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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 16.11.2000
Aktenzeichen: C-37/99
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1 Eine nationale Bestimmung, nach der in Schweinehaltungsbetrieben ein oder mehrere Desinfektionsbehälter für Schuhe oder Reinigungseinrichtungen vorhanden sein müssen, die sich zur Desinfektion von Schuhen eignen, stellt keine technische Vorschrift im Sinne der Richtlinie 83/189 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften in der Fassung der Richtlinie 88/182 dar, die vor ihrem Erlass der Kommission mitzuteilen gewesen wäre. Denn eine derartige Bestimmung weist keinen Bezug zur eigentlichen Produktion des betreffenden landwirtschaftlichen Erzeugnisses auf, und die darin enthaltene Regelung stellt keine technische Spezifikation im Sinne von Artikel 1 Nummer 1 der Richtlinie 83/189 dar.

(vgl. Randnrn. 21-23, Tenor 1)

2 Eine nationale Bestimmung, nach der jeder Unternehmer die in seinem Betrieb vorhandenen Schweine gegen die Aujeszky-Krankheit impfen lassen muss, stellt keine technische Vorschrift im Sinne von Artikel 1 Nummer 5 der Richtlinie 83/189 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften in der Fassung der Richtlinie 88/182 dar, die vor ihrem Erlass der Kommission mitzuteilen gewesen wäre, da die in dieser Bestimmung enthaltene Regelung für den Fall ihrer Verletzung weder Beschränkungen der Vermarktung noch der Verwendung der betroffenen Erzeugnisse vorschreibt.

(vgl. Randnrn. 33-34, Tenor 2)


Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 16. November 2000. - Strafverfahren gegen Roelof Donkersteeg. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Hoge Raad - Niederlande. - Richtlinie 83/189/EWG - Normen und technische Vorschriften - Meldepflicht - Einrichtungen für die Desinfektion von Schuhen in landwirtschaftlichen Betrieben - Impfung der Schweine. - Rechtssache C-37/99.

Parteien:

In der Rechtssache C-37/99

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) vom Hoge Raad der Nederlanden in dem bei diesem anhängigen Strafverfahren gegen

Roelof Donkersteeg

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung von Artikel 1 der Richtlinie 83/189/EWG des Rates vom 28. März 1983 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften (ABl. L 109, S. 8) in der Fassung der Richtlinie 88/182/EWG des Rates vom 22. März 1988 (ABl. L 81, S. 75)

erlässt

DER GERICHTSHOF

(Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Gulmann (Berichterstatter) sowie des Richters J.-P. Puissochet und der Richterin F. Macken,

Generalanwalt: N. Fennelly

Kanzler: D. Louterman-Hubeau, Hauptverwaltungsrätin

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

- der niederländischen Regierung, vertreten durch M. A. Fierstra, Leiter der Abteilung Europarecht im Ministerium für auswärtige Angelegenheiten, als Bevollmächtigten,

- der dänischen Regierung, vertreten durch J. Molde, Abteilungsleiter im Ministerium für auswärtige Angelegenheiten, als Bevollmächtigten,

- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch J. E. Collins, Assistant Treasury Solicitor, als Bevollmächtigten im Beistand von Barrister N. Green,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Rechtsberater H. van Lier, C. van der Hauwaert, Juristischer Dienst, und M. Shotter, dem Juristischen Dienst der Kommission zur Verfügung gestellter nationaler Beamter, als Bevollmächtigte,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der mündlichen Ausführungen von Herrn Donkersteeg, vertreten durch Rechtsanwalt D. van Niel, Utrecht, der niederländischen Regierung, vertreten durch M. A. Fierstra, der dänischen Regierung, vertreten durch J. Molde, der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch J. E. Collins, und der Kommission, vertreten durch H. van Lier und C. van der Hauwaert, in der Sitzung vom 9. März 2000,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 6. April 2000,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Der Hoge Raad der Nederlanden hat mit Urteil vom 5. Januar 1999, beim Gerichtshof eingegangen am 10. Februar 1999, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) vier Fragen nach der Auslegung von Artikel 1 der Richtlinie 83/189/EWG des Rates vom 28. März 1983 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften (ABl. L 109, S. 8) in der Fassung der Richtlinie 88/182/EWG des Rates vom 22. März 1988 (ABl. L 81, S. 75) (im Folgenden: Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Strafverfahren, das gegen Herrn Donkersteeg (im Folgenden: Angeklagter) eingeleitet worden war, da er in seinem landwirtschaftlichen Betrieb nicht über Einrichtungen für die Desinfektion von Schuhen verfügte und die in seinem Betrieb vorhandenen Schweine nicht gegen die Aujeszky-Krankheit impfen ließ.

