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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 05.10.2006
Aktenzeichen: C-84/04
Rechtsgebiete: EG, Verordnung (EWG) Nr. 2052/88, Verordnung (EWG) Nr. 4253/88


Vorschriften:

EG Art. 226
EG Art. 10
Verordnung (EWG) Nr. 2052/88 Art. 4 Abs. 1
Verordnung (EWG) Nr. 4253/88
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTSHOFES (Zweite Kammer)

5. Oktober 2006

"Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Verordnung (EWG) Nr. 4253/88 und Artikel 10 EG - Strukturfonds - Koordinierung der Maßnahmen der Strukturfonds und derjenigen der EIB - Systematische Kürzung der als Beihilfen des EAGFL, Abteilung Garantie, gezahlten Beträge - Gebühren, die das Ifadap im Programmplanungszeitraum 1994-1999 eingenommen hat"

Parteien:

In der Rechtssache C-84/04

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Artikel 226 EG, eingereicht am 20. Februar 2004,

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, zunächst vertreten durch A. M. Alves Vieira, dann durch G. Braun als Bevollmächtigte im Beistand von N. Castro Marques und F. Costa Leite, advogados, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Portugiesische Republik, vertreten durch L. Fernandes als Bevollmächtigten im Beistand von C. Botelho Moniz und E. Maia Cadete, advogados,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans sowie der Richter J. Makarczyk, P. Kuris, G. Arestis (Berichterstatter) und J. Klucka,

Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 12. Januar 2006,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 14. Februar 2006

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Mit ihrer Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Feststellung, dass die Portugiesische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Verordnung (EWG) Nr. 4253/88 des Rates vom 19. Dezember 1988 zur Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 2052/88 hinsichtlich der Koordinierung der Interventionen der verschiedenen Strukturfonds einerseits und zwischen diesen und den Interventionen der Europäischen Investitionsbank und der sonstigen vorhandenen Finanzinstrumente andererseits (ABl. L 374, S. 1) in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2082/93 des Rates vom 20. Juli 1993 (ABl. L 193, S. 20) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 4253/88) und aus Artikel 10 EG verstoßen hat, dass sie die Einführung eines Verfahrens für die Gewährung von Zuschüssen der Strukturfonds der Gemeinschaft durch das Instituto de Financiamento e Apoio ao Desenvolvimento da Agricultura e Pescas (Institut für die Finanzierung und die Hilfe bei der Entwicklung der Landwirtschaft und der Fischerei, im Folgenden: Ifadap) erlaubt und die Beibehaltung dieses Verfahrens geduldet hat, das wesentliche Förmlichkeiten umfasst, die mit der Zahlung von Gebühren verbunden sind, die nicht freiwillig sind und kein Entgelt für geleistete Dienste darstellen, sondern der Finanzierung von Ausgaben dienen, die dem portugiesischen Staat insbesondere aufgrund des Gemeinschaftsrechts obliegen.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

2 Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2052/88 des Rates vom 24. Juni 1988 über Aufgaben und Effizienz der Strukturfonds und über die Koordinierung ihrer Interventionen untereinander sowie mit denen der Europäischen Investitionsbank und der anderen vorhandenen Finanzinstrumente (ABl. L 185, S. 9) in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2081/93 des Rates vom 20. Juli 1993 (ABl. L 193, S. 5) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 2052/88) sieht vor:

"Die Gemeinschaftsaktion stellt eine Ergänzung oder einen Beitrag zu den entsprechenden nationalen Aktionen dar. Sie kommt zustande durch eine enge Konzertierung zwischen der Kommission, dem betreffenden Mitgliedstaat, den von ihm auf nationaler, regionaler, lokaler oder sonstiger Ebene benannten zuständigen Behörden und Einrichtungen und - nach Maßgabe der institutionellen Regeln und der Praxis des Mitgliedstaats - den Wirtschafts- und Sozialpartnern, wobei alle Parteien als Partner ein gemeinsames Ziel verfolgen. Diese Konzertierung wird nachstehend als Partnerschaft bezeichnet. Die Partnerschaft erstreckt sich auf die Vorbereitung, Finanzierung und Begleitung sowie auf die Vorausbeurteilung und die Ex-post-Bewertung der Aktionen.

