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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 21.01.1999
Aktenzeichen: C-54/95
Rechtsgebiete: Verordnung Nr. 3665/87, Verordnung (EWG) Nr. 2913/92


Vorschriften:

Entscheidung 94/871/EG
Verordnung Nr. 3665/87 Art. 5 Abs. 1
Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 Art. 78 Abs. 3
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1 Im Rahmen des Rechnungsabschlußverfahrens des EAGFL hat die Kommission die von einem Mitgliedstaat für ein bestimmtes Haushaltsjahr vorgelegten Rechnungen zu prüfen. Dieses Verfahren folgt dem Grundsatz, daß allein die im Einklang mit den Gemeinschaftsvorschriften vorgenommenen Ausgaben zu Lasten des Gemeinschaftshaushalts gehen.

Die Kommission darf daher eine finanzielle Berichtigung vornehmen, wenn die von dem betreffenden Mitgliedstaat durchgeführten Kontrollen nicht dem Gemeinschaftsrecht entsprachen. Sie darf ferner den auf diesen Mitgliedstaat in den vorangegangenen Haushaltsjahren unter ähnlichen Umständen angewandten Berichtigungssatz für ein bestimmtes Haushaltsjahr anheben, wenn die nationalen Behörden ihr nicht innerhalb der gesetzten Frist Mitteilung von Maßnahmen gemacht haben, die getroffen wurden, um die Kontrollen mit den besagten Vorschriften in Einklang zu bringen. Hat nämlich die Kommission Unregelmäßigkeiten aus Gründen der Billigkeit geduldet, so erwächst dem betreffenden Mitgliedstaat nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes daraus kein Recht, unter Berufung auf den Grundsatz der Rechtssicherheit oder des Vertrauensschutzes die gleiche Haltung für Unregelmäßigkeiten des folgenden Haushaltsjahres zu fordern.

Zudem kann der Umstand, daß ein Mitgliedstaat nach dem Haushaltsjahr, auf das sich der Rechnungsabschluß bezieht, derartige Berichtigungsmaßnahmen getroffen hat, nicht dazu führen, daß aus der der Kommission in einem solchen Fall zustehenden Befugnis, den Berichtigungsbetrag für das Haushaltsjahr, auf das sich der Rechnungsabschluß bezieht, zu kürzen, eine Verpflichtung würde, und zwar um so weniger, wenn der betreffende Mitgliedstaat diese Maßnahmen der Kommission nicht innerhalb der gesetzten Frist mitgeteilt hat.

2 Verweigert die Kommission die Übernahme bestimmter Ausgaben zu Lasten des EAGFL mit der Begründung, daß sie durch einem Mitgliedstaat vorzuwerfende Verletzungen der Gemeinschaftsregelung veranlaßt worden seien, so ist sie nicht verpflichtet, die Unrichtigkeit der ihr übermittelten Angaben umfassend darzulegen; sie braucht nur glaubhaft zu machen, daß an den von den nationalen Stellen mitgeteilten Zahlen berechtigte Zweifel bestehen. Diese Erleichterung der Beweislast der Kommission beruht darauf, daß der Mitgliedstaat am besten in der Lage ist, die für den Rechnungsabschluß erforderlichen Angaben beizubringen und nachzuprüfen, so daß es ihm obliegt, die Richtigkeit seiner Zahlen eingehend und vollständig nachzuweisen und so gegebenenfalls die Fehlerhaftigkeit der Berechnungen der Kommission darzutun.

Daraus folgt, daß die Kommission beim Abschluß der Rechnungen der Mitgliedstaaten nicht daran gehindert ist, Feststellungen zu treffen, die über die vor einem nationalen Strafgericht nachgewiesenen Unregelmäßigkeiten hinausgehen, sofern sie berechtigte Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit der vom EAGFL finanzierten Maßnahmen hat.

3 Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3665/87, dem zufolge die Zahlung der Ausfuhrerstattung davon abhängig ist, daß das Erzeugnis in das Bestimmungsland eingeführt wurde, wenn ernste Zweifel am Erreichen der tatsächlichen Bestimmung des Erzeugnisses bestehen oder wenn aufgrund des Unterschieds zwischen dem Erstattungsbetrag und den für ein gleichartiges Erzeugnis geltenden Eingangsabgaben die Möglichkeit besteht, daß es in die Gemeinschaft wieder eingeführt wird, soll Erstattungsmißbräuche verhindern. Bei einem Erzeugnis, dessen Preis - und damit der anwendbare Erstattungssatz - von seiner tatsächlichen Verwendung abhängt, können sich derartige Mißbräuche daraus ergeben, daß die tatsächliche Verwendung, d. h. die wirkliche Bestimmung im funktionellen Sinn des Begriffes, nicht die besondere Verwendung des Erzeugnisses ist. Daraus folgt, daß der Begriff "Bestimmung" in Artikel 5 Absatz 1 nicht nur im geographischen, sondern auch im funktionellen Sinn zu verstehen ist.

4 Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung Nr. 729/70, der eine Ausgestaltung der Pflichten der Mitgliedstaaten aus Artikel 5 des Vertrages darstellt, erlegt diesen die allgemeine Verpflichtung auf, alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um sich zu vergewissern, daß die durch den EAGFL finanzierten Maßnahmen tatsächlich und ordnungsgemäß durchgeführt worden sind, und um Unregelmäßigkeiten zu verhindern und zu verfolgen, auch wenn der von ihnen angewendete besondere Gemeinschaftsrechtsakt nicht ausdrücklich eine bestimmte Kontrollmaßnahme vorschreibt.

Die nationalen Behörden müssen beim Erlaß von Kontrollmaßnahmen mit der gleichen Sorgfalt vorgehen wie bei der Durchführung entsprechender nationaler Rechtsvorschriften, um so jede Beeinträchtigung der Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts zu vermeiden. Insoweit steht es ihnen zwar frei, die Maßnahmen zu wählen, die sie zum Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft für angemessen erachten, doch darf diese Freiheit die zügige, ordnungsgemäße und umfassende Durchführung der erforderlichen Kontrollen und Ermittlungen nicht beeinträchtigen.

5 Von den nationalen Behörden gezahlte Ausfuhrerstattungen können nicht als nach den Gemeinschaftsvorschriften gewährt angesehen werden, wenn die tatsächlich ausgeführte Ware infolge eines dem Ausführer zurechenbaren Verhaltens nicht der angemeldeten Ware entspricht. Hatten die Ausführer, um in den Genuß des höheren Erstattungssatzes zu kommen, bewußt angegeben, die ausgeführten Tiere seien reinrassige Zuchtrinder, während es sich in Wirklichkeit um Schlachtvieh handelte, wäre eine Übernahme der von den nationalen Behörden geleisteten Zahlungen durch den EAGFL in Höhe des für Schlachtvieh vorgesehenen niedrigeren Satzes daher nur möglich, wenn die unzutreffenden Zollanmeldungen auf Vorlage der nach der Gemeinschaftsregelung für die Ausfuhr der tatsächlich ausgeführten Ware erforderlichen Unterlagen nachträglich berichtigt worden wären.

6 Bei auf nationaler Ebene laufenden Verfahren zur Wiedereinziehung zu Unrecht gewährter Gemeinschaftsmittel ist es nach Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 595/91 Sache des betreffenden Mitgliedstaats, wenn er der Auffassung ist, daß die vollständige Wiedereinziehung des zu Unrecht gewährten Betrages nicht vorgenommen oder nicht erwartet werden kann, der Kommission in einer besonderen Mitteilung den nicht wiedereingezogenen Betrag mitzuteilen; die Kommission hat daraufhin einen Beschluß über die Anlastbarkeit der sich daraus ergebenden finanziellen Folgen zu fassen.

Auch wenn diese Mitteilung keiner Frist unterliegt, darf die Ausübung des Ermessens, das den Mitgliedstaaten bei der Beurteilung der Frage zusteht, ob ein laufendes Wiedereinziehungsverfahren Erfolg verspricht, aber nicht dazu führen, daß sich der Rechnungsabschluß für ein bestimmtes Haushaltsjahr über Gebühr verzögert. Insoweit verlangt das Interesse an einer raschen Prüfung der Rechnungen der Mitgliedstaaten, daß die Kommission, ohne auf das Vertragsverletzungsverfahren nach Artikel 169 des Vertrages zurückgreifen zu müssen, dem betroffenen Mitgliedstaat eine Frist für die Übermittlung der erforderlichen Daten einschließlich der Angaben zu den laufenden Wiedereinziehungsverfahren setzen kann. Dabei hat die Kommission die Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung, wie den Grundsatz der Sicherheit und Vorhersehbarkeit der finanziellen Beziehungen zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten, zu beachten.

7 Artikel 47 Absatz 4 der Verordnung Nr. 3665/87, der es den nationalen Behörden ermöglicht, dem Ausführer eine Fristverlängerung für die Beschaffung der Nachweise über die Ankunft der ausgeführten Ware am Bestimmungsort einzuräumen, wenn er sie nicht innerhalb der regulären Zwölfmonatsfrist vorlegen konnte, obwohl er alles in seiner Macht Stehende für ihre fristgerechte Beschaffung und Vorlage getan hat, räumt den nationalen Behörden einen Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Feststellung, ob der Ausführer alles in seiner Macht Stehende getan hat, und ein Ermessen hinsichtlich der Entscheidung ein, ob sie von der ihnen eingeräumten Möglichkeit, eine Fristverlängerung zu gewähren, Gebrauch machen wollen. Bei der Ausübung dieses Ermessens dürfen die nationalen Behörden zum einen die Voraussetzung, daß der Ausführer alles in seiner Macht Stehende unternommen hat, nicht als erfuellt ansehen, wenn bezüglich seines Verhaltens Zweifel bestehen, und müssen zum anderen beim Erlaß ihrer Entscheidung über die Feststellung hinaus, daß der Ausführer alles in seiner Macht Stehende unternommen hat, alle Umstände berücksichtigen, die die Feststellung erlauben, daß die Gewährung der Fristverlängerung gerechtfertigt ist.

8 Die Mitgliedstaaten müssen die allgemeine Sorgfaltspflicht gemäß Artikel 5 des Vertrages beachten, wie sie in Artikel 8 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 729/70 in bezug auf die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik konkretisiert wird. Diese Verpflichtung bedeutet, daß die Mitgliedstaaten Maßnahmen zur raschen Behebung von Unregelmäßigkeiten ergreifen müssen. Bei Verzug besteht nämlich die Gefahr, daß die Wiedereinziehung zuviel gezahlter Beträge aufgrund bestimmter Umstände wie etwa der Einstellung der Tätigkeit oder des Verlusts von Buchungsunterlagen schwierig oder unmöglich wird.

Die nationalen Behörden können eine Verletzung ihrer Pflicht, begangene Unregelmäßigkeiten schnell zu beheben, nicht mit der Dauer der von dem Wirtschaftsteilnehmer eingeleiteten Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren rechtfertigen. Zwar gilt gemäß Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung Nr. 729/70 für auf nationaler Ebene eingeleitete Rückforderungsverfahren das innerstaatliche Recht einschließlich der Vorschriften über die Beweislast, doch ist die Anwendung dieses Rechts nur möglich, soweit sie zur Durchführung des Gemeinschaftsrechts erforderlich ist und dessen Bedeutung und Wirksamkeit nicht beeinträchtigt.

9 Im Rahmen des Systems der differenzierten Ausfuhrerstattungen, das bestimmten Agrarerzeugnissen zugute kommen kann, ist der Nachweis der Erfuellung der Zollförmlichkeiten im Bestimmungsland nur ein widerlegliches Indiz dafür, daß das Ziel dieser Erstattungen tatsächlich erreicht wurde. So kann insbesondere die Beweiskraft, die die Verzollungsbescheinigung normalerweise hat, entfallen, wenn begründete Zweifel daran bestehen, ob die Waren tatsächlich auf den Markt des Bestimmungslands gelangt sind, um dort vermarktet zu werden. In einem solchen Fall können zum Nachweis, daß die Waren tatsächlich auf den Markt des Bestimmungslands gelangt sind, andere Dokumente vorgelegt werden, die die Gemeinschaftsregelung vorsieht, so z. B. Dokumente, aus denen hervorgeht, daß die Ware im Bestimmungsland entladen wurde.


Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 21. Januar 1999. - Bundesrepublik Deutschland gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Rechnungsabschluß - EAGFL - Nichtanerkennung von Ausgaben - Haushaltsjahr 1991. - Rechtssache C-54/95.

Parteien:

In der Rechtssache C-54/95

Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Ministerialrat Ernst Röder und Assessor Gereon Thiele, Bundesministerium für Wirtschaft, als Bevollmächtigte, D-53107 Bonn,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Klaus-Dieter Borchardt, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigten, Zustellungsbevollmächtigter: Carlos Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre Wagner, Luxemburg-Kirchberg,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 94/871/EG der Kommission vom 21. Dezember 1994 über den Rechnungsabschluß der Mitgliedstaaten für die vom Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL, Abteilung Garantie) im Haushaltsjahr 1991 finanzierten Ausgaben (ABl. L 352, S. 82), soweit dort ein Betrag von insgesamt 116 633 582,10 DM nicht als zu Lasten des EAGFL gehend anerkannt worden ist

erläßt

DER GERICHTSHOF

(Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. J. G. Kapteyn sowie der Richter G. Hirsch, H. Ragnemalm, R. Schintgen und K. M. Ioannou (Berichterstatter),

Generalanwalt: A. La Pergola

Kanzler: H. von Holstein, Hilfskanzler

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der Parteien in der Sitzung vom 5. Februar 1998, in der die Bundesregierung durch Regierungsdirektor Claus-Dieter Quassowski, Bundesministerium für Wirtschaft, als Bevollmächtigten, und die Kommission durch Klaus-Dieter Borchardt vertreten waren,

nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 2. April 1998,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Die Bundesrepublik Deutschland hat mit Klageschrift, die am 2. März 1995 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 173 Absatz 1 EG-Vertrag Klage erhoben auf Nichtigerklärung der Entscheidung 94/871/EG der Kommission vom 21. Dezember 1994 über den Rechnungsabschluß der Mitgliedstaaten für die vom Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL, Abteilung Garantie) im Haushaltsjahr 1991 finanzierten Ausgaben (ABl. L 352, S. 82), soweit dort ein Betrag von insgesamt 116 633 582,10 DM nicht als zu Lasten des EAGFL gehend anerkannt worden ist.

2 In dem der Klageschrift beigefügten Zusammenfassenden Bericht über die Kontrollergebnisse für den Rechnungsabschluß des EAGFL, Abteilung Garantie, für das Rechnungsjahr 1991 hatte die Kommission festgestellt, daß folgende Beträge zu Lasten der Bundesrepublik Deutschland gehen müßten:

I - 1 031 451,17 DM als zehnprozentiger Zuschlag zu dem Betrag der von der Kommission festgesetzten Berichtigung der Ausgaben für Ausfuhrerstattungen für die Verwendung von Stärkeerzeugnissen und Zucker;

II - 54 275 090,69 DM aufgrund der Berichtigung wegen Unregelmäßigkeiten bei der Ausfuhr von Lebendvieh nach Polen;

III - 56 692 508,70 DM aufgrund der Berichtigung wegen Unregelmäßigkeiten bei der Ausfuhr von Lebendvieh nach dem Nahen und Mittleren Osten (Fall Imex);

IV - 997 814 DM aufgrund der Berichtigung wegen Unregelmäßigkeiten bei der Ausfuhr von Rindfleisch in den Libanon (Fall Südfleisch);

V - 518 181 DM aufgrund der Berichtigung wegen Ausfuhr von Rindfleisch nach Zimbabwe (Fall Barfuß);

VI - 3 118 563,54 DM aufgrund der Berichtigung wegen Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Gewährung der Sonderprämie für Rindfleischerzeuger.