Das Gemeinschaftsrecht

3 Nach Artikel 1 Nummer 1 der Richtlinie ist eine "technische Spezifikation" die "Spezifikation, die in einem Schriftstück enthalten ist, das Merkmale eines Erzeugnisses vorschreibt, wie Qualitätsstufen, Gebrauchstauglichkeit, Sicherheit oder Abmessungen, einschließlich der Festlegungen über Terminologie, Bildzeichen, Prüfung und Prüfverfahren, Verpackung, Kennzeichnung oder Beschriftung sowie Produktionsmethoden und -verfahren für landwirtschaftliche Erzeugnisse im Sinne von Artikel 38 Absatz 1 des Vertrages..."

4 Artikel 1 Nummer 5 der Richtlinie definiert die "technische Vorschrift" als "technische Spezifikationen einschließlich der einschlägigen Verwaltungsvorschriften, deren Beachtung de jure oder de facto für die Vermarktung oder Verwendung in einem Mitgliedstaat oder in einem großen Teil dieses Staates verbindlich ist, ausgenommen die von den örtlichen Behörden festgelegten technischen Spezifikationen".

5 Nach Artikel 1 Nummer 7 umfasst der Begriff "Erzeugnis" namentlich "alle landwirtschaftlichen Erzeugnisse".

6 In Artikel 8 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie ist bestimmt:

"Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission unverzüglich jeden Entwurf einer technischen Vorschrift, es sei denn, es handelt sich lediglich um eine vollständige Übertragung einer internationalen oder europäischen Norm, wobei es dann ausreicht mitzuteilen, um welche Norm es sich handelt; sie unterrichten die Kommission gleichzeitig in einer kurzen Mitteilung über die Gründe, die die Festlegung einer derartigen technischen Vorschrift erforderlich machen, es sei denn, die Gründe gehen bereits aus dem Entwurf hervor..."

7 Nach der Definition in Artikel 1 Nummer 2 der Richtlinie in der Fassung der Richtlinie 94/10/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. März 1994 zur zweiten wesentlichen Änderung der Richtlinie 83/189 (ABl. L 100, S. 30) ist eine "technische Spezifikation" eine "Spezifikation, die in einem Schriftstück enthalten ist, das Merkmale für ein Erzeugnis vorschreibt... Unter den Begriff "technische Spezifikation" fallen ferner die Herstellungsmethoden und -verfahren für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse gemäß Artikel 38 Absatz 1 des Vertrages..., sofern diese die Merkmale dieser Erzeugnisse beeinflussen."

Das niederländische Recht

8 Artikel 2 Absatz 1 der Verordening minimumeisen varkenshouderij 1993 (Verordnung über die Mindestanforderungen an die Schweinehaltung; im Folgenden: MSH-Verordnung), die am 2. Dezember 1992 erlassen wurde und am 4. September 1993 in Kraft trat, lautet:

"Der Unternehmer ist verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass in seinem Betrieb ein oder mehrere solide Desinfektionsbehälter oder solide Reinigungseinrichtungen vorhanden sind, die sich zur Desinfektion von Schuhen eignen."