Die Partnerschaft gestaltet sich unter voller Wahrung der jeweiligen institutionellen, rechtlichen und finanziellen Befugnisse der Partner."

3 Unter der Überschrift "Zahlungen" bestimmt Artikel 21 Absatz 3 Unterabsatz 2 der Verordnung Nr. 4253/88:

"Die Zahlungen sind an die Endempfänger zu leisten, ohne dass irgendein Abzug oder Einbehalt den Finanzhilfebetrag verringern darf, auf den sie Anspruch haben."

4 Unter dem Titel "Finanzkontrolle" bestimmt Artikel 23 Absatz 1 Unterabsatz 1 dieser Verordnung:

"Um den erfolgreichen Abschluss der von öffentlichen oder privaten Trägern durchgeführten Maßnahmen zu gewährleisten, treffen die Mitgliedstaaten bei der Durchführung der Aktionen die erforderlichen Maßnahmen, um

- regelmäßig nachzuprüfen, dass die von der Kommission finanzierten Aktionen ordnungsgemäß ausgeführt worden sind,

- Unregelmäßigkeiten zu verhindern und zu ahnden,

..."

Nationales Recht

5 Gemäß Artikel 1 des Decreto-lei Nr. 414/93 (Diário da República I, Serie A, Nr. 298, vom 23. Dezember 1993) ist das Ifadap eine Einrichtung des öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit, Verwaltungs- und Finanzautonomie sowie eigenem Vermögen.

6 Artikel 3 Absatz 2 des Decreto-lei Nr. 414/93 bestimmt:

"Das Ifadap unterliegt in seinen vertraglichen Beziehungen mit Dritten dem Privatrecht, soweit es nicht mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattet tätig wird."

7 Nach Artikel 5 Absatz 2 des erwähnten Decreto-lei hat das Ifadap zur Aufgabe,

"a) bei der Planung und Festlegung von finanzpolitischen Maßnahmen in den Sektoren Landwirtschaft und Fischerei und von Stützungsmaßnahmen für die Unternehmen dieser Sektoren mitzuwirken;

b) das Funktionieren der Systeme der Unterstützung sowie der gemeinschaftlichen und der nationalen Zuschüsse für die Landwirtschaft und die Fischerei durch die Mitwirkung bei der Erstellung und Durchführung der genehmigten Pläne und durch Auftreten als ein einziger nationaler Gesprächspartner des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL), Abteilung Ausrichtung, und anderer europäischer Finanzinstrumente für die Ausrichtung der Landwirtschaft und der Fischerei, nämlich im Bereich der Anträge auf Vorauszahlungen, Erstattungen, Ausgleichszahlungen und Abrechnungen, zu gewährleisten;

...

d) die nationalen und gemeinschaftlichen Zuschüsse zur Finanzierung der Programme und Projekte und die Zinsen für die zu diesem Zweck von den jeweiligen Empfängern aufgenommenen Darlehen auszuzahlen;

e) die Betreuung, Prüfung und Kontrolle der durch nationale oder gemeinschaftliche Zuschüsse unterstützten Projekte zu gewährleisten;

..."

8 Die Minister der Finanzen und für Landwirtschaft, ländliche Entwicklung und Fischerei beschlossen durch gemeinsame Verfügung vom 28. Mai 1996 (Diário da República II, Nr. 136, vom 14. Juni 1996) Folgendes:

"1. Das Ifadap wird ermächtigt, eine Gebühr zu erheben, die 0,9 % der Beträge der gegenwärtigen Projekte nicht übersteigt.

2. Umfasst die Tätigkeit des Ifadap keine Untersuchung und Entscheidung, so darf der erwähnte Satz 0,45 % nicht übersteigen.

..."

