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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Beschluss verkündet am 13.03.1996
Aktenzeichen: C-326/95
Rechtsgebiete: EG-Vertrag, VerfO Gerichtshof


Vorschriften:

EG-Vertrag Art. 177 Abs. 2
VerfO Gerichtshof Art. 92
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Eine sachdienliche Auslegung des Gemeinschaftsrechts ist nur möglich, wenn das nationale Gericht den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen der gestellten Fragen umreisst oder zumindest die tatsächlichen Annahmen erläutert, auf denen diese Fragen beruhen.

Die Angaben in den Vorlageentscheidungen sollen nicht nur dem Gerichtshof sachdienliche Antworten ermöglichen, sondern auch den Regierungen der Mitgliedstaaten und den anderen Beteiligten die Möglichkeit geben, gemäß Artikel 20 der Satzung des Gerichtshofes Erklärungen abzugeben. Der Gerichtshof hat darauf zu achten, daß diese Möglichkeit gewahrt wird; dabei ist zu berücksichtigen, daß den Beteiligten nach dieser Bestimmung nur die Vorlageentscheidungen zugestellt werden.

Zwar ist es nicht unbedingt erforderlich, daß das vorlegende Gericht den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen der gestellten Fragen umreisst, wenn die Fragen sich auf genau umschriebene technische Einzelheiten beziehen und es dem Gerichtshof erlauben, eine sachdienliche Antwort zu geben, selbst wenn das nationale Gericht die rechtlichen und tatsächlichen Umstände des Falles nicht erschöpfend dargestellt hat.

Das Ersuchen eines nationalen Gerichts, in dessen Vorlageentscheidung sich weder Angaben zu den tatsächlichen und rechtlichen Umständen des bei ihm anhängigen Rechtsstreits noch die Gründe finden, deretwegen es die Beantwortung der Vorlagefragen zum Erlaß seines Urteils für erforderlich hält, ist jedoch offensichtlich unzulässig.


Beschluss des Gerichtshofes vom 13. März 1996. - Banco de Fomento e Exterior SA gegen Amândio Maurício Martins Pechim, Maria da Luz Lima Barros Raposo Pechim und Confecções Têxteis de Vouzela Ldª (CTV). - Ersuchen um Vorabentscheidung: Tribunal Cível da Comarca de Lisboa - Portugal. - Vorabentscheidungsersuchen - Unzulässigkeit. - Rechtssache C-326/95.

Entscheidungsgründe:

1 Das Tribunal Cível da Comarca Lissabon hat mit undatiertem Beschluß, der am 16. Oktober 1995 beim Gerichtshof eingegangen ist, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag die Fragen nach der Auslegung der Artikel 59, 90 und 92 EG-Vertrag zur Vorabentscheidung vorgelegt, die von Herrn und Frau Pechim sowie von der Confecções Têxteis de Vouzela Ld.ª (nachstehend: Beklagte) aufgeworfen worden waren.

2 Die Banco de Fomento e Exterior SA (nachstehend: BFE) hat bei dem vorlegenden Gericht gegen die Beklagten ein Vollstreckungsverfahren anhängig gemacht.

3 Aus den von dem nationalen Gericht übersandten Akten ergibt sich, daß die Beklagten das Vorgehen der BFE für rechtswidrig halten, da die gesetzesvertretende Verordnung Nr. 41957 vom 13. November 1958 (Diário do Governo, zweites Halbjahr 1958, S. 558), die der BFE zahlreiche Vergünstigungen einräume, ihr insbesondere erlaube, Schulden nach dem Vollstreckungsverfahren für Steuersachen einzutreiben und zu diesem Zweck den Nachweis der Schuld in den Bankunterlagen als Vollstreckungstitel zu verwenden, gegen das Gemeinschaftsrecht über die Dienstleistungsfreiheit und die Wettbewerbsregeln verstosse. Sie haben dem nationalen Gericht demgemäß vorgeschlagen, dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Ist die BFE als "Unternehmen" und insbesondere als "öffentliches Unternehmen" im Sinne der Artikel 90 und 92 EG-Vertrag anzusehen?

2. Sind die der BFE gegenüber ihren Mitbewerbern eingeräumten Vergünstigungen als "staatliche Beihilfen" im Sinne des Artikels 92 EG-Vertrag anzusehen?

3. Sind diese Vergünstigungen als Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft im Sinne des Artikels 59 EG-Vertrag anzusehen?

