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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 06.04.1995
Aktenzeichen: T-144/89
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 85 Absatz 1
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Für die Anwendung des Artikels 85 Absatz 1 EWG-Vertrag brauchen die konkreten Auswirkungen einer Vereinbarung nicht in Betracht gezogen zu werden, wenn feststeht, daß diese eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezweckt.

2. Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag fordert nicht, daß die festgestellten Wettbewerbsbeschränkungen den Handel zwischen Mitgliedstaaten tatsächlich spürbar beeinträchtigt haben, sondern verlangt nur den Nachweis, daß sie geeignet waren, eine derartige Wirkung zu entfalten.

3. Die Kommission darf in Anwendung von Artikel 15 der Verordnung Nr. 17 für mehrere Zuwiderhandlungen eine einzige Geldbusse verhängen. Dies hat erst recht zu gelten, wenn die verschiedenen Zuwiderhandlungen die gleiche Art von Verhaltensweisen auf den verschiedenen Märkten, insbesondere die Festlegung von Preisen und Quoten und einen Informationsaustausch, bezweckten und wenn an diesen Zuwiderhandlungen weitgehend dieselben Unternehmen beteiligt waren.

Ausserdem wird durch die Verhängung einer einzigen Geldbusse weder dem betroffenen Unternehmen die Möglichkeit genommen, zu prüfen, ob die Kommission die Schwere und die Dauer der Zuwiderhandlungen zutreffend gewürdigt hat, noch dem Gemeinschaftsrichter die Möglichkeit, seine Rechtmässigkeitskontrolle auszuüben, wenn die betreffende Entscheidung insgesamt gesehen dem Unternehmen die erforderlichen Angaben mitteilt, so daß dieses die verschiedenen Zuwiderhandlungen, die ihm vorgeworfen werden, sowie die spezifischen Umstände seines Verhaltens erkennen kann.

4. Die Kommission kann, falls eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln von den verschiedenen Typen ein und desselben Erzeugnisses, die einen einzigen Markt darstellen, nur bestimmte betroffen hat, bei der Festsetzung der Höhe der Geldbusse gemäß Artikel 15 der Verordnung Nr. 17 den Umsatz des betreffenden Unternehmens auf diesem gesamten Markt berücksichtigen, da diese Zahl einen Anhaltspunkt für das Ausmaß der Zuwiderhandlung liefern kann, wenn diese eine Auswirkung auf die Preise der Typen des Erzeugnisses, die nicht Gegenstand der Zuwiderhandlung waren, haben sollte und gehabt hat.


URTEIL DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (ERSTE KAMMER) VOM 6. APRIL 1995. - COCKERILL SAMBRE GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - WETTBEWERB - ZUWIDERHANDLUNG GEGEN ARTIKEL 85 EWG-VERTRAG. - RECHTSSACHE T-144/89.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

1 In der vorliegenden Rechtssache geht es um die Entscheidung 89/515/EWG der Kommission vom 2. August 1989 betreffend ein Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag (IV/31.553 ° Betonstahlmatten, ABl. L 260, S. 1; im folgenden: Entscheidung), mit der die Kommission gegen vierzehn Hersteller von Betonstahlmatten eine Geldbusse wegen Verstosses gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag festsetzte. Gegenstand der Entscheidung sind Betonstahlmatten. Dabei handelt es sich um vorgefertigte Bewehrungen aus glatten oder gerippten kaltgezogenen Stahldrähten, die durch rechteckiges Punktschweissen zu einem Netz verbunden werden. Dieses Erzeugnis wird in fast allen Anwendungsgebieten des bewehrten Stahlbetonbaus eingesetzt.

2 Von 1980 an soll es in diesem Sektor auf dem deutschen, dem französischen und dem Benelux-Markt zu einer Reihe von Absprachen und Praktiken gekommen sein, die zu der Entscheidung führten.

3 Für den deutschen Markt erteilte das Bundeskartellamt am 31. Mai 1983 die Erlaubnis zur Bildung eines Strukturkrisenkartells der deutschen Betonstahlmattenhersteller, die nach einmaliger Verlängerung im Jahr 1988 ablief. Das Kartell bezweckte einen Kapazitätsabbau und sah ausserdem Lieferquoten und eine Preisregelung vor, die allerdings nur für die ersten beiden Jahre der Anwendung des Kartellvertrags genehmigt wurde (vgl. Punkte 126 und 127 der Entscheidung).

4 Die französische Wettbewerbskommission gab am 20. Juni 1985 eine Stellungnahme zur Lage des Wettbewerbs auf dem Betonstahlmattenmarkt in Frankreich ab, worauf die Entscheidung Nr. 85 - 6 DC des französischen Ministers für Wirtschaft, Finanzen und Haushalt vom 3. September 1985 erging, mit der verschiedenen französischen Gesellschaften Geldbussen auferlegt wurden, weil sie in der Zeit von 1982 bis 1984 Maßnahmen und Praktiken durchgeführt hatten, die eine Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs und eine Behinderung des normalen Funktionierens des Marktes bezweckten und bewirkten.

5 Am 6. und 7. November 1985 führten Beamte der Kommission gemäß Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204) gleichzeitig und ohne vorherige Ankündigung Nachprüfungen in den Geschäftsräumen von sieben Unternehmen und zwei Unternehmensvereinigungen durch, und zwar bei Tréfilunion SA, Sotralentz SA, Tréfilarbed Luxembourg/Saarbrücken SARL, Ferriere Nord SpA (Pittini), Baustahlgewebe GmbH (BStG), Thibo Draad- en Bouwstaalprodukten BV, NV Bekärt, Syndicat national du tréfilage d' acier (STA) und Fachverband Betonstahlmatten e. V.; am 4. und 5. Dezember 1985 erfolgten weitere Nachprüfungen in den Geschäftsräumen der Unternehmen ILRO SpA, G. B. Martinelli, NV Usines Gustave Boël (afdeling Trébos), Tréfileries de Fontaine-l' Evêque, Frère-Bourgeois Commerciale SA (FBC), Van Merksteijn Staalbouw BV und ZND Bouwstaal BV.

6 Aufgrund des im Rahmen dieser Prüfungen gefundenen Materials und der gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 erhaltenen Auskünfte gelangte die Kommission zu der Schlußfolgerung, daß die betreffenden Hersteller zwischen 1980 und 1985 durch eine Reihe von Vereinbarungen oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen betreffend Lieferquoten und Preise für Betonstahlmatten gegen Artikel 85 EWG-Vertrag verstossen hätten. Die Kommission leitete das Verfahren nach Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 ein, und am 12. März 1987 wurde die Mitteilung der Beschwerdepunkte den betroffenen Unternehmen übersandt, die hierzu Stellung nahmen. Eine Anhörung ihrer Vertreter fand am 23. und 24. November 1987 statt.

7 Am Ende dieses Verfahrens erließ die Kommission die Entscheidung. Darin heisst es (Punkt 22), daß es sich bei den Wettbewerbsbeschränkungen um eine Reihe von Vereinbarungen und/oder abgestimmten Verhaltensweisen handele, die die Festsetzung von Preisen und/oder Lieferquoten sowie die Aufteilung der Märkte für Betonstahlmatten zum Gegenstand hätten. Diese Absprachen hätten sich auf verschiedene Teilmärkte (französischer, deutscher oder Benelux-Markt) bezogen, doch hätten sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt, da an ihnen Unternehmen mit Sitz in mehreren Mitgliedstaaten beteiligt gewesen seien. Es wird weiter ausgeführt: "Im vorliegenden Fall handelt es sich weniger um eine globale Absprache zwischen sämtlichen Herstellern aus allen betroffenen Mitgliedstaaten, sondern eher um einen Komplex mehrerer Absprachen mit teilweise wechselnden Beteiligten. Jedoch hat dieser Absprachenkomplex eine weitgehende Reglementierung eines wesentlichen Teils des Gemeinsamen Marktes durch die Reglementierung der einzelnen Teilmärkte bewirkt."