Vorgeschichte des Rechtsstreits und Vorlageverfahren

9 Das Ifadap wurde geschaffen, um Kreditlinien zur Unterstützung der Landwirtschaft, der Forstwirtschaft, der Viehzucht und der Fischerei in Portugal zu verwalten. Nachdem der portugiesische Staat ihm durch das Decreto-lei Nr. 414/93 eine Reihe von Aufgaben des öffentlichen Dienstes übertragen hat, zu denen die Aufgabe gehört, das Funktionieren der Systeme der Unterstützung sowie der gemeinschaftlichen und nationalen Zuschüsse für die Landwirtschaft und die Fischerei zu gewährleisten, ist das Ifadap zum einzigen nationalen Gesprächspartner des EAGFL, Abteilung Ausrichtung, und der anderen gemeinschaftlichen Finanzinstrumente für diese Sektoren geworden. Im Rahmen der Ausübung dieser Aufgaben sind die Tätigkeiten des Instituts dem portugiesischen Staat zuzurechnen.

10 Bei Kontrollen vor Ort im Jahre 1993 stellte die Kommission fest, dass das Ifadap von den Endbegünstigten der vom EAGFL, Abteilung Ausrichtung, gewährten Zuschüsse (im Folgenden: die Begünstigten) Gebühren erhob, die einem Prozentsatz dieses Zuschusses entsprachen. Diese durch Abzug an der Quelle vereinnahmten Gebühren machten 1,5 % des Gesamtbetrags des finanzierten Projektes aus. Der Vertrag über die Zuschüsse, der den Begünstigten angeboten wurde, sah ausdrücklich deren Verpflichtung vor, diese Gebühren an das Ifadap zu entrichten. Die Kommission gelangte zu der Ansicht, dass diese Gebühren nicht mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar seien, und forderte die portugiesischen Behörden auf, diese Praxis der unmittelbaren Gebührenerhebung einzustellen und den Begünstigten die zu Unrecht vereinnahmten Gebühren zu erstatten.

11 Mit Schreiben vom 20. Januar 1999 erkannten die portugiesischen Behörden die Unvereinbarkeit der in der Zeit vom 3. August 1993 bis zum 31. Dezember 1994 verfolgten Praxis mit dem Gemeinschaftsrecht an und verpflichteten sich, die vereinnahmten Beträge zu erstatten. Daher gelangte die Kommission zu der Ansicht, dass die beanstandete Vertragsverletzung für den erwähnten Zeitraum abgestellt worden sei.

12 Die portugiesischen Behörden verzichteten auf ein System der unmittelbaren Erhebung der Abgaben auf die den Begünstigten geschuldeten Beträge und ersetzten dieses ab Januar 1995 und vor allem nach Bekanntmachung der gemeinsamen Verfügung vom 28. Mai 1996 durch ein System der vollständigen Zahlung der bewilligten Beträge an die Begünstigten in Verbindung mit einem Verfahren über die Gewährung der Zuschüsse, das die Entrichtung einer Gebühr beinhaltet, die als Entgelt für Dienste betrachtet wird, die das Ifadap den Letztgenannten erbracht hat und die hauptsächlich in Ratschlägen vor der Einreichung der Zuschussanträge und in einer späteren Betreuung dieser Anträge bestehen sollen. Nach den Angaben, die die Kommission 1999 von den erwähnten Behörden und im März 2000 bei einer Vor-Ort-Kontrolle ihrer Dienststellen erhielt, funktionierte dieses Entgeltsystem wie folgt: Zum Zeitpunkt der Annahme des Vertrages über die Gewährung einer Subvention wird der Begünstigte aufgefordert, dem Ifadap ein Formular mit einer Bankeinzugsvollmacht für sein Konto über einen Betrag in Höhe der zu entrichtenden Gebühr mit dem Vermerk "Vollmacht entsprechend der Dienstleistung des Ifadap im Bereich des erwähnten Vertrages" (d. h. des Vertrages über die Gewährung der betreffenden Subvention) zurückzusenden. Die Freiwilligkeit dieser Zahlung sei ausdrücklich mündlich bei den Kontakten mit den Begünstigten erläutert worden.

