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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 25.05.2000
Aktenzeichen: C-307/98
Rechtsgebiete: Richtlinie 76/160/EWG, EGV


Vorschriften:

Richtlinie 76/160/EWG
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1 Der Begriff der "Badegewässer" in Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe a zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 76/160 über die Qualität der Badegewässer ist unter Berücksichtigung des Zieles der Richtlinie, wie es in deren Begründungserwägungen umschrieben ist, so zu verstehen, dass er es verbietet, die Gewässer von Badegebieten lediglich deswegen, weil die Zahl der Badenden eine bestimmte Schwelle nicht überschreitet, aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie auszuschließen.

Im übrigen hat ein Mitgliedstaat, der behauptet, bestimmte Gebiete würden nicht mehr regelmäßig zum Baden genutzt, und der deshalb diese Gebiete nicht mehr als Badegebiete im Sinne der Richtlinie 76/160 betrachten will, für jedes der betroffenen Gebiete das Fehlen einer regelmäßigen Nutzung zu Badezwecken nachzuweisen und außerdem darzulegen, daß dieser Zustand nicht etwa darauf zurückzuführen ist, daß die nach Artikel 3 der Richtlinie festgelegten Grenzwerte in den betroffenen Gebieten nicht eingehalten wurden.

Insoweit kann die geringe Wassertiefe für sich alleine nicht ausreichen, um es einem Mitgliedstaat zu erlauben, bestimmte Plätze aus den Badegebieten im Sinne der Richtlinie 76/160 auszunehmen. Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, daß dies für bestimmte Bevölkerungsgruppen wie etwa ältere Menschen oder Kinder gerade einen Anziehungsfaktor darstellt. Jedenfalls läßt sich dem Parameter in Punkt 11 des Anhangs der Richtlinie 76/160, nach dem die Transparenz der Gewässer mindestens einen Meter betragen muß, nicht entnehmen, daß nur Gebiete mit einer Wassertiefe von mehr als einem Meter als Badegebiete im Sinne der Richtlinie anzusehen sind. Dieser Parameter bedeutet lediglich, daß die Transparenz der Gewässer in Badegebieten mindestens einen Meter betragen muß oder daß, wenn die Wassertiefe unter einem Meter liegt, vollständige Transparenz bestehen muß. (vgl. Randnrn. 28-30, 33-34)

2 Die Richtlinie 76/160 über die Qualität der Badegewässer, die in Artikel 4 Absatz 1 die Verpflichtung der Mitgliedstaaten ausspricht, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, daß ihre Gewässer den in der Richtlinie festgelegten physikalisch-chemischen und mikrobiologischen Werten binnen zehn Jahren nach Bekanntgabe der Richtlinie entsprechen, verpflichtet die Mitgliedstaaten, dafür Sorge zu tragen, daß die vorgeschriebenen Ergebnisse innerhalb der gesetzten Frist erreicht werden, ohne daß sie sich - von den in der Richtlinie ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmen abgesehen - auf besondere Umstände berufen könnten, um die Nichterfuellung dieser Verpflichtung zu rechtfertigen. (vgl. Randnrn. 48-49)

3 Zur Verhängung eines Badeverbots in einem bestimmten Gebiet ist ein Mitgliedstaat aus Gründen der Volksgesundheit nur verpflichtet, wenn in Anbetracht der örtlichen Gegebenheiten das Ausmaß der in dem Gebiet beobachteten Überschreitungen der nach Artikel 3 der Richtlinie 76/160 festgelegten Grenzwerte oder die Art dieser Grenzwerte eine Gefährdung der Volksgesundheit nahelegt. (vgl. Randnr. 62)


Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 25. Mai 2000. - Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Königreich Belgien. - Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Richtlinie 76/160/EWG - Quälität der Badegewässer. - Rechtssache C-307/98.

Parteien:

In der Rechtssache C-307/98

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch F. de Sousa Fialho, Juristischer Dienst, und O. Couvert-Castéra, zum Juristischen Dienst der Kommission abgeordneter nationaler Beamter, als Bevollmächtigte, Zustellungsbevollmächtigter: C. Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre Wagner, Luxemburg-Kirchberg,

Klägerin,

gegen

Königreich Belgien, zunächst vertreten durch J. Devadder, Hauptberater in der Generaldirektion für Rechtsfragen des Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten, Außenhandel und Entwicklungszusammenarbeit, sodann durch Y. Houyet, beigeordneter Berater in derselben Generaldirektion, als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift: Belgische Botschaft, 4, rue des Girondins, Luxemburg,

Beklagter,

"> wegen Feststellung, daß das Königreich Belgien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 4 der Richtlinie 76/160/EWG des Rates vom 8. Dezember 1975 über die Qualität der Badegewässer (ABl. 1976, L 31, S. 1) und aus Artikel 189 Absatz 3 EG-Vertrag (jetzt Artikel 249 Absatz 3 EG) verstoßen hat, daß es nicht innerhalb von zehn Jahren nach Bekanntgabe der genannten Richtlinie die erforderlichen Maßnahmen erlassen hat, um sicherzustellen, daß die Qualität der Badegewässer den gemäß Artikel 3 der Richtlinie festgelegten Grenzwerten entspricht,

erläßt

DER GERICHTSHOF

(Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten D. A. O. Edward sowie der Richter J. C. Moitinho de Almeida (Berichterstatter), C. Gulmann, J.-P. Puissochet und M. Wathelet,

Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer

Kanzler: D. Louterman-Hubeau, Hauptverwaltungsrätin

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der Parteien in der Sitzung vom 29. September 1999, in der die Kommission durch G. Valero Jordana, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigten, und O. Couvert-Castéra und das Königreich Belgien durch A. Snoecx, Beraterin im Ministerium für auswärtige Angelegenheiten, Außenhandel und Entwicklungszusammenarbeit, als Bevollmächtigte, vertreten waren,

nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 28. Oktober 1999,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 5. August 1998 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EG-Vertrag (jetzt Artikel 226 EG) Klage erhoben auf Feststellung, daß das Königreich Belgien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 4 der Richtlinie 76/160/EWG des Rates vom 8. Dezember 1975 über die Qualität der Badegewässer (ABl. 1976, L 31, S. 1) und aus Artikel 189 Absatz 3 EG-Vertrag (jetzt Artikel 249 Absatz 3 EG) verstoßen hat, daß es nicht innerhalb von zehn Jahren nach Bekanntgabe der genannten Richtlinie die erforderlichen Maßnahmen erlassen hat, um sicherzustellen, daß die Qualität der Badegewässer den gemäß Artikel 3 der Richtlinie festgelegten Grenzwerten entspricht.

2 In dieser Klage wirft die Kommission dem Königreich Belgien vor, es habe

- ohne angemessene Begründung zahlreiche Badegebiete an Binnengewässern aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie 76/160 ausgeschlossen;

- nicht alle Maßnahmen erlassen, um sicherzustellen, daß die Qualität der Badegewässer den gemäß Artikel 3 der genannten Richtlinie festgelegten Grenzwerten entspricht, und die von der Richtlinie geforderten Ergebnisse nicht erreicht;

- in seinem Recht nicht die Verpflichtung vorgesehen, in den Gebieten, in denen die Gewässerqualität nicht den gemäß Artikel 3 der Richtlinie festgelegten Grenzwerten entspricht, Badeverbote zu verhängen.

Das Gemeinschaftsrecht

3 Die Richtlinie 76/160 ist nach ihrer ersten Begründungserwägung darauf gerichtet, zum Schutz der Umwelt und der Volksgesundheit die Verunreinigung der Badegewässer herabzusetzen und sie vor weiterer Qualitätsverminderung zu bewahren. Zu diesem Zweck sind in ihrem Anhang eine Reihe mikrobiologischer und chemisch-physikalischer Parameter zur Messung der Qualität der Badegewässer aufgeführt, denen zwingende Werte (Spalte I) und Leitwerte (Spalte G) zugeordnet sind.

4 Artikel 1 der Richtlinie 76/160 bestimmt:

"(1) Diese Richtlinie betrifft die Qualitätsanforderungen an Badegewässer mit Ausnahme von Wasser für therapeutische Zwecke und Wasser für Schwimmbecken.

(2) Im Sinne dieser Richtlinie versteht man unter:

a) "Badegewässer" die fließenden oder stehenden Binnengewässer oder Teile dieser Gewässer sowie Meerwasser, in denen das Baden

- von den zuständigen Behörden eines jeden Mitgliedstaats ausdrücklich gestattet ist

oder

- nicht untersagt ist und in denen üblicherweise eine große Anzahl von Personen badet;

b) "Badegebiet" die Stelle, an der sich Badegewässer befinden;

c) "Badesaison" den Zeitraum, in dem unter Berücksichtigung der örtlichen Gepflogenheiten einschließlich der etwaigen örtlichen Badevorschriften sowie der meteorologischen Verhältnisse mit einem starken Zustrom von Badenden gerechnet werden kann."

5 Gemäß Artikel 3 der Richtlinie 76/160 legen die Mitgliedstaaten die auf Badegewässer anwendbaren Werte für die im Anhang aufgeführten mikrobiologischen und chemisch-physikalischen Parameter fest, wobei diese Werte nicht weniger streng sein dürfen als die in Spalte I des Anhangs enthaltenen Werte.

6 Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 76/160 sieht vor:

"Die Mitgliedstaaten treffen die notwendigen Maßnahmen, um sicherzustellen, daß die Qualität der Badegewässer binnen zehn Jahren nach Bekanntgabe dieser Richtlinie den gemäß Artikel 3 festgelegten Grenzwerten entspricht."

7 Artikel 5 der Richtlinie 76/160 bestimmt:

"(1) Im Rahmen der Anwendung des Artikels 4 werden die Badegewässer als den betreffenden Parametern entsprechend angesehen, wenn die gemäß der im Anhang vorgesehenen Häufigkeit an derselben Schöpfstelle vorgenommenen Probenahmen erweisen, daß sie den Werten der Parameter für die betreffende Wasserqualität

- bei 95 % der Proben im Falle der Parameter, die mit den in Spalte I des Anhangs angegebenen Parametern übereinstimmen,

- bei 90 % der Proben in allen anderen Fällen, mit Ausnahmen der Parameter "Gesamtcoliforme Bakterien" und "Faekalcoliforme Bakterien", bei denen der Prozentsatz der Probenahmen 80 % betragen kann,

entsprechen, und wenn bei den 5 %, 10 % bzw. 20 % der Proben, die diesen nicht entsprechen,

- die Meßwerte nicht mehr als 50 % vom Wert der betreffenden Parameter abweichen, mit Ausnahme der mikrobiologischen Parameter, des pH-Wertes und des gelösten Sauerstoffs;

- aufeinanderfolgende Wasserproben, die in statistisch brauchbarer Zeitfolge entnommen werden, nicht von den betreffenden Parametern abweichen.