8 Die Entscheidung enthält folgenden verfügenden Teil:

"Artikel 1

Die Unternehmen Tréfilunion SA, Société Métallurgique de Normandie (SMN), CCG (TECNOR), Société de treillis et panneaux soudés (STPS), Sotralentz SA, Tréfilarbed SA bzw. Tréfilarbed Luxembourg/Saarbrücken Sarl, Tréfileries de Fontaine l' Evêque, Frère Bourgeois Commerciale SA (jetzt Steelinter SA), NV Usines Gustave Boël, afdeling Trébos, Thibo Draad- en Bouwstaalprodukten BV (jetzt Thibo Bouwstaal BV), Van Merksteijn Staalbouw BV, ZND Bouwstaal BV, Baustahlgewebe GmbH, ILRO SpA, Ferriere Nord SpA (Pittini) und GB Martinelli fu GB Metallurgica SpA haben gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag verstossen, indem sie sich in dem Zeitraum vom 27. Mai 1980 bis zum 5. November 1985 in einem oder mehreren Fällen an einer oder mehreren Vereinbarungen und/oder abgestimmten Verhaltensweisen (Absprachen) beteiligten, die in der Festsetzung von Verkaufspreisen, der Einschränkung des Absatzes, der Aufteilung der Märkte sowie in Maßnahmen zur Anwendung dieser Absprachen und zu deren Kontrolle bestanden.

Artikel 2

Die in Artikel 1 genannten Unternehmen, soweit sie nach wie vor auf dem Betonstahlmatten-Sektor in der EWG tätig sind, sind verpflichtet, die festgestellten Zuwiderhandlungen unverzueglich abzustellen (falls sie dies noch nicht getan haben) und in Zukunft bezueglich ihrer Betonstahlmatten-Aktivitäten von allen Vereinbarungen und/oder abgestimmten Verhaltensweisen, die dasselbe oder ähnliches bezwecken oder bewirken, Abstand zu nehmen.

Artikel 3

Gegen die nachstehend aufgeführten Unternehmen werden wegen der in Artikel 1 festgestellten Zuwiderhandlungen folgende Geldbussen festgesetzt:

1. Tréfilunion SA (TU): eine Geldbusse von 1 375 000 ECU,

2. Société Métallurgique de Normandie (SMN): eine Geldbusse von 50 000 ECU,

3. Société des treillis et panneaux soudés (STPS): eine Geldbusse von 150 000 ECU,

4. Sotralentz SA: eine Geldbusse von 228 000 ECU,

5. Tréfilarbed Luxembourg-Saarbrücken Sarl: eine Geldbusse von 1 143 000 ECU,

6. Steelinter SA: eine Geldbusse von 315 000 ECU,

7. NV Usines Gustave Boël, afdeling Trébos: eine Geldbusse von 550 000 ECU,

8. Thibo Bouwstaal BV: eine Geldbusse von 420 000 ECU,

9. Van Merksteijn Staalbouw BV: eine Geldbusse von 375 000 ECU,

10. ZND Bouwstaal BV: eine Geldbusse von 42 000 ECU,

11. Baustahlgewebe GmbH (BStG): eine Geldbusse von 4 500 000 ECU,

12. ILRO SpA: eine Geldbusse von 13 000 ECU,

13. Ferriere Nord SpA (Pittini): eine Geldbusse von 320 000 ECU,

14. GB Martinelli fu GB Metallurgica SpA: eine Geldbusse von 20 000 ECU.

..."

9 Nach der Entscheidung (Punkte 14 und 195 Buchstabe e) ist Tréfileries de Fontaine-l' Évêque (TFE) eine Produktionseinheit, die zum Cockerill-Sambre-Konzern gehört, zu dem auch das Unternehmen Frère-Bourgeois Commerciale SA (FBC) gehört, das die von TFE hergestellten Betonstahlmatten vermarktet. Vom 1. April 1986 an sei FBC in Steelinter SA umbenannt gewesen; unter diesem Namen ist die vorliegende Klage eingereicht worden. Cockerill Sambre hat mit Rechtsakt vom 30. Dezember 1989 erklärt, Steelinter freiwillig auflösen zu wollen, und nach dieser Entscheidung formell bekundet, daß sie das von Steelinter begonnene Verfahren übernehmen wolle. Die Klägerin wird daher unterschiedslos als FBC oder TFE bezeichnet.

Verfahren

10 Unter diesen Umständen hat die Klägerin mit Klageschrift, die am 18. Oktober 1989 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, die vorliegende Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung erhoben. Zehn der dreizehn anderen Adressaten dieser Entscheidung haben ebenfalls Klage erhoben.

11 Mit Beschlüssen vom 15. November 1989 hat der Gerichtshof die vorliegende Rechtssache und die zehn anderen Rechtssachen gemäß Artikel 14 des Beschlusses 88/591/EGKS, EWG, Euratom des Rates vom 24. Oktober 1988 zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 319, S. 1) an das Gericht verwiesen. Diese Klagen sind unter den Nummern T-141/89 bis T-145/89 und T-147/89 bis T-152/89 in das Register eingetragen worden.

12 Mit Beschluß vom 13. Oktober 1992 hat das Gericht die vorgenannten Rechtssachen wegen ihres Zusammenhangs gemäß Artikel 50 der Verfahrensordnung zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung verbunden.

13 Mit Schriftsätzen, die zwischen dem 22. April und dem 7. Mai 1993 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, haben die Parteien auf die Fragen geantwortet, die ihnen das Gericht gestellt hatte.

14 In Anbetracht der Antworten auf diese Fragen hat das Gericht auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen.

15 Die Parteien haben in der mündlichen Verhandlung, die vom 14. bis 18. Juni 1993 stattgefunden hat, Ausführungen gemacht und auf die Fragen des Gerichts geantwortet.

Anträge der Parteien

16 Die Klägerin beantragt,

° die Entscheidung für nichtig zu erklären und der Kommission die Kosten aufzuerlegen;

hilfsweise,

° Artikel 3 der Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit darin gegen die Klägerin eine Geldbusse von 315 000 ECU festgesetzt wird, oder zumindest die Geldbusse auf einen symbolischen Betrag herabzusetzen und in jedem Fall der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

17 Die Kommission beantragt,

° die Klage als unbegründet abzuweisen;

° der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Begründetheit

18 Die Klägerin stützt ihre Klage im wesentlichen auf zwei Klagegründe. Mit dem ersten macht sie einen Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag und mit dem zweiten einen Verstoß gegen Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 geltend.

Zum Klagegrund des Verstosses gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag: Nachweis der Absprachen

I ° Zum französischen Markt

A ° Zeitraum 1981/82

Angefochtene Handlung

19 In der Entscheidung (Punkte 23 bis 50 und 159) wird der Klägerin vorgeworfen, sie habe sich zwischen April 1981 und März 1982 an einer ersten Reihe von Absprachen über den französischen Markt beteiligt. Diese Absprachen hätten zum einen die französischen Hersteller (Tréfilunion, STPS, SMN, CCG und Sotralentz) und zum anderen die auf dem französischen Markt tätigen ausländischen Hersteller (ILRO, Ferriere Nord, Martinelli, Boël/Trebos, TFE, FBC und Tréfilarbed) einbezogen und im Hinblick auf eine Begrenzung der Einfuhren von Betonstahlmatten nach Frankreich die Festsetzung von Preisen und Quoten zum Gegenstand gehabt.