3 In der mündlichen Verhandlung hat die Bundesrepublik Deutschland erklärt, sie nehme den Teil ihrer Klage zurück, der den Betrag von 3 118 563,54 DM wegen Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Gewährung der Sonderprämie für Rindfleischerzeuger betreffe, da sie ihren Streit mit der Kommission über diese Frage im Anschluß an das Urteil vom 3. Oktober 1996 in der Rechtssache C-41/94 (Deutschland/Kommission, Slg. 1996, I-4733) beigelegt habe.

I - Zum Zuschlag von 10 % zu dem Betrag der von der Kommission festgesetzten Berichtigung der Ausgaben für die Ausfuhrerstattungen für die Verwendung von Stärkeerzeugnissen und Zucker (Nrn. 4.4.2.1 und 4.5.1 des Zusammenfassenden Berichtes)

4 Die Kommission führt in ihrem Zusammenfassenden Bericht aus, daß bei den Rechnungsabschlußverfahren der Jahre 1988 bis 1990 die Ausgaben, die von den deutschen Behörden für die Ausfuhrerstattungen für die Verwendung von Stärkeerzeugnissen und Zucker gemeldet worden waren, jeweils berichtigt worden seien. Diese Berichtigungen seien vorgenommen worden, weil die deutschen Behörden einigen Firmen zu deren Vorteil gestattet hätten, die Anträge auf Ausstellung einer Erstattungsbescheinigung erst nach der Verarbeitung und nicht, wie nach den Gemeinschaftsverordnungen vorgeschrieben, vor Verarbeitungsbeginn einzureichen.

5 Die Bundesrepublik Deutschland focht die Berichtigungen für das Haushaltsjahr 1988 vor dem Gerichtshof an. Der Gerichtshof wies ihre Klage mit Urteil vom 22. Juni 1993 in der Rechtssache C-54/91 (Deutschland/Kommission, Slg. 1993, I-3399) ab.

6 Mit Fernschreiben vom 6. Oktober 1993 forderte die Kommission die deutschen Behörden auf, ihre Verfahren entsprechend den Gemeinschaftsvorschriften zu ändern und den Dienststellen des EAGFL diese Änderungen und das Datum ihres Inkrafttretens spätestens am 31. Januar 1994, an dem die den Mitgliedstaaten gesetzte Frist für die Übermittlung zusätzlicher Auskünfte im Rahmen des Rechnungsabschlusses für das Haushaltsjahr 1991 ablief, mitzuteilen.

7 Nach dem Zusammenfassenden Bericht haben die

"deutschen Behörden erst lange nach der Frist für die Übermittlung der zusätzlichen Auskünfte (31. Januar 1994) Kopien der nationalen Anweisungen zur Durchführung der geforderten Änderungen übermittelt.

Wie für die vorangegangenen Haushaltsjahre wird eine pauschale Berichtigung in Höhe von 5 % zuzüglich 10 % wegen der verspäteten Änderung der Verfahren vorgeschlagen."

8 Die Bundesregierung beanstandet in ihrer Klage nicht die vorgenommene Berichtigung, sondern lediglich den Zuschlag von 10 % auf diese Berichtigung. Sie macht geltend, daß es keine Rechtsgrundlage gebe, die der Kommission erlaube, im Rechnungsabschlußverfahren einen solchen "Strafzuschlag" festzusetzen, um eine verspätete Mitteilung von Maßnahmen zu ahnden, die ein Mitgliedstaat getroffen habe, um einem Urteil des Gerichtshofes nachzukommen. Wenn die Kommission die Nichtdurchführung eines Urteils des Gerichtshofes durch einen Mitgliedstaat ahnden wolle, müsse sie das Verfahren des Artikels 171 Absatz 2 EG-Vertrag einhalten.

9 Im Rahmen des Rechnungsabschlußverfahrens hat die Kommission die von einem Mitgliedstaat für ein bestimmtes Haushaltsjahr vorgelegten Rechnungen zu prüfen. Dieses Verfahren folgt dem Grundsatz, daß allein die im Einklang mit den Gemeinschaftsvorschriften vorgenommenen Ausgaben zu Lasten des Gemeinschaftshaushalts gehen (vgl. Urteil vom 6. Oktober 1993 in der Rechtssache C-55/91, Italien/Kommission, Slg. 1993, I-4813, Randnr. 67).

10 Im vorliegenden Fall ist unstreitig, daß im Haushaltsjahr 1991 die von der Bundesrepublik Deutschland im Hinblick auf die Gewährung der betreffenden Ausfuhrerstattungen durchgeführten Kontrollen nicht dem Gemeinschaftsrecht entsprachen und daß die deutschen Behörden der Kommission innerhalb der von dieser gesetzten Frist für die Übermittlung zusätzlicher Auskünfte zu den Rechnungen für das Haushaltsjahr 1991 keine Maßnahme mitgeteilt haben, mit denen diese Kontrollen in Einklang mit den Gemeinschaftsvorschriften gebracht worden wären.

11 Nach Fristablauf durfte die Kommission daher eine finanzielle Berichtigung vornehmen, die sich auf 100 % der Ausgaben für diese Erstattungen hätte belaufen können.

12 Dem kann nicht entgegengehalten werden, daß die Kommission in den Haushaltsjahren 1988 bis 1990 wegen des beim Gerichtshof anhängigen Rechtsstreits unter ähnlichen Umständen lediglich eine Berichtigung der Ausgaben für diese Erstattungen um 5 % vorgenommen hatte. Hat nämlich die Kommission Unregelmäßigkeiten aus Gründen der Billigkeit geduldet, so erwächst dem betreffenden Mitgliedstaat nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes daraus kein Recht, unter Berufung auf den Grundsatz der Rechtssicherheit oder des Vertrauensschutzes die gleiche Haltung für Unregelmäßigkeiten des folgenden Haushaltsjahres zu fordern (vgl. Urteil Italien/Kommission, Randnr. 67).

13 Daß die Kommission mangels fristgerechter Mitteilung der von den deutschen Behörden getroffenen Maßnahmen den Berichtigungssatz um 10 % angehoben hat, stellt somit entgegen der Auffassung der Bundesregierung weder eine Sanktion noch eine Strafe dar, sondern eine Handlung, die sich im Rahmen der Festsetzung des von diesem Mitgliedstaat zu tragenden Gesamtberichtigungssatzes hielt.

14 Die Bundesregierung vertritt freilich die Auffassung, daß die verspätete Mitteilung der Maßnahmen, die die Bundesrepublik Deutschland getroffen habe, um die Kontrollverfahren mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang zu bringen, den Zuschlag nicht rechtfertigen könne, da die 1993 getroffenen Maßnahmen keinesfalls Auswirkungen auf die im Haushaltsjahr 1991 durchgeführten Kontrollen gehabt hätten, das Gegenstand des Rechnungsabschlusses gewesen sei.

15 Zudem verstoße ein solcher Zuschlag gegen die Leitlinien, die die Kommission in ihrer Mitteilung vom 3. Juni 1993 an den Ausschuß des Fonds (Dok. Nr. VI/216/93) bezüglich der Berechnung der finanziellen Auswirkungen im Rahmen der Vorbereitung der Entscheidung über den Rechnungsabschluß des EAGFL, Abteilung Garantie, festgelegt habe. Diesen seit der Erstellung des Zusammenfassenden Berichtes für das Haushaltsjahr 1990 geltenden Leitlinien sei zu entnehmen, daß die Vornahme einer finanziellen Berichtigung und die Festlegung des entsprechenden Satzes anhand einer "Beurteilung der realen Gefahr eines Verlustes von Gemeinschaftsmitteln, die sich aus den Kontrollmängeln ergibt", zu erfolgen hätten. Die Maßnahmen, die die Bundesrepublik Deutschland 1993 getroffen habe, könnten sich aber nicht rückwirkend auf die Ordnungsmäßigkeit der 1991 durchgeführten Kontrollen auswirken und damit die Verluste in diesem Haushaltsjahr beeinflussen.

16 Die Bundesregierung zieht mit diesem Vorbringen nicht die Befugnis der Kommission in Zweifel, Berichtigungsmaßnahmen, die ein Mitgliedstaat nach dem Haushaltsjahr, das Gegenstand des Rechnungsabschlusses ist, trifft, zu berücksichtigen, um die finanzielle Berichtigung der Ausgaben in diesem Haushaltsjahr zu verringern, selbst wenn die getroffenen Maßnahmen keine Auswirkungen auf die Gefahr eines Verlustes von Gemeinschaftsmitteln in diesem Haushaltsjahr haben. Da die Bundesregierung die Auffassung vertritt, daß die Kommission die Gesamtberichtigung noch weiter hätte verringern müssen, erkennt sie diese Befugnis vielmehr implizit an.

17 Das Vorbringen zu den Leitlinien der Kommission ist daher nicht schlüssig.

18 Zudem kann der Umstand, daß die 1993 getroffenen Maßnahmen keine Auswirkungen auf die Höhe der im Haushaltsjahr 1991 entstandenen Verluste haben, nicht dazu führen, daß aus der Befugnis der Kommission, den Berichtigungsbetrag zu kürzen, eine Verpflichtung selbst in dem Fall würde, daß der betreffende Mitgliedstaat die getroffenen Berichtigungsmaßnahmen nicht rechtzeitig mitgeteilt hat. Folgte man der gegenteiligen Auffassung, so könnte dies für die Mitgliedstaaten, die Berichtigungsmaßnahmen verspätet getroffen haben, einen Anreiz darstellen, sie der Kommission nicht mitzuteilen.

19 Der gegen diese Position der streitigen Entscheidung vorgebrachte Klagegrund ist somit zurückzuweisen.

II - Zur Berichtigung wegen Unregelmäßigkeiten bei der Ausfuhr von Lebendvieh nach Polen (Nr. 6.1.2 des Zusammenfassenden Berichtes)

20 Die der Bundesrepublik Deutschland vorgeworfenen Unregelmäßigkeiten betreffen die Ausfuhr von als reinrassige Zuchtrinder angemeldeten Rindern nach Polen. Für diese Rinder belief sich die im entscheidungserheblichen Zeitraum gewährte Ausfuhrerstattung auf 98 ECU/100 kg, während sie für andere Rinder 55,5 ECU/100 kg betrug.

21 Der Zusammenfassende Bericht enthält hierzu folgende Feststellungen:

"Die spektakuläre Zunahme der Ausfuhren von reinrassigen Zuchtrindern aus Deutschland... nach Polen hat den EAGFL veranlaßt, in den Monaten November 1991 und April 1992... Untersuchungen... durchzuführen.

Die dabei... gewonnenen Erkenntnisse ließen den Schluß zu, daß es sich um Rinder handelte, die in betrügerischer Absicht als reinrassige Zuchtrinder deklariert worden waren.

...

Die wichtigste Feststellung in diesem Zusammenhang ist die, daß es in bezug auf die Einreihung der Rinder bei der Position "Reinrassige Zuchtrinder" keinerlei Vorschriften gab, mit denen hätte garantiert werden können, daß es sich bei den ausgeführten Tieren tatsächlich um Zuchtrinder handelte (in dem wirtschaftlichen Sinn, daß sie zur Zucht verwendet werden sollten):

- Es fehlten die Abstammungsnachweise, die Zuchtwertbescheinigungen und die Zuchtbescheinigungen;

- es gab keine Veterinäranalysen im Hinblick auf die Leistungsprüfung (bzw. keine Veterinärkontrollen im Hinblick auf die Schlachtung);

- demgegenüber gab es Informationen und Hinweise, die Zweifel an der Richtigkeit der Angaben hätten aufkommen lassen müssen (Alter der Tiere, sehr niedriger Verkaufspreis, unbekannte Käufer usw.).

Außerdem haben Informationen, die in Polen ohne weiteres zu erhalten waren, bestätigt, daß die Tiere sofort nach ihrer Ankunft in Polen geschlachtet worden sind.

...

Für Deutschland ergibt sich aus den Ausfuhrstatistiken, daß Ausfuhren von reinrassigen Zuchtrindern nach Polen vor 1991 praktisch inexistent waren (1989: 374 Stück, 1990: 166 Stück). 1991 wurden dann auf einmal mehr als 57 000 Stück ausgeführt. Nach einer Verbesserung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften (ab 18.10.1991) ist die Zahl fast sofort deutlich zurückgegangen und lag 1992 erneut bei nur noch 9 300 Stück (davon 7 500 vor April 1992).

Da also alle Ausfuhren spekulativ waren, kann der Bitte des Mitgliedstaats [auf Übernahme der Ausgaben zu Lasten des EAGFL in Höhe des für Schlachttiere vorgesehenen Satzes] nicht stattgegeben werden.

Die Kommissionsdienststellen kommen abschließend zu folgenden Schlüssen:

...

(ii) Deutschland hat aufgrund des Ausmaßes des Problems seine innerstaatlichen Rechtsvorschriften mit Wirkung vom 18.10.1991 verbessert. Eine zusätzliche Kontrolle der ab diesem Zeitpunkt getätigten Ausgaben hat denn auch ergeben, daß fast unmittelbar danach die Probleme in diesem Bereich aufgehört haben.

(iii) Unter Berücksichtigung dieser Ausführungen wurden die finanziellen Berichtigungen wie folgt festgesetzt:

- Deutschland: Haushaltsjahr 1991: DM 56 542 011,69 Haushaltsjahr 1992:

- betroffene Ausgaben DM 15 694 754,87

- unter Berücksichtigung der Änderung der innerstaatlichen Vorschriften ab 18.10.1991 zur Finanzierung zugelassene Ausgaben DM 12 974 820,87

DM 2 719 934,00

INSGESAMT DM 59 261 945,69

- festgestellte und dem EAGFL mitgeteilte Unregelmäßigkeiten (Artikel 3 Nr. DE/92/001/B und Nr. DE/92/002/B DM - 4 986 855

Posten...: Betrag der Berichtigung DM 54 275 090,69"

22 Aus den Akten geht ferner hervor, daß die Kommission in einem Schreiben vom 24. Juni 1992 an die Bundesregierung, das letztere mit Schreiben vom 23. Oktober 1992 beantwortete, erläuterte, daß sich die deutschen Behörden nicht mit der schlichten Vorlage der Kontrollexemplare T 5 und der von den Züchtervereinigungen als Abstammungsnachweis-Zuchtbescheinigung ausgestellten Bescheinigungen, in denen Hinweise auf die Leistung, den genetischen Wert und die Abstammung der Tiere gänzlich gefehlt hätten (oder in manchen Fällen nur auf die Eltern begrenzt gewesen seien), hätten begnügen dürfen, sondern daß sie die besondere Verwendung der ausgeführten Tiere zu Zuchtzwecken hätten prüfen und die Vorlage von Abstammungsnachweisen hätten verlangen müssen, aus denen die Abstammung der Tiere vollständig, d. h. über zwei Generationen, ebenso hervorgegangen wäre wie ihre Leistung und die Beurteilung ihres genetischen Wertes.