(2) Überschreitungen der in Artikel 3 vorgesehenen Werte bleiben für die in Absatz 1 genannten Prozentsätze unberücksichtigt, sofern sie als Folge von Überschwemmungen, Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Witterungsbedingungen auftreten."

8 Gemäß Artikel 6 der Richtlinie 76/160 führen die Mitgliedstaaten zur Überprüfung der Qualität der Badegewässer Probenahmen durch, deren Mindesthäufigkeit im Anhang festgelegt wird.

9 In Artikel 8 der Richtlinie 76/160 heißt es:

"Abweichungen von dieser Richtlinie sind zulässig:

a) bei bestimmten Parametern, die im Anhang mit (0) gekennzeichnet sind, wenn außergewöhnliche meteorologische oder geographische Verhältnisse vorliegen;

b) wenn die Badegewässer eine natürliche Anreicherung mit bestimmten Stoffen über die im Anhang festgelegten Grenzwerte hinaus erfahren.

Unter natürlicher Anreicherung ist der Prozeß zu verstehen, durch den ein bestimmtes Wasservolumen ohne Eingriff des Menschen gewisse im Boden enthaltene Stoffe aufnimmt.

Abweichungen gemäß diesem Artikel entbinden in keinem Fall von den zwingenden Erfordernissen zum Schutz der Volksgesundheit.

Nimmt ein Mitgliedstaat eine Abweichung vor, so teilt er der Kommission dies unverzüglich unter Angabe der Gründe und der Dauer mit."

10 Artikel 12 der Richtlinie 76/160 sieht vor:

"(1) Die Mitgliedstaaten setzen die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, um dieser Richtlinie binnen zwei Jahren nach ihrer Bekanntgabe nachzukommen. Sie setzen die Kommission hiervon unverzüglich in Kenntnis.

(2) Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission den Wortlaut der wichtigsten innerstaatlichen Rechtsvorschriften, die sie auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet erlassen."

11 Außerdem übermitteln die Mitgliedstaaten der Kommission gemäß Artikel 13 der Richtlinie 76/160 regelmäßig - erstmalig vier Jahre nach der Bekanntgabe der Richtlinie - einen zusammenfassenden Bericht über die Badegewässer und ihre wesentlichsten Merkmale. Dieser zusammenfassende Bericht ist seit dem 1. Januar 1993 infolge der Änderung des Artikels 13 durch die Richtlinie 91/692/EWG des Rates vom 23. Dezember 1991 zur Vereinheitlichung und zweckmäßigen Gestaltung der Berichte über die Durchführung bestimmter Umweltschutzrichtlinien (ABl. L 377, S. 48) jährlich abzugeben.

Vorverfahren

12 Nach Prüfung des Berichtes über die Qualität der Badegewässer in Belgien für die Jahre 1983 bis 1987 machte die Kommission mit Schreiben vom 8. Oktober 1987 die belgischen Stellen auf verschiedene Verstöße gegen die Richtlinie 76/160 - insbesondere die Überschreitung der Grenzwerte, den Ausschluß bestimmter Badegebiete und die zu geringe Häufigkeit der Probenahmen - aufmerksam. Die belgischen Stellen antworteten hierauf mit Schreiben vom 11. Februar 1988, in dem sie verschiedene Auskünfte zu den Fragen der Kommission erteilten.

13 Mit Schreiben vom 21. Juni 1988 teilte die Kommission dem Königreich Belgien mit, daß ihr eine Beschwerde vorliege, nach der zahlreiche Gebiete der Region Wallonien, deren Gewässer nicht den im Anhang der Richtlinie 76/160 aufgeführten Parametern entsprächen und die aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen seien, zum Baden genutzt würden.

14 Die belgischen Stellen antworteten mit Schreiben vom 6. Oktober 1988, daß sich die Umsetzung der Richtlinie 76/160 wegen praktischer Schwierigkeiten infolge der Regionalisierung der Verwaltung verzögert habe.

15 Mit Schreiben vom 25. September 1989 forderte die Kommission das Königreich Belgien auf, sich binnen zwei Monaten zu äußern; dieses antwortete hierauf am 4. Januar 1990, indem es bestritt, daß die genannte Richtlinie nicht ordnungsgemäß angewandt worden sei, und darauf verwies, daß verschiedene Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität der Badegewässer des Landes erlassen worden seien.

16 Die Kommission teilte den belgischen Stellen mit Schreiben vom 14. November 1995 mit, daß sie keine mit Gründen versehene Stellungnahme erlassen würde, falls ihr die belgischen Stellen vollständige und umfassende Angaben über die Pläne zur Sanierung derjenigen Badegebiete übermittelten, in denen die Grenzwerte der Richtlinie 76/160 überschritten seien.

17 Auf dieses Ersuchen hin übermittelten die belgischen Stellen der Kommission verschiedene Informationen, und zwar am 31. Januar 1996 für die Region Flandern und am 13. März 1996 für die Region Wallonien.