13 Auf diese Angaben hin übersandte die Kommission der Portugiesischen Republik vom 25. Juli 2001 ein Mahnschreiben. Darin vertritt sie die Ansicht, dass das von den portugiesischen Behörden ab 1. Januar 1995 angewandte Verfahren, das erhebliche Formalien umfasse, die mit der Zahlung von Gebühren verbunden seien, die nicht freiwillig seien und keine Entgelte für den Begünstigten erbrachte Dienste darstellten, in Wirklichkeit auf die Beibehaltung einer Gebühr hinauslaufe, die der vor diesem Zeitpunkt erhobenen ähnele. Die auf diese Weise auf der Grundlage eines Prozentsatzes des Wertes der Investition vereinnahmten Gelder seien eine echte Zwangsabgabe, die nach einem Prozentsatz des Betrages der von den Gemeinschaftsfonds bewilligten Zuschüsse berechnet werde, und entsprächen in Wirklichkeit Verwaltungsgebühren zur Finanzierung der Ausgaben, die durch die der Ifadap als Zahlstelle für diese Zuschüsse obliegende Verwaltung notwendig würden. Die Erhebung einer solchen Verwaltungsabgabe verstoße gegen das Gemeinschaftsrecht, insbesondere gegen die Verordnung Nr. 4253/88, die Verordnung (EG) Nr. 1260/1999 des Rates vom 21. Juni 1999 mit allgemeinen Bestimmungen über die Strukturfonds (ABl. L 161, S. 1) und Artikel 10 EG.

14 Die Portugiesische Republik führte in ihren Schreiben vom 5. November 2001 und vom 13. Juni 2002 an die Kommission in Beantwortung des Mahnschreibens aus, dass in Bezug auf die Zeit von 1995 bis 1999 die Zahlung einer Höchstabgabe von 0,45 % bis 0,9 %, berechnet auf der Grundlage des Betrages der unterstützten Investitionen, an das Ifadap durch die Begünstigten nicht gegen das Gemeinschaftsrecht verstoße. In Bezug auf die Zeit nach 1999, entsprechend dem durch die Verordnung Nr. 1260/1999 geregelten dritten gemeinschaftlichen Förderkonzept, macht Portugal geltend, es habe auf die Erhebung einer Abgabe für das erwähnte Institut als Entgelt für die von diesem geleisteten Dienste schlechthin verzichtet. Unter diesen Umständen gelangte die Kommission zu der Ansicht, dass die Vertragsverletzung für die Zeit nach 1999 abgestellt worden sei.

15 Da die Kommission in Bezug auf die Zeit von 1995 bis 1999 nicht mit dem Standpunkt der Portugiesischen Republik einverstanden war, übersandte sie dieser am 13. November 2002 eine mit Gründen versehene Stellungnahme, in der sie die Ausführungen im Mahnschreiben wiederholte und Portugal aufforderte, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um dieser Stellungnahme binnen zwei Monaten ab ihrer Bekanntgabe nachzukommen.

16 Die Kommission hielt auch die Antwort der Portugiesischen Republik auf diese mit Gründen versehene Stellungnahme vom 17. Januar 2003, in der die von diesem Mitgliedstaat zuvor eingenommene Ansicht bekräftigt wurde, nicht für zufrieden stellend und beschloss daher, die vorliegende Klage zu erheben, die auf Feststellung eines Verstoßes gegen die Verordnung Nr. 4253/88 und gegen Artikel 10 EG ab 1. Januar 1995 für den Programmplanungszeitraum 1994-1999, der dem zweiten gemeinschaftlichen Förderkonzept entspricht, gerichtet ist.