23 Diese Verpflichtungen ergäben sich aus der Bezeichnung der Tiere als "Zuchttiere" entsprechend der Erstattungsnomenklatur der Artikel 5 Absatz 1 und 13 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 der Kommission vom 27. November 1987 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen (ABl. L 351, S. 1) und des Artikels 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1544/79 der Kommission vom 24. Juli 1979 über die Anwendung von Ausfuhrerstattungen für reinrassige Zuchtrinder (ABl. L 187, S. 8) in Verbindung mit den Artikeln 1 und 6 der Richtlinie 77/504/EWG des Rates vom 25. Juli 1977 über reinrassige Zuchtrinder (ABl. L 206, S. 8).

24 Die Auffassung der Kommission, die ausgeführten Tiere seien nicht zur Zucht bestimmt gewesen, werde auch dadurch bestätigt, daß bei diesen Leukose bestanden habe.

25 Der Streit der Parteien betrifft drei Fragen, und zwar die Einbeziehung von Beträgen aus dem Haushaltsjahr 1992 in den Rechnungsabschluß für das Haushaltsjahr 1991, den Umfang und die Einhaltung der den nationalen Behörden bei der Gewährung der betreffenden Ausfuhrerstattungen obliegenden Verpflichtungen und schließlich die Nichtübernahme der Ausgaben für Ausfuhrerstattungen in Höhe des Satzes für Schlachtrinder durch den EAGFL.

Zur Einbeziehung von Beträgen aus dem Haushaltsjahr 1992 in den Rechnungsabschluß für das Haushaltsjahr 1991

26 Die Bundesregierung macht in ihrer Erwiderung geltend, daß die von der Kommission vorgenommene Berichtigung rechtswidrig sei, da sie Beträge aus dem Haushalt 1992 in den Rechnungsabschluß für das Haushaltsjahr 1991 einbezogen habe. Beträge aus späteren Haushaltsjahren könnten nämlich nur in den Rechnungsabschlüssen der Folgejahre berichtigt werden, da ein Vorgriff in der Verordnung (EWG) Nr. 729/70 des Rates vom 21. April 1970 über die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik (ABl. L 94, S. 13) nicht vorgesehen sei. Außerdem seien die in den einzelnen Haushaltsjahren angelasteten Beträge unrichtig.

27 Die Kommission macht geltend, daß dieser Klagegrund verspätet vorgebracht worden und daher als unzulässig zurückzuweisen sei.

28 Nach Artikel 42 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes können neue Angriffs- und Verteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens nicht mehr vorgebracht werden, es sei denn, daß sie auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind.

29 Die Aufnahme der Beträge aus dem Haushaltsjahr 1992 in den Rechnungsabschluß für das Haushaltsjahr 1991 ergab sich bereits aus dem Zusammenfassenden Bericht.

30 Die Bundesregierung konnte sich daher in ihrer Klageschrift auf diesen Klagegrund berufen, hat dies aber nicht getan.

31 Somit ist dieser Klagegrund als unzulässig zurückzuweisen.

Zum Umfang und zur Einhaltung der den nationalen Behörden bei der Gewährung der betreffenden Ausfuhrerstattungen obliegenden Verpflichtungen

32 Die Bundesregierung macht zunächst geltend, die Behauptung der Kommission, daß der größte Teil der nach Polen ausgeführten Tiere sofort geschlachtet worden sei, was beweise, daß es sich in Wirklichkeit um Schlachttiere gehandelt habe, beruhe nicht auf berechtigten Zweifeln, wie sie die Rechtsprechung des Gerichtshofes verlange. Die Kommission sei auch den Nachweis dafür schuldig geblieben, daß bei diesen Tieren Leukose bestanden habe. So habe sie keine Unterlagen vorgelegt, nach denen die strengen Gesundheitskontrollen, denen die Einfuhr reinrassiger Zuchtrinder in Polen unterliege und die u. a. die Vorlage einer von einem Amtstierarzt ausgestellten Bescheinigung umfaßten, bei den streitigen Einfuhren nicht durchgeführt worden seien.

33 Die Kommission bestreitet dieses Vorbringen und beruft sich insbesondere darauf, daß a) die Ausfuhren reinrassiger Zuchtrinder nach Polen im Jahr 1991 explosionsartig angestiegen seien, b) der polnische Markt wegen der schwierigen Situation der polnischen Landwirtschaft in jener Zeit eine solch große Menge an Zuchtrindern nicht habe aufnehmen können, was durch die Angaben des Leiters des polnischen Veterinärdienstes Maleszewski bestätigt werde, wonach Polen von einigen Ausnahmen abgesehen zur damaligen Zeit lediglich Schlachtvieh eingeführt habe, und c) in einem Schreiben des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 12. November 1991 u. a. ausgeführt werde: "Tatsächlich erfuellten die Tiere lediglich die Veterinärbedingungen für Schlachttiere und nicht die höheren Anforderungen für Zuchttiere, da sie nicht leukosefrei waren."

34 Die Bundesregierung entgegnet, daß die vermehrten Ausfuhren hauptsächlich mit der besonderen Situation der neuen Länder nach der Wiedervereinigung Deutschlands zu tun gehabt hätten, da diese die Auflösung vieler landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaften zur Folge gehabt und dies wiederum den Verkauf und die Ausfuhr der Tiere bedingt habe.

35 Verweigert die Kommission die Übernahme bestimmter Ausgaben zu Lasten des EAGFL mit der Begründung, daß sie durch diesem Staat vorzuwerfende Verletzungen von Gemeinschaftsregelungen veranlaßt worden seien, so ist sie nicht verpflichtet, die Unrichtigkeit der von den Mitgliedstaaten übermittelten Angaben umfassend darzulegen, sondern braucht nur glaubhaft zu machen, daß an den von den nationalen Stellen mitgeteilten Zahlen berechtigte Zweifel bestehen. Diese Erleichterung der Beweislast der Kommission beruht darauf, daß der Mitgliedstaat am besten in der Lage ist, die für den Rechnungsabschluß des EAGFL erforderlichen Angaben beizubringen und nachzuprüfen, so daß es ihm obliegt, die Richtigkeit seiner Zahlen eingehend und vollständig nachzuweisen und so gegebenenfalls die Fehlerhaftigkeit der Berechnungen der Kommission darzutun (vgl. Urteil vom 10. November 1993 in der Rechtssache C-48/91, Niederlande/Kommission, Slg. 1993, I-5611, Randnrn. 16 und 17).

36 Die spektakuläre Zunahme der deutschen Ausfuhren von reinrassigen Zuchtrindern nach Polen, die von 166 Tieren im Jahr 1990 auf 57 366 Tiere im Jahr 1991 angestiegen waren und 1992 nach der Verschärfung der deutschen Rechtsvorschriften wieder drastisch auf 9 300 Tiere sanken (von denen 7 500 bis April 1992 ausgeführt wurden), stellt einen Anhaltspunkt dar, der mangels einer überzeugenden Erklärung berechtigte Zweifel an der Qualität der ausgeführten Rinder begründen kann. Das Vorbringen der Bundesregierung, daß dieser Anstieg auf die Auflösung vieler landwirtschaftlicher Genossenschaften in den neuen Ländern nach der Wiedervereinigung zurückzuführen sei, ist nicht durch genaue Zahlen belegt. Ferner hat die Bundesregierung nicht nachgewiesen, daß es trotz der schwierigen Lage, in der sich die polnische Landwirtschaft befand, im maßgeblichen Zeitraum in Polen eine Nachfrage nach einer derart großen Menge an Zuchtrindern gegeben hätte.

37 Zudem hat die Bundesregierung weder den Inhalt des vorgenannten Schreibens des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 12. November 1991 noch die erwähnten Aussagen des Leiters des polnischen Veterinärdienstes bestritten, nach denen die Tiere lediglich die Veterinärbedingungen für Schlachttiere erfuellten, sie nicht leukosefrei waren und sie bis auf wenige Ausnahmen als Schlachtvieh nach Polen eingeführt wurden.

38 Daher ist dieser Klagegrund zurückzuweisen.

39 Die Bundesregierung rügt weiter die Auffassung der Kommission, daß die nationalen Stellen nach dem Gemeinschaftsrecht verpflichtet seien, vor der Auszahlung der beantragten Ausfuhrerstattungen Nachweise für die besondere Verwendung der betreffenden Rinder zu Zuchtzwecken zu verlangen. Aus dem Gemeinschaftsrecht habe sich zur maßgeblichen Zeit keine solche Verpflichtung ergeben.

40 So sei insbesondere Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3665/87, auf den sich die Kommission berufe, nicht anwendbar, da keiner der beiden darin abschließend aufgezählten Fälle vorliege. Es hätten nämlich weder Zweifel am Erreichen der tatsächlichen Bestimmung der Ware bestanden, da die für Polen bestimmten Rinder tatsächlich in dieses Land eingeführt und dort vermarktet worden seien; wegen der strengen Kontrollen, die die Bundesrepublik Deutschland durchgeführt habe, habe auch nicht die Gefahr einer Wiedereinfuhr in die Gemeinschaft bestanden, obgleich die Abgaben auf die Einfuhr solcher Tiere in die Gemeinschaft 1991 auf 0 ECU festgesetzt worden seien.

41 Entgegen der Auffassung der Bundesregierung ergibt sich die Verpflichtung, deren Bestehen sie bezweifelt, aus mehreren Gemeinschaftsvorschriften.

42 Zunächst ist das einzige Merkmal, das ein entsprechend der Erstattungsnomenklatur als "reinrassiges Zuchtrind" bezeichnetes Tier, für das die Ausfuhrerstattung zur maßgeblichen Zeit 98 ECU/100 kg betrug, von anderen Rindern unterscheidet, für die sich die Erstattung auf 55,5 ECU/100 kg belief, seine besondere Verwendung zu Zuchtzwecken. Daraus folgt, daß nur diese besondere Verwendung die Gewährung der höchsten Ausfuhrerstattung rechtfertigt. Ob dieses Merkmal vorliegt, ist also bei der Gewährung der entsprechenden Erstattung notwendig zu prüfen.

43 Außerdem heißt es in Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3665/87:

"Außer von der Voraussetzung, daß das Erzeugnis das Zollgebiet der Gemeinschaft verlassen hat, ist die Zahlung der einheitlichen oder unterschiedlichen Erstattung davon abhängig, daß das Erzeugnis... in ein Drittland eingeführt wurde, es sei denn, daß es im Laufe der Beförderung infolge höherer Gewalt untergegangen ist,

a) wenn ernste Zweifel am Erreichen der tatsächlichen Bestimmung des Erzeugnisses bestehen

oder

b) wenn bei dem Erzeugnis aufgrund des Unterschieds zwischen dem für das ausgeführte Erzeugnis anzuwendenden Erstattungsbetrag und den für ein gleichartiges Erzeugnis zum Zeitpunkt der Annahme der Ausfuhranmeldung geltenden Eingangsabgaben die Möglichkeit besteht, daß es in die Gemeinschaft wieder eingeführt wird.

..."

44 Bei dem in Buchstabe a beschriebenen Fall könnte man den Begriff "Bestimmung" nach dem Wortlaut dieser Vorschrift auf den ersten Blick tatsächlich im rein geographischen Sinne verstehen, so daß sie lediglich im Fall eines Betruges hinsichtlich der territorialen Bestimmung des ausgeführten Erzeugnisses anwendbar wäre.

45 Eine solche Auslegung widerspräche jedoch dem Zweck von Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3665/87, die nach ihrer vierten Begründungserwägung gerade Erstattungsmißbräuche verhindern soll. Die Erstattungen sollen den Unterschied zwischen dem höheren Gemeinschaftspreis für das betreffende Erzeugnis und dem niedrigeren Preis auf dem Markt des Drittlands, in das es ausgeführt wird, ausgleichen. Bei einem Erzeugnis, dessen Preis - und damit der anwendbare Erstattungssatz - von seiner tatsächlichen Verwendung abhängt, können sich Mißbräuche auch daraus ergeben, daß die tatsächliche Verwendung, d. h. die wirkliche Bestimmung im funktionellen Sinn des Begriffes, nicht die besondere Verwendung des Erzeugnisses ist, für die die Erstattung beantragt wird. Daraus folgt, daß der Begriff "Bestimmung" in Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung Nr. 3665/87 nicht nur im geographischen, sondern auch im funktionellen Sinn zu verstehen ist.

46 In dem in Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 3665/87 geregelten Fall muß die Gefahr einer Wiedereinfuhr des ausgeführten Erzeugnisses in die Gemeinschaft bestehen; zu dieser Wiedereinfuhr braucht es aber nicht tatsächlich gekommen zu sein.

47 Nach alledem war im vorliegenden Fall sowohl der Tatbestand des Artikels 5 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung Nr. 3665/87 als auch derjenige des Buchstaben b erfuellt. In Anbetracht der spektakulären Zunahme der deutschen Ausfuhren reinrassiger Zuchtrinder nach Polen bestanden ernste Zweifel an der tatsächlichen Bestimmung der ausgeführten Tiere. Darüber hinaus bestand wegen des Unterschieds zwischen dem 1991 für reinrassige Zuchtrinder geltenden Erstattungsbetrag (98 ECU/100 kg) und den damals für dieses Erzeugnis geltenden Eingangsabgaben (0 ECU) unabhängig von der Strenge der Kontrollen, die die Bundesrepublik Deutschland bei der Einfuhr solcher Tiere durchführte, die Gefahr der Wiedereinfuhr der ausgeführten Tiere in die Gemeinschaft.

48 Daher waren die deutschen Stellen gemäß Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3665/87 verpflichtet, zu prüfen, ob die betreffenden Tiere als reinrassige Zuchtrinder nach Polen eingeführt wurden. Sie hätten also bei der Ausfuhr Nachweise für die besondere Verwendung dieser Tiere verlangen müssen.

49 Schließlich ergibt sich die Pflicht der deutschen Stellen zur Prüfung der besonderen Verwendung der betreffenden Tiere zu Zuchtzwecken auch aus Artikel 13 der Verordnung Nr. 3665/87, wonach "eine Ausfuhrerstattung... nicht gewährt [wird], wenn die Erzeugnisse nicht von gesunder und handelsüblicher Qualität sind..." Ein als "reinrassiges Zuchtrind" bezeichnetes Tier kann nicht von handelsüblicher Qualität sein, wenn es nicht die Eigenschaften aufweist, die seine Eignung für die besondere Verwendung zu Zuchtzwecken gewährleisten.

50 Die Bundesregierung vertritt jedoch die Auffassung, daß die Kommission hätte einschreiten und die geeigneten Maßnahmen treffen müssen, um das Problem der Ausfuhr reinrassiger Zuchtrinder zu regeln. Namentlich habe die Kommission die Bundesrepublik Deutschland nicht aufgefordert, Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3665/87 anzuwenden, wie es Artikel 5 Absatz 2 Unterabsatz 2 vorsehe, wo es heiße: "Bestehen ernste Zweifel an der tatsächlichen Bestimmung der Erzeugnisse, so kann die Kommission die Mitgliedstaaten auffordern, Absatz 1 anzuwenden."

51 Nach Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung Nr. 729/70 ist es Sache der Mitgliedstaaten, gemäß den einzelstaatlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um sich zu vergewissern, daß die durch den EAGFL finanzierten Maßnahmen tatsächlich und ordnungsgemäß durchgeführt worden sind. Nach der achten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 729/70 sind "Prüfungen durch Bedienstete der Kommission und die Möglichkeit..., daß die Kommission die Hilfe der Mitgliedstaaten in Anspruch nimmt", zur "Ergänzung der von den Mitgliedstaaten auf eigene Initiative durchgeführten Kontrollen, denen nach wie vor die Hauptbedeutung zukommt", vorgesehen. Daraus folgt, daß die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten bezüglich der Ordnungsmäßigkeit der durch den EAGFL finanzierten Maßnahmen unabhängig davon bestehen, welche Maßnahmen die Kommission trifft.