18 Am 27. Dezember 1996 richtete die Kommission eine mit Gründen versehene Stellungnahme an das Königreich Belgien und forderte es auf, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um seinen Verpflichtungen aus der Richtlinie 76/160 binnen zwei Monaten nach Zustellung dieser Stellungnahme nachzukommen. Die Kommission führte darin erstens aus, daß zahlreiche Badegebiete an Binnengewässern nicht den Parametern im Anhang der Richtlinie entsprächen. Zweitens hielt sie die ihr übermittelten Informationen über Sanierungspläne für die Badegebiete an Binnengewässern sowohl in bezug auf die Region Flandern als auch auf die Region Wallonien für unzureichend. Drittens wies sie das Argument zurück, daß die wallonischen Wasserläufe im Sommer keinen Wasserstand aufwiesen, der das Baden ermöglichte. Schließlich machte die Kommission geltend, die zuständigen Behörden hätten - abgesehen von den im Bericht über die Qualität der Badegewässer erwähnten Ausnahmen - nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, das Baden in Gewässern, die nicht den im Anhang der Richtlinie 76/160 aufgeführten Parametern entsprechen, zu verbieten.

19 Die belgischen Stellen antworteten auf die mit Gründen versehene Stellungnahme mit Schreiben vom 12. Februar 1997 bezüglich der Region Brüssel, vom 6. März 1997 bezüglich der Region Flandern und vom 1. Juli 1997 bezüglich der Region Wallonien.

20 Die Kommission war der Auffassung, daß diese Schreiben hinsichtlich der Region Flandern keine neuen Gesichtspunkte enthielten und daß die belgischen Stellen in der Region Wallonien die Anzahl der Badegewässer in einer Weise verringert hätten, die nicht den Anforderungen der Richtlinie 76/160 entspreche und es außerdem nicht rechtlich hinreichend belegt sei, daß das Baden an den von der Verschmutzung betroffenen, tatsächlich genutzten Badeplätzen verboten sei. Sie hat daher die vorliegende Klage erhoben.

Zur Begründetheit

Zum ungerechtfertigten Ausschluß zahlreicher Badegebiete an Binnengewässern aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie 76/160

21 Die Kommission macht geltend, die Region Wallonien habe den Anwendungsbereich der Richtlinie 76/160 eingeschränkt, indem sie ohne angemessene Begründung zahlreiche Badegebiete an Binnengewässern, die früher in den jährlichen Berichten über die Qualität der Badegewässer enthalten gewesen seien, von diesen Berichten ausgenommen habe.

22 Die belgischen Stellen sind der Auffassung, daß nur die zehn im Bericht über die Qualität der Badegewässer für die Badesaison 1996 erwähnten Gebiete, in denen das Baden ausdrücklich gestattet sei, als "Badegebiete" an Binnengewässern im Sinne der Richtlinie 76/160 anzusehen seien. In diesen Gebieten seien Proben gemäß Artikel 6 der Richtlinie entnommen worden. Jedesmal, wenn eine Überschreitung der gemäß Artikel 3 der Richtlinie festgelegten Grenzwerte festgestellt worden sei, sei das Baden verboten worden, so daß das betreffende Gebiet vorübergehend oder endgültig aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie 76/160 herausgenommen worden sei.

23 Die belgischen Stellen räumen erstens ein, daß die Region Wallonien im Interesse der Transparenz die im Rahmen einer Reihe von Untersuchungen der bakteriologischen Qualität der wallonischen Wasserläufe erzielten Ergebnisse für 28 Badegebiete an die Kommission übermittelt habe. Als jedoch diese Gebiete infolge der genannten Unterrichtung im Bericht über die Qualität der Badegewässer für die Badesaison 1991 berücksichtigt worden seien, habe die Region Wallonien die Kommission darauf aufmerksam gemacht, daß diese Gebiete keine Infrastruktur für die Aufnahme von Badenden aufwiesen und daß sie nur in geringem Umfang oder überhaupt nicht zum Baden genutzt würden. Diese Gebiete seien daher nicht als Badegebiete im Sinne der Richtlinie 76/160 anzusehen.

24 Zweitens machen die belgischen Stellen geltend, daß die Region Wallonien bei der Bestimmung der Badegebiete nur das Kriterium anwende, das Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie 76/160 für die Definition der "Badegewässer" anführe, nämlich die Nutzung durch "eine große Zahl von Personen".

25 Gesichtspunkte wie eine geringe Wassertiefe, fehlende Infrastruktur, die Nutzung für Kajakfahrten oder ungünstige klimatische Verhältnisse seien maßgeblich für die Beurteilung, ob nur eine geringfügige oder gar keine Nutzung zu Badezwecken vorliege und ob folglich die entsprechenden Gebiete als Badegebiete im Sinne der Richtlinie 76/160 anzusehen seien. Die belgischen Stellen berufen sich in diesem Zusammenhang auf die folgenden Auszüge aus dem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates vom 3. Februar 1975 (KOM(74) 2255 endg.), die nicht in den endgültigen Text der Richtlinie übernommen worden seien:

- Die Richtlinie gilt nur für behördlich zugelassene oder geduldete Badegebiete. Wer an nicht zugelassenen Stellen badet, tut dies auf eigene Gefahr (Punkt 3.2).

- Bei Gebieten mit einer Konzentration von durchschnittlich mehr als 10 000 Badenden je km Strand oder Flußufer ist besondere Aufmerksamkeit angebracht (Punkt 3.4).

- Die Gesundheitsgefährdung ist proportional der Verweilzeit im Wasser und je nach der Luft- und Wassertemperatur sehr unterschiedlich. Die Richtlinie schreibt daher für Meerwasser - das zum Baden bevorzugt wird - weniger strenge Bedingungen in Gebieten vor, in denen die vorherrschende niedrige Wassertemperatur (unter 20_ C) der möglichen Badezeit, verglichen mit anderen Gebieten, in denen man den ganzen Tag baden kann, Grenzen setzt (Punkt 3.5).