Vorbringen der Parteien

20 Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe ihre Beteiligung an Sitzungen oder etwaigen Vereinbarungen nicht nachgewiesen. Sie habe keinerlei Interesse daran gehabt, sich an einer Aufteilungsvereinbarung für den französischen Markt zu beteiligen, weil ihre Produktionsanlage den Spezifikationen der französischen Normen nicht angepasst gewesen sei, und sie sei erst 1982 dank einer erheblichen Preissteigerung in Frankreich, die sie trotz der schlecht angepassten Produktionsanlage konkurrenzfähig gemacht habe, in der Lage gewesen, ihre Absätze dort zu steigern.

21 Daß ihr ohne ihr Wissen in einer Notiz vom 23. Oktober 1981 (Anlage 1 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkt 48 der Entscheidung) eine Quote zugeteilt worden sei, sei ohne Beweiskraft, da eine Quotenabsprache, die praktisch funktionieren solle, voraussetze, daß auch die Unternehmen, die ihr nicht beiträten, eine Pauschalquote zugeteilt erhielten. Ausserdem sei das Schriftstück nicht beweiskräftig, weil es von einem dritten Unternehmen stamme. Schließlich spiegele die ihr zugewiesene Quote nicht die wirtschaftliche Realität wider, weil ihre Lieferungen, wie die betreffende Notiz zeige, sehr weit unterhalb der festgesetzten Quote gelegen hätten (58 statt 4 000 Tonnen).

22 Im übrigen könne die Kommission eine handschriftliche Notiz über die Sitzung vom 1. April 1981 in Paris (Anlage 25 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) nicht gegen sie verwenden, da Punkt 49 der Entscheidung, der sich darauf beziehe, mit den Worten beginne: "Was die Usines Gustave Boël... betrifft". Ausserdem beziehe sich diese Notiz nicht ausdrücklich auf sie, sondern auf "Charleroi", und selbst wenn man sie mit "Charleroi" gleichsetzen könnte, könne diese Notiz keinen Beweis dafür erbringen, daß die Sitzung stattgefunden habe, welchen Zweck sie gehabt habe, daß sie daran teilgenommen habe oder daß irgendeine Vereinbarung getroffen worden sei. In der Notiz werde angegeben, daß die Menge von 8 000 Tonnen für die belgischen Hersteller "bereits ausgehandelt" gewesen sei, so daß es keinen Anlaß gegeben habe, die Quoten zu erörtern, wenn die Vereinbarung bereits bestanden habe.

23 Die Kommission entgegnet, daß die der Klägerin zugeteilte Quote von 4 000 Tonnen keine "fiktive" Quote sei, die einseitig abstrakt aus rein buchungstechnischen Gründen zugewiesen worden sei; aus der Notiz vom 23. Oktober 1981 ergebe sich, daß der Anteil der belgischen Hersteller durchaus "in den jüngsten Vereinbarungen" einbezogen gewesen sei.

24 Zu Punkt 49 der Entscheidung vertritt die Kommission die Auffassung, daß sein Beginn mit einem Hinweis auf ein anderes Unternehmen als ein technisches Redaktionsversehen betrachtet werden könne, was aber nicht hindere, daß dieser Punkt ebenso wie die dort angeführte Notiz gegen die Klägerin verwendet werden könnten. Mit "Charleroi" sei augenscheinlich die Klägerin gemeint, weil sie ihren Sitz in Charleroi gehabt habe und in der Umgangssprache ein Unternehmen oft mit dem Namen des Ortes bezeichnet werde, in dem es seinen Sitz habe. Daß die Quoten bereits ausgehandelt gewesen seien, hindere nicht, daß die Sitzung anderen Aspekten wie den praktischen Modalitäten des Funktionierens oder der Aufteilung der Quoten gegolten habe.

Würdigung durch das Gericht

25 Das Gericht stellt fest, daß die von der Kommission beigebrachten Schriftstücke belegen, daß sich die Klägerin 1981 und 1982 an den Absprachen über den französischen Markt beteiligt hat. Aus der Notiz von Ferriere Nord über die Sitzung vom 1. April 1981 in Paris zwischen den französischen, italienischen und belgischen Herstellern (Anlage 25 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkt 49 der Entscheidung) ergibt sich nämlich, daß zu diesem Zeitpunkt für die belgischen Hersteller eine Menge von 8 000 Tonnen "bereits ausgehandelt" war. Bezueglich der Verwendung dieses Schriftstücks durch die Kommission kann die Klägerin ihre Gleichsetzung mit "Charleroi" nicht in Frage stellen. In der Umgangssprache wird nämlich eine juristische Person oder eine Einrichtung häufig mit dem Namen ihres Sitzes oder des von ihr benutzten Gebäudes bezeichnet. Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, daß Punkt 49 der Entscheidung und das darin erwähnte Schriftstück nicht gegen sie verwendet werden könne. Denn auch wenn die Fassung der Entscheidung nicht die glücklichste ist, ist daran zu erinnern, daß diese Notiz der Klägerin übermittelt wurde, was bedeutet, daß die Kommission sie als einen Beweis gegen die Klägerin betrachtet. Zur Bedeutung der Wendung "bereits ausgehandelt" ist schließlich mit der Kommission darauf hinzuweisen, daß eine Sitzung dieser Art über die Aushandlung von Quoten hinaus einen sehr unterschiedlichen Inhalt haben kann, weshalb die Schlußfolgerung, die die Klägerin daraus zieht, daß es keinen Grund für eine Erörterung von Quoten gegeben habe, irrelevant ist.

26 Eine weitere Aufzeichnung von Tréfilunion vom 23. Oktober 1981 (Anlage 1 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkte 46 und 48 der Entscheidung) zeigt ausserdem, daß sich die Quote des anderen belgischen Herstellers nach den "jüngsten Vereinbarungen" auf 4 000 Tonnen belief.

27 Somit hat die Kommission mit vollem Recht aus diesen beiden Schriftstücken abgeleitet, daß der Klägerin nach den getroffenen Vereinbarungen, bei denen Tréfilunion nach dem zweiten Schriftstück beanstandete, daß "der Anteil der italienischen und belgischen Hersteller übermässig sei", eine Quote von 4 000 Tonnen zugeteilt wurde.

28 Zum Vorbringen der Klägerin, ihre Lieferungen hätten weit unter ihrer angeblichen Quote gelegen, ist darauf hinzuweisen, daß eine Quote ein Verbot bedeutet, bestimmte Mengen zu liefern, und keine Verpflichtung, diese Mengen zu liefern. Aus diesem Grund kann eine Quote ausgehandelt werden in der Hoffnung, sie ausschöpfen zu können, ohne daß dies wegen der Umstände auch gelingen muß. Insoweit ist festzustellen, daß die Klägerin zwar erklärt hat, an einer Beteiligung an den Vereinbarungen über den französischen Markt nicht interessiert gewesen zu sein, aber eingeräumt hat, daß ein erheblicher Preisanstieg ihr eine Umsatzsteigerung ermöglicht habe, weil sie bei diesen Preisen konkurrenzfähig gewesen sei. Dies zeigt zum einen ihr Interesse, sich an einer Absprache zu beteiligen, und erklärt zum anderen, weshalb sie ihre Quote, die sie in der Hoffnung ausgehandelt hatte, bei einer Preiserhöhung wettbewerbsfähig zu werden und sie ausschöpfen zu können, nicht hat ausnutzen können.