52 Diese Aufgabenverteilung findet ihren Ausdruck auch im Wortlaut des Artikels 5 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Verordnung Nr. 3665/87, der darüber hinaus keine Verpflichtung, sondern nur eine Befugnis der Kommission begründet. Macht sie von dieser Befugnis keinen Gebrauch, so rechtfertigt dies somit nicht, daß ein Mitgliedstaat seine eigenen Verpflichtungen aus Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3665/87 verletzt.

53 Dieses Vorbringen der Bundesregierung ist daher zurückzuweisen.

54 Die Bundesregierung hält schließlich die Auffassung der Kommission für unzutreffend, daß die deutschen Stellen ihre Verpflichtung verkannt hätten, zur Prüfung der Eignung der ausgeführten Tiere zur besonderen Verwendung zu Zuchtzwecken und somit zur Gewährleistung ihrer handelsüblichen Qualität die Vorlage von Abstammungsnachweisen zu verlangen, aus denen die Abstammung der Tiere über zwei Generationen sowie ihre Leistung und die Beurteilung ihres Zuchtwerts hervorgegangen wären.

55 Sie macht geltend, daß es im fraglichen Zeitraum keine gemeinschaftsrechtliche Regelung gegeben habe, nach der die Kontrolle der Qualität der ausgeführten Tiere durch die nationalen Behörden die Vorlage der von der Kommission genannten Bescheinigungen umfaßt hätte, da diese damals von der Möglichkeit des Artikels 6 der Richtlinie 77/504, gegenüber den Mitgliedstaaten bestimmte einheitliche Kriterien für die Vorlage und den Inhalt dieser Bescheinigungen festzulegen, noch nicht Gebrauch gemacht habe. Solche Maßnahmen seien erst mit der nach dem maßgeblichen Zeitraum erlassenen Verordnung (EWG) Nr. 2342/92 der Kommission vom 7. August 1992 über die Einfuhr von reinrassigen Zuchtrindern aus Drittländern, die Gewährung von Erstattungen bei ihrer Ausfuhr und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 1544/79 (ABl. L 227, S. 12) getroffen worden.

56 Daher könne der Bundesrepublik Deutschland kein Vorwurf daraus gemacht werden, daß sie nationale Abstammungsnachweise als Nachweis der Zuchttiereigenschaft anerkannt habe. Da ein Tier gemäß Artikel 1 der Richtlinie 77/504 als "reinrassiges Zuchtrind" gelte, wenn es in ein Zuchtbuch eingetragen werden könne, es also nicht eingetragen sein müsse, reiche es für die Anerkennung dieser Eigenschaft jedenfalls aus, wenn Abstammungsnachweise nachträglich erstellt oder vorgelegt würden.

57 Die Kommission entgegnet, daß sich die Verpflichtung, die Vorlage von Abstammungsnachweisen zu verlangen, aus denen die Abstammung, die Zuchtleistung und die Beurteilung des genetischen Wertes der Tiere hervorgehe, aus Artikel 1 der Verordnung Nr. 1544/79 in Verbindung mit den Artikeln 1 und 6 der Richtlinie 77/504 ergebe. Die im August 1992 erlassene Verordnung Nr. 2342/92 stelle lediglich die auf der Grundlage der Verordnung Nr. 1544/79 und der Richtlinie 77/504 bestehende Rechtslage klar, um jeden in den Mitgliedstaaten eventuell noch bestehenden Zweifel über den Umfang und den Inhalt der Kontrollen bei der Ausfuhr von reinrassigen Zuchtrindern zu beseitigen.

58 Die Beurteilung der handelsüblichen Qualität der ausgeführten Tiere durch die nationalen Behörden umfasse zwei Prüfungsphasen. In der ersten Phase müßten sich die nationalen Behörden vergewissern, daß die tatsächlich ausgeführten Tiere den Angaben in der Ausfuhranmeldung entsprächen; in der zweiten Phase hätten sie zu prüfen, ob die tatsächlich ausgeführten Tiere auf der Grundlage der den wirtschaftlichen Wert eines reinrassigen Zuchtrinds ausmachenden Merkmale von handelsüblicher Qualität seien. Daß Artikel 1 der Richtlinie 77/504 lediglich verlange, daß das Tier in ein Zuchtbuch eingetragen werden könne, sei nur für die Feststellung der Identität zwischen den in der Ausfuhranmeldung angegebenen und den tatsächlich ausgeführten Tieren in der ersten Prüfungsphase erheblich. Stehe diese Identität einmal fest, so umfasse die zweite Prüfungsphase zwangsläufig die Kontrolle der Leistung und der Angaben zum genetischen Wert, da der Nutzwert der Rinder zur Zucht und damit ihr wirtschaftlicher Wert nur aufgrund dieser Angaben festgestellt werden könne.

59 Nach Artikel 1 der Verordnung Nr. 1544/79 "[gelten Rinder] zur Gewährung der Ausfuhrerstattungen... als reinrassige Zuchtrinder der Tarifstelle 01.02 A I des Gemeinsamen Zolltarifs, wenn sie der Definition von Artikel 1 der Richtlinie 77/504/EWG des Rates vom 25. Juli 1977 entsprechen".

60 Gemäß Artikel 1 Buchstabe a der Richtlinie 77/504 ist ein reinrassiges Zuchtrind "jedes Rind, dessen Eltern und Großeltern in einem Zuchtbuch derselben Rasse eingetragen oder vermerkt sind und das dort selbst entweder eingetragen ist oder vermerkt ist und eingetragen werden könnte".

61 Artikel 6 Absatz 1 dieser Richtlinie bestimmt ferner, daß die Gemeinschaftsstellen folgendes festsetzen:

"- die Methoden der Leistungsprüfung und der Feststellung des Zuchtwerts der Rinder;

...

- die Kriterien für die Eintragung in die Zuchtbücher;

- die Angaben für die Zuchtbescheinigung".

62 Nach den Artikeln 1 Buchstabe a und 6 Absatz 1 der Richtlinie 77/504 sind die Abstammung von zwei Generationen von Zuchttieren, die Leistungsprüfung und die Feststellung des Zuchtwerts sowie die Ausstellung einer Zuchtbescheinigung allesamt Kriterien, die gewährleisten sollen, daß das betreffende Tier die Eigenschaften eines reinrassigen Zuchtrinds aufweist.

63 Hinzu kommt, daß die Kommission bezüglich des Handels zwischen den Mitgliedstaaten aufgrund von Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie 77/504 die Entscheidung 86/130/EWG vom 11. März 1986 über die Methoden der Leistungs- und Zuchtwertprüfung bei reinrassigen Zuchtrindern (ABl. L 101, S. 37) und die Entscheidung 86/404/EWG vom 29. Juli 1986 zur Festlegung des Musters und der Angaben für die Zuchtbescheinigung für reinrassige Zuchtrinder (ABl. L 233, S. 19) erlassen hat.

64 Nach Artikel 1 Absatz 2 der letzteren Entscheidung gehören zu den Angaben, die eine Zuchtbescheinigung enthalten muß, "die Ergebnisse der Leistungsprüfungen und die Ergebnisse - mit Angabe des Ursprungs - der Feststellung des Zuchtwerts des Tieres und seiner Eltern und Großeltern". Die Verwendung einer dem Muster entsprechenden Zuchtbescheinigung ist zwar nicht zwingend vorgeschrieben, doch kann auf sie nach der dritten Begründungserwägung der Entscheidung 86/404 nur verzichtet werden, "wenn die in dieser Entscheidung vorgesehenen Angaben in den Begleitunterlagen für die betreffenden reinrassigen Zuchtrinder im innergemeinschaftlichen Handel bereits vorliegen".

65 Nach alledem enthielt das im maßgeblichen Zeitraum geltende Gemeinschaftsrecht hinreichende Angaben darüber, wie die deutschen Behörden hätten prüfen müssen, ob die nach Polen ausgeführten Tiere tatsächlich für die Zucht bestimmt waren, selbst wenn die Gemeinschaftsorgane damals noch keinen Rechtsakt erlassen hatten, der formal und ausdrücklich die für diese Prüfung geltenden Nachweisformalitäten bei zur Ausfuhr in Drittländer bestimmten reinrassigen Zuchtrindern vorgeschrieben hätte.

66 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes erlegt Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung Nr. 729/70, der eine Ausgestaltung der Pflichten der Mitgliedstaaten aus Artikel 5 EG-Vertrag für diesen besonderen Bereich darstellt, den Mitgliedstaaten nämlich die allgemeine Verpflichtung auf, alle Maßnahmen zu treffen, um sich zu vergewissern, daß die durch den EAGFL finanzierten Maßnahmen tatsächlich und ordnungsgemäß durchgeführt worden sind, auch wenn der besondere Gemeinschaftsrechtsakt nicht ausdrücklich eine bestimmte Kontrollmaßnahme vorschreibt (vgl. Urteil vom 2. Juni 1994 in der Rechtssache C-2/93, Exportslachterijen van Oordegem, Slg. 1994, I-2283, Randnrn. 17 und 18).

67 Der Klagegrund der Bundesregierung, es habe keine Gemeinschaftsvorschrift gegeben, nach der die Kontrolle der Qualität der ausgeführten Tiere die Vorlage der von der Kommission genannten Nachweise umfaßt hätte, ist daher zurückzuweisen.

68 Nach alledem ist der Einwand der Bundesregierung, die Kommission habe keine Maßnahmen getroffen, um dem Problem der Ausfuhr von Zuchtrindern nach Polen zu begegnen, weshalb sie ihre ergänzende Aufgabe im Rahmen der Verordnung Nr. 729/70 nicht erfuellt und somit ihrer Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten nach Artikel 5 EG-Vertrag nicht nachgekommen sei, ebenfalls zurückzuweisen.

Zur Nichtübernahme der Ausgaben in Höhe des Satzes der Ausfuhrerstattungen für Schlachtrinder durch den EAGFL

69 Hilfsweise rügt die Bundesregierung die Auffassung der Kommission, daß der EAGFL die Ausgaben der Bundesrepublik Deutschland für die Zahlung der Erstattungen nicht in Höhe des für die Ausfuhr von Schlachtrindern vorgesehenen Satzes habe übernehmen müssen, da alle diese Ausfuhren spekulativ in dem Sinne gewesen seien, daß sie nur wegen des höheren Erstattungssatzes durchgeführt worden seien. Sie macht hierzu geltend, daß die Mitgliedstaaten auf die Höhe des festgesetzten Erstattungssatzes keinen Einfluß hätten und daher auch nicht die finanziellen Belastungen für die daraufhin durchgeführten Ausfuhren zu tragen hätten.

70 Die Kommission entgegnet, daß die Bundesregierung den Bedeutungsgehalt ihres Hinweises auf den spekulativen Charakter der streitigen Ausfuhren verkenne. Die Ablehnung der Kommission sei dadurch zu erklären, daß eine Anrechnung der bei ordnungsgemäßer Durchführung der Ausfuhren zu gewährenden Erstattungen dem Rechnungsabschlußverfahren völlig fremd sei, da dieses keine Gewinn-/Verlust-Rechnung enthalte, sondern allein auf der Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechts beruhe. Um im Rahmen des Rechnungsabschlußverfahrens in den Genuß der Erstattung für die tatsächlich ausgeführten Schlachtrinder zu kommen, hätte nachträglich gemäß Artikel 78 Absatz 3 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 302, S. 1) die Erstellung einer neuen, auf die Ausfuhr von Schlachtvieh lautenden Zollanmeldung beantragt werden müssen.

71 Artikel 78 Absatz 3 der Verordnung Nr. 2913/92 bestimmt:

"Ergibt die nachträgliche Prüfung der Anmeldung, daß bei der Anwendung der Vorschriften über das betreffende Zollverfahren von unrichtigen oder unvollständigen Grundlagen ausgegangen worden ist, so treffen die Zollbehörden unter Beachtung der gegebenenfalls erlassenen Vorschriften die erforderlichen Maßnahmen, um den Fall unter Berücksichtigung der ihnen bekannten neuen Umstände zu regeln."

72 Die Bundesregierung erwidert, daß Artikel 78 der Verordnung Nr. 2913/92 nicht die Erstellung einer neuen Zollanmeldung verlange. Dieser Bestimmung sei lediglich zu entnehmen, daß die Zollbehörden die erforderlichen Maßnahmen zu treffen hätten, wenn die nachträgliche Prüfung der Zollanmeldung ergebe, daß bei der Anwendung der Vorschriften über das betreffende Zollverfahren von unrichtigen oder unvollständigen Grundlagen ausgegangen worden sei.

73 Die Kommission entgegnet, daß der Hinweis auf Artikel 78 Absatz 3 der Verordnung Nr. 2913/92 lediglich den Weg andeute, auf dem eine nachträgliche Berichtigung der Zollanmeldung möglich sei. Im vorliegenden Fall seien die Nachweise für die Ausfuhr der Tiere nach Polen (Beförderungspapiere und polnische Zolldokumente) unbestreitbar nicht geführt worden. Deshalb komme eine Anrechnung der Erstattungsbeträge, die für die Ausfuhr von Schlachtvieh zu zahlen gewesen wäre, nicht in Frage.

74 Gemäß Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung Nr. 729/70 "werden die Erstattungen bei der Ausfuhr nach dritten Ländern finanziert, die nach den Gemeinschaftsvorschriften im Rahmen der gemeinsamen Organisation der Agrarmärkte gewährt werden".

75 Von den nationalen Behörden gezahlte Ausfuhrerstattungen können nicht als nach den Gemeinschaftsvorschriften gewährt angesehen werden, wenn die tatsächlich ausgeführte Ware infolge eines dem Ausführer zurechenbaren Verhaltens nicht der angemeldeten Ware entspricht.

76 Die Bundesregierung bestreitet im Rahmen dieses Klagegrundes nicht, daß die Ausführer, um in den Genuß des höheren Erstattungssatzes zu kommen, bewußt angegeben hatten, die ausgeführten Tieren seien reinrassige Zuchtrinder, während es sich in Wirklichkeit um Schlachtvieh handelte.

77 Daraus folgt, daß eine Berücksichtigung der geleisteten Zahlungen in Höhe des für Schlachtvieh vorgesehenen Satzes nur möglich wäre, wenn die Zollanmeldungen für die Ausfuhr von reinrassigen Zuchtrindern auf Vorlage der nach der Gemeinschaftsregelung für die Ausfuhr von Schlachtvieh erforderlichen Unterlagen (tierärztliche Bescheinigungen, Beförderungspapiere, polnische Zolldokumente usw.) nachträglich berichtigt worden wären.

78 Nach dem Vorbringen der Kommission, dem die Bundesregierung nicht widersprochen hat, ist eine solche Berichtigung der Zollanmeldungen aber nicht erfolgt.

79 Daher hat die Kommission die Übernahme der Ausgaben in Höhe des für Schlachtvieh vorgesehenen Satzes durch den EAGFL zu Recht abgelehnt.

80 Dieser Klagegrund ist somit ebenfalls zurückzuweisen.

III - Zur Berichtigung wegen Unregelmäßigkeiten bei der Ausfuhr von Lebendvieh nach dem Nahen und Mittleren Osten (Fall Imex - Nr. 6.2.2 des Zusammenfassenden Berichtes)

81 Den Akten zufolge ist die streitige Berichtigung in Höhe von insgesamt 56 692 508,70 DM die Summe dreier Beträge, die auf drei unterschiedlichen Sachverhaltskomplexen beruhen, die aber alle unter verschiedenen Aspekten mit dem Fall der Firma Imex zusammenhängen, deren betrügerische Handlungen sich auf die Zeit von 1981 bis 1987 erstreckten.