Anträge der Parteien

17 Die Kommission beantragt,

- festzustellen, dass die Portugiesische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Verordnung Nr. 4253/88 und aus Artikel 10 EG verstoßen hat, dass sie die Einführung eines Verfahrens für die Gewährung von Zuschüssen der Strukturfonds der Gemeinschaft durch das Ifadap erlaubt und die Beibehaltung dieses Verfahrens geduldet hat, das wesentliche Förmlichkeiten umfasst, die mit der Zahlung von Gebühren verbunden sind, die nicht freiwillig sind und kein Entgelt für geleistete Dienste darstellen, sondern der Finanzierung von Ausgaben dienen, die dem portugiesischen Staat insbesondere aufgrund des Gemeinschaftsrechts obliegen;

- der Portugiesischen Republik die Kosten aufzuerlegen.

18 Die Portugiesische Republik beantragt, die Klage als unbegründet abzuweisen und der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Zur Klage

Vorbringen der Parteien

19 Nach Ansicht der Kommission ergibt sich implizit aus dem Wortlaut von Artikel 21 Absatz 3 Unterabsatz 2 der Verordnung Nr. 4253/88, dass es sich bei dieser Bestimmung um eine so genannte "Vollauszahlungsklausel" handele. Denn sie verpflichte den betreffenden Mitgliedstaat klar, dafür Sorge zu tragen, dass die Begünstigten die Beihilfen, auf die sie Anspruch hätten, in voller Höhe erhielten, da die Mitgliedstaaten keinen Abzug oder Einbehalt von diesen Beträgen vornehmen dürften. Die mit den Begriffen "Abzug" und "Einbehalt" bezeichneten Vorgänge seien insbesondere im Licht der Wirkungen, die sie für die Begünstigten hätten, weit aufzufassen.

20 Zweck von Bestimmungen dieser Art sei es, zu verhindern, dass die Mitgliedstaaten einen Teil der Gemeinschaftsmittel, die dazu bestimmt seien, die verschiedenen Gemeinschaftspolitiken durchzuführen, für die Finanzierung der durch diese Durchführung entstehenden Verwaltungskosten verwendeten. In Bezug auf die Strukturpolitiken fänden Bestimmungen dieser Art ihre Rechtfertigung in dem Willen des Gemeinschaftsgesetzgebers, zu gewährleisten, dass die Gemeinschaftszuschüsse für die Erreichung der im EG-Vertrag für diese Politiken festgelegten Ziele verwendet würden.

21 Auf das Argument der Portugiesischen Republik, dass die von den Begünstigten gezahlten Beträge das Entgelt für die vom Ifadap geleisteten Dienste, die sie im Rahmen eines privatrechtlichen Vertrages freiwillig bestellt hätten, seien, da die Einrichtung auf diesem Gebiet gemäß Artikel 3 Absatz 2 des Decreto-lei Nr. 414/93 tätig werde, ohne mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattet zu sein, erwidert die Kommission, dass dieses vom Ifadap praktizierte Vergütungssystem es nicht erlaube, die Aufgaben, die dem Ifadap als Verwaltungs- und Kontrollbehörde oblägen, von denjenigen zu unterscheiden, die zu seiner Eigenschaft einer Dienste leistenden Einrichtung gehörten.

22 Schließlich handele es sich im vorliegenden Fall bei dem in Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2052/88 vorgesehenen Grundsatz der Partnerschaft um eine besondere Form des allgemeinen Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit im Sinne von Artikel 10 EG. Daher sei die erstgenannte Bestimmung im Licht dieses allgemeinen Grundsatzes auszulegen und anzuwenden, was bedeute, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet seien, darauf zu achten, dass die Verpflichtungen aus dieser Verordnung ordnungsgemäß eingehalten würden, und daher geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Reichweite und die Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten.

23 Nach Ansicht der Portugiesischen Republik ist zu bedenken, dass das Ifadap neben der Erfüllung seiner öffentlichen Aufgabe als einziger nationaler Gesprächspartner des EAGFL, Abteilung Ausrichtung, den Bewerbern um die von diesem finanzierten Programme und den davon Begünstigten Beratungsdienste wirtschaftlicher Art leiste, die weit über die eigentliche Erfüllung dieser Aufgabe hinausgingen. Diese Dienstleistungen, die auch von anderen Wirtschaftsteilnehmern erbracht werden könnten, seien nicht mit denjenigen zu verwechseln, die das Ifadap gemäß seiner öffentlichen Aufgabe im Sinne der Artikel 5 des Decreto-lei Nr. 414/93 und 23 der Verordnung Nr. 4253/88 zu erfüllen habe, und nicht mit solchen Dienstleistungen gleichzusetzen. Im Übrigen sei mit der Leistung dieser Dienste bezweckt, zu gewährleisten, dass die Begünstigten tatsächlich Zugang zu den Programmen des EAGFL, Abteilung Ausrichtung, hätten.