29 Nach alledem ist der Schluß zu ziehen, daß der Kommission rechtlich der Beweis für eine Beteiligung der Klägerin an den Absprachen gelungen ist, die eine Festlegung der Preise und Quoten für den französischen Markt für den Zeitraum 1981/82 bezweckten.

30 Demnach ist die Rüge der Klägerin zurückzuweisen.

B ° Zeitraum 1983/84

Angefochtene Handlung

31 In der Entscheidung (Punkte 51 bis 76 und 160) wird der Klägerin vorgeworfen, sie habe sich an einer zweiten Reihe von Absprachen beteiligt, die zum einen die französischen Hersteller (Tréfilunion, STPS, SMN, CCG und Sotralentz) und zum anderen die auf dem französischen Markt tätigen ausländischen Hersteller (ILRO, Ferriere Nord, Martinelli, Boël/Trébos, TFE, FBC und Tréfilarbed) einbezogen hätten. Diese Absprachen hätten im Hinblick auf eine Begrenzung der Einfuhren von Betonstahlmatten nach Frankreich die Festsetzung von Preisen und Quoten zum Gegenstand gehabt. Diese Reihe von Absprachen sei zwischen Anfang 1983 und Ende 1984 durchgeführt worden und am 14. Oktober 1983 durch das Zustandekommen eines "Protocole d' accord" für den Zeitraum vom 1. Juli 1983 bis 31. Dezember 1984 formalisiert worden. Dieses Protokoll fasse die Ergebnisse der verschiedenen Verhandlungen zwischen den französischen, italienischen und belgischen Herstellern sowie Arbed über die Quoten und Preise für den französischen Markt zusammen und setze die Quoten für Belgien, Italien und Deutschland "im Rahmen eines zwischen diesen Herstellern und den französischen Herstellern getroffenen Übereinkommens" auf 13,95 % des Verbrauchs im französischen Markt fest. Die Klägerin habe diese Absprachen nach Juni 1984 nicht mehr eingehalten (Punkt 76 der Entscheidung).

Vorbringen der Parteien

32 Die Klägerin behauptet, sich an etwaigen Vereinbarungen über den französischen Markt 1983/84 nicht beteiligt zu haben.

33 Das in Punkt 55 der Entscheidung genannten Fernschreiben vom 24. Mai 1983 sei ihr nicht übermittelt worden und könne daher nicht gegen sie verwendet werden. Auf jeden Fall beweise dieses Schriftstück nicht das Bestehen, sondern das Fehlen einer Vereinbarung, weil es heisse, daß "die Zustimmung praktisch feststeht", was nicht bedeute, daß sie feststehe.

34 Zu dem "Protocole d' accord" vom Oktober 1983 vertritt die Klägerin die Auffassung, es enthalte keine Vereinbarungen, sondern eine Liste der Vereinbarungen, die getroffen werden sollten. Es gebe keinen Beweis für das Zustandekommen des in dem Protokoll genannten Übereinkommens und noch weniger für die Beteiligung der Klägerin daran.

35 Zu den Schriftstücken bezueglich ihrer Lieferstatistiken und Marktanteile (Anlagen 41 und 42 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkt 62 der Entscheidung) führt sie aus, sie belegten keineswegs ihre Beteiligung an dem "Protocole d' accord". Sie habe der Association technique pour le développement de l' emploi du treillis soudé (Fachverband für die Förderung der Verwendung von Betonstahlmatten; nachstehend: ADETS) entgegenkommenderweise ihre Exportzahlen für Frankreich zu statistischen Zwecken überlassen. Diese Tabellen enthielten Spalten für Strafgelder und Überträge von bis zu 15 % der nicht ausgeschöpften Quoten von einem Zeitraum auf den anderen; in diesen Spalten sei sie nicht verzeichnet, was zeige, daß sie keine Quote gehabt habe.

36 Die Klägerin weist schließlich darauf hin, daß die französische Wettbewerbskommission in ihrer Stellungnahme, obwohl sie im Besitz des "Protocole d' accord" gewesen sei, zu dem Schluß gelangt sei, daß die ausländischen Hersteller ihre Beteiligung an diesen Vereinbarungen abgelehnt hätten.

37 Die Kommission entgegnet, der Beweis für die Beteiligung der Klägerin an den Absprachen für 1983/84 ergebe sich aus der Kombination mehrerer in der Entscheidung genannter Schriftstücke. Es handele sich zunächst um das Fernschreiben vom 24. Mai 1983, bei dem es nicht darauf ankomme, zu welchem genauen Zeitpunkt die belgischen Hersteller der Höhe ihrer eigenen Quote zugestimmt hätten. Dieses Fernschreiben beweise, daß die belgischen Hersteller an den Erörterungen und mithin an der Absprache über die Aufteilung des französischen Marktes teilgenommen hätten. Weiter handele es sich um das "Protocole d' accord" von Oktober 1983, das in seinem Vorspann ausdrücklich die Regulierung der belgischen, italienischen und deutschen Einfuhren anspreche. Schließlich handele es sich um die Tabellen von ADETS. Zu diesen legt die Kommission dar, daß das Vorbringen der Klägerin in bezug auf das Aufholen von Vorsprüngen/Verspätungen nicht zutreffe, weil die von der Klägerin behauptete Regel der 15 % nur für die französischen Unternehmen und Arbed gegolten habe (die das Protokoll unterzeichnet hätten). Das bedeute nicht, daß die "ausländischen" sich nicht an dem Übereinkommen mit den französischen Unternehmen beteiligt hätten, da sie nämlich an dem gesonderten Übereinkommen, das im Protokoll angeführt werde, beteiligt gewesen seien. Gleiches gelte für die Berechnung der Strafgelder. Ferner habe die Klägerin die Vereinbarung sehr wohl eingehalten, weil ihre Lieferungen im Zeitraum Januar°April 1984 im Durchschnitt 1,0025 % des Marktes betragen hätten, was sehr nah bei ihrer Quote von 1,09 % liege.

38 Zur Stellungnahme der französischen Wettbewerbskommission weist die Kommission darauf hin, diese habe nur über das "Protocole d' accord" verfügt, während ihr selbst weitere Schriftstücke zur Verfügung gestanden hätten, die ihr den Nachweis der Zuwiderhandlung erlaubt hätten. Ausserdem sei sie an die Schlußfolgerungen nationaler Behörden insbesondere in bezug auf ausländische Unternehmen nicht gebunden.

Würdigung durch das Gericht

39 Das Gericht stellt fest, daß der Klägerin in der Entscheidung (Punkt 51) vorgeworfen wird, sich an den Absprachen über den französischen Markt, die in der ersten Jahreshälfte 1983 vorbereitet wurden und zu einem "Protocole d' accord" geführt haben, in dem die Ergebnisse dieser verschiedenen Verhandlungen festgehalten wurden (Punkt 60), insgesamt beteiligt zu haben. Nach der Entscheidung (Punkt 60 Buchstabe c) ergibt sich die "belgische Beteiligung... aus dem 'Protocole d' accord' selbst", während sich die FBC zugeteilte Quote aus Unterlagen mit monatlichen und kumulierten Vergleichen zwischen Quoten und tatsächlichen Lieferungen ergibt (Punkt 62). Nach der Entscheidung (Punkt 73) fingen die belgischen Unternehmen gegen Mai und Juni 1984 an, ihre Quoten auf kumulierter Basis zu überschreiten, so daß FBC und die anderen die Absprachen nach Juni 1984 nicht mehr eingehalten hätten (Punkt 76).

