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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 10.10.1991
Aktenzeichen: C-161/90
Rechtsgebiete: Verordnung (EWG) Nr. 3472/85 vom 10. Dezember, Verordnung Nr. 136/66, Verordnung (EWG) Nr. 729/70 des Rates vom 21. April 1970


Vorschriften:

Verordnung (EWG) Nr. 3472/85 vom 10. Dezember Art. 3 Abs. 2
Verordnung Nr. 136/66 Art. 35
Verordnung (EWG) Nr. 729/70 des Rates vom 21. April 1970 Art. 8 Abs. 1
Verordnung (EWG) Nr. 729/70 Art. 9 Abs. 1
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung Nr. 3472/85 über den Ankauf und die Lagerung von Olivenöl durch die Interventionsstellen ist dahin auszulegen, daß bis zum Erlaß einer Gemeinschaftsregelung die Prüfung der organoleptischen Merkmale von naturreinem Olivenspeiseöl anhand der einzelstaatlichen Methoden durchgeführt wird, deren einziger Zweck darin bestehen muß, die Merkmale festzustellen, die in den Gemeinschaftsvorschriften für die Einstufung nach den in diesen Vorschriften aufgeführten Bezeichnungen verlangt werden.

2. Im Rahmen der Übernahme der von einem Mitgliedstaat zum Zweck der Intervention getätigten Ausgaben durch den EAGFL kann die Kommission nach dem Gemeinschaftsrecht, um die Ordnungsmässigkeit der Interventionsmaßnahmen nach strengen Zuverlässigkeitsbedingungen zu prüfen, eine nachträgliche Kontrolle der ursprünglichen Einstufung des betreffenden Erzeugnisses vornehmen, die nicht in einer blossen Wiederholung der zu dem Zeitpunkt, zu dem es zur Intervention angeboten wurde, durchgeführten Analysen besteht.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (SECHSTE KAMMER) VOM 10. OKTOBER 1991. - CARMELA PETRUZZI UND ADDOLORATA LONGO GEGEN ASSOCIAZIONE ITALIANA PRODUTTORI OLIVICOLI UND ASSOCIAZIONE SALENTINA OLIVICOLTORI UND AZIENDA DI STATO PER GLI INTERVENTI SUL MERCATO AGRICOLO. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: PRETURA DI LECCE - ITALIEN. - AUSLEGUNG DES ARTIKELS 3 ABSATZ 2 DER VERORDNUNG (EWG) NR. 3472/85 DER KOMMISSION VOM 10. DEZEMBER 1985 UEBER DIE PRUEFUNG DER ORGANOLEPTISCHEN MERKMALE DES OLIVENOELS. - VERBUNDENE RECHTSSACHEN C-161/90 UND C-162/90.

Entscheidungsgründe:

1 Die Pretura Lecce (Italien) hat mit Beschlüssen vom 28. März 1990, beim Gerichtshof eingegangen am 25. Mai 1990, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag drei Fragen nach der Auslegung von Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3472/85 der Kommission vom 10. Dezember 1985 über den Ankauf und die Lagerung von Olivenöl durch die Interventionsstellen (ABl. L 333, S. 5) sowie nach der Gültigkeit der Entscheidung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften und aller sonstigen Maßnahmen dieses Gemeinschaftsorgans, die zu dem Ergebnis kommen, daß die Ausgaben für den Erwerb und die Verwaltung der Partien Öl, auf die sich die Schreiben der Azienda di Stato per gli interventi nel Mercato Agricolo (italienische Interventionsstelle; im folgenden: AIMA) vom 29. März 1989, Protokoll Nr. 4387, und 3. August 1989, Protokoll Nr. 1120 (in der Handakte der Klägerin), beziehen, für die Intervention nicht in Betracht kommen, zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in zwei Rechtsstreitigkeiten zwischen Carmela Petruzzi (Rechtssache C-161/90) und Addolorata Longo (Rechtssache C-162/90) und der Associazione Italiana Produttori Olivicoli (italienische Vereinigung der Olivenölerzeuger; im folgenden: AIPO), der Associazione Salentina Olivicoltori (salentinische Olivenbauernvereinigung; im folgenden: ASO) und der AIMA, in denen es darum geht, jede Forderung auf Rückerstattung der als Interventionspreis für Öl gemäß den Artikeln 4 ff. der Verordnung Nr. 136/66/EWG des Rates vom 22. September 1966 über die Errichtung einer gemeinsamen Marktorganisation für Fette (ABl. 1966, Nr. 172, S. 3025) erhaltenen Beträge für unbegründet und rechtswidrig zu erklären.