24 Hilfsweise macht die Portugiesische Republik geltend, die Erhebung der Gebühren zugunsten des Ifadap bedeute nicht, dass dieses einen Einbehalt oder einen Abzug von den Gemeinschaftsfonds vornähme. Denn da die Programme des EAGFL, Abteilung Ausrichtung, im Allgemeinen zu 75 % und 85 % aus Gemeinschaftsfonds und zu 15 % bis 25 % aus Fonds des portugiesischen Staates finanziert würden, berührten diese Gebühren, die höchstens 0,9 % des Betrages des finanzierten Projektes erreichten, niemals die Gemeinschaftszuschüsse. Außerdem sei Artikel 21 Absatz 3 Unterabsatz 2 der Verordnung Nr. 4253/88 nicht verletzt, denn die Begünstigten erhielten die Gemeinschaftsmittel, auf die sie Anspruch hätten, in voller Höhe.

25 Weiter hilfsweise vertritt die Portugiesische Republik die Ansicht, dass das Urteil vom 22. Oktober 1998 in den Rechtssachen C-36/97 und C-37/97 (Kellinghusen und Ketelsen, Slg. 1998, I-6337) und das Urteil vom 11. Januar 2001 in der Rechtssache C-247/98 (Griechenland/Kommission, Slg. 2001, I-1) nicht auf die vom Ifadap erhobenen Gebühren anwendbar seien. Es bestünden nämlich zahlreiche rechtliche und tatsächliche Unterschiede zwischen dem vorliegenden Rechtsstreit und den Rechtssachen, die mit den erwähnten Urteilen abgeschlossen worden seien.

26 Portugal gibt dagegen der Anwendung der Rechtsprechung in den Urteilen vom 30. November 1978 in der Rechtssache 31/78 (Bussone, Slg. 1978, 2429) und vom 15. September 1982 in der Rechtssache 233/81 (Denkavit Futtermittel, Slg. 1982, 2933) sowie vom 26. Oktober 1983 in der Rechtssache 297/82 (Samvirkende danske Landboforeninger, Slg. 1983, 3299) den Vorzug, die im Hinblick auf den EAGFL, Abteilung Garantie, erlassen worden sind. Selbst im Rahmen der Verwaltung der gemeinsamen Marktorganisationen habe der Gerichtshof eingeräumt, dass die von den nationalen Behörden durchgeführten Kontrollmaßnahmen die Erhebung einer Abgabe bei den betreffenden Unternehmen rechtfertigen könne.

Würdigung durch den Gerichtshof

27 Vorab sei darauf hingewiesen, dass die Portugiesische Republik unstreitig, wie aus den Akten der vorliegenden Rechtssache hervorgeht, im Programmplanungszeitraum 1994-1999 das Ifadap ermächtigt hatte, zulasten der Begünstigten Gebühren zu erheben, die einem Prozentsatz des Gesamtbetrags des finanzierten Projektes entsprachen und somit anteilig die Beträge verringerten, die die Begünstigten als vom EAGFL, Abteilung Ausrichtung, gewährte Zuschüsse erhielten.

28 Zur Beurteilung der Begründetheit der Klage der Kommission ist zu bestimmen, ob eine solche Erhebung mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist.

29 Nach Artikel 21 Absatz 3 Unterabsatz 2 der Verordnung Nr. 4253/88 sind die "Zahlungen ... an die Endempfänger zu leisten, ohne dass irgendein Abzug oder Einbehalt den Finanzhilfebetrag verringern darf, auf den sie Anspruch haben".