82 Die Kommission hat es abgelehnt, folgende Beträge dem Gemeinschaftshaushalt anzulasten: a) 22 011 281,10 DM aufgrund der Berichtigung wegen nach dem 1. Januar 1986 begangener Unregelmäßigkeiten, b) 25 024 493 DM aufgrund der Berichtigung bezüglich Ausfuhrerstattungen, die von 1981 bis 1987 aufgrund von bei der Ausfuhr durch Zollhilfspersonen vorgenommenen Gewichtsmanipulationen gezahlt worden sind, und c) 9 656 734,74 DM aufgrund der Berichtigung wegen angeblich verspäteter Übermittlung einiger Angaben der Bundesregierung im Rahmen des Rechnungsabschlußverfahrens.

Zur Berichtigung in Höhe von 22 011 281,10 DM wegen nach dem 1. Januar 1986 begangener Unregelmäßigkeiten

83 Im Zusammenfassenden Bericht (Nr. 6.2.2) werden folgende Feststellungen getroffen:

"[Die Firma Imex] hat verschiedene Betrügereien begangen: falsche Ankunftsnachweise (gefälschte Zollstempel, Erstellung von Ankunftsnachweisen auf Blankoformularen) oder Manipulationen bei den Mengen (bei der Ausfuhr) bzw. eine Kombination daraus.

...

Nach Auffassung des EAGFL sind die Erfolge bei dieser Ermittlung unbestreitbar. Aufgrund einer Aussage vom 20.10.1987 wurde am 28.10.1987 mit den Ermittlungen begonnen. Fast unmittelbar danach hörte der illegale Handel auf, und im Januar 1988 meldete das Unternehmen (einer der wichtigsten Viehhandelsbetriebe in Deutschland) Konkurs an.

Dennoch bleibt festzustellen, daß der Mitgliedstaat sehr viel früher Kontrollen hätte durchführen können und müssen:

- Bereits im Juni 1985 hatte ein LKW-Fahrer beim deutschen Zoll über Gewichtsmanipulationen ausgesagt.

- Im Oktober 1985 hatte Frankreich Deutschland seine Feststellungen in bezug auf überhöhte Gewichtsangaben bei den Ausfuhren von Lebendrindern aus Deutschland mitgeteilt.

- Im November 1985 und im März 1986 (Erinnerung) hat der EAGFL dem Mitgliedstaat angesichts der ungewöhnlich hohen Gewichte, die in den Statistiken aufgetaucht waren, seinen Verdacht mitgeteilt und die Durchführung einer Untersuchung gefordert (die sich insbesondere auf die angekündigten und daher damals bereits vorhersehbaren Ausfuhren beziehen sollte).

Aus dem Antwortschreiben des Mitgliedstaats ging hervor, daß er trotz dieser Informationen und trotz der ausdrücklichen Bitte keine wirklichen Ermittlungen durchgeführt hat. Wegen ihres Rufs und ihrer Größe schien die Firma IMEX offensichtlich über jeden Verdacht erhaben. Außerdem wäre es nach Aussage der nationalen Dienststellen gar nicht möglich gewesen, die mengenmäßigen Manipulationen durch eine Kontrolle der Geschäftsunterlagen der Firma IMEX zu entdecken, weil beim Handel mit Rindern die Stückzahlen und nicht das Gewicht zugrunde gelegt wird.

Nach Auffassung der Kommissionsdienststellen trägt der Mitgliedstaat ein Gutteil der Verantwortung für das Ausmaß dieses Betrugsfalls und die zu Lasten des EAGFL gemeldeten Ausgaben, weil er die erforderlichen Untersuchungen nicht innerhalb einer vernünftigen Frist nach dem entsprechenden Ersuchen des EAGFL durchgeführt hat.

...

Dem Mitgliedstaat wurden mit Schreiben Nr. 5354 vom 10.2.1993 und Nr. 33901 vom 14.10.1993 die Schlußfolgerungen der Kommissionsdienststellen in dieser Sache mitgeteilt. In diesem Schreiben hat der EAGFL bestätigt, daß er die Ausgaben für die Ausfuhren ab 1986 nicht übernehmen wird, weil der Mitgliedstaat die verlangte Untersuchung nicht durchgeführt hat."

84 Die Bundesregierung macht geltend, die Auffassung der Kommission, daß die "eigentlichen" Ermittlungen von den deutschen Ermittlungsbehörden nicht rechtzeitig und damit ermessensfehlerhaft durchgeführt worden seien, sei unbegründet und nicht hinreichend substantiiert. Die deutschen Ermittlungsbehörden hätten keine Rechtspflicht verletzt, die Anlaß zu einer finanziellen Belastung geben könne.

85 So seien aufgrund der Anzeige des Fahrers der Spedition Hefter, die seinerzeit die Viehtransporte für die Firma Imex durchgeführt habe, Ermittlungen durchgeführt worden, die aber den Anfangsverdacht nicht hätten erhärten können und am 20. Dezember 1985 eingestellt worden seien.

86 Die Meldung, die die französischen Behörden am 21. Oktober 1985 gemacht hätten, habe keinerlei Hinweise auf die Firma Imex, sondern bestimmte Angaben zu einem den Fahndungsstellen bereits bekannten Einzelfall enthalten.

87 Das Schreiben der Kommission vom 20. November 1985 habe erstmals einen allgemeinen Hinweis auf die Firma Imex enthalten. Das Zollfahndungsamt München habe am 17. Februar 1986 berichtet, daß aus den beigefügten statistischen Angaben der Kommission, die auf Durchschnittsgewichte abstellten, keine weiterführenden Erkenntnisse hätten gewonnen werden können, da die Abrechnungen der Tiere nach der Stückzahl und nicht nach dem Lebendgewicht erfolgten, daß aber erste Anhaltspunkte auf falsche Gewichtsermittlungen vorlägen, die weitere Nachforschungen notwendig machten.

88 Am 19. Juni 1986 habe das Zollkriminalamt Köln die bei verschiedenen Zollfahndungsstellen geführten Ermittlungen beim Zollfahndungsamt Hamburg zusammengezogen, das vergeblich versucht habe, bei den Vorlieferanten der Firma Imex (Züchterverbänden und Erzeugern) den Nachweis der Gewichtsverfälschung zu führen. Außerdem habe eine objektive Gewichtsprüfung im Fall der Ausfuhr von Lebendvieh nach Saudi-Arabien über den Flughafen Köln/Bonn zu keinen Beanstandungen geführt. Schließlich sei eine Kontrollverwiegung in Hamburg nach Feststellung der Gewichte durch die Zollhilfsperson aus technischen Gründen (mangelnde Entladevorrichtung) ausgeschieden.

89 Aus anderen, im Oktober und November 1986 durchgeführten Ermittlungsmaßnahmen wie der Zeugenvernehmung des Transportbegleiters der Firma Imex und der technischen Untersuchung der Wiegekarten der in Hamburg verwendeten Brückenwaage hätten keine gerichtlich verwertbaren Schlüsse gezogen werden können. Erst als die Polizeibehörden in München im Oktober 1987 ihre Ermittlungsergebnisse bezüglich der Manipulation des verwendeten Zollstempels mitgeteilt hätten, habe man die Betrügereien der Firma Imex unterbinden können.

90 Die Bundesregierung fügt hinzu, daß die Ermittlungsbehörden in der Wahl ihrer Fahndungsmaßnahmen grundsätzlich frei seien, wobei Art und Umfang der Fahndungsmaßnahmen in einem angemessenen Verhältnis zum Ausmaß und zur Bedeutung der Straftat stehen sollten. Im vorliegenden Fall hätten die deutschen Behörden die Ermittlungen so führen müssen, daß die Firma Imex keinen Verdacht schöpfe, was sie hätte veranlassen können, ihre Straftaten zu verschleiern. Im übrigen könne eine Anklage vor den Strafgerichten erst erfolgen, wenn hinreichende Beweise gesichert seien. Ein anderes Vorgehen der deutschen Behörden sei daher nicht möglich gewesen.

91 Die Bundesregierung rügt die unzureichende Begründung der streitigen Entscheidung. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes bedürfen jedoch Rechnungsabschlußentscheidungen insoweit keiner detaillierten Begründung, als die betroffene Regierung an dem Verfahren der Ausarbeitung der Entscheidung weitgehend beteiligt war und sie deshalb die Gründe kannte, derentwegen die Kommission der Ansicht war, die streitigen Beträge nicht zu Lasten des EAGFL übernehmen zu müssen (vgl. Urteil vom 4. Juli 1996 in der Rechtssache C-50/94, Griechenland/Kommission, Slg. 1996, I-3331, Randnr. 9).

92 Zum einen enthält der Zusammenfassende Bericht die in Randnummer 83 erwähnten Erläuterungen. Zum anderen ist unstreitig, daß die Bundesregierung an dem Verfahren der Ausarbeitung der Entscheidung weitgehend beteiligt war und sie deshalb die Gründe kannte, derentwegen die Kommission der Ansicht war, den streitigen Betrag nicht zu Lasten des EAGFL übernehmen zu müssen. Aus dem Wortlaut des Zusammenfassenden Berichtes geht nämlich hervor, daß die Kommission der Bundesregierung vor der Abfassung dieses Berichtes mit zwei Schreiben vom 10. Februar 1993 und vom 14. Oktober 1993 die Gründe mitteilte, aus denen sie die Übernahme der streitigen Ausgaben durch den EAGFL ablehnte.

93 Daher ist dieser Klagegrund zurückzuweisen.

94 Die Bundesregierung rügt weiter, daß die Feststellungen der Kommission hinsichtlich der von den deutschen Behörden durchgeführten Kontrollen und Ermittlungen unrichtig seien. Nach Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung Nr. 729/70 haben die Mitgliedstaaten gemäß den einzelstaatlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um sich zu vergewissern, daß die durch den Fonds finanzierten Maßnahmen tatsächlich und ordnungsgemäß durchgeführt worden sind, und um Unregelmäßigkeiten zu verhindern und zu verfolgen. Nach Artikel 8 Absatz 2 trägt die Gemeinschaft die finanziellen Folgen der Unregelmäßigkeiten oder Versäumnisse; dies gilt nicht für Unregelmäßigkeiten oder Versäumnisse, die den Verwaltungen oder Einrichtungen der Mitgliedstaaten anzulasten sind.

95 Weiterhin müssen die Mitgliedstaaten bei der Durchführung der Gemeinschaftsregeln auf dem Gebiet der gemeinsamen Agrarpolitik Kontrollmaßnahmen mit der gleichen Sorgfalt treffen wie bei der Durchführung entsprechender nationaler Rechtsvorschriften, um so jede Beeinträchtigung der Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts zu vermeiden (Urteil Exportslachterijen van Oordegem, Randnr. 19).

96 Insoweit steht es den nationalen Behörden zwar frei, die Maßnahmen zu wählen, die sie zum Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft für angemessen erachten, doch darf diese Freiheit die zügige, ordnungsgemäße und umfassende Durchführung der erforderlichen Kontrollen und Ermittlungen nicht beeinträchtigen.

97 Im vorliegenden Fall ist unstreitig, daß die deutschen Behörden nicht untätig blieben und daß es ihnen im Oktober 1987 gelang, die Betrügereien der Firma Imex zu unterbinden. Ihre Maßnahmen litten jedoch unter der schlechten Koordinierung der verschiedenen, an den Ermittlungen beteiligten Dienststellen und an der schlechten Organisation der durchgeführten Kontrollen, die sich zudem als unzureichend erwiesen haben.

98 So geht aus den Akten hervor, daß die Verantwortung für die Organisation der Ermittlungen zumindest in den ersten sieben Monaten nach dem 20. November 1985, an dem das Schreiben der Kommission an die deutschen Behörden abgesandt wurde, aus Gründen der territorialen Zuständigkeit hin- und hergeschoben wurde - vom Zollfahndungsamt München auf das Zollkriminalamt Köln und dann auf das Zollfahndungsamt Hamburg.

99 Zudem hat die Kommission, ohne daß die Bundesregierung ihr widersprochen hätte, vorgetragen, daß mehrere Kontrollen wegen ihrer schlechten Organisation fehlschlugen. So blieb beispielsweise die Kontrolle bei den Lieferanten der Firma Imex erfolglos, weil der Viehhandel per Stück und nicht, wie die Gewährung von Ausfuhrerstattungen, nach Gewicht erfolgt, so daß das Gewicht der Tiere bei den Lieferanten lediglich geschätzt und nicht festgestellt worden war; somit konnte dieses Gewicht nicht mit dem Gewicht der Tiere bei der Ausfuhr verglichen werden. Die Kontrolle der auf dem Luftweg verschickten Tiere war gleichermaßen von Anfang an zum Scheitern verurteilt, da Gewichtsmanipulationen bei dieser Art des Transports wegen der obligatorischen Verwiegung der Tiere vor der Verladung ins Flugzeug unwahrscheinlich sind.

100 Im übrigen geht aus den Akten nicht hervor, daß die deutschen Behörden - von der letzteren Kontrolle und einem anderen, ebenfalls aus technischen Gründen gescheiterten Kontrollversuch abgesehen - in größerem Stil Kontrollen durchgeführt oder ein zuverlässiges Verwiegungssystem eingeführt hätten, um Gewichtsmanipulationen aufzudecken, obgleich nur zwei Ausführer, nämlich die Firmen Imex und Südfleisch, im Verdacht solcher betrügerischer Praktiken standen.

101 Daher ist dieser Klagegrund ebenfalls zurückzuweisen.

Zur Berichtigung in Höhe von 25 024 493 DM wegen Ausfuhrerstattungen, die von 1981 bis 1987 auf der Grundlage von Gewichtsmanipulationen von Zollhilfspersonen gezahlt worden sind

102 Der Zusammenfassende Bericht (Nr. 6.2.2.3) enthält folgende Feststellung:

"Nach den Ermittlungsberichten entfallen von dem Gesamtbetrag in Höhe von 152,3 Millionen DM etwas mehr als 25 Millionen DM (25 024 493 DM) auf Operationen, bei denen von bzw. unter der Verantwortung mehrerer Zollhilfspersonen mengenmäßige Manipulationen vorgenommen wurden. Da es sich bei den ZHP um Beauftragte der Zollbehörden handelt, die in deren Auftrag die Gewichtsfeststellung der zur Ausfuhr angemeldeten Waren vornehmen, kann dieser Betrag vom EAGFL nicht übernommen werden."

103 Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß ihr nur das Verhalten der Zollhilfsperson H. zugerechnet werden könne, die nach dem Urteil des Landgerichts München vom 30. Mai 1990 an 125 Fällen von Gewichtsmanipulationen mit einem Schaden von 11 745 714 DM beteiligt gewesen sei. Die Kommmission sei nicht befugt, sich über die vom nationalen Gericht getroffenen Feststellungen hinwegzusetzen, da nach einem allgemeinen Rechtsgrundsatz nur von den Strafgerichten festgestellte Unregelmäßigkeiten als erwiesen angesehen werden und somit zu einer Berichtigung der entsprechenden Ausgaben führen dürften.

