäß Artikel 69 § 5 der Verfahrensordnung zu entscheiden ist. Nach Artikel 69 § 5 wird die Partei, die die Klage zurücknimmt, auf Antrag der Gegenpartei zur Tragung der Kosten verurteilt. Gemäß § 5 Satz 2 werden die Kosten jedoch auf Antrag der Partei, die die Rücknahme erklärt, der Gegenpartei auferlegt, wenn dies wegen des Verhaltens dieser Partei gerechtfertigt erscheint.

15 Im vorliegenden Fall beantragt die Kommission, gemäß Artikel 69 § 35 Satz 2 jeder Partei die eigenen Kosten aufzuerlegen. Sie weist insoweit nur auf den Umstand hin, daß die Griechische Republik die streitigen Maßnahmen abgeschafft habe.

16 Dieser Umstand reicht nicht aus, um der Griechischen Republik wegen ihres Verhaltens die Kosten aufzuerlegen. Im vorliegenden Fall daraus den Schluß zu ziehen, daß die Klage und deren spätere Rücknahme durch die Kommission auf dem Verhalten der Griechischen Republik beruhten, würde nämlich voraussetzen, daß die Klage der Kommission begründet war. Nach der Klagerücknahme kann jedoch die Begründetheit der Klage der Kommission nicht mehr geprüft werden.

17 Daher sind der Kommission die Kosten des Verfahrens einschließlich derjenigen des Verfahrens der einstweiligen Anordnung aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER PRÄSIDENT DES GERICHTSHOFES

beschlossen:

1. Die Rechtssache C-120/94 wird im Register des Gerichtshofes gestrichen.

2. Die Kommission trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich derjenigen des Verfahrens der einstweiligen Anordnung.

Luxemburg, den 19. März 1996

Ende der Entscheidung

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