40 Vorab ist darauf hinzuweisen, daß die Kommission über keinen Beweis für die Verwicklung von FBC in die Gespräche des Jahres 1983 verfügt. Die Klägerin war nämlich in der Sitzung vom 23. Februar 1983 in Mailand, in der diese Gespräche geführt wurden (Anlagen 27 und 29 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkt 53 der Entscheidung), nicht anwesend. Ausserdem wurde das Fernschreiben von Herrn Chopin de Janvry, des Vertreters von Sacilor, vom 24. Mai 1983 über eine Sitzung vom 19. Mai (Anlage 30 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkt 55 der Entscheidung) der Klägerin nicht übermittelt und kann daher nicht gegen sie verwandt werden.

41 Es bedarf allerdings der Prüfung, ob die Verwicklung von FBC nicht aus späteren Schriftstücken gefolgert werden kann. Insoweit ist darauf hinzuweisen, daß die Kommission zum Nachweis der Beteiligung von FBC an den Quotenabsprachen über den französischen Markt für den Zeitraum 1983/84 zwei Arten von Schriftstücken vorgelegt hat. Es handelt sich zum einen um ein Schriftstück mit dem Titel "Protocole d' accord 'Treillis soudé' " vom 14. Oktober 1983 und zum anderen um eine Reihe von Tabellen, in denen für die Monate Januar, Februar, März, Mai und Juni 1984 die Absatzzahlen der einzelnen Hersteller auf dem französischen Markt und ihr Marktanteil angegeben sind und diese Zahlen "Bezugsgrössen" gegenübergestellt werden.

42 Das Gericht stellt fest, daß im "Protocole d' accord" die Notwendigkeit bekräftigt wurde, den "Anteil der belgischen, italienischen und deutschen Einfuhren (abgesehen von Tréfilarbed) zu begrenzen und zu regulieren, indem sie im Rahmen eines zwischen diesen Herstellern und den französischen Herstellern getroffenen Übereinkommens auf 13,95 % des Verbrauchs im französischen Markt festgesetzt werden", und daß diese Zahl genau der in den Tabellen den belgischen und italienischen Herstellern zugewiesenen "Bezugsgrösse" entspricht.

43 Diese völlige Entsprechung gewinnt eine ganz besondere Bedeutung, wenn man bedenkt, daß die Klägerin an der Ausarbeitung dieser Tabellen eng beteiligt war. Tréfilunion verfügte nämlich im Januar 1984 über die monatlichen Absatzzahlen der Klägerin in Frankreich seit Juli 1983, weil diese in der kumulierten Absatzzahl in der Tabelle von Januar 1984 (Anlage 42 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkte 62 ff. der Entscheidung) enthalten sind. Die Klägerin hat vor dem Gericht nicht bestritten, daß die in den Tabellen angegebenen Zahlen nahezu ihren tatsächlichen Verkäufen entsprechen, und keine vernünftige Erklärung geben können, weshalb sie diese Zahlen der ADETS, der sie zu dieser Zeit nicht angehörte, entgegenkommenderweise übermittelt haben sollte.

44 Dem ist hinzuzufügen, daß die Umsätze der Klägerin in der Spalte "Vertragspartner insgesamt" auftauchen und ° absolut sowie in Marktanteilen ° mit den Zahlen in der Spalte "Bezugsgrössen" verglichen werden.

45 Diese Beweiselemente werden schließlich dadurch erhärtet, daß die Klägerin, wie aus einem Fernschreiben vom 13. April 1984 hervorgeht, zu einer Sitzung am 15. Mai 1984 eingeladen wurde, deren Zweck es war, "eine Bilanz unserer Zusammenarbeit zu erstellen, eine Übersicht über den europäischen Markt zu gewinnen und auf dessen Grundlage einen Zeitplan für Preiserhöhungen mit festzulegenden Beträgen aufzustellen, sowie Marktinterpenetration" (Anlage 47 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkt 67 der Entscheidung).

46 Bezueglich der Stellungnahme der französischen Wettbewerbskommission kann das Gericht dem Vorbringen der Klägerin nicht folgen. Erstens konnte die Kommission, wie sie zu Recht betont hat, aufgrund der ihr vorliegenden Beweise, die nicht notwendig die gleichen waren, über die die französische Wettbewerbskommission verfügte, zu eigenen Schlußfolgerungen gelangen, und zweitens kann sie nicht an die Schlußfolgerungen nationaler Behörden gebunden sein, vor allem nicht, wenn es um ausländische Unternehmen geht.

47 Nach alledem ist das Gericht der Auffassung, daß die Kommission zu Recht davon ausgegangen ist, daß sich die Klägerin an den Quotenabsprachen über den französischen Markt bis Juni 1984 beteiligt hatte.

48 Daher ist die Rüge der Klägerin zurückzuweisen.

II ° Zum Benelux-Markt

49 In der Entscheidung wird der Klägerin vorgeworfen, sich an Absprachen über den Benelux-Markt beteiligt zu haben, die Quoten- und Preisabsprachen umfasst hätten.

A ° Die Quotenabsprachen

Angefochtene Handlung

50 In der Entscheidung (Punkte 78 Buchstabe b und 171) wird der Klägerin vorgeworfen, sie habe sich an Absprachen zwischen deutschen Herstellern und Benelux-Herstellern ("Gesprächskreis von Breda") beteiligt, die die Anwendung mengenmässiger Beschränkungen auf die deutschen Ausfuhren nach Belgien und in die Niederlande sowie die Übermittlung der Exportzahlen bestimmter deutscher Hersteller an die belgisch-niederländische Gruppe vorgesehen hätten.

Vorbringen der Parteien

51 Die Klägerin legt dar, es könne ihr nicht vorgeworfen werden, sich an "Quotenabsprachen zwischen deutschen Herstellern und Benelux-Herstellern" beteiligt zu haben. Das Fernschreiben von Herrn Müller von BStG vom 15. Dezember 1983 (Anlage 65 [b] der Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkt 92 der Entscheidung) richte Vorwürfe gegen sie, weil sie erhebliche Mengen nach Deutschland verkauft habe. Der Standpunkt der Kommission beruhe auf der Annahme, daß sich die belgischen und deutschen Unternehmen dahin geeinigt hätten, daß jeder in den Grenzen seines Marktes bleibe und seine Ausfuhren begrenze. Die Kommission habe aber selbst eingeräumt, daß sich TFE nicht an einer Quotenabsprache über den deutschen Markt beteiligt habe, was im übrigen dadurch erhärtet werde, daß TFE ihre Ausfuhren nach Deutschland erhöht habe. Da sie sich nicht an einer solchen Absprache beteiligt habe, frage sie sich, wie sie es bei den deutschen Herstellern habe erreichen sollen, daß diese ihre Ausfuhren in die Benelux-Länder beschränkt hätten.