- Die Anforderungen an die physikalischen und chemischen Eigenschaften von Badegewässern sind vor allem auf längeres Verweilen im Wasser - wobei der ganze Körper im Wasser bleibt - abgestellt (Punkt 3.6).

26 Die belgischen Stellen weisen außerdem darauf hin, ihr Argument, die geringe Wassertiefe, die wegen der ungenügenden Durchflußmenge der Wasserläufe an mehreren Stellen weniger als 50 cm betrage, beschränke die Nutzung zu Badezwecken, werde durch Punkt 11 des Anhangs der Richtlinie 76/160 bestätigt, der verlange, daß Badegewässer eine Transparenz von mindestens einem Meter Tiefe aufwiesen. Das sei ein wichtiger Anhaltspunkt dafür, daß für Badezwecke grundsätzlich eine Wassertiefe von einem Meter für notwendig gehalten werde.

27 Drittens bedeute der Umstand, daß mindestens 16 der nunmehr aus den Jahresberichten ausgenommenen Gebiete in einer 1998 von der Region Wallonien veröffentlichten Werbebroschüre über Campinggebiete als Badeplätze ausgewiesen seien, weder, daß diese Plätze von einer erheblichen Zahl von Badenden genutzt würden, noch daß dort das Baden angesichts der möglicherweise unzureichenden Wassertiefe überhaupt möglich sei. Die entsprechenden Informationen lägen allein im Verantwortungsbereich der Campingplatzinhaber, die bestrebt seien, ihre Einrichtungen so attraktiv wie möglich darzustellen.

28 Nach Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe a zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 76/160 sind unter "Badegewässern" die fließenden oder stehenden Binnengewässer oder Teile dieser Gewässer sowie Meerwasser zu verstehen, in denen das Baden nicht verboten ist und in denen üblicherweise eine große Anzahl von Personen badet. Diese Wendungen müssen im Licht des Zieles der Richtlinie ausgelegt werden, wie es in deren ersten beiden Begründungserwägungen umschrieben wird, wonach es "zum Schutz der Umwelt und der Volksgesundheit... erforderlich [ist], die Verunreinigung der Badegewässer herabzusetzen und sie vor weiterer Qualitätsverminderung zu bewahren", und "eine Überwachung der Badegewässer... notwendig [ist], um im Rahmen des Gemeinsamen Marktes die Ziele der Gemeinschaft hinsichtlich der Verbesserung der Lebensbedingungen, einer harmonischen Entwicklung des Wirtschaftslebens in der gesamten Gemeinschaft und einer stetigen und ausgewogenen Wirtschaftsausweitung zu erreichen" (Urteil vom 14. Juli 1993 in der Rechtssache C-56/90, Kommission/Vereinigtes Königreich, Slg. 1993, I-4109, Randnr. 33).

29 Diese Ziele würden nicht erreicht, wenn Gewässer von Badegebieten, die über Jahre hinweg den Kontrollen nach der Richtlinie 76/160 unterworfen waren, wobei die Ergebnisse der Kommission zur Veröffentlichung in ihren jährlichen Berichten über die Qualität der Badegewässer in den Mitgliedstaaten übermittelt wurden, lediglich deswegen, weil die Zahl der Badenden eine bestimmte Schwelle nicht überschreitet, vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgeschlossen werden könnten.

30 Im übrigen hat ein Mitgliedstaat, der behauptet, bestimmte Gebiete würden nicht mehr regelmäßig zum Baden genutzt, und der deshalb diese Gebiete nicht mehr als Badegebiete im Sinne der Richtlinie 76/160 betrachten will, für jedes der betroffenen Gebiete das Fehlen einer regelmäßigen Nutzung zu Badezwecken nachzuweisen und außerdem darzulegen, daß dieser Zustand nicht etwa darauf zurückzuführen ist, daß die nach Artikel 3 der Richtlinie festgelegten Grenzwerte in den betroffenen Gebieten nicht eingehalten wurden.

31 Es ist jedoch festzustellen, daß die belgischen Stellen für keines der betroffenen Gebiete einen derartigen Nachweis erbracht haben.

32 Erstens folgt aus der Erwähnung von mindestens 16 Gebieten als Badeplätzen in einer Werbebroschüre über Campingplätze, daß bei diesen Gebieten bestimmte Infrastrukturen, wie etwa sanitäre Anlagen, zur Verfügung stehen. Unter diesen Umständen ist die Erwähnung ein Anzeichen dafür, daß diese Gebiete nach wie vor durch eine große Zahl von Badenden genutzt werden, deren Gesundheit geschützt werden muß.

33 Zweitens kann die geringe Wassertiefe für sich allein nicht ausreichen, um es einem Mitgliedstaat zu erlauben, bestimmte Plätze aus den Badegebieten im Sinne der Richtlinie 76/160 auszunehmen.

34 Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, daß eine geringe Wassertiefe für bestimmte Bevölkerungsgruppen wie etwa ältere Menschen oder Kinder gerade einen Anziehungsfaktor darstellt. Jedenfalls läßt sich, wie auch die Kommission zu Recht hervorhebt, dem Parameter in Punkt 11 des Anhangs der Richtlinie, nach dem die Transparenz der Gewässer mindestens einen Meter betragen muß, nicht entnehmen, daß nur Gebiete mit einer Wassertiefe von mehr als einem Meter als Badegebiete im Sinne der Richtlinie anzusehen sind. Dieser Parameter bedeutet lediglich, daß die Transparenz der Gewässer in Badegebieten mindestens einen Meter betragen muß oder daß, wenn die Wassertiefe unter einem Meter liegt, vollständige Transparenz bestehen muß.