30 Aus dieser Bestimmung geht eindeutig hervor, dass sie keinen Abzug von den Subventionen zulässt, die den Begünstigten gewährt werden.

31 Der Gerichtshof hat bereits zu den Bestimmungen des EAGFL, Abteilung Garantie, Stellung genommen, die wie Artikel 21 Absatz 3 Unterabsatz 2 der Verordnung Nr. 4253/88 die vollständige Zahlung der Beihilfen vorsehen. Er hat nämlich insbesondere die Artikel 15 Absatz 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1765/92 des Rates vom 30. Juni 1992 zur Einführung einer Stützungsregelung für Erzeuger bestimmter landwirtschaftlicher Kulturpflanzen (ABl. L 181, S. 12), und 30a der Verordnung (EWG) Nr. 805/68 des Rates vom 27. Juni 1968 über die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch (ABl. L 148, S. 24) in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2066/92 des Rates vom 30. Juni 1992 (ABl. L 215, S. 49) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 805/68) ausgelegt.

32 Trotz einiger Unterschiede zwischen den Abteilungen Garantie und Ausrichtung des EAGFL sind, wie der Generalanwalt in den Nummern 67 bis 70 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, die Grundsätze, die sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes zu den die vollständige Zahlung der Beihilfen verlangenden Vorschriften über den EAGFL, Abteilung Garantie, ergeben, auf den vorliegenden Fall übertragbar, da die Besonderheiten dieser beiden Abteilungen einen untergeordneten Gesichtspunkt im Vergleich zu ihrem gemeinsamen Merkmal, der Finanzierung aus dem Gemeinschaftshaushalt, darstellen, die es ihnen erlaubt, Zuschüsse in Form von Subventionen für die Aktionen aus ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereichen zu gewähren. Solche Zuschüsse, die aus ein und derselben Finanzierungsquelle stammen, unterliegen den gleichen Zahlungsregeln, wie etwa derjenigen, dass der Betrag, den der Begünstigte erhält, dem ihm bewilligten entsprechen muss.

33 So hat der Gerichtshof in Bezug auf den EAGFL, Abteilung Garantie, entschieden, dass es die Artikel 15 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1765/92 und 30a der Verordnung Nr. 805/68 den nationalen Behörden verbieten, die Zahlungen zu kürzen oder für die Bearbeitung der Anträge Verwaltungsgebühren zu erheben, die eine Verringerung des Beihilfebetrags bewirken (Urteil Kellinghusen und Ketelsen, Randnr. 21).

34 Im vorliegenden Fall macht die Portugiesische Republik allerdings geltend, dass die vom Ifadap erhobenen Gebühren nicht die dieser Einrichtung entstehenden Verwaltungskosten decken sollten, sondern das Entgelt für Dienste seien, die dieses dem Begünstigten erbringe und die hauptsächlich in Ratschlägen vor der Einreichung der Zuschussanträge und in einer späteren Betreuung dieser Anträge bestünden.

35 Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden. Das Verbot von Abzügen kann nicht in rein formaler Art dahin ausgelegt werden, dass es nur Abzüge betrifft, die tatsächlich anlässlich der Zahlungen erfolgen. Es muss sich somit auf alle Belastungen beziehen, die unmittelbar und untrennbar mit den gezahlten Beträgen im Zusammenhang stehen (vgl. entsprechend in Bezug auf den EAGFL, Abteilung Garantie, Urteil vom 7. Oktober 2004 in der Rechtssache C-312/02, Schweden/Kommission, Slg. 2004, I-9247, Randnr. 22).

36 Die Portugiesische Republik räumt ein, dass die erhobenen Gebühren, die dazu bestimmt gewesen seien, die vom Ifadap geleisteten Dienste zu entgelten, aufgrund der Einreichung von Zuschussanträgen geschuldet worden seien und einem Prozentsatz des Betrages des Projektes entsprochen hätten, das im Rahmen des vom EAGFL, Abteilung Ausrichtung, gewährten Zuschusses finanziert worden sei.

