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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Beschluss verkündet am 07.04.1995
Aktenzeichen: C-167/94
Rechtsgebiete: EG-Vertrag, Verfahrensordnung


Vorschriften:

EG-Vertrag Artikel 177
EG-Vertrag Artikel 8b
Verfahrensordnung Artikel 92
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Gemäß Artikel L des Vertrages über die Europäische Union ist der Gerichtshof offensichtlich nicht dafür zuständig, Artikel B dieses Vertrages im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens auszulegen.

2. Die Notwendigkeit, zu einer für das nationale Gericht sachdienlichen Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu gelangen, gebietet es, daß dieses Gericht den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen umreisst, in den sich die gestellten Fragen einfügen, oder daß es zumindest die tatsächlichen Annahmen erläutert, auf denen diese Fragen beruhen.

Ausserdem ist es unerläßlich, daß das nationale Gericht ein Mindestmaß an Erläuterungen zu den Gründen für die Wahl der Gemeinschaftsbestimmungen, um deren Auslegung es ersucht, und zu dem Zusammenhang gibt, den es zwischen diesen Bestimmungen und den auf den Rechtsstreit anzuwendenden Rechtsvorschriften herstellt.

Die Informationen, die in den Vorlageentscheidungen erteilt werden, um diesen Anforderungen zu genügen, dienen nicht nur dazu, dem Gerichtshof sachdienliche Antworten zu erlauben, sondern sollen auch den Regierungen der Mitgliedstaaten und den anderen Beteiligten die Möglichkeit geben, gemäß Artikel 20 der Satzung des Gerichtshofes Erklärungen abzugeben.


BESCHLUSS DES GERICHTSHOFES VOM 7. APRIL 1995. - STRAFVERFAHREN GEGEN JUAN CARLOS GRAU GOMIS UND ANDERE. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: JUZGADO DE PRIMERA INSTANCIA E INSTRUCCION DE SUECA - SPANIEN. - VORABENTSCHEIDUNGSERSUCHEN - UNZUSTAENDIGKEIT - UNZULAESSIGKEIT. - RECHTSSACHE C-167/94.

Entscheidungsgründe:

1 Das Juzgado de Instrucción Süca (Valencia, Spanien) hat mit Beschluß vom 18. Mai 1994, beim Gerichtshof eingegangen am 20. Juni 1994, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag Fragen nach der Auslegung der Artikel 2, 3 Buchstaben a, b, f und h, 3a Absatz 1, 8b, 9, 35, 36, 37 Absatz 1, 86 und 90 EG-Vertrag, nach der Auslegung der Artikel 2, 9, 35 und 51 der Akte über die Bedingungen des Beitritts des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik und die Anpassungen der Verträge vom 12. Juni 1985 (ABl. L 302, S. 23) sowie nach der Auslegung des Artikels B des Vertrages über die Europäische Union zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Das Juzgado de Instrucción ist mit Strafverfolgungsmaßnahmen gegen Juan Carlos Grau Gomis und sechs weitere Personen wegen des mutmaßlichen Deliktes des Schmuggels von Tabak befasst, der insbesondere aus den Niederlanden, dem Vereinigten Königreich, Andorra und Gibraltar stammt und in Spanien und Afrika verkauft werden sollte.

3 Das nationale Gericht, dem sich die Frage nach der Auslegung der genannten Artikel und nach der Vereinbarkeit bestimmter nationaler Vorschriften, insbesondere der Ley Orgánica Nr. 7/82 vom 13. Juli 1982 über Schmuggeldelikte, mit diesen Artikeln stellt, hat dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften wird um Vorabentscheidung ersucht über

1) die Auslegung der Artikel 2, 3 Buchstaben a, b, f und h, 9, 35, 36, 37 Absatz 1 sowie 86 und 90 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, unterzeichnet in Rom am 25. März 1957,

2) die Auslegung der Artikel 2, 9, 35 und 51 der Akte über den Beitritt Spaniens und Portugals zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, unterzeichnet in Madrid und Lissabon am 12. Juni 1985,

3) die Auslegung der Artikel 3a Absatz 1, B Absatz 1 sowie 8b des Vertrages über die Europäische Union, unterzeichnet in Maastricht am 7. Februar 1992,

4) die Auslegung all dieser Artikel in Verbindung mit der Ley Orgánica Nr. 7/82 über Schmuggeldelikte, konkret Artikel 1 Absatz 3 und Artikel 3 Absätze 1 und 2 dieses Gesetzes, sowie über die Gültigkeit oder Ungültigkeit der sich aus ihrer Anwendung ergebenden Maßnahmen.

4 Nach ständiger Rechtsprechung ist der Gerichtshof im Rahmen eines Verfahrens gemäß Artikel 177 des Vertrages nicht für die Entscheidung über die Vereinbarkeit einer nationalen Maßnahme mit dem Gemeinschaftsrecht zuständig. Soweit sich die vierte Frage auf die Vereinbarkeit des spanischen Gesetzes mit dem Gemeinschaftsrecht bezieht, ist der Gerichtshof daher nicht zuständig, sie zu beantworten. Soweit sich diese Frage auf die Auslegung des Gemeinschaftsrechts bezieht, läuft sie auf die drei vorangehenden Fragen hinaus.

5 Zur dritten Frage weist der Gerichtshof darauf hin, daß der Vertrag über die Europäische Union weder einen Artikel 3a noch einen Artikel 8b enthält. Er nimmt an, daß sich das nationale Gericht auf die Artikel 3a und 8b des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beziehen wollte, die durch Artikel G Abschnitt B Nr. 4 und durch Artikel G Abschnitt C des Vertrages über die Europäische Union eingefügt worden sind.