35 Drittens haben die belgischen Behörden nicht nachgewiesen, daß die Nutzung der betroffenen Gebiete für Kajakfahrten so erheblich und dauerhaft ist, daß das Baden unmöglich geworden wäre.

36 Viertens erlauben es auch ungünstige klimatische Bedingungen einem Mitgliedstaat nicht, bestimmte Plätze als nicht zu den Badegebieten im Sinne der Richtlinie 76/160 gehörig zu betrachten.

37 Allerdings kann das Vorliegen ungünstiger klimatischer Bedingungen nach den Bestimmungen der Richtlinie 76/160 bei der Festlegung der Dauer der "Badesaison" berücksichtigt werden. Artikel 1 der Richtlinie definiert nämlich "Badesaison" als "den Zeitraum, in dem unter Berücksichtigung der örtlichen Gepflogenheiten einschließlich der etwaigen örtlichen Badevorschriften sowie der meteorologischen Verhältnisse mit einem starken Zustrom von Badenden gerechnet werden kann".

38 Außerdem können bei außergewöhnlichen Witterungsbedingungen gemäß den Artikeln 5 Absatz 2 und 8 der Richtlinie 76/160 Überschreitungen der nach Artikel 3 der Richtlinie festgelegten Grenzwerte unberücksichtigt bleiben oder Abweichungen von der Richtlinie vorgenommen werden, wobei im letzteren Fall unverzüglich die Kommission unter Angabe der Gründe und der Dauer der Abweichungen zu unterrichten ist.

39 Es ist jedoch unstreitig, daß diese Bestimmungen, die eng auszulegen sind, von den belgischen Behörden nicht in Anspruch genommen worden sind.

40 Schließlich können - wie auch die belgischen Stellen ausdrücklich einräumen - der Auslegung der Richtlinie 76/160, wie sie sich aus den Randnummern 32 bis 39 ergibt, nicht die von den belgischen Stellen angeführten Auszüge aus dem Richtlinienvorschlag vom 3. Februar 1975, die nicht in den endgültigen Text der Richtlinie 76/160 aufgenommen worden sind, entgegengehalten werden.

41 Im Ergebnis ist deshalb festzustellen, daß das Königreich Belgien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 76/160 verstoßen hat, daß es ohne angemessene Begründung zahlreiche Badegebiete an Binnengewässern aus dem Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgeschlossen hat.

Zum unterbliebenen Erlaß von Maßnahmen, die sicherstellten, daß die Qualität der Badegewässer den gemäß Artikel 3 der Richtlinie 76/160 festgelegten Grenzwerten entspricht, und zur Nichteinhaltung der von dieser Richtlinie geforderten Ergebnisse

42 Die Kommission wirft den belgischen Stellen vor, sie hätten nicht alle Maßnahmen erlassen, um sicherzustellen, daß die Qualität der Badegewässer den gemäß Artikel 3 der Richtlinie 76/160 festgelegten Grenzwerten entspricht; zudem hätten sie nicht die von der Richtlinie geforderten Ergebnisse erreicht.

43 Diese Vorwürfe sind zusammen zu untersuchen, da das von den Mitgliedstaaten gemäß Artikel 4 der Richtlinie 76/160 zu erreichende Ergebnis darin besteht, sicherzustellen, daß die Qualität der Badegewässer den gemäß Artikel 3 der Richtlinie festgelegten Grenzwerten entspricht.

44 Die Kommission macht geltend, die Investitionsprogramme für die Abwasserreinigung seien sowohl in der Region Flandern als auch in der Region Wallonien unzureichend. Die belgischen Stellen bezögen sich lediglich auf die Bereitstellung von Einrichtungen zur Wasseraufbereitung im allgemeinen, ohne anzugeben, welche Auswirkungen ihr Betrieb auf die Verbesserung der Qualität der Badegewässer habe. In der Region Flandern seien nicht alle Badegebiete von dem Programm zur Abwasserreinigung erfaßt. In der Region Wallonien lege das Programm weder die Daten des Beginns und der Fertigstellung der vorgesehenen Infrastrukturarbeiten noch den genauen Ort dieser Arbeiten fest.

45 Die belgischen Stellen hätten gegen Artikel 4 der Richtlinie 76/160 verstoßen, indem sie nicht alle Maßnahmen getroffen hätten, um sicherzustellen, daß die Qualität der Badegewässer den Grenzwerten gemäß Artikel 3 der Richtlinie entspricht. Insbesondere seien die in Artikel 5 der Richtlinie für die Anwendung von Artikel 4 vorgeschriebenen Ergebnisse nicht erreicht worden, ohne daß einer der in der Richtlinie vorgesehenen Abweichungstatbestände anwendbar sei. Nach dem Bericht über die Qualität der Badegewässer in der Badesaison 1995 für ganz Belgien betrage die Übereinstimmungsquote für Badegewässer bei Süßwasser 41,4 %.

46 Die belgischen Stellen tragen vor, in der Region Flandern seien alle Maßnahmen getroffen worden, um in den wenigen Gebieten, in denen dies erforderlich gewesen sei, die notwendigen Verbesserungen der Qualität der Badegewässer sicherzustellen. Wiederholt seien der Kommission Aktionsprogramme zur Verbesserung der Wasserqualität vorgelegt worden. Diese Programme enthielten Investitionen in bestimmte Aufbereitungseinrichtungen, die die Gewässerqualität in den Badegebieten an der Küste verbessern sollten, und einen Überblick über gemeindeübergreifende Investitionsprojekte für Badegebiete bei Oberflächensüßwasser.