104 Hingegen war nach Ansicht der Kommission nicht nur die Zollhilfsperson H. an den mengenmäßigen Manipulationen beteiligt. In Wahrheit seien es 284 Fälle mit einem Gesamtschaden von 25 024 493 DM gewesen, die das Zollfahndungsamt München in seinem Schlußbericht im Ermittlungsverfahren gegen die Firma Imex festgestellt habe. Im Rechnungsabschlußverfahren gehe es lediglich um die Feststellung, ob die Mittel von den Mitgliedstaaten in Übereinstimmung mit dem Gemeinschaftsrecht ausgegeben worden seien. Für diese Frage sei jedoch die Feststellung eines nationalen Gerichts nicht maßgeblich.

105 Wie die Kommission zutreffend ausführt, ist Zweck des Rechnungsabschlußverfahrens die Feststellung, ob die den Mitgliedstaaten zur Verfügung gestellten Mittel in Übereinstimmung mit den auf dem Gebiet der gemeinsamen Marktorganisation geltenden Gemeinschaftsvorschriften ausgegeben worden sind. Wie bereits in Randnummer 35 ausgeführt, ist die Kommission, wenn sie die Übernahme bestimmter Ausgaben zu Lasten des EAGFL mit der Begründung verweigert, daß sie durch diesem Staat vorzuwerfende Verletzungen von Gemeinschaftsregelungen veranlaßt worden seien, nicht verpflichtet, die Unrichtigkeit der von den Mitgliedstaaten übermittelten Angaben umfassend darzulegen, sondern sie braucht nur glaubhaft zu machen, daß an den von den nationalen Stellen mitgeteilten Zahlen berechtigte Zweifel bestehen (vgl. Urteil Niederlande/Kommission, Randnrn. 16 und 17).

106 Daraus folgt, daß die Kommission beim Abschluß der Rechnungen der Mitgliedstaaten nicht daran gehindert ist, Feststellungen zu treffen, die über die vor einem nationalen Strafgericht nachgewiesenen Unregelmäßigkeiten hinausgehen, sofern sie berechtigte Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit der vom EAGFL finanzierten Maßnahmen hat. Im übrigen gelten für das Verfahren vor einem solchen Gericht andere Beweisregeln.

107 Im vorliegenden Fall hat die Kommission die streitige Berichtigung aufgrund der Feststellungen vorgenommen, die im Schlußbericht des Zollfahndungsamts München im Ermittlungsverfahren gegen die Firma Imex enthalten waren. Diese Feststellungen sind zweifellos geeignet, berechtigte Zweifel der Kommission an der Ordnungsmäßigkeit der betreffenden Maßnahmen zu begründen, die der Mitgliedstaat nicht widerlegen konnte.

108 Folglich ist dieser Klagegrund ebenfalls zurückzuweisen.

Zu dem Betrag von 9 656 734,74 DM wegen der angeblich verspäteten Übermittlung bestimmter Angaben durch die Bundesregierung im Rahmen des Rechnungsabschlußverfahrens

109 Aus den Akten geht hervor, daß die Kommission es - außer bei einem Betrag in Höhe von 2 156 195,60 DM - für nahezu unmöglich hielt, daß die deutschen Behörden die Rückzahlung der zu Unrecht an die Firma Imex gezahlten Erstattungen erreichen könnten; sie meinte daher, daß die abwartende Haltung, die der EAGFL bis dahin eingenommen habe, aufgegeben werden müsse; sie teilte der Bundesrepublik Deutschland deshalb mit Schreiben vom 14. Oktober 1993 ihre Absicht mit, die Akte Imex im Rahmen des Rechnungsabschlusses für 1991 abzuschließen, und forderte sie auf, ihr die vor dem 1. Januar 1986 getätigten Zahlungen an diese Firma beziffert mitzuteilen. Die Kommission hatte sich bereit erklärt, diese Zahlungen zu Lasten des Gemeinschaftshaushalts zu übernehmen, sofern sie nicht auf Manipulationen von Zollhilfspersonen zurückzuführen seien.

110 Mit aufgrund der Verordnung (EWG) Nr. 1723/72 der Kommission vom 26. Juli 1972 über den Rechnungsabschluß des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft, Abteilung Garantie (ABl. L 186, S. 1), in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 422/86 der Kommission vom 25. Februar 1986 (ABl. L 48, S. 31) erlassener Entscheidung vom 21. Januar 1994 setzte die Kommission den Mitgliedstaaten für die Übermittlung aller für den Rechnungsabschluß des Haushaltsjahrs 1991 erforderlichen zusätzlichen Angaben eine Frist bis zum 31. Januar 1994.

111 Nach dem Zusammenfassenden Bericht (Nr. 6.2.2.6) "hatte die Kommission eine Frist zum 31. Januar 1994 festgesetzt. Lange nach Ablauf dieser Frist haben die deutschen Behörden eine Zahlungsaufstellung vorgelegt. Die Kommission konnte erst anhand dieser Aufstellung die Berichtigung von 47 035 774 DM ermitteln, die sich bezüglich der Zahlungen, die nach dem 1. Januar 1986 durchgeführt wurden und bei denen Verluste aufgrund der Handlungen der Zollhilfspersonen eingetreten sind, ergibt. Wegen Nichteinhaltung [der] Frist wird die Kürzung der finanziellen Berichtigung auf 90 % des Betrages beschränkt, der eigentlich durch die, wenn auch verspätet, erhaltenen Auskünfte gerechtfertigt gewesen wäre."

112 Die Bundesregierung macht geltend, daß diese Zahlungsaufstellung der Kommission aufgrund von Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 595/91 des Rates vom 4. März 1991 betreffend Unregelmäßigkeiten und die Wiedereinziehung zu Unrecht gezahlter Beträge im Rahmen der Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik sowie die Einrichtung eines einschlägigen Informationssystems und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 283/72 (ABl. L 67, S. 11) übermittelt worden sei. Dieser lautet:

"Kann nach Auffassung eines Mitgliedstaats die vollständige Wiedereinziehung eines Betrages nicht vorgenommen oder nicht erwartet werden, so teilt er der Kommission in einer besonderen Mitteilung den nicht wiedereingezogenen Betrag und die Gründe mit, aus denen nach seiner Auffassung dieser Betrag zu Lasten der Gemeinschaft oder des Mitgliedstaats geht.

Diese Mitteilungen müssen detailliert genug sein, um es der Kommission zu ermöglichen, einen Beschluß über die Anlastbarkeit der finanziellen Folgen gemäß Artikel 8 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 729/70 zu treffen..."

113 Die Bundesregierung zieht daraus den Schluß, daß die betreffenden Daten nicht Bestandteil des Rechnungsabschlusses sein könnten, wenn der Mitgliedstaat die Mitteilung nicht gemacht habe. Da Artikel 5 der Verordnung Nr. 595/91 für diese Mitteilung außerdem keine Frist vorsehe (und dies zu Recht, da das Verfahren für die Wiedereinziehung von Beträgen in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten falle und diese daher am ehesten beurteilen könnten, ob die Wiedereinziehung noch möglich sei), könne die Kommission keinen "Strafzuschlag" für die angeblich verspätete Übermittlung dieser Mitteilung erheben. Wenn sie glaube, daß der Mitgliedstaat gegen seine Verpflichtungen aus der Verordnung Nr. 595/91 verstoße, könne sie das Vertragsverletzungsverfahren einleiten.

114 Die Kommission hält zwar die Mitteilung nach Artikel 5 der Verordnung Nr. 595/91 für einen wesentlichen Bestandteil des Rechnungsabschlußverfahrens, erläutert aber, daß sie ihre Entscheidung zur Festsetzung der Frist bis zum 31. Januar 1994 nicht aufgrund der Verordnung Nr. 595/91, sondern aufgrund der Verordnung Nr. 1723/72 getroffen habe. Damit habe sie von der Bundesregierung die genauen Zahlen der vor dem 1. Januar 1986 getätigten Ausgaben erhalten wollen, um die Akte Imex im Rechnungsabschluß für das Haushaltsjahr 1991 behandeln zu können. Die Übermittlung dieser Zahlen dürfe daher nicht mit der Mitteilung nach Artikel 5 der Verordnung Nr. 595/91 verwechselt werden. Folglich stelle der streitige Betrag keine Sanktion für die verspätete Übermittlung im Sinne von Artikel 5 der Verordnung Nr. 595/91, sondern eine Berichtigung dar, die auf einer allgemeinen Verwaltungspraxis der Kommission beruhe, nach der bei verspäteter Übermittlung der zur Kürzung des Anlastungsbetrags berechtigenden Informationen die Kürzung auf 90 % begrenzt werde.

115 Mit diesem Klagegrund wirft die Bundesregierung zunächst die Frage auf, ob die Feststellung, daß auf nationaler Ebene laufende Verfahren zur Wiedereinziehung zu Unrecht gewährter Mittel nicht mehr zur vollständigen Wiedereinziehung führen können, Sache der Mitgliedstaaten oder der Kommission ist.

116 Insoweit ergibt sich aus Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 595/91, daß der Mitgliedstaat, der der Auffassung ist, daß die vollständige Wiedereinziehung des zu Unrecht gewährten Betrages nicht vorgenommen oder nicht erwartet werden kann, der Kommission in einer besonderen Mitteilung den nicht wiedereingezogenen Betrag mitteilt; die Kommission hat daraufhin einen Beschluß über die Anlastbarkeit der sich daraus ergebenden finanziellen Folgen zu fassen. Aus dieser Vorschrift geht auch hervor, daß diese besondere Mitteilung keiner Frist unterliegt.

117 Die Ausübung des Ermessens, das den Mitgliedstaaten bei der Beurteilung der Frage zusteht, ob ein laufendes Wiedereinziehungsverfahren Erfolg verspricht, darf aber nicht dazu führen, daß sich der Rechnungsabschluß für ein bestimmtes Haushaltsjahr über Gebühr verzögert.

118 Ist dies der Fall, so verlangt das Interesse an einer raschen Prüfung der Rechnungen der Mitgliedstaaten (vgl. erste Begründungserwägung der Verordnung Nr. 422/86), daß die Kommission, ohne auf das Vertragsverletzungsverfahren nach Artikel 169 EG-Vertrag zurückgreifen zu müssen, dem betroffenen Mitgliedstaat eine Frist für die Übermittlung der für den Rechnungsabschluß des betreffenden Haushaltsjahrs erforderlichen Daten einschließlich der Angaben zu den laufenden Wiedereinziehungsverfahren setzen kann. Dabei hat die Kommission die Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung, wie den Grundsatz der Sicherheit und Vorhersehbarkeit der finanziellen Beziehungen zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten, zu beachten.

119 Im vorliegenden Fall geht aus dem Zusammenfassenden Bericht (Nr. 6.2.2.4) hervor: "Von den fraglichen Beträgen wurde bisher nur ein Betrag in Höhe von 2 156 195,60 DM wiedereingezogen. Die Wahrscheinlichkeit, daß auch noch weitere Beträge beigetrieben werden können, ist äußerst gering." Zum einen seien die Wiedereinziehungsverfahren gegen drei in die Rechte der Firma Imex eingetretene Banken wegen eines Betrages von 38,5 Millionen DM erfolglos geblieben; zum anderen habe der Konkursverwalter der Stelle, die die Erstattungen ausgezahlt hatte, bereits am 19. Juni 1989 mitgeteilt, daß eine Forderung in Höhe von 5 Millionen DM zugelassen werde und daß seiner Auffassung nach alle nichtbevorrechtigten Gläubiger wie die Zahlstelle mit dem Verlust ihrer Gesamtforderung rechnen müßten.

120 Die Bundesregierung hat diese Feststellungen nicht beanstandet.

121 Daher war die Kommission berechtigt, die Bundesrepublik Deutschland mit ihrem Schreiben vom 14. Oktober 1993 von ihrer Absicht zu informieren, die Akte Imex im Rahmen des Rechnungsabschlusses für das Haushaltsjahr 1991 abzuschließen, und diesen Mitgliedstaat aufzufordern, ihr bis zum 31. Januar 1994 die Zahlen zu den bis zum 1. Januar 1986 an die Firma Imex geleisteten Zahlungen mitzuteilen.

122 Damit stellt sich die Frage, ob die Kommission angesichts der Nichtübermittlung der verlangten Angaben innerhalb der festgesetzten Frist berechtigt war, die entsprechenden Ausgaben zu Lasten der Bundesrepublik Deutschland zu berichtigen.

123 Hierzu heißt es in Artikel 1 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1723/72 in der durch die Verordnung Nr. 422/86 geänderten Fassung: "Erfolgt die Übermittlung der genannten Angaben nicht innerhalb der vorgesehenen Frist, so entscheidet die Kommission aufgrund der ihr bei Fristablauf zur Verfügung stehenden Informationen, es sei denn, daß die Säumnis auf außergewöhnliche Umstände zurückzuführen ist."

124 Da die Kommission bei Ablauf der festgesetzten Frist nicht über die für den Abschluß der Rechnungen bezüglich der bis zum 1. Januar 1986 an die Firma Imex geleisteten Zahlungen verfügte, war sie somit berechtigt, eine hundertprozentige Berichtigung dieser Ausgaben vorzunehmen. Nachdem sie die verlangten Zahlen nachträglich erhalten hatte, beschränkte sie die Berichtigung jedoch entsprechend ihrer üblichen Praxis auf 10 % der betreffenden Ausgaben. Aus den in Randnummer 13 genannten Gründen kann die Rüge, es handele sich um einen "Strafzuschlag", keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Berichtigung begründen.

125 Dieser Klagegrund ist somit zurückzuweisen.

IV - Zur Berichtigung wegen Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Ausfuhr von Rindfleisch in den Libanon (Fall Südfleisch - Nr. 6.2.3 des Zusammenfassenden Berichtes)

126 Dieser Teil des Rechtsstreits betrifft die Weigerung der Kommission, einen der Firma Südfleisch von den deutschen Behörden als Erstattung für die Ausfuhr von Rindfleisch in den Libanon gezahlten Betrag in Höhe von 997 814 DM zu Lasten des EAGFL zu übernehmen.

127 Aus den Akten ergibt sich, daß die Firma Südfleisch im März 1991 in Deutschland eine Ladung von 628 750,20 kg Rindfleisch zur Ausfuhr in die Vereinigten Arabischen Emirate abfertigen ließ. Zu diesem Zeitpunkt betrug die Erstattung für die Ausfuhr in dieses Land 423,7524 DM je 100 kg Eigengewicht, während für die Ausfuhr in den Libanon 294,2725 DM je 100 kg Eigengewicht erstattet wurden.

128 Im Juli 1991 legte die Firma Südfleisch den deutschen Behörden einen Nachweis über die Ankunft der Ware in den Vereinigten Arabischen Emiraten vor, der sich später als Fälschung herausstellte.

129 Im März 1992, d. h. innerhalb der gemeinschaftsrechtlich vorgeschriebenen Frist von zwölf Monaten, erbrachte die Firma Südfleisch den Nachweis, daß der erste Teil der Fracht (364,185 Tonnen) im März 1991 in Beirut (Libanon) entladen worden war. Sie erhielt die entsprechende Ausfuhrerstattung; diese Zahlung führte zu keiner Berichtigung seitens der Kommission.

130 Für die restliche Ladung (282,565 Tonnen) legte die Firma Südfleisch nach einer ihr von den deutschen Behörden gewährten Fristverlängerung am 1. Juli 1992 einen Nachweis über die Ankunft der Ware im Libanon vor. Sie erhielt die entsprechende Ausfuhrerstattung in Höhe von 997 814 DM. Diese Zahlung ist Gegenstand der von der Kommission durchgeführten Berichtigung.