3 Wie sich aus den Akten ergibt, hatten Frau Petruzzi und Frau Longo, beide Olivenbäuerinnen in Vernole (Lecce), an ihrem Wohnsitz durch die ASO 1 238 kg und 857 kg naturreines Olivenöl abholen lassen, die im Laufe des Olivenanbaujahres 1987 erzeugt worden waren.

4 Infolge einer Kontrolle, die von einigen Laboratorien für Rechnung der Gemeinschaftsbehörden durchgeführt wurde, stellten diese fest, daß das zur Intervention angebotene Öl als naturreines Olivenöl, anderes als feines, einzustufen sei. In Anbetracht der Bedeutung der festgestellten Unregelmässigkeiten schloß die Kommission mit der genannten Entscheidung die Ausgaben Italiens auf dem Gebiet der Intervention für Olivenöl während des Zeitraums vom 1. Oktober 1988 bis 30. September 1989 aus.

5 Mit Rücksicht auf die Ergebnisse der genannten Analysen und die von der Kommission in diesem Zusammenhang gezogenen Konsequenzen verlangte die AIMA von den Einlagerungsstellen die Erstattung der Beträge, die sie ihnen für die Interventionskäufe gezahlt hatte; diese Stellen forderten die Beträge von den Erzeugern, die ihnen das fragliche Öl geliefert hatten.

6 In diesem Zusammenhang verklagten Frau Petruzzi und Frau Longo beim vorlegenden Gericht die ASO von Lecce, die AIPO, Rom, und die AIMA mit dem Ziel, jede Forderung auf Erstattung der Beträge von 4 438 895 LIT und 3 072 800 LIT, die den Klägerinnen der Ausgangsverfahren als Interventionspreis gezahlt worden waren, für unbegründet und rechtswidrig erklären zu lassen.

7 Da das vorlegende Gericht der Auffassung war, daß diese Klageschriften mehrere Probleme des Gemeinschaftsrechts aufwarfen, hat es beschlossen, die Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

A. 1) Ist Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3472/85 der Kommission vom 10. Dezember 1985 dahin auszulegen, daß die Prüfung der organoleptischen Merkmale von anderem naturreinem Olivenspeiseöl als Lampantöl bis zur Festlegung einer Gemeinschaftsmethode ausschließlich anhand einzelstaatlicher Methoden durchgeführt wird?

2) Wenn ja, können die Ergebnisse und Feststellungen der Prüfungen und Analysen, die zu dem Zeitpunkt, zu dem das Öl zur Intervention angeboten wurde, und während des Verbleibs in den Lagern der Interventionsstelle anhand einzelstaatlicher Methoden durchgeführt wurden, durch Ergebnisse von Prüfungen entkräftet werden, die anhand von Verfahren und Methoden durchgeführt wurden, die von den einzelstaatlichen Methoden abweichen?

B. Sind die Entscheidung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften sowie alle sonstigen Maßnahmen dieses Gemeinschaftsorgans gültig, die zu dem Ergebnis kommen, daß die Ausgaben für den Erwerb und die Verwaltung der Partien Öl, auf die sich die Schreiben der AIMA vom 29. März 1989, Protokoll Nr. 4387, und 3. August 1989, Protokoll Nr. 1120 (in der Handakte der Klägerin), beziehen, für die Intervention nicht in Betracht kommen? Gegebenenfalls ist die Vorlage der Entscheidung der Kommission und aller sonstigen Maßnahmen dieses Gemeinschaftsorgans anzuordnen.