9 Artikel 2 Absatz 1 der Verordening bestrijding ziekte van Aujeszky 1993 (Verordnung über die Bekämpfung der Aujeszky-Krankheit; im Folgenden: BAK-Verordnung), die am 9. Juni 1993 erlassen wurde und am 4. September 1993 in Kraft trat, lautet:

"Jeder Unternehmer ist verpflichtet, die in seinem Betrieb vorhandenen Schweine gemäß dem für die betreffenden Tierarten und die verschiedenen Gebiete auf Vorschlag der Stichting durch die Abteilung festgelegten Impfschema gegen die Aujeszky-Krankheit impfen zu lassen."

10 Die nationalen Behörden legten ein entsprechendes Impfschema fest, das von der Kommission gebilligt wurde. Nach den Bestimmungen dieses Schemas sind Mastschweine zwischen der zehnten und der sechzehnten Woche nach ihrer Geburt zu impfen; falls betriebliche Umstände es erfordern, hat vier Wochen nach der ersten Impfung eine zweite Impfung stattzufinden.

Der Rechtsstreit im Ausgangsverfahren und die Vorlagefragen

11 Dem Angeklagten werden Verstöße gegen die niederländischen Rechtsvorschriften über die Schweinehaltung zur Last gelegt. Er ist u. a. angeklagt,

- erstens am 22. März 1995 nicht seiner Verpflichtung als Unternehmer im Sinne der MSH-Verordnung nachgekommen zu sein, dafür Sorge zu tragen, dass in seinem Betrieb ein oder mehrere solide Desinfektionsbehälter oder solide Reinigungseinrichtungen vorhanden sind, die sich zur Desinfektion von Schuhen eignen, und

- zweitens, in der Zeit vom 1. Dezember 1994 bis zum 22. März 1995 oder um diesen Zeitraum herum nicht seiner Verpflichtung als Unternehmer im Sinne der BAK-Verordnung nachgekommen zu sein, die in seinem Betrieb vorhandenen Schweine gemäß dem hierfür festgelegten Impfschema gegen die Aujeszky-Krankheit impfen zu lassen.

12 Der Gerechtshof Arnheim (Niederlande) hob ein in erster Instanz in Abwesenheit des Angeklagten ergangenes Urteil auf und verurteilte diesen namentlich wegen der beiden in der vorstehenden Randnummer erwähnten Verstöße.

13 Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte beim Hoge Raad der Nederlanden Kassationsbeschwerde ein. Zur Begründung machte er geltend, der Gerechtshof Arnheim hätte in Bezug auf die beiden Rechtsverstöße gemäß dem Urteil des Gerichtshofes vom 30. April 1996 in der Rechtssache C-194/94 (CIA Security International, Slg. 1996, I-2201) die ihm zur Last gelegten Tatkomplexe nicht für strafbar erklären dürfen, da die als Grundlage der Strafbarkeit dienenden Bestimmungen der nationalen Regelung der Kommission nicht gemäß der Richtlinie mitgeteilt worden seien.

14 Daher hat der Hoge Raad der Nederlanden das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist Artikel 1 der Richtlinie 83/189 so auszulegen, dass Artikel 2 Absatz 1 der Verordening minimumeisen varkenshouderij 1993 - "Der Unternehmer ist verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass in seinem Betrieb ein oder mehrere solide Desinfektionsbehälter oder solide Reinigungseinrichtungen vorhanden sind, die sich zur Desinfektion von Schuhen eignen" - als technische Vorschrift im Sinne der erwähnten Richtlinie anzusehen ist?

2. Ist Artikel 1 der Richtlinie 83/189 so auszulegen, dass Artikel 2 Absatz 1 der Verordening Bestrijding ziekte van Aujeszky 1993 - "Jeder Unternehmer ist verpflichtet, die in seinem Betrieb vorhandenen Schweine nach dem für die betreffenden Tierarten und die verschiedenen Gebiete auf Vorschlag der Stichting durch die Abteilung festgelegten Impfschema gegen die Aujeszky-Krankheit impfen zu lassen" - als technische Vorschrift im Sinne der erwähnten Richtlinie anzusehen ist?