131 Im Zusammenfassenden Bericht führt die Kommission aus, daß die deutschen Behörden unter den Umständen des vorliegenden Falles durch die der Firma Südfleisch gewährte Fristverlängerung gegen Artikel 47 Absatz 4 der Verordnung Nr. 3665/97 verstoßen hätten.

132 Artikel 47 Absätze 2 und 4 der Verordnung Nr. 3665/87 bestimmt:

"(2) Die Unterlagen für die Zahlung der Erstattung oder die Freigabe der Sicherheit sind, außer bei höherer Gewalt, innerhalb von zwölf Monaten nach dem Tag der Annahme der Ausfuhranmeldung einzureichen.

...

(4) Falls die Unterlagen nach Artikel 18 nicht innerhalb der Frist von Absatz 2 vorgelegt werden konnten, obwohl der Ausführer alles in seiner Macht Stehende für ihre fristgerechte Beschaffung und Vorlage unternommen hat, kann ihm Fristverlängerung für die Beschaffung der Unterlagen eingeräumt werden."

133 Angesichts des Wortlauts des Artikels 47 Absatz 4 der Verordnung Nr. 3665/87 geht es im Parteivorbringen um die Frage, ob die dort vorgesehene Bedingung erfuellt war, ob also die Firma Südfleisch alles in ihrer Macht Stehende getan hatte, um den Nachweis für die Ankunft der Ware am Bestimmungsort zu beschaffen, und ob die deutschen Behörden mit der Gewährung der zwölfmonatigen Fristverlängerung ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt hatten.

134 Die Bundesregierung macht geltend, daß die deutschen Behörden nicht gegen Artikel 47 Absatz 4 der Verordnung Nr. 3665/87 verstoßen hätten. Sie führt aus, das Hauptzollamt Hamburg-Jonas habe die Fristverlängerung gewährt, weil es aufgrund der ihm vorliegenden Informationen und mangels gegenteiliger Nachweise davon ausgegangen sei, daß die Firma Südfleisch alles in ihrer Macht Stehende getan habe, um die erforderlichen Unterlagen zu beschaffen und vorzulegen.

135 Diese Firma habe nämlich bereits im Mai 1991 einen Versicherungsagenten beauftragt, den Ort festzustellen, an dem sich das die Ware transportierende Schiff tatsächlich aufgehalten habe. Im Juni 1991 habe die Firma Südfleisch dann drei Mitarbeiter nach Saudi-Arabien geschickt, um sich zu vergewissern, daß die Ware tatsächlich dort gelöscht worden sei. Die Entladearbeiten seien zwar nicht während der Anwesenheit der drei Mitarbeiter in Saudi-Arabien durchgeführt worden, da zu diesem Zeitpunkt ein islamisches Fest stattgefunden habe, doch hätten sie das Schiff, das die Ware befördert habe, untersucht und festgestellt, daß die Laderäume weitgehend mit Kartons der Firma Südfleisch gefuellt und die Verplombungen unbeschädigt gewesen seien. Bei der Vorlage des gefälschten Nachweises über die Ankunft der Ware in den Vereinigten Arabischen Emiraten sei nicht auszuschließen gewesen, daß die Firma Südfleisch von ihrem Geschäftspartner, der Firma Al Fatha Goldstore, getäuscht worden sei.

136 Selbst wenn die Zollbehörden im Rahmen ihrer Ermessensausübung die Absicht des Ausführers hätten berücksichtigen müssen - was die Bundesregierung bestreite -, habe die zuständige Dienststelle unter diesen Umständen zum Zeitpunkt der Gewährung der Fristverlängerung nicht wissen können, ob die Firma Südfleisch das gefälschte Dokument vorsätzlich oder grob fahrlässig vorgelegt habe, wie die Kommission vortrage. Im übrigen sei es der Staatsanwaltschaft und der Zollfahndung im Rahmen ihrer Ermittlungen nicht gelungen, dieser Firma hinsichtlich der Fälschung des vorgelegten Dokuments und seiner Verwendung in betrügerischer Absicht ein Verschulden nachzuweisen.

137 Darüber hinaus stehe eine Fristverlängerung der Nichtauszahlung der Erstattung oder gegebenenfalls der Rückzahlung des gezahlten Betrages nicht entgegen, wenn sich nachträglich herausstelle, daß die Voraussetzungen für die Gewährung einer Verlängerung nicht vorgelegen hätten.

138 Jedenfalls könne die Kommission, wenn sie nicht eine für die Mitgliedstaaten und die betroffenen Marktbeteiligten unerträgliche Rechtsunsicherheit herbeiführen wolle, die Ausübung des den zuständigen nationalen Behörden vom Gemeinschaftsrecht übertragenen Ermessens nicht durch ihre eigenen Vorstellungen ersetzen.

139 Die Kommission entgegnet, daß ein Ausführer, der bereits vorsätzlich oder jedenfalls grob fahrlässig ein gefälschtes Dokument vorgelegt habe, die Voraussetzungen des Artikels 47 Absatz 4 der Verordnung Nr. 3665/87 nicht erfuelle.

140 Sie führt hierzu aus, daß die Firma Südfleisch trotz der Zweifel, die sie bereits im Mai 1991 an der Bestimmung des Fleisches gehabt habe, am 1. Juli 1991 eine gefälschte Verzollungsbescheinigung vorgelegt und schriftlich die Zahlung der für die Ausfuhr in die Vereinigten Arabischen Emirate vorgesehenen Erstattungen beantragt habe. Die "Kontrollen", die die im Juni 1991 nach Saudi-Arabien entsandten drei Mitarbeiter durchgeführt hätten und auf die sich die Bundesregierung in erster Linie stütze, verdienten diese Bezeichnung nicht. Daß diese Mitarbeiter die Löschung der Ladung nicht abgewartet hätten, sei für die Kommission nicht nachvollziehbar, da sie hätten wissen müssen, daß zur ordnungsgemäßen Abwicklung des Handelsgeschäfts auch die Abfertigung der Ware zum freien Verkehr in Saudi-Arabien gehört habe.

141 Daraus folge, daß die Firma Südfleisch zunächst alles getan habe, um wider besseres Wissen in den Genuß der höheren Ausfuhrerstattungen für eine Ausfuhr von Rindfleisch in die Vereinigten Arabischen Emirate zu gelangen. Erst als diesem Antrag wegen der entdeckten Fälschung der Verzollungsbescheinigung nicht habe entsprochen werden können und die Gefahr bestanden habe, daß die Ausfuhrerstattung in voller Höhe zurückgefordert werde, habe sie erstmals mit Schreiben vom 24. September 1991 eine Fristverlängerung beantragt, um die erforderlichen Dokumente beizubringen.

142 Angesichts eines solchen Verhaltens kann nach Ansicht der Kommission nicht davon die Rede sein, daß die Firma Südfleisch alles in ihrer Macht Stehende getan habe, um die erforderlichen Unterlagen innerhalb der Zwölfmonatsfrist beizubringen. Daß wegen Mangels an Beweisen weder die Staatsanwaltschaft noch die Zollfahndung eine strafrechtliche Verantwortlichkeit der für die Firma Südfleisch handelnden Personen hätten feststellen können, ändere daran nichts. Bei der Prüfung der Voraussetzungen des Artikels 47 Absatz 4 der Verordnung Nr. 3665/87 gehe es nicht um die Feststellung einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit.

143 Im übrigen habe die Kommission der Bundesrepublik Deutschland gegenüber bereits am 28. Mai 1991 eine Reise nach Beirut angekündigt, um von den libanesischen Zollbehörden die Unterlagen zu erhalten, die es den deutschen Behörden erlaubt hätten, "die Fälschung der Bestimmungserklärungen für das aus Deutschland ausgeführte Rindfleisch, das für die Vereinigten Arabischen Emirate bestimmt war, aber in den Libanon umgeleitet wurde", zu beweisen. Diese Untersuchungen, die unter Beteiligung eines Vertreters des Zollfahndungsamts München in der Zeit vom 8. bis 15. Juni 1991 an Ort und Stelle durchgeführt worden seien, hätten zu der Feststellung geführt, daß für etwa 2 500 Tonnen Fleisch Ausfuhrerstattungen in Höhe von ungefähr 10 Millionen DM zu Unrecht gezahlt worden seien. Zwar seien die Ergebnisse dieser Dienstreise den deutschen Stellen erst am 25. September 1991 offiziell mitgeteilt worden, doch seien diese Stellen davon unmittelbar nach Abschluß der Dienstreise durch ihren Vertreter, der an diesen Untersuchungen beteiligt gewesen sei, informiert worden.

144 Hinzu komme, daß die Fristverlängerung am 24. September 1991 gewährt worden sei, also am selben Tag, an dem die Firma Südfleisch den entsprechenden Antrag gestellt habe, und einen Tag vor der Übermittlung der offiziellen Ergebnisse der Kontrollreise in den Libanon, obgleich die reguläre Zwölfmonatsfrist erst im März 1992 abgelaufen wäre.

145 In Anbetracht dieser Umstände stelle die der Firma Südfleisch gewährte Fristverlängerung eine fehlerhafte Ausübung des den nationalen Behörden durch Artikel 47 Absatz 4 der Verordnung Nr. 3665/87 eingeräumten Ermessens dar. Die Kommission wolle nicht die Entscheidungen der nationalen Behörden durch ihre eigenen ersetzen, sondern zeigen, daß die nationale Behörde im vorliegenden Fall mit der Gewährung der Fristverlängerung die Grenzen ihres Ermessens eindeutig überschritten habe.

146 Artikel 47 Absatz 4 der Verordnung Nr. 3665/87 ermöglicht es den nationalen Behörden, dem Ausführer eine Fristverlängerung für die Beschaffung der geforderten Unterlagen, also der Nachweise über die Ankunft der ausgeführten Ware am Bestimmungsort, einzuräumen, wenn er sie nicht innerhalb der regulären Zwölfmonatsfrist vorlegen konnte, obwohl er alles in seiner Macht Stehende für ihre fristgerechte Beschaffung und Vorlage getan hat.

147 Diese Bestimmung räumt den nationalen Behörden somit einen Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Feststellung, ob der Ausführer alles in seiner Macht Stehende getan hat, und ein Ermessen hinsichtlich der Entscheidung ein, ob sie von der ihnen eingeräumten Möglichkeit, eine Fristverlängerung zu gewähren, Gebrauch machen wollen.

148 Dieses Ermessen ist entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben, dem Ausführer nicht ohne weiteres die gemeinschaftsrechtlich vorgesehenen Erstattungen zu entziehen, wenn er trotz aller ihm obliegenden Anstrengungen durch objektive Umstände daran gehindert war, die erforderlichen Unterlagen innerhalb der Zwölfmonatsfrist vorzulegen.

149 Demnach kann die Voraussetzung, daß der Ausführer alles in seiner Macht Stehende unternommen hat, nicht als erfuellt angesehen werden, wenn bezüglich seines Verhaltens Zweifel bestehen. Dies bedeutet nicht notwendig, daß der Ausführer Handlungen begangen haben müßte, für die aufgrund nationalen Rechts eine strafrechtliche Verantwortlichkeit festgestellt worden wäre. Ein Wirtschaftsteilnehmer kann auch dann nicht alles in seiner Macht Stehende im Sinne von Artikel 47 Absatz 4 der Verordnung Nr. 3665/87 unternommen haben, wenn er keine strafbaren Handlungen begangen hat.

150 Selbst wenn feststeht, daß der Ausführer alles in seiner Macht Stehende unternommen hat, sind die nationalen Behörden im übrigen nach Artikel 47 Absatz 4 der Verordnung Nr. 3665/87 zur Gewährung einer Fristverlängerung lediglich berechtigt, nicht aber verpflichtet, so daß sie beim Erlaß ihrer Entscheidung über diese Feststellung hinaus alle Umstände zu berücksichtigen haben, die die Feststellung erlauben, daß die Gewährung der Fristverlängerung gerechtfertigt ist.

151 Aus den Akten geht hervor, daß der zuständigen Behörde am 24. September 1991, an dem die Frist verlängert wurde, folgende Umstände bekannt waren.

152 Bezüglich des Verhaltens des Ausführers wußte sie, daß die Firma Südfleisch am 1. Juli 1991 eine gefälschte Bescheinigung vorgelegt hatte und daß diese Vorlage trotz der bereits im Mai 1991 gehegten Zweifel an der Bestimmung des ausgeführten Fleisches erfolgt war. Da die im Juni 1991 nach Saudi-Arabien entsandten drei Mitarbeiter der Firma Südfleisch nicht bis zur Entladung und Verzollung der Ware dort geblieben waren, waren die von ihnen durchgeführten Kontrollen weder geeignet, diese Zweifel zu zerstreuen, noch die zuständige Behörde entsprechend davon zu überzeugen, daß die Firma Südfleisch alle ihr möglichen Anstrengungen unternommen hatte.

153 Wenngleich keine strafrechtliche Verantwortlichkeit der Firma Südfleisch für die Vorlage der gefälschten Bescheinigung festgestellt werden konnte, hätte ihr Verhalten daher eher Zweifel daran begründen müssen, daß sie alle ihr möglichen Anstrengungen unternommen hatte, um die erforderlichen Unterlagen vorzulegen.

154 Ebenso wußten die deutschen Behörden und somit auch die zuständige Behörde von der Kontrollreise und den Untersuchungen, die die Kommission vom 8. bis 15. Juni 1991 im Libanon unter Beteiligung eines Vertreters der deutschen Zollbehörden mit dem Ziel durchgeführt hatte, von den libanesischen Zollbehörden Unterlagen zu erhalten, die die Fälschung der Bestimmungserklärungen für das aus Deutschland ausgeführte Rindfleisch beweisen konnten, das zwar für die Vereinigten Arabischen Emirate bestimmt, tatsächlich aber in den Libanon umgeleitet worden war.

155 Schließlich bestand am 24. September 1991 keine Dringlichkeit, die im März 1992 ablaufende Zwölfmonatsfrist zu verlängern. Die angeführten Umstände waren vielmehr geeignet, eine abwartende Haltung oder eine Ablehnung seitens der zuständigen Behörde zu begründen.

156 Nach alledem hat die zuständige nationale Behörde dadurch, daß sie der Firma Südfleisch eine Fristverlängerung gewährt hat, gegen Artikel 47 Absatz 4 der Verordnung Nr. 3665/87 verstoßen.

157 Somit ist dieser Klagegrund zurückzuweisen.

V - Zur Berichtigung wegen der Ausfuhr von Rindfleisch nach Zimbabwe (Fall Barfuß - Nr. 6.2.4 des Zusammenfassenden Berichtes für das Haushaltsjahr 1991 und Nr. 6.2.2 des Zusammenfassenden Berichtes für das Haushaltsjahr 1990)

158 Im Zusammenfassenden Bericht für das Haushaltsjahr 1991 ist die finanzielle Berichtigung angegeben, die die Kommission für die Ausfuhr von Rindfleisch vorgenommen hat, das als nach Südafrika ausgeführt deklariert, in Wirklichkeit aber für Zimbabwe bestimmt gewesen sei. Darin heißt es auch, daß auf diesen Fall im Zusammenfassenden Bericht für das Haushaltsjahr 1990 eingegangen, die Berichtigung jedoch bis zum Rechnungsabschluß 1991 verschoben worden sei, da sich die Bundesrepublik Deutschland darum bemühen wolle, die Rückzahlung der zu Unrecht gezahlten Beträge zu erwirken.