8 Wegen weiterer Einzelheiten des verordnungsrechtlichen Rahmens und des Sachverhalts, des Verfahrensablaufs und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt ist im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

Zur ersten Frage

9 Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß Artikel 35 der genannten Verordnung Nr. 136/66 bestimmt:

"Unbeschadet einer Harmonisierung der Rechtsvorschriften über Olivenöl, das zur Ernährung bestimmt ist, führen die Mitgliedstaaten für den innergemeinschaftlichen Handel sowie für den Handel mit dritten Ländern, abgesehen von den Ausfuhren nach dritten Ländern, die im Anhang dieser Verordnung vorgesehenen Bezeichnungen und Begriffsbestimmungen der Olivenöle ein."

10 In Anwendung dieser Vorschrift definiert der genannte Anhang die folgenden vier Kategorien von Jungfernöl [naturreines Olivenöl]:

a) Extra: Olivenöl von einwandfreiem Geschmack, dessen Gehalt an freien Fettsäuren, berechnet als Ölsäure, höchstens 1 g je 100 g beträgt.

b) Fein: Olivenöl, das den Bedingungen des Extra-Olivenöls entspricht, dessen Gehalt an freien Fettsäuren, berechnet als Ölsäure, jedoch höchstens 1,5 g je 100 g beträgt.

c) Handelsüblich (Es kann auch der Ausdruck 'mittelfein' verwendet werden): Olivenöl von gutem Geschmack, dessen Gehalt an freien Fettsäuren, berechnet als Ölsäure, höchstens 3,3 g je 100 g beträgt.

d) Lampant-Öl: Olivenöl von unangenehmem Geschmack oder Olivenöl, dessen Gehalt an freien Fettsäuren, berechnet als Ölsäure, mehr als 3,3 g je 100 g beträgt."

11 Artikel 3 Absatz 2 Unterabsätze 3 und 4 der angeführten Verordnung Nr. 3472/85 sieht vor:

"Bei naturreinem Olivenspeiseöl werden die organoleptischen Merkmale anhand einer Gemeinschaftsmethode überprüft.

Bis zur Festlegung dieser Methode führen die Mitgliedstaaten die vorgenannte Prüfung anhand einzelstaatlicher Methoden durch."

12 Aus dem Verordnungscharakter dieser Bestimmungen ergibt sich, daß die in ihnen genannten Kriterien für das Bezeichnungsrecht jeder einschlägigen einzelstaatlichen Regelung vorgehen, so daß die in Artikel 3 Absatz 2 angeführten einzelstaatlichen Methoden keinen anderen Zweck haben können, als diese Kriterien anzuwenden.

13 Dem nationalen Gericht ist daher zu antworten, daß Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung Nr. 3472/85 der Kommission vom 10. Dezember 1985 dahin auszulegen ist, daß bis zum Erlaß einer Gemeinschaftsregelung die Prüfung der organoleptischen Merkmale von naturreinem Olivenspeiseöl anhand einzelstaatlicher Methoden durchgeführt wird, deren einziger Zweck darin bestehen muß, die Merkmale festzustellen, die in den Gemeinschaftsvorschriften für die Einstufung nach den in diesen Vorschriften aufgeführten Bezeichnungen verlangt werden.

Zur zweiten Frage

14 Es ist festzustellen, daß die Frage, ob andere als die auf nationaler Ebene vorgesehenen Methoden angewandt werden können, um die Einstufung des Öls, wie sie ursprünglich im Zeitpunkt des Angebots zur Intervention vorgenommen wurde, nachträglich zu kontrollieren, impliziert, daß zuvor die Rechtmässigkeit einer solchen nachträglichen Kontrolle geprüft wird.