37 Die Portugiesische Republik kann nicht geltend machen, dass die in Rede stehenden Gebühren zum einen das Entgelt für vom Ifadap geleistete Dienste dargestellt hätten und zum anderen von den Begünstigten freiwillig entrichtet worden seien. Denn wenn diese Gebühren als Entgelt anzusehen wären, müsste ihr Betrag nach Maßgabe der erbrachten Dienstleistung und nicht als Prozentsatz des Betrages des finanzierten Projektes bestimmt werden. Selbst wenn die Freiwilligkeit der Gebühren anerkannt würde, würden daher die Kosten der Leistungen, die allen Begünstigten erbracht würden, nur von denjenigen getragen, die diese Gebühren entrichteten, was im Widerspruch zu ihrer Entgeltfunktion stünde.

38 Deshalb bestand zum einen ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den von den Begünstigten eingereichten Zuschussanträgen und der Erhebung der Gebühren, und zum anderen bewirkten diese, dass der Beihilfebetrag, den die Begünstigten tatsächlich erhielten, gekürzt wurde.

39 Demzufolge ist eine Erhebung von Abgaben, wie sie durch die gemeinsame Verfügung vom 28. Mai 1996 eingeführt worden sind, mit Artikel 21 Absatz 3 Unterabsatz 2 der Verordnung Nr. 4253/88 unvereinbar, und deshalb ist festzustellen, dass die Portugiesische Republik gegen diese Bestimmung verstoßen hat, so dass der Vorwurf der Vertragsverletzung in dieser Hinsicht begründet ist.

40 Im Übrigen ist keine Verletzung der allgemeinen in Artikel 10 EG enthaltenen Verpflichtungen festzustellen, die von der zuvor festgestellten Verletzung der spezifischeren gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen, die der Portugiesischen Republik nach der Verordnung Nr. 4253/88 oblagen, zu unterscheiden wäre.

41 Nach allem ist die Klage der Kommission begründet.

42 Daher ist festzustellen, dass die Portugiesische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Verordnung Nr. 4253/88 verstoßen hat, dass sie die Einführung eines Verfahrens für die Gewährung von Zuschüssen der Strukturfonds der Gemeinschaft durch das Ifadap erlaubt und die Beibehaltung dieses Verfahrens geduldet hat, das wesentliche Förmlichkeiten umfasst, die mit der Zahlung von Gebühren verbunden sind, die nicht freiwillig sind und kein Entgelt für geleistete Dienste darstellen, sondern der Finanzierung von Ausgaben dienen, die dem portugiesischen Staat insbesondere aufgrund des Gemeinschaftsrechts obliegen.

Kostenentscheidung:

Kosten

43 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Portugiesische Republik mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr entsprechend dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Portugiesische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Verordnung (EWG) Nr. 4253/88 des Rates vom 19. Dezember 1988 zur Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 2052/88 hinsichtlich der Koordinierung der Interventionen der verschiedenen Strukturfonds einerseits und zwischen diesen und den Interventionen der Europäischen Investitionsbank und der sonstigen vorhandenen Finanzinstrumente andererseits in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2082/93 des Rates vom 20. Juli 1993 geänderten Fassung verstoßen, dass sie die Einführung eines Verfahrens für die Gewährung von Zuschüssen der Strukturfonds der Gemeinschaft durch das Instituto de Financiamento e Apoio ao Desenvolvimento da Agricultura e Pescas (Institut für die Finanzierung und die Hilfe bei der Entwicklung der Landwirtschaft und der Fischerei) und die Beibehaltung dieses Verfahrens geduldet hat, das wesentliche Förmlichkeiten umfasst, die mit der Zahlung von Gebühren verbunden sind, die nicht freiwillig sind und kein Entgelt für geleistete Dienste darstellen, sondern der Finanzierung von Ausgaben dienen, die dem portugiesischen Staat insbesondere aufgrund des Gemeinschaftsrechts obliegen.

2. Die Portugiesische Republik trägt die Kosten.



Ende der Entscheidung

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