52 Die Kommission führt in ihrer Klagebeantwortung aus: "Es trifft zu, daß die Kommission, wie die Klägerin darlegt, ihr gegenüber keine Beteiligung an einer Quotenabsprache für den Benelux- oder den deutschen Markt festgestellt hat." In der mündlichen Verhandlung und auf eine Frage des Gerichts hat die Kommission diesen Standpunkt bekräftigt und erläutert, die Klägerin habe in ihrer Klageschrift von Absprachen über den Benelux-Markt gesprochen, das Problem der mengenmässigen Beschränkungen der Ausfuhren von Deutschland in die Benelux-Länder aber überhaupt nicht angesprochen. Es habe eine Globalabsprache zwischen dem "Gesprächskreis von Breda" und den deutschen Herstellern zum Zeitpunkt der Bildung des deutschen Strukturkrisenkartells gegeben. Diese Absprache habe das Unterbleiben gegenseitiger Störungen sowie zum einen die Einhaltung der Preise des deutschen Kartells und zum anderen die Überwachung der jeweiligen Mengen bezweckt. Die Kommission hat ausserdem bestätigt, daß sie der Klägerin nicht vorgeworfen habe, sich an der Absprache über die Beschränkung der Mengen nach Deutschland beteiligt zu haben, weil sie dafür keinen Beweis habe.

Würdigung durch das Gericht

53 Das Gericht stellt fest, daß die Kommission in dem Verfahren vor dem Gericht erklärt hat, daß sie "gegenüber der Klägerin keine Beteiligung an einer Quotenabsprache für den Benelux- oder den deutschen Markt festgestellt hat".

54 Es ist aber darauf hinzuweisen, daß in der Entscheidung (Punkt 171) der Klägerin sehr wohl vorgeworfen wird, sich an einer solchen Absprache beteiligt zu haben, und daß sich die Klägerin in ihrer Klageschrift gegen diesen Vorwurf verteidigt hat.

55 Daraus ist der Schluß zu ziehen, daß die Kommission diesen Vorwurf in dem Verfahren vor dem Gericht nicht aufrechterhalten hat.

56 Jedenfalls ist darauf hinzuweisen, daß das in Punkt 171 der Entscheidung angeführte Fernschreiben vom 15. Dezember 1983 nicht als Beweis für die Beteiligung der Klägerin an der betreffenden Absprache angesehen werden kann. In diesem Fernschreiben ist nichts enthalten, was einen solchen Schluß erlaubt; es dürfte eher das Gegenteil beweisen, weil darin eine enge Abstimmung mit Boël/Trébos und nicht mit der Klägerin festgestellt und dieser vorgeworfen wird, ihre Ausfuhren nach Deutschland zu steigern.

57 Aus diesen Gründen ist der Rüge der Klägerin stattzugeben und die Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit darin festgestellt wird, daß sich die Klägerin an Absprachen beteiligt hat, die eine Begrenzung der deutschen Ausfuhren in die Benelux-Länder bezweckten.

B ° Die Preisabsprachen

Angefochtene Handlung

58 In der Entscheidung (Punkte 78 Buchstabe b, 163 und 168) wird der Klägerin vorgeworfen, sie habe sich an Preisabsprachen zwischen den wichtigsten Marktteilnehmern auf dem Benelux-Markt einschließlich der Nicht-Benelux-Hersteller sowie an Absprachen zwischen deutschen Herstellern, die nach Benelux exportierten, und den übrigen Marktteilnehmern auf dem Benelux-Markt über die Respektierung der festgesetzten Preise für den Benelux-Markt beteiligt. Diese Absprachen seien in Sitzungen getroffen worden, die zwischen August 1982 und November 1985 in Breda und Bunnik (Niederlande) stattgefunden hätten und an denen (Punkt 168 der Entscheidung) zumindest die Unternehmen Thibodraad, Tréfilarbed, Boël/Trébos, FBC, Van Merksteijn, ZND, Tréfilunion und von den deutschen Herstellern zumindest BStG teilgenommen hätten. Die Entscheidung stützt sich auf zahlreiche Fernschreiben des Agenten von Tréfilunion in den Benelux-Ländern an Tréfilunion. Diese Fernschreiben enthielten genaue Angaben über jede Sitzung (Zeitpunkt, Ort, Beteiligte, Abwesende, Ziel der Sitzung [Besprechung der Marktsituation, Vorschläge bzw. Beschlüsse bezueglich der Preise], Festlegung des Datums und des Ortes der nächsten Sitzung).

Vorbringen der Parteien

59 Die Klägerin räumt ein, an den Sitzungen von Breda und Bunnik teilgenommen zu haben, macht aber geltend, diese Sitzungen hätten keinen wettbewerbswidrigen Zweck verfolgt, so daß ihre Teilnahme keine Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag darstelle.

60 Die Sitzungen hätten als alleinigen Zweck einen Informationsaustausch zwischen den Teilnehmern gehabt, um das ideale Preisniveau für Betonstahlmatten zu ermitteln. Ein solcher Informationsaustausch könne den Wettbewerb nicht beschränken, weil die erörterten Informationen jedem einzelnen Teilnehmer bereits zur Verfügung gestanden hätten, der daraus für sich die gleichen wie die in der Sitzung gezogenen Schlüsse hätten ziehen können. Die Preise für das Grunderzeugnis Walzdraht und die für das unmittelbar konkurrierende Erzeugnis Betonstabstahl seien nämlich bekannt, da für diese beiden unter den EGKS-Vertrag fallenden Erzeugnisse die Veröffentlichung der Preistafeln nach Artikel 60 EGKS-Vertrag vorgeschrieben sei. Selbst ohne jeden Informationsaustausch könne so der ideale Preis für Betonstahlmatten von jedem der Hersteller individuell ermittelt werden.

61 Ausserdem seien die in den Sitzungen erörterten Preise nicht bindend, sondern stets Richtpreise gewesen, und sie seien nie angewandt worden.

62 Die Kommission legt dar, die Sitzungen seien weit über einen Informationsaustausch hinausgegangen, wie dies die Protokolle zeigten, die in Auszuegen in den Punkten 84 bis 111 der Entscheidung wiedergegeben würden. Sie hätten vielmehr der periodischen Festsetzung von Mindestpreisen gedient. Daß diese Preise nicht immer tatsächlich eingehalten worden seien, sei für die Qualifizierung dieser Sitzungen unerheblich. Es handele sich eindeutig um eine Preisabsprache, die als solche wegen ihres Zwecks nach Artikel 85 verboten sei.

63 Der angebliche Informationsaustausch in diesen Sitzungen, wie ihn die Klägerin darstelle, habe genau das bezweckt, was der Gerichtshof als nach Artikel 85 EWG-Vertrag verboten betrachtet habe, nämlich "von vornherein die Ungewißheit über das künftige Verhalten ihrer Konkurrenten auszuräumen" (vgl. Urteil vom 16. Dezember 1975 in den Rechtssachen 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73, Suiker Unie u. a./Kommission, Slg. 1975, 1663).

64 Schließlich sei die Wettbewerbsspanne für den Preis von Betonstahlmatten zwar beschränkt gewesen; sie habe aber bestanden, sei nicht unbedeutend gewesen und habe nicht durch Absprachen zwischen Unternehmen verfälscht werden dürfen.

Würdigung durch das Gericht

65 Nach Auffassung des Gerichts geht klar aus den in den Punkten 84 bis 112 der Entscheidung angeführten Schriftstücken hervor, daß die Sitzungen, an denen die Klägerin teilgenommen hat, einen wettbewerbswidrigen Zweck verfolgten.