6 Gemäß Artikel L des Vertrages über die Europäische Union kann ein nationales Gericht nicht Artikel 177 des Vertrages anwenden, um dem Gerichtshof eine Frage zu Artikel B des Vertrages über die Europäische Union vorzulegen. Der Gerichtshof ist daher offensichtlich nicht dafür zuständig, diesen Artikel im Rahmen eines solchen Verfahrens auszulegen.

7 Hinsichtlich der weiteren im Vorlagebeschluß genannten Bestimmungen stellt der Gerichtshof fest, daß ausser den Beteiligten des Ausgangsverfahrens und der Kommission nur die spanische, die französische und die italienische Regierung Erklärungen abgegeben haben. Die französische und die italienische Regierung haben mitgeteilt, daß sie Schwierigkeiten hätten, den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen zu erkennen, in den die vorgelegten Fragen gehörten. Insbesondere stellt die französische Regierung fest, daß keine Erläuterung zu den Monopolen, die im Ausgangsverfahren eine Rolle spielten, gegeben werde, während die italienische Regierung nicht weiß, ob sich dem nationalen Gericht die Frage nach einem Einfuhrmonopol oder nach einem Absatzmonopol stelle; sie weist auf das vollständige Fehlen einer Begründung hinsichtlich der möglichen Unvereinbarkeit dieser Monopole mit dem Gemeinschaftsrecht hin. Schließlich sehen weder die Kommission noch einige Regierungen, welchen Nutzen die Auslegung mehrerer der erwähnten Bestimmungen für die Entscheidung des bei dem nationalen Gericht anhängigen Verfahrens hat.

8 Die Notwendigkeit, zu einer für das nationale Gericht sachdienlichen Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu gelangen, gebietet es, daß dieses Gericht den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen umreisst, in den sich die gestellten Fragen einfügen, oder daß es zumindest die tatsächlichen Annahmen erläutert, auf denen diese Fragen beruhen (vgl. insbesondere Urteil vom 26. Januar 1993 in den verbundenen Rechtssachen C-320/90, C-321/90 und C-322/90, Telemarsicabruzzo u. a., Slg. 1993, I-393, Randnr. 6; Beschlüsse vom 19. März 1993 in der Rechtssache C-157/92, Banchero, Slg. 1993, I-1085, Randnr. 4, und vom 23. März 1995 in der Rechtssache C-458/93, Saddik, Slg. 1995, I-0000, Randnr. 12).

9 Ausserdem ist es unerläßlich, daß das nationale Gericht ein Mindestmaß an Erläuterungen zu den Gründen für die Wahl der Gemeinschaftsbestimmungen, um deren Auslegung es ersucht, und zu dem Zusammenhang gibt, den es zwischen diesen Bestimmungen und den auf den Rechtsstreit anzuwendenden nationalen Rechtsvorschriften herstellt.

10 Hierzu ist zu bemerken, daß die Informationen, die in den Vorlageentscheidungen erteilt werden, um diesen Anforderungen zu genügen, nicht nur dazu dienen, dem Gerichtshof sachdienliche Antworten zu erlauben, sondern auch den Regierungen der Mitgliedstaaten und den anderen Beteiligten die Möglichkeit geben sollen, gemäß Artikel 20 der EG-Satzung des Gerichtshofes Erklärungen abzugeben. Der Gerichtshof hat in Anbetracht der Tatsache, daß den Beteiligten nach der vorgenannten Vorschrift nur die Vorlageentscheidungen zugestellt werden, dafür zu sorgen, daß diese Möglichkeit erhalten bleibt (Urteil vom 1. April 1982 in den verbundenen Rechtssachen 141/81, 142/81 und 143/81, Holdijk, Slg. 1982, 1299, Randnr. 6, und Beschluß vom 23. März 1995, Saddik, a. a. O., Randnr. 13).

11 Es ist festzustellen, daß der Vorlagebeschluß keine ausreichenden Angaben enthält, um den genannten Anforderungen zu genügen. Insbesondere enthält er, worauf die französische und die italienische Regierung zu Recht hingewiesen haben, zu wenige Einzelheiten zu den Monopolen, die im Ausgangsverfahren eine Rolle spielen, und er macht keine Angabe zu den Gründen, die das nationale Gericht veranlasst haben, sich nach der Vereinbarkeit der streitigen spanischen Rechtsvorschriften mit den verschiedenen Gemeinschaftsbestimmungen, um deren Auslegung es den Gerichtshof ersucht, zu fragen. Eine dieser Bestimmungen, nämlich Artikel 8b EG-Vertrag, erscheint sogar im Hinblick auf den Gegenstand des Ausgangsverfahrens ganz irrelevant. Der Vorlagebeschluß erlaubt es dem Gerichtshof daher nicht, eine sachdienliche Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu geben.

12 Unter diesen Umständen ist gemäß Artikel 92 der Verfahrensordnung festzustellen, daß der Gerichtshof für die Beantwortung einer Vorlagefrage zu Artikel B des Vertrages über die Europäische Union offensichtlich unzuständig ist und daß das Ersuchen des nationalen Gerichts ausserdem offensichtlich unzulässig ist.

Kostenentscheidung:

Kosten

13 Die Auslagen der spanischen Regierung, der französischen Regierung und der italienischen Regierung sowie der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

beschlossen:

Der Gerichtshof ist für die Beantwortung einer Frage zu Artikel B des Vertrages über die Europäische Union nicht zuständig, die das Juzgado de Instrucción Süca (Valencia, Spanien) im Rahmen eines mit Beschluß vom 18. Mai 1994 vorgelegten Vorabentscheidungsersuchens gestellt hat. Das Ersuchen des Juzgado de Instrucción ist ausserdem unzulässig.

Luxemburg, den 7. April 1995

Ende der Entscheidung

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