3. Wenn der Entwurf einer technischen Vorschrift im Sinne der Richtlinie 83/189 nicht gemäß den Artikeln 8 und 9 der Richtlinie bei der Kommission angemeldet worden ist, führt dies dann dazu, dass eine derartige Vorschrift nicht anwendbar ist, soweit sie im konkreten Fall eine Behinderung des Handelsverkehrs oder des freien Warenverkehrs darstellt, oder ist anzunehmen, dass eine solche Bestimmung nicht angewandt werden darf, wenn sie sich allgemein, unabhängig vom konkreten Fall, handelsbeschränkend auswirkt oder auswirken kann?

4. Falls die zweite Frage bejaht wird, hat dann der Umstand, dass im Dezember 1995 das niederländische Programm zur Bekämpfung der Aujeszky-Krankheit bei Schweinen von der Europäischen Kommission für 1996 genehmigt wurde, Folgen für die Frage nach der Anwendbarkeit von Artikel 2 Absatz 1 der Verordening bestrijding ziekte van Aujeszky auf den vorliegenden Fall? Welche Folgen sind dies bejahendenfalls?

Zur ersten Frage

15 Mit seiner ersten Frage begehrt das nationale Gericht Auskunft darüber, ob eine Bestimmung von der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art, nach der in Schweinehaltungsbetrieben ein oder mehrere Desinfektionsbehälter oder Reinigungseinrichtungen vorhanden sein müssen, die sich zur Desinfektion von Schuhen eignen, eine technische Vorschrift im Sinne der Richtlinie darstellt, die vor ihrem Erlass der Kommission mitzuteilen gewesen wäre.

16 Die niederländische Regierung macht geltend, Artikel 2 Absatz 1 der MSH-Verordnung sei keine "technische Spezifikation" im Sinne der Richtlinie. Er betreffe nicht die vorgeschriebenen Merkmale des Erzeugnisses und es handele sich dabei auch nicht um eine Bestimmung, die eine Produktionsmethode betreffe, da diese Bestimmung keine Anforderungen an die Mast, die Vermehrung oder die Aufzucht von Schweinen festlege.

17 Die dänische Regierung führt aus, die MSH-Verordnung enthalte keine Anforderungen in Bezug auf Schweine, die in den von ihr erfassten Betrieben gehalten würden, und schreibe somit nicht die Merkmale eines Erzeugnisses vor. Selbst wenn es sich beim Schwein um ein landwirtschaftliches Erzeugnis handele, beziehe sich die Verordnung doch auch nicht auf Produktionsmethoden und -verfahren, da sie die Möglichkeit unberührt lasse, in den durch sie erfassten Betrieben gehaltene Schweine rechtmäßig in den Verkehr zu bringen. Ferner könnten Produktionsmethoden und -verfahren, die auf nationaler Ebene vorgesehen seien, nur dann als technische Spezifikationen im Sinne der Richtlinie eingestuft werden, wenn sie die Merkmale der betreffenden Erzeugnisse unmittelbar oder mittelbar beeinflussten.

18 Nach Ansicht des Vereinigten Königreichs schreibt die MSH-Verordnung nicht die Merkmale eines Erzeugnisses vor, unabhängig davon, ob es sich nun um Zucht- oder um Mastschweine handele. Sie enthalte nur eine Regelung, die für den Unternehmer selbst gelte. Die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung lege zwar hygienische Bedingungen für die Schweinezucht, jedoch keine Kriterien für Schweineerzeugung als solche fest.