4. Haben die genannten Artikel 59, 90 Absatz 1 und 92 Absatz 1 EG-Vertrag unmittelbare Wirkung, so daß sich der Vollstreckungsschuldner im vorliegenden Fall auf sie berufen kann?

5. Gehen die Bestimmungen des EG-Vertrages vor, und machen sie ihnen entgegenstehendes nationales Recht ungültig?

4 In seinem Vorlagebeschluß hat das nationale Gericht das Verfahren bis zu einer Entscheidung über die von den Beklagten vorgeschlagenen Vorlagefragen ausgesetzt.

5 Gemäß Artikel 177 Absatz 2 EG-Vertrag kann ein Gericht eines Mitgliedstaats, bei dem eine Vorlagefrage aufgeworfen wird, diese Frage dem Gerichtshof zur Entscheidung vorlegen, wenn es eine Entscheidung darüber zum Erlaß seines Urteils für erforderlich hält.

6 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ist eine sachdienliche Auslegung des Gemeinschaftsrechts nur möglich, wenn das nationale Gericht den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen der gestellten Fragen umreisst oder zumindest die tatsächlichen Annahmen erläutert, auf denen diese Fragen beruhen (vgl. insbesondere das Urteil vom 26. Januar 1993 in den verbundenen Rechtssachen C-320/90, C-321/90 und C-322/90, Telemarsicabruzzo u. a., Slg. 1993, I-393, Randnr. 6, Beschlüsse vom 19. März 1993 in der Rechtssache C-157/92, Banchero, Slg. 1993, I-1085, Randnr. 4, vom 9. August 1994 in der Rechtssache C-378/93, La Pyramide, Slg. 1994, I-3999, Randnr. 14, und vom 23. März 1995 in der Rechtssache C-458/93, Saddik, Slg. 1995, I-511, Randnr. 12).

7 Ausserdem sollen die Angaben in den Vorlageentscheidungen nicht nur dem Gerichtshof sachdienliche Antworten ermöglichen, sondern auch den Regierungen der Mitgliedstaaten und den anderen Beteiligten die Möglichkeit geben, gemäß Artikel 20 der Satzung des Gerichtshofes Erklärungen abzugeben. Der Gerichtshof hat darauf zu achten, daß diese Möglichkeit gewahrt wird; dabei ist zu berücksichtigen, daß den Beteiligten nach dieser Bestimmung nur die Vorlageentscheidungen zugestellt werden (Urteil vom 1. April 1982 in den verbundenen Rechtssachen 141/81, 142/82 und 143/81, Holdijk u. a., Slg. 1982, 1299, Randnr. 6, und Beschluß Saddik, a. a. O., Randnr. 13).

8 Zwar ist es nicht unbedingt erforderlich, daß das vorlegende Gericht den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen der gestellten Fragen umreisst, wenn die Fragen sich auf genau umschriebene technische Einzelheiten beziehen und es dem Gerichtshof erlauben, eine sachdienliche Antwort zu geben, selbst wenn das nationale Gericht die rechtlichen und tatsächlichen Umstände des Falles nicht erschöpfend dargestellt hat (Urteil vom 3. März 1994 in der Rechtssache C-316/93, Vaneetveld, Slg. 1994, I-763, Randnr. 13).

9 So verhält es sich hier jedoch nicht.

10 Der Vorlagebeschluß enthält keine diesen Anforderungen genügenden Angaben.

11 In ihm finden sich weder Angaben des nationalen Gerichts zu den tatsächlichen und rechtlichen Umständen des bei ihm anhängigen Rechtsstreits noch die Gründe, deretwegen es die Beantwortung der von den Beklagten aufgeworfenen Vorlagefragen zum Erlaß seines Urteils für erforderlich hält. Der tatsächliche und rechtliche Rahmen könnte nur aus den Schriftsätzen der Parteien des Ausgangsverfahrens ermittelt werden.

12 Es ist demgemäß nach Artikel 92 der Verfahrensordnung festzustellen, daß die dem Gerichtshof vorgelegten Vorabentscheidungsfragen offensichtlich unzulässig sind.

Kostenentscheidung:

Kosten

13 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

beschlossen:

Das vom Tribunal Cível da Comarca Lissabon vorgelegte Vorabentscheidungsersuchen ist unzulässig.

Luxemburg, den 13. März 1996

Ende der Entscheidung

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