159 Im Zusammenfassenden Bericht für das Haushaltsjahr 1990 stellte die Kommission fest, daß bestimmte Mengen Rindfleisch, für die die Erstattung auf der Grundlage von Ankunftsnachweisen aus Südafrika gewährt worden sei, in Wirklichkeit dort nur zwischengelagert und später nach Zimbabwe wiederausgeführt worden seien, um dort verarbeitet zu werden. Die in Zimbabwe hergestellten Erzeugnisse seien dann aufgrund des Abkommens EWG-AKP wiederum zollfrei in die Gemeinschaft eingeführt worden.

160 Ferner habe der EAGFL im November 1987 sowie im Februar/März 1990 Untersuchungen durchgeführt, bei denen solche Praktiken bei der Ausfuhr aus einigen Mitgliedstaaten, darunter der Bundesrepublik Deutschland, festgestellt worden seien; die betroffenen Mitgliedstaaten seien aufgefordert worden, die zu Unrecht gewährten Erstattungen wieder einzuziehen.

161 Zur Bundesrepublik Deutschland führt die Kommission folgendes aus:

"In einem Fall wurde dem Ausführer die Rückzahlungsforderung erst am 1. Juli 1991 zugestellt, sie wurde aber von ihm sofort (am 25. Juli 1991) angefochten. Seither gibt es in dieser Sache keine Entwicklung, weil die Zahlstelle nicht in der Lage ist, die von dem deutschen Fahnder beigebrachten Beweise vorzulegen, obwohl dieser sie seinem Kontrollbericht vom 5. Juni 1990 beigefügt hatte.

Auf der Grundlage dieser Feststellungen sind die Kommissionsdienststellen der Auffassung, daß der EAGFL in diesen drei Fällen die finanziellen Folgen aufgrund der nichterfolgten Wiedereinziehung der zu Unrecht gezahlten Beträge nicht übernehmen kann (Artikel 8 Absatz 2 der Verordnung [EWG] Nr. 729/70)."

162 Die Bundesregierung ist der Ansicht, daß die deutschen Behörden keine Rechtspflichtverletzung, die Anlaß zu einer finanziellen Anlastung geben könne, wie z. B. eine Verletzung des Artikels 5 EG-Vertrag in Verbindung mit Artikel 8 der Verordnung Nr. 729/70, begangen hätten.

163 Sie führt hierzu aus, daß das Zollfahndungsamt Hamburg die zuständige Behörde, das Hauptzollamt Hamburg-Jonas, mit Schreiben vom 5. Juli 1990 über die Feststellungen hinsichtlich der deutschen Genußtauglichkeitsbescheinigungen informiert habe, die in Zimbabwe vorgefunden worden seien und die sich auf Ausfuhrsendungen der Firma Barfuß nach Südafrika bezogen hätten.

164 Mit Bescheid vom 1. Juli 1991 habe die zuständige Behörde von der Firma Barfuß die gezahlten Ausfuhrerstattungen in Höhe von 518 181,97 DM zurückgefordert.

165 Die Firma Barfuß habe gegen diesen Bescheid am 25. Juli 1991 Einspruch eingelegt und gleichzeitig die Aussetzung der Vollziehung beantragt. Mit Bescheid vom 20. August 1991 habe die zuständige Behörde dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung stattgegeben, da mangels Beweises ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Rückforderungsbescheids bestanden hätten.

166 Die zuständige Behörde habe das Rechtsbehelfsverfahren im Hinblick auf das an den Gerichtshof gerichtete Vorabentscheidungsersuchen des Finanzgerichts Hamburg vom 20. Dezember 1991 in einer ähnlichen Sache (Rechtssache C-27/92, Möllmann-Fleisch) zunächst ruhen lassen und im folgenden dann dem Einspruch der Firma Barfuß mit Bescheid vom 7. Juni 1994 stattgegeben, da sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben hätten, daß die seinerzeit nach Südafrika ausgeführten Rindfleischlieferungen nach Zimbabwe gelangt seien. Die Firma Barfuß habe unwiderleglich vorgetragen, daß die strittigen Waren in Südafrika verzollt und zum freien Verkehr abgefertigt worden seien.

167 Die Tatsache, daß in Zimbabwe Genußtauglichkeitsbescheinigungen gefunden worden seien, sei unerheblich, da diese Bescheinigungen über den tatsächlichen Warenweg keinen Aufschluß gäben. Sie ließen lediglich Aussagen über die Qualität der ausgeführten Erzeugnisse zu. Außerdem sei nicht auszuschließen, daß in afrikanischen Ländern mit diesen Bescheinigungen insofern Mißbrauch getrieben werde, daß sie anderen Fleischmengen zugeordnet würden als denen, für die sie ursprünglich ausgestellt worden seien.

168 Die Kommission entgegnet, daß die streitige Berichtigung vorgenommen worden sei, weil die deutschen Stellen die Rückforderung der zu Unrecht gezahlten Ausfuhrerstattungen zunächst nur zögerlich betrieben und dann ohne hinreichende Gründe vollständig aufgegeben hätten.

169 Die nur zögerliche Durchführung des Rückforderungsverfahrens belegten vor allem zwei Tatsachen. Erstens sei die Einleitung des Rückforderungsverfahrens durch die zuständige Behörde mit einjähriger Verzögerung erfolgt. Die Bundesregierung habe hierzu keine Erklärung geliefert.

170 Eine zweite erhebliche Verzögerung sei dadurch eingetreten, daß die zuständige Behörde das Einspruchverfahren bis zur Entscheidung des Gerichtshofes über das Vorabentscheidungsersuchen des Finanzgerichts Hamburg in der Rechtssache C-27/92 (Urteil vom 31. März 1993, Möllmann-Fleisch, Slg. 1993, I-1701) ausgesetzt habe. In diesem Vorabentscheidungsverfahren sei es u. a. um die Frage gegangen, ob der Nachweis der Einfuhr in ein Drittland als nicht erbracht angesehen werden könne, wenn begründete Zweifel daran bestuenden, daß die in der Verzollungsbescheinigung genannte Ware tatsächlich auf den Markt des Bestimmungslands gelangt sei. Nach Auffassung der Kommission sei ein Zuwarten bis zum Erlaß des Urteils des Gerichtshofes nicht gerechtfertigt gewesen, da es zu dieser Frage bereits eine gefestigte Rechtsprechung des Gerichtshofes gegeben habe (Urteile vom 2. Juni 1976 in der Rechtssache 125/75, Milch-, Fett- und Eier-Kontor, Slg. 1976, 771, und vom 11. Juli 1984 in der Rechtssache 89/83, Dimex, Slg. 1984, 2815).

171 Zu der ohne hinreichenden Grund mit Bescheid vom 7. Juni 1994 verfügten Einstellung des Rückforderungsverfahrens trägt die Kommission vor, daß entgegen dem Vorbringen der Bundesregierung die in Zimbabwe entdeckten Genußtauglichkeitsbescheinigungen geeignet gewesen seien, begründete Zweifel an der ordnungsgemäßen Einfuhr in das Bestimmungsland entstehen zu lassen und damit die Beweiskraft der von der Firma Barfuß vorgelegten Verzollungsbescheinigungen zu erschüttern (vgl. Urteil Möllmann-Fleisch, Randnr. 15).

172 Wie sich aus einem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen an die Kommission vom 29. April 1994 ergebe, sei der eigentliche Grund für die Einstellung des Rückforderungsverfahrens gewesen, daß die dem Hauptzollamt im Original überlassenen Genußtauglichkeitsbescheinigungen "innerhalb des Hauptzollamts unauffindbar waren... und somit keine Beweismittel präsent waren".

173 Die Bundesregierung erwidert, daß das Rückforderungsverfahren im Juli 1991 eingeleitet worden sei, da die zuständige Behörde von Anfang an Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Rückforderung gehabt habe; ihrer Ansicht nach hätten die ihr vorliegenden Unterlagen für eine gerichtsverwertbare Rückforderung gegen die Firma Barfuß nicht ausgereicht. Der zuständigen Behörde könne auch kein Vorwurf daraus gemacht werden, daß sie das Rückforderungsverfahren angesichts des Vorabentscheidungsersuchens in der Rechtssache Möllmann-Fleisch ausgesetzt habe; die Behauptung der Kommission, es gebe bereits eine Rechtsprechung zu dieser Frage, sei unzutreffend.

174 Außerdem sei das Rückforderungsverfahren eingestellt worden, weil die zuständige Behörde der Ansicht gewesen sei, ihr Bescheid werde einer gerichtlichen Prüfung nicht standhalten, nicht jedoch - wie die Kommission meine - weil die Originale der der zuständigen Behörde überlassenen Genußtauglichkeitsbescheinigungen unauffindbar gewesen seien. Zwar seien die Originale nicht mehr vorhanden gewesen, doch habe die zuständige Behörde über Fotokopien verfügt, die von Bediensteten der Kommission angefertigt worden seien.

175 Zur zögerlichen Durchführung des Rückforderungsverfahrens trägt die Kommission hingegen vor, die Argumentation der Bundesregierung führe im Ergebnis dazu, daß Rückforderungsverfahren wegen zu Unrecht gezahlter Erstattungen lediglich dann noch möglich seien, wenn mit absoluter Sicherheit feststehe, daß die fraglichen Waren tatsächlich nicht auf den Markt des Bestimmungslands gelangt seien, um dort vermarktet zu werden; diese Auffassung stehe aber nicht im Einklang mit den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen (vgl. Urteile Milch-, Fett- und Eier-Kontor, Dimex und Möllmann-Fleisch).

176 Bezüglich der Einstellung des Rückforderungsverfahrens bleibt die Kommission bei ihrem Vortrag, daß nach deutschem Verfahrensrecht Ablichtungen, deren Übereinstimmung mit dem Original nicht beglaubigt sei, kein Beweiswert zukomme.

177 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes müssen die Mitgliedstaaten zum einen die allgemeine Sorgfaltspflicht gemäß Artikel 5 EG-Vertrag beachten, wie sie in Artikel 8 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 729/70 in bezug auf die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik konkretisiert wird. Diese Verpflichtung bedeutet, daß die Mitgliedstaaten Maßnahmen zur raschen Behebung von Unregelmäßigkeiten ergreifen müssen. Bei Verzug besteht nämlich die Gefahr, daß die Wiedereinziehung zuviel gezahlter Beträge aufgrund bestimmter Umstände wie etwa der Einstellung der Tätigkeit oder des Verlustes von Buchungsunterlagen schwierig oder unmöglich wird (Urteil vom 11. Oktober 1990 in der Rechtssache C-34/89, Italien/Kommission, Slg. 1990, I-3603, Randnr. 12).

178 Zum anderen können die nationalen Behörden eine Verletzung ihrer Pflicht, begangene Unregelmäßigkeiten schnell zu beheben, nicht mit der Dauer der von dem Wirtschaftsteilnehmer eingeleiteten Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren rechtfertigen (Urteil vom 21. Februar 1991 in der Rechtssache C-28/89, Deutschland/Kommission, Slg. 1991, I-581, Randnr. 32).

179 Zwar gilt gemäß Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung Nr. 729/70 für auf nationaler Ebene eingeleitete Rückforderungsverfahren das innerstaatliche Recht einschließlich der Vorschriften über die Beweislast (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. September 1983 in den verbundenen Rechtssachen 205/82 bis 215/82, Deutsche Milchkontor u. a., Slg. 1983, 2633, Randnr. 36), doch ist die Anwendung dieses Rechts nur möglich, soweit sie zur Durchführung des Gemeinschaftsrechts erforderlich ist und dessen Bedeutung und Wirksamkeit nicht beeinträchtigt (vgl. Urteil vom 6. Mai 1982 in den Rechtssachen 146/81, 192/81 und 193/81, BayWa u. a., Slg. 1982, 1503, Randnr. 29).

180 Im vorliegenden Fall ist unstreitig, daß das Rückforderungsverfahren mit einjähriger Verzögerung eingeleitet, dann sofort ausgesetzt und schließlich am 7. Juni 1994 eingestellt wurde.

181 Die Bundesregierung ist der Ansicht, die verspätete Einleitung des Verfahrens, die Aussetzung des Vollzugs des Rückforderungsbescheids und die Einstellung des Verfahrens seien im wesentlichen darauf zurückzuführen, daß die zuständige nationale Behörde dieses Verfahren mangels Beweisen für nicht erfolgversprechend gehalten habe. Zum einen hätten die in Zimbabwe entdeckten Genußtauglichkeitsbescheinigungen keine Aufschlüsse über den tatsächlichen Warenweg gegeben. Zum anderen hätten der zuständigen Behörde Beförderungspapiere und Verzollungsbescheinigungen für diese Geschäfte vorgelegen, in denen Südafrika als Bestimmungs- bzw. Verzollungsland der Ware angegeben gewesen sei.

182 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ist der Nachweis der Erfuellung der Zollförmlichkeiten im Bestimmungsland nur ein widerlegliches Indiz dafür, daß das Ziel der differenzierten Ausfuhrerstattungen tatsächlich erreicht wurde (vgl. in diesem Sinne Urteile Dimex, Randnr. 11, und Möllmann-Fleisch, Randnr. 13). So kann insbesondere die Beweiskraft, die die Verzollungsbescheinigung normalerweise hat, entfallen, wenn begründete Zweifel daran bestehen, ob die Waren tatsächlich auf den Markt des Bestimmungslands gelangt sind, um dort vermarktet zu werden (Urteil Möllmann-Fleisch, Randnr. 15). In einem solchen Fall können zum Nachweis, daß die Waren tatsächlich auf den Markt des Bestimmungslands gelangt sind, andere Dokumente vorgelegt werden, die die Gemeinschaftsregelung vorsieht (vgl. in diesem Sinne Urteil Möllmann-Fleisch, Randnr. 14), so z. B. Dokumente, aus denen hervorgeht, daß die Ware im Bestimmungsland entladen wurde.

183 Im vorliegenden Fall waren die in Zimbabwe entdeckten Genußtauglichkeitsbescheinigungen geeignet, begründete Zweifel daran zu wecken, daß die von der Firma Barfuß ausgeführten Fleischsendungen, auf die sie sich bezogen, tatsächlich auf den Markt ihres angegebenen Bestimmunglands Südafrika gelangt waren. Es war demnach Sache der betroffenen Firma, durch andere Dokumente als die Verzollungsbescheinigungen nachzuweisen, daß die ausgeführten Waren in ihrem angegebenen Bestimmungsland tatsächlich zum freien Verkehr abgefertigt worden waren. Konnte die Ausführerin diesen Beweis nicht erbringen, so mußte sie die bereits ausgezahlten Erstattungen zurückzahlen.

184 Die Bundesregierung hat nicht vorgetragen, daß die Firma Barfuß außer den Beförderungspapieren und den Verzollungsbescheinigungen Unterlagen vorgelegt hätte, die die Entladung der ausgeführten Waren in Südafrika bewiesen und so die Zweifel an deren tatsächlichem Bestimmungsort zerstreut hätten.

185 Daher stellen die verspätete Einleitung des Rückforderungsverfahrens sowie der Ablauf dieses Verfahrens eine Verletzung der der Bundesrepublik Deutschland gemäß Artikel 8 Absatz 2 der Verordnung Nr. 729/70 obliegenden Verpflichtungen dar, so daß zu der Frage, ob die Einstellung des Rückforderungsverfahrens in Wirklichkeit auf den Verlust der Originale der in Zimbabwe entdeckten Genußtauglichkeitsbescheinigungen zurückzuführen war, nicht Stellung genommen zu werden braucht.

186 Dieser Klagegrund ist somit zurückzuweisen.

187 Nach alledem ist die Klage abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

188 Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Bundesrepublik Deutschland mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Bundesrepublik Deutschland trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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