19 Die Kommission macht geltend, die MSH-Verordnung könne nicht als technische Spezifikation betrachtet werden, da sie keine Produktionsmethoden oder -verfahren im Sinne von Artikel 1 Nummer 1 der Richtlinie festlege. Die Bestimmung, um die es gehe, stelle eine der zahlreichen Hygienemaßnahmen dar, die die MSH-Verordnung den Schweinehaltungsbetrieben vorschreibe und die nicht im Zusammenhang mit der eigentlichen Produktion des betreffenden landwirtschaftlichen Erzeugnisses stuenden. Im Übrigen könnten die Produktionsmethoden und -verfahren nur dann als technische Spezifikationen im Sinne der Richtlinie betrachtet werden, wenn sie einen spürbaren Einfluss auf die Merkmale des Erzeugnisses hätten. Im Ausgangsverfahren habe die Verpflichtung in Bezug auf die Desinfektionseinrichtungen keine Auswirkungen auf die Merkmale des landwirtschaftlichen Erzeugnisses.

20 Nach Artikel 1 Nummer 7 versteht die Richtlinie unter "Erzeugnis" gewerbliche wie auch landwirtschaftliche Erzeugnisse, und nach Artikel 1 Nummer 1 in der auf den vorliegenden Fall anwendbaren Fassung versteht die Richtlinie unter "technische Spezifikation" eine Spezifikation, die in einem Schriftstück enthalten ist, das Merkmale eines Erzeugnisses sowie bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen Produktionsmethoden und -verfahren für diese Erzeugnisse vorschreibt.

21 Wie die niederländische und die dänische Regierung sowie die des Vereinigten Königreichs und die Kommission ausgeführt haben, schreibt Artikel 2 Absatz 1 der MSH-Verordnung kein Merkmal der betreffenden landwirtschaftlichen Erzeugnisse vor. Er legt auch keine Methode und kein Verfahren für die Produktion dieser Erzeugnisse fest. Denn wie die Kommission zu Recht geltend macht, verlangt die nationale Bestimmung nur, dass in Schweinehaltungsbetrieben Desinfektionsbehälter oder Reinigungseinrichtungen vorhanden sind, die sich zur Desinfektion von Schuhen eignen, und weist daher keinen Bezug zur eigentlichen Produktion des betreffenden landwirtschaftlichen Erzeugnisses auf.

22 Deshalb stellt eine Regelung von der Art derjenigen in Artikel 2 Absatz 1 der MSH-Verordnung keine technische Spezifikation im Sinne von Artikel 1 Nummer 1 der Richtlinie dar, und diese nationale Bestimmung kann folglich keine technische Vorschrift im Sinne dieser Richtlinie bilden.

23 Somit ist auf die erste Frage zu antworten, dass eine Bestimmung von der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art, nach der in Schweinehaltungsbetrieben ein oder mehrere Desinfektionsbehälter oder Reinigungseinrichtungen vorhanden sein müssen, die sich zur Desinfektion von Schuhen eignen, keine technische Vorschrift im Sinne der Richtlinie darstellt, die vor ihrem Erlass der Kommission mitzuteilen gewesen wäre.

Zur zweiten Frage

24 Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob eine Bestimmung von der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art, nach der jeder Unternehmer die in seinem Betrieb vorhandenen Schweine gegen die Aujeszky-Krankheit impfen lassen muss, eine technische Vorschrift im Sinne der Richtlinie darstellt, die vor ihrem Erlass der Kommission mitzuteilen gewesen wäre.

25 Die niederländische Regierung macht geltend, die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Vorschrift könne nicht als technische Vorschrift im Sinne der Richtlinie betrachtet werden. Denn sie solle gewährleisten, dass die Schweine nicht mit dem Virus der Aujeszky-Krankheit angesteckt worden seien. Ein Impfpflicht stehe in keinem Bezug zu den vorgeschriebenen Merkmalen eines Erzeugnisses. Es sei möglich, dass ein Schwein zwar nicht geimpft, jedoch nicht von dem Virus befallen sei. Lasse der Unternehmer seine Schweine impfen, so beseitige er nur die Gefahr, dass diese mit dem Aujeszky-Virus angesteckt würden, und vermeide auf diese Weise bestimmte Beschränkungen für die Ausfuhr infizierter Schweine. Unterbleibe eine Impfung, werde also die in Rede stehende Bestimmung nicht eingehalten, so beschränke dies jedoch nicht die rechtliche Möglichkeit, ein Schwein, das nicht gegen die Aujeszky-Krankheit geimpft worden sei, zu vermarkten oder zu verwenden.