15 Insoweit ist daran zu erinnern, daß Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 729/70 des Rates vom 21. April 1970 über die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik (ABl. L 94, S. 13) bestimmt:

"Die Mitgliedstaaten treffen gemäß den einzelstaatlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften die erforderlichen Maßnahmen, um

- sich zu vergewissern, daß die durch den Fonds finanzierten Maßnahmen tatsächlich und ordnungsgemäß durchgeführt worden sind,

- Unregelmässigkeiten zu verhindern und zu verfolgen,

- die infolge von Unregelmässigkeiten oder Versäumnissen abgeflossenen Beträge wieder einzuziehen.

Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission die zu diesem Zweck getroffenen Maßnahmen, insbesondere den Stand der Verwaltungs- und Gerichtsverfahren, mit."

Ebenso verpflichtet Artikel 9 Absatz 1 die Mitgliedstaaten,

"... etwaige Kontrollen - einschließlich Prüfungen an Ort und Stelle - zu erleichtern, deren Durchführung die Kommission im Rahmen der Abwicklung der gemeinschaftlichen Finanzierung als zweckmässig erachtet".

16 Aus diesen Vorschriften, die darauf abzielen, den betreffenden Behörden die notwendigen Befugnisse zu verleihen, um zu verhindern, daß der EAGFL Ausgaben für Interventionsmaßnahmen übernimmt, die in einer dem Gemeinschaftsrecht nicht entsprechenden Weise durchgeführt wurden, ergibt sich, daß eine nachträgliche Kontrolle der ursprünglichen Einstufung des Öls in die Zuständigkeit der Kommission fällt.

17 Es ist hinzuzufügen, daß die Wirksamkeit nachträglicher Kontrollen der ursprünglichen Einstufung des Öls voraussetzt, daß die Kommission die Möglichkeit hat, jedes Analysesystem anzuwenden, durch das mit völliger Sicherheit geklärt werden kann, ob die Einstufung des Öls zu dem Zeitpunkt, zu dem es zur Intervention angeboten wurde, den in der anwendbaren Gemeinschaftsregelung genannten Bezeichnungskriterien entsprach.

18 Daher ist dem nationalen Gericht zu antworten, daß die Kommission nach dem Gemeinschaftsrecht, um die Ordnungsmässigkeit der Interventionsmaßnahmen unter strengen Zuverlässigkeitsbedingungen zu prüfen, eine Kontrolle vornehmen kann, die nicht in einer blossen Wiederholung der zu dem Zeitpunkt, zu dem das Öl zur Intervention angeboten wurde, durchgeführten Analysen besteht.

Zur dritten Frage

19 In Anbetracht des Aufbaus der vom vorlegenden Gericht gestellten Fragen ist die dritte Frage als gegenstandslos zu betrachten, da aus den Angaben des vorlegenden Gerichts hervorgeht, daß die im Rahmen der oben geprüften Fragen gegebenen Antworten es ihm bereits ermöglichen, den Rechtsstreit zu entscheiden.

Kostenentscheidung:

Kosten

20 Die Auslagen der griechischen Regierung, der italienischen Regierung und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in den bei dem nationalen Gericht anhängigen Rechtsstreitigkeiten; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

auf die ihm von der Pretura Lecce mit Beschlüssen vom 28. März 1990 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1) Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3472/85 der Kommission vom 10. Dezember 1985 ist dahin auszulegen, daß bis zum Erlaß einer Gemeinschaftsregelung die Prüfung der organoleptischen Merkmale von naturreinem Olivenspeiseöl anhand einzelstaatlicher Methoden durchgeführt wird, deren einziger Zweck darin bestehen muß, die Merkmale festzustellen, die in den Gemeinschaftsvorschriften für die Einstufung nach den in diesen Vorschriften aufgeführten Bezeichnungen verlangt werden.

2) Die Kommission kann nach dem Gemeinschaftsrecht, um die Ordnungsmässigkeit der Interventionsmaßnahmen unter strengen Zuverlässigkeitsbedingungen zu prüfen, eine Kontrolle vornehmen, die nicht in einer blossen Wiederholung der zu dem Zeitpunkt, zu dem das Öl zur Intervention angeboten wurde, durchgeführten Analysen besteht.

Ende der Entscheidung

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