66 Es trifft nämlich entgegen der Behauptung der Klägerin nicht zu, daß die Sitzungen in Breda und Bunnik allein einen Austausch von Informationen unter den Teilnehmern bezweckt hätten, um das ideale Preisniveau für Betonstahlmatten zu ermitteln. Die Protokolle dieser Sitzungen, die in zahlreichen Fernschreiben des Agenten von Tréfilunion für die Benelux-Länder an Tréfilunion (Punkte 84 bis 111 der Entscheidung) wiedergegeben sind, zeigen vielmehr augenfällig, daß die Sitzungen u. a. Erörterungen der Marktlage sowie Vorschläge und Entscheidungen in bezug auf die Preise der verschiedenen Arten von Betonstahlmatten bezweckten, die als einzuhaltende Mindestpreise gedacht waren.

67 Der Umstand, daß die Preise eingehalten wurden oder nicht oder daß der Preis für Betonstahlmatten vom Preis für Walzdraht und für das konkurrierende Erzeugnis Betonstabstahl beeinflusst wird, ändert nichts am wettbewerbswidrigen Zweck dieser Sitzungen. Denn zum einen brauchen für die Anwendung des Artikels 85 Absatz 1 EWG-Vertrag die konkreten Auswirkungen einer Vereinbarung nicht in Betracht gezogen zu werden, wenn wie bei den in der Entscheidung festgestellten Vereinbarungen, feststeht, daß diese eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezweckten (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 11. Januar 1990 in der Rechtssache C-277/87, Sandoz prodotti farmaceutici/Kommission, Slg. 1990, I-45). Zum anderen trifft es zwar zu, daß der Preis für Betonstahlmatten, wie die Klägerin vorträgt, weitgehend vom Preis für Walzdraht abhängt; dies bedeutet jedoch nicht, daß jede Möglichkeit für einen wirksamen Wettbewerb in diesem Bereich ausgeschlossen gewesen wäre. Den Herstellern blieb nämlich genügend Spielraum, um einen wirksamen Wettbewerb auf dem Markt zu ermöglichen. Folglich konnten die Absprachen eine spürbare Auswirkung auf den Wettbewerb haben (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 29. Oktober 1980 in den Rechtssachen 209/78 bis 215/78 und 218/78, Van Landewyck u. a./Kommission, Slg. 1980, 3125, Randnrn. 133 und 153).

68 Bezueglich der Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten ist darauf hinzuweisen, daß Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag nicht fordert, daß die festgestellten Wettbewerbsbeschränkungen den Handel zwischen Mitgliedstaaten tatsächlich spürbar beeinträchtigt haben, sondern lediglich den Nachweis verlangt, daß sie geeignet waren, eine derartige Wirkung zu entfalten (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 1. Februar 1978 in der Rechtssache 19/77, Miller/Kommission, Slg. 1978, 131, Randnr. 15).

69 Im vorliegenden Fall ist festzustellen, daß die festgestellten Wettbewerbsbeschränkungen geeignet waren, die Handelsströme von der Richtung abzulenken, die sie andernfalls genommen hätten (vgl. Urteil Van Landewyck u. a./Kommission, a. a. O., Randnr. 172). Die Absprachen hatten nämlich den Zweck, die Märkte abzuschotten und eine künstliche Erhöhung der Preise auf jedem dieser Märkte zu ermöglichen.

70 Nach alledem ist der Schluß zu ziehen, daß die Klägerin, die nicht bestreitet, zumindest an etwa zwanzig Sitzungen teilgenommen zu haben, und an ihnen teilnahm, ohne sich offen von ihrem Inhalt zu distanzieren, den Vereinbarungen beigetreten war und damit gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag verstossen hat.

71 Diese Rüge ist daher zurückzuweisen.

III ° Zum deutschen Markt

Angefochtene Handlung

72 In der Entscheidung (Punkt 147) wird der Klägerin vorgeworfen, sie habe sich an Absprachen über den deutschen Markt beteiligt, die die Respektierung der auf diesem Markt geltenden Preise bezweckt hätten. In der Entscheidung (Punkte 153, 154 und 181) heisst es, daß an diesen Absprachen zum einen Boël/Trébos und TFE/FBC und zum anderen BStG beteiligt gewesen seien.

Vorbringen der Parteien

73 Die Klägerin bestreitet, sich an einer Absprache über den deutschen Markt beteiligt zu haben. Sie habe zwar 1985 in Deutschland zum Marktpreis, d. h. zu dem des Kartells verkauft, doch könne die Kommission hierin keine abgestimmte Verhaltensweise sehen, da sie kein Interesse an einem Verkauf unter den deutschen Preisen gehabt habe; infolge ihrer voll ausgelasteten Kapazität habe sie nämlich nicht damit rechnen können, durch eine Senkung ihrer Preise ihren Absatz zu steigern. Ausserdem habe sie jedes Risiko einer Vergeltung seitens der deutschen Hersteller und Behörden vermeiden müssen. Diese seien nämlich aufgrund der Entscheidung Nr. 234/84/EGKS der Kommission vom 31. Januar 1984 zur Verlängerung des Systems der Überwachung und der Erzeugungsquoten für bestimmte Erzeugnisse der Unternehmen der Stahlindustrie (ABl. L 29, S. 1) befugt gewesen, gegen die Ausführer, die die traditionellen Handelsströme beeinträchtigten, Beschwerde bei der Kommission einzulegen.

74 Im übrigen stelle das Fernschreiben von Herrn Peters von Tréfilunion vom 11. Januar 1984 an Herrn Marie von Tréfilunion (Anlage 66 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkte 95 und 153 der Entscheidung) keinen Beweis für ihre Beteiligung an einer Preisabsprache dar, weil aus ihm hervorgehe, daß die Sitzung, auf die es sich beziehe, nicht zum Abschluß einer Vereinbarung geführt habe.

75 Der Vermerk vom 24. April 1985 (Anlage 112 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkt 153 der Entscheidung) dürfe nicht isoliert betrachtet, sondern müsse in Zusammenhang mit dem Fernschreiben vom 17. April 1985 (Anlage 111 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkt 153 der Entscheidung) geprüft werden. In diesem Fernschreiben seien gegenüber der Konzernleitung die beruflichen Fähigkeiten der Handelsvertreter von FBC in Zweifel gezogen worden, weil sie angeblich nicht zu dem Preis verkauft hätten, den der Markt zugelassen habe. Um seine Glaubwürdigkeit als Verkäufer wiederherzustellen, habe der Unterzeichner des Vermerks vom 24. April 1985 das Fernschreiben vom 17. April 1985 als falsch bezeichnet und bekräftigt, daß man zum Marktpreis verkaufe.

76 Die Kommission verweist darauf, daß TFE/FBC tatsächlich an Sitzungen teilgenommen habe, in denen deutsche Unternehmen vertreten gewesen seien und in denen die Verkaufspreise auf dem deutschen Markt erörtert worden seien.

77 Das Fernschreiben vom 11. Januar 1984 beweise eine effektive Abstimmung über die von den belgischen Herstellern auf dem deutschen Markt angewandten Preise, weil diese beteuert hätten, daß sie die Kartellpreise auf dem deutschen Markt einhielten, um sich ihrerseits über die von den deutschen Herstellern in Belgien angewandten Preise zu beschweren.

78 Bezueglich des Fernschreibens vom 17. April 1985 und des Vermerks vom 24. April 1985 weist die Kommission die Erklärung der Klägerin zurück; es sei völlig anormal, einem Wettbewerber zu schreiben, daß er eine ihn ruinierende Geschäftspolitik betreibe, so daß ein solches Verhalten eine verbotene Abstimmung darstelle.