26 Die Regierung des Vereinigten Königreichs macht geltend, dass die BAK-Verordnung nicht als "technische Vorschrift" im Sinne von Artikel 1 Nummer 5 der Richtlinie betrachtet werden könne. Zwar könne angenommen werden, dass eine Impfpflicht die Merkmale des Erzeugnisses berühre, da die gegen die Krankheit geimpften Schweine gesundes Fleisch lieferten; doch lege diese Pflicht nicht im Einzelnen die Merkmale des Erzeugnisses selbst fest. Ferner betreffe diese Pflicht nicht die Produktionsmethoden oder -verfahren. Sie solle ein annehmbares Gesundheitsniveau der in spezialisierten Betrieben gehaltenen Schweine herbeiführen und sichern.

27 Zwar sei die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Bestimmung im Stadium der Schweinehaltung verbindlich; doch weise sie keinen ausreichend unmittelbaren Zusammenhang mit der Vermarktung und der Verwendung des Erzeugnisses auf, dass sie als technische Vorschrift eingestuft werden könne. Sie beziehe sich auf ein Stadium vor der Verwendung des Erzeugnisses im eigentlichen Sinn oder vor dessen Inverkehrbringen. Sie könne auch nicht als Verbot oder Hemmnis für die Vermarktung oder die Verwendung des Erzeugnisses verstanden werden.

28 Nach Ansicht der Kommission ist die BAK-Verordnung als technische Spezifikation im Sinne der Richtlinie anzusehen, da sie eine Produktionsmethode oder ein Produktionsverfahren für landwirtschaftliche Erzeugnisse betreffe. Lebende Tiere seien nämlich landwirtschaftliche Erzeugnisse im Sinne von Artikel 38 Absatz 1 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 32 Absatz 1 EG), und die genauen und eingehenden Bestimmungen für die Impfung gegen die Aujeszky-Krankheit beeinflussten die Produktion des landwirtschaftlichen Erzeugnisses im eigentlichen Sinn unmittelbar und müssten während des Produktionsgangs eingehalten werden. Ferner habe die Impfung einen erheblichen Einfluss auf ein Merkmal des landwirtschaftlichen Erzeugnisses, nämlich das wesentliche Merkmal der Gesundheit der betroffenen Tiere.

29 Die Regelung in Artikel 2 Absatz 1 der BAK-Verordnung sei außerdem als technische Vorschrift einzustufen. Die BAK-Verordnung enthalte keine Bestimmung, die Beschränkungen der Vermarktung von Schweinen verfüge, falls diese entgegen dieser Bestimmung nicht gegen die Aujeszky-Krankheit geimpft würden. Ein Schwein könne nämlich vermarktet werden, ohne dass die Impfung notwendig sei, wenn es nicht von der Krankheit befallen sei. Da Artikel 1 Nummer 5 der Richtlinie jedoch den Begriff "Verwendung" im weiten Sinne benutze, müsse er jede Beschränkung erfassen, die gegen die Verwendung eines landwirtschaftlichen Erzeugnisses im Laufe des Produktionsgangs, also vor seinem Inverkehrbringen als zum menschlichen Verzehr bestimmtes Enderzeugnis, verfügt werde. Die Art von Spezifikation, um die es im Ausgangsverfahren gehe, betreffe ein Stadium vor demjenigen, in dem das Erzeugnis als Enderzeugnis in den Verkehr gebracht werde, und eine enge Auslegung des Begriffes "Verwendung" würde im Ergebnis dem Begriff der technischen Spezifikation jede Bedeutung nehmen.