47 Im übrigen sei es illusorisch, eine Übereinstimmungsquote von 100 % der Badegewässer mit den Vorgaben der Richtlinie 76/160 erreichen zu wollen. Das Baden in natürlicher Umgebung sei mit Gesundheitsrisiken verbunden, die nicht vollständig kontrolliert werden könnten und auf unzulässige Einleitungen, auf die Verwendung von Gülle und auf die von den Badenden selbst verursachte Verschmutzung zurückzuführen seien.

48 Die Richtlinie 76/160 verpflichtet die Mitgliedstaaten in Artikel 4 Absatz 1, alle Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, daß die Qualität der Badegewässer binnen zehn Jahren nach Bekanntgabe der Richtlinie den Grenzwerten gemäß Artikel 3 der Richtlinie entspricht, wobei diese Frist länger ist als die für die Durchführung der Richtlinie vorgesehene Frist, um es den Mitgliedstaaten zu ermöglichen, dieser Anforderung zu genügen (Urteile Kommission/Vereinigtes Königreich, Randnr. 42, und vom 8. Juni 1999 in der Rechtssache C-198/97, Kommission/ Deutschland, Slg. 1999, I-3257, Randnr. 35).

49 Die Richtlinie 76/160 verpflichtet also die Mitgliedstaaten, für die Erreichung bestimmter Ziele Sorge zu tragen; die Mitgliedstaaten können sich - abgesehen von den in der Richtlinie vorgesehenen Abweichungen - nicht auf besondere Umstände berufen, um die Nichterfuellung dieser Verpflichtung zu rechtfertigen (vgl. Urteile Kommission/Vereinigtes Königreich, Randnr. 43, vom 12. Februar 1998 in der Rechtssache C-92/96, Kommission/Spanien, Slg. 1998, I-505, Randnr. 28, und Kommission/Deutschland, Randnr. 35).

50 Die belgischen Stellen haben sich auf keinen dieser Abweichungstatbestände berufen. Sie bestreiten auch nicht, daß die Übereinstimmungsquote der Badegebiete bei Süßwasser nach dem Bericht über die Qualität der Badegewässer für die Badesaison 1995 in ganz Belgien 41,4 % betrug.

51 Bei dieser Sachlage kann der Umstand, daß in der Region Flandern möglicherweise alle Maßnahmen getroffen wurden, um die notwendigen Verbesserungen der Qualität der Badegewässer sicherzustellen, keine Rechtfertigung dafür bieten, daß die von der Richtlinie 76/160 vorgeschriebenen Ergebnisse nicht erreicht wurden (vgl. in diesem Sinne die Urteile Kommission/Vereinigtes Königreich, Randnr. 44, und Kommission/Deutschland, Randnr. 35).

52 Das Vorbringen der belgischen Stellen, bei Badegewässern in natürlicher Umgebung lasse sich eine Übereinstimmungsquote von 100 % nicht erreichen, geht fehl. Nach Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie 76/160 werden die Badegewässer als den dort festgelegten Parametern entsprechend angesehen, wenn die gemäß der im Anhang der Richtlinie vorgesehenen Häufigkeit an derselben Schöpfstelle vorgenommenen Probenahmen erweisen, daß sie - je nach der dort geregelten Fallgruppe - den Werten der Parameter für die betreffende Wasserqualität in 95 %, 90 % oder 80 % der Proben entsprechen.

53 Daraus folgt, daß Badegewässer unter bestimmten Umständen und unter den in Artikel 5 Absatz 1 dritter und vierter Gedankenstrich der Richtlinie 76/160 festgelegten Voraussetzungen als den Anforderungen der Richtlinie entsprechend angesehen werden, selbst wenn 5 %, 10 % oder 20 % der an einer Schöpfstelle entnommenen Proben nicht den Parametern entsprechen.

54 Selbst wenn schließlich anzunehmen wäre, daß im Rahmen der Richtlinie 76/160 die absolute materielle Unmöglichkeit, die sich aus der Richtlinie ergebenden Verpflichtungen zu erfuellen, einen Verstoß gegen die Richtlinie rechtfertigen könnte, so haben die belgischen Stellen im vorliegenden Fall eine solche Unmöglichkeit nicht nachgewiesen (Urteil Kommission/Deutschland, Randnr. 41).

55 Im Ergebnis ist deshalb festzustellen, daß das Königreich Belgien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 76/160 verstoßen hat, daß es nicht alle Maßnahmen erlassen hat, um sicherzustellen, daß die Qualität der Badegewässer den Grenzwerten gemäß Artikel 3 dieser Richtlinie entspricht, und daß es nicht die von der Richtlinie geforderten Ergebnisse erreicht hat.

Zur Pflicht, Badeverbote für Gebiete zu verhängen, in denen die Gewässerqualität nicht den gemäß Artikel 3 der Richtlinie 76/160 festgelegten Grenzwerten entspricht

56 Die Kommission macht geltend, die im belgischen Recht für den Fall der Überschreitung der nach Artikel 3 der Richtlinie 76/160 festgelegten Grenzwerte in einem Badegebiet vorgesehenen Maßnahmen seien unzureichend. Die Entscheidung, ein Badeverbot zu verhängen, liege bei den Gemeinden, die durch die Gesundheitsbehörden von Überschreitungen der Grenzwerte in den in ihrem Gebiet befindlichen Badegebieten unterrichtet würden; die belgischen Stellen könnten jedoch nicht sicher sein, daß die Gemeinden tatsächlich der Aufforderung zur Verhängung von Badeverboten nachkämen. Für die Region Wallonien sei nur eine Gemeindesatzung vom 17. Juni 1996 vorgelegt worden, mit der das Baden in einem durch Salmonellen verschmutzten Gebiet verboten worden sei; aus dem jährlichen Bericht der Kommission über die Qualität der Badegewässer für die Badesaison 1995 ergebe sich, daß kein Badegebiet von einem solchen Verbot betroffen gewesen sei.

57 Eine ordnungsgemäße Anwendung der Richtlinie schließe jedoch die Verpflichtung ein, bei Überschreitung der Grenzwerte in einem bestimmten Badegebiet ein Badeverbot zu verhängen. Diese Verpflichtung sei zwar in der Richtlinie 76/160 nicht ausdrücklich vorgesehen; sie folge jedoch aus der Auslegung der Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe a und 4 Absatz 1 dieser Richtlinie im Licht der Zielsetzung der Richtlinie, die in ihrer ersten Begründungserwägung zum Ausdruck komme und in Artikel 8 Absatz 3, der insbesondere den Schutz der Volksgesundheit bezwecke, bekräftigt werde. Ohne ein Badeverbot wären nämlich die Badenden zahlreichen Gesundheitsrisiken ausgesetzt.

58 Die belgischen Stellen führen aus, daß die Gesundheitsbehörden immer dann, wenn sich bei den Kontrollen in einem Badegebiet eine Überschreitung der gemäß Artikel 3 der Richtlinie 76/160 festgelegten Grenzwerte ergebe, die betroffene Gemeinde unterrichteten und diese dann nach Absprache mit allen betroffenen Behörden ein Badeverbot verhänge. Dem Vorschlag zur Verhängung eines Badeverbots sei dabei durchweg Folge geleistet worden. Das betroffene Badegebiet würde dadurch vorübergehend oder endgültig aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie 76/160 ausgeschlossen. Die belgischen Stellen wenden sich gegen die von der Kommission vertretene Auslegung der Richtlinie 76/160, nach der das belgische Recht den Gemeinden die Pflicht hätte auferlegen müssen, bei Überschreitung der Grenzwerte in einem Badegebiet ein Badeverbot zu verhängen.

59 Bei einer Überschreitung der gemäß Artikel 3 der Richtlinie 76/160 festgelegten Grenzwerte in einem Badegebiet ist der betroffene Mitgliedstaat nach Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie verpflichtet, alle Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, daß die Qualität der Badegewässer diesen Grenzwerten entspricht.

60 Keine Bestimmung der Richtlinie 76/160 begründet hingegen eine Pflicht zur Verhängung eines Badeverbots für ein Gebiet, in dem die genannten Grenzwerte überschritten werden.

61 Eine solche Pflicht läßt sich schließlich auch nicht aus der Zielsetzung der Richtlinie 76/160 herleiten, die - wie in Randnummer 25 erwähnt - den Schutz der Volksgesundheit bezweckt.

62 Zur Verhängung eines Badeverbots in einem bestimmten Gebiet ist ein Mitgliedstaat aus Gründen der Volksgesundheit verpflichtet, wenn in Anbetracht der örtlichen Gegebenheiten das Ausmaß der in dem Gebiet beobachteten Überschreitungen oder die Art der nicht eingehaltenen Grenzwerte eine Gefährdung der Volksgesundheit nahelegt.

63 Angesichts des Wortlauts der Richtlinie 76/160 kann daher die Kommission nicht rügen, das Königreich Belgien habe in seinem Recht keine Pflicht zur Verhängung eines Badeverbots für die Gebiete vorgesehen, in denen die Qualität der Badegewässer nicht den gemäß Artikel 3 der Richtlinie 76/160 festgelegten Grenzwerten entspricht.

64 Daher ist der dritte Vorwurf unbegründet.

65 Im Ergebnis ist deshalb festzustellen, daß das Königreich Belgien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 76/160 verstoßen hat,

- daß es ohne angemessene Begründung zahlreiche Badegebiete an Binnengewässern aus dem Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgeschlossen hat,

- daß es nicht innerhalb von zehn Jahren nach Bekanntgabe der Richtlinie alle Maßnahmen erlassen hat, um sicherzustellen, daß die Qualität der Badegewässer den Grenzwerten gemäß Artikel 3 der Richtlinie entspricht, und daß es nicht die von der Richtlinie geforderten Ergebnisse erreicht hat.

Kostenentscheidung:

Kosten

66 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung des Königreichs Belgien beantragt hat und dieses mit seinem Vorbringen im wesentlichen unterlegen ist, sind ihm die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Das Königreich Belgien hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 76/160/EWG des Rates vom 8. Dezember 1975 über die Qualität der Badegewässer verstoßen,

- daß es ohne angemessene Begründung zahlreiche Badegebiete an Binnengewässern aus dem Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgeschlossen hat,

- daß es nicht innerhalb von zehn Jahren nach Bekanntgabe der Richtlinie alle Maßnahmen erlassen hat, um sicherzustellen, daß die Qualität der Badegewässer den Grenzwerten gemäß Artikel 3 der Richtlinie entspricht, und daß es nicht die von der Richtlinie geforderten Ergebnisse erreicht hat.

2. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Das Königreich Belgien trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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