79 Angesichts solcher Beweise für eine effektive Abstimmung über die Preise seien die Bemühungen der Klägerin um eine Erklärung der Gründe, derentwegen sie dieses oder jenes Marktverhalten an den Tag gelegt habe, ungeeignet, den Nachweis zu erbringen, daß keine Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 EWG-Vertrag vorgelegen habe.

80 Die Erwägungen der Klägerin bezueglich des Risikos einer Vergeltung gingen fehl, weil die Entscheidung Nr. 234/84 vom 31. Januar 1984 nur für unter den EGKS-Vertrag fallende Erzeugnisse gelte, Betonstahlmatten dagegen unter den EWG-Vertrag fielen.

81 Die Ausführungen der Klägerin, sie habe "kein Interesse an einem Verkauf unter den Kartellpreisen gehabt", hält die Kommission nicht für überzeugend, weil der Verkauf zu einem niedrigeren Preis offensichtlich ein Mittel sei, seinen Marktanteil zu vergrössern.

Würdigung durch das Gericht

82 Nach Auffassung des Gerichts hat die Kommission mit vollem Recht für den Nachweis der Beteiligung der Klägerin an der Preisabsprache über den deutschen Markt das Fernschreiben von Herrn Peters vom 11. Januar 1984 an Herrn Marie (Anlage 66 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkte 95 und 153 der Entscheidung) herangezogen, das das Protokoll einer Sitzung vom 5. Januar 1984 in Breda enthält, an der die Klägerin, Boël/Trébos, BStG, Tréfilarbed, Tréfilunion und andere niederländische Unternehmen teilgenommen haben. In diesem Fernschreiben wird folgendes ausgeführt: "Die üblichen Teilnehmer verlangen von den BStG-Vertretern, die Benelux-Märkte nicht mehr durch erhebliche Exporte nach diesen Märkten zu sehr niedrigen Preisen zu stören. Die Deutschen verteidigen sich unter Hinweis darauf, daß die Belgier (Boël und jüngst Frère-Bourgeois) vergleichbare Mengen nach Deutschland exportierten. Die Belgier stellen klar, daß sie die deutschen Marktpreise respektierten und daß man von Prozenten des Marktvolumens und nicht von Tonnen sprechen sollte. Es wurde kein konkreter Beschluß gefasst." Dieses Fernschreiben zeigt also, daß, wenn die belgischen Hersteller die deutschen Marktpreise respektierten, sie dies als Gegenleistung für eine Beschränkung der Ausfuhren von BStG in die Benelux-Länder und für einen von BStG auf diesem Markt praktizierten Mindestpreis taten.

83 Zu Recht hat die Kommission auch zur Stützung ihrer Würdigung das Fernschreiben der deutschen Walzstahlvereinigung an Cockerill Sambre vom 17. April 1985 (Anlage 111 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) herangezogen, das "belgische Baustahlmatten-Lieferungen in die BR Deutschland" betrifft. Hierin wird der Cockerill-Sambre-Tochter TFE vorgeworfen, das allgemeine Preisniveau auf dem deutschen Markt (810 DM/Tonne) zu unterlaufen und für 770 DM/Tonne anzubieten. Cockerill Sambre wird gebeten, ihre Tochter TFE "auf die positive Preisentwicklung im deutschen Markt aufmerksam zu machen und auf eine bessere Preisdisziplin zu drängen".

84 Zu der von der Klägerin geltend gemachten Gefahr der Vergeltung weist das Gericht darauf hin, daß die Entscheidung Nr. 234/84 von 31. Januar 1984, wie die Kommission zu Recht geltend gemacht hat, nur für Erzeugnisse gilt, die unter den EGKS-Vertrag fallen. Die Klägerin ging demnach kein Risiko ein, wenn sie Betonstahlmatten unter den Kartellpreisen verkaufte.

85 Zu der Behauptung der Klägerin, sie habe wegen der vollen Auslastung ihrer Kapazität kein Interesse an einem Absatz unter diesen Preisen gehabt, ist darauf hinzuweisen, daß dieses Vorbringen nur stimmig ist, wenn, was nicht bewiesen ist, die Preise auf dem deutschen Markt niedriger waren als die auf den anderen Märkten praktizierten Preise. Wenn die Preise auf dem deutschen Markt höher gewesen wären als die auf anderen Märkten praktizierten und wenn es keine Absprachen gegeben hätte, hätte die Klägerin nämlich ihre Ausfuhren in andere Länder drosseln können, um sie auf den deutschen Markt umzulenken.

86 Nach alledem ist der Kommission rechtlich der Beweis gelungen, daß sich die Klägerin an Absprachen über den deutschen Markt beteiligt hat, die die Respektierung der auf diesem Markt geltenden Preise bezweckten.

87 Die Rüge der Klägerin ist daher zurückzuweisen.

Zum Klagegrund des Verstosses gegen Artikel 15 der Verordnung Nr. 17

I ° Zur fehlenden Individualisierung der Kriterien für die Bestimmung der Schwere der Zuwiderhandlungen

Vorbringen der Parteien

88 Die Klägerin macht zum einen geltend, die Kommission habe ihr, indem sie eine einzige Geldbusse für drei unterschiedliche Zuwiderhandlungen festgesetzt habe, die Möglichkeit genommen, die Rechtmässigkeit der Entscheidung bezueglich der Schwere und der Dauer der Zuwiderhandlungen zu beurteilen. Nach dem Urteil des Gerichtshofes in den Rechtssachen 100/80 bis 103/80 (Musique diffusion française u. a./Kommission, Slg. 1983, 1825) sei eine einzige Geldbusse gerechtfertigt, wenn die verschiedenen Zuwiderhandlungen als ein Verstoß betrachtet werden könnten; eine solche Betrachtungsweise sei aber nicht mehr angebracht, wenn es sich wie im vorliegenden Fall um einen Komplex verschiedener Absprachen mit wechselnden Beteiligten handele, wie in Punkt 22 der Entscheidung selbst dargelegt werde. Damit habe die Kommission gegen ihre Begründungspflicht nach Artikel 190 EWG-Vertrag verstossen.

89 Zum anderen seien in der Entscheidung nicht die spezifischen Merkmale des Verhaltens jedes der betreffenden Unternehmen und insbesondere des der Klägerin berücksichtigt. In Artikel 1 der Entscheidung würden sämtliche Zuwiderhandlungen miteinander vermengt, ohne daß nach der besonderen Natur, der Dauer und den spezifischen Merkmalen der Beteiligung der einzelnen Unternehmen unterschieden werde. Insbesondere habe die Kommission nicht die Dauer ihrer Beteiligung an den Absprachen über den französischen Markt von 1983/84 und an den Absprachen über den deutschen Markt festgestellt. Schließlich sei auch die Verhängung einer Geldbusse, die einen bestimmten Prozentsatz vom Umsatz an dem betreffenden Produkt darstelle, der unter dem bei den anderen Unternehmen herangezogenen Prozentsatz liege, nicht ausreichend, um zu beweisen, daß alle für die Klägerin sprechenden mildernden Umstände berücksichtigt worden seien.

90 Die Kommission erwidert, sie habe nicht für drei verschiedene Zuwiderhandlungen eine einzige Geldbusse verhängt, weil es sich nicht um verschiedene Absprachen handele, sondern, wie sie in Punkt 22 der Entscheidung dargelegt habe, um einen Komplex von Absprachen, die durch ihr Zusammentreffen eine Reglementierung eines wesentlichen Teils des Gemeinsamen Marktes geführt hätten. Die Unternehmen hätten sich nämlich gleichzeitig an mehreren Absprachen für