30 Wie in Randnummer 20 dieses Urteils ausgeführt worden ist, ist eine "technische Spezifikation" gemäß Artikel 1 Nummer 1 der Richtlinie bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen eine Spezifikation, die in einem Schriftstück enthalten ist, das Merkmale eines Erzeugnisses oder Produktionsmethoden und -verfahren für dieses Erzeugnis vorschreibt.

31 Hierzu ist festzustellen, dass eine Bestimmung von der Art des Artikels 2 Absatz 1 der BAK-Verordnung eine technische Spezifikation im Sinne von Artikel 1 Nummer 1 der Richtlinie darstellt. Denn wie die Kommission zu Recht ausführt, schreibt diese Bestimmung ein "Verfahren" für die Produktion dieses Erzeugnisses vor, da die genauen und eingehenden Bestimmungen über die Impfung gegen die Aujeszky-Krankheit im Zusammenhang mit der eigentlichen Produktion des betreffenden landwirtschaftlichen Erzeugnisses stehen und während des Produktionsgangs eingehalten werden müssen.

32 Die Bestimmung, um die es im Ausgangsverfahren geht, kann jedoch gemäß Artikel 1 Nummer 5 der Richtlinie nur dann als technische Vorschrift im Sinne der Richtlinie eingestuft werden, wenn sie technische Spezifikationen enthält, "deren Beachtung de jure oder de facto für die Vermarktung oder Verwendung in einem Mitgliedstaat oder in einem großen Teil dieses Staates verbindlich ist, ausgenommen die von den örtlichen Behörden festgelegten technischen Spezifikationen".

33 Hierzu ist mit der niederländischen Regierung zu bemerken, dass Artikel 2 Absatz 1 der BAK-Verordnung weder Beschränkungen der Vermarktung noch der Verwendung der betroffenen Erzeugnisse für den Fall vorschreibt, dass die Schweine entgegen dieser Bestimmung nicht gegen die Aujeszky-Krankheit geimpft worden sind.

34 Daher ist auf die zweite Frage zu antworten, dass eine Bestimmung von der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art, nach der jeder Unternehmer die in seinem Betrieb vorhandenen Schweine gegen die Aujeszky-Krankheit impfen lassen muss, keine technische Vorschrift im Sinne der Richtlinie darstellt, die vor ihrem Erlass der Kommission mitzuteilen gewesen wäre.

35 In Anbetracht der Antworten auf die erste und die zweite Frage, brauchen die dritte und die vierte Frage nicht beantwortet zu werden.

Kostenentscheidung:

Kosten

36 Die Auslagen der niederländischen und der dänischen Regierung sowie die des Vereinigten Königreichs und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Sechste Kammer)

auf die ihm vom Hoge Raad der Nederlanden mit Urteil vom 5. Januar 1999 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1. Eine Bestimmung von der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art, nach der in Schweinehaltungsbetrieben ein oder mehrere Desinfektionsbehälter für Schuhe oder Reinigungseinrichtungen vorhanden sein müssen, die sich zur Desinfektion von Schuhen eignen, stellt keine technische Vorschrift im Sinne der Richtlinie 83/189/EWG des Rates vom 28. März 1983 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften in der Fassung der Richtlinie 88/182/EWG des Rates vom 22. März 1988 dar, die vor ihrem Erlass der Kommission mitzuteilen gewesen wäre.

2. Eine Bestimmung von der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art, nach der jeder Unternehmer die in seinem Betrieb vorhandenen Schweine gegen die Aujeszky-Krankheit impfen lassen muss, stellt keine technische Vorschrift im Sinne der Richtlinie 83/189 in der Fassung der Richtlinie 88/182 dar, die vor ihrem Erlass der Kommission mitzuteilen gewesen wäre.

Ende der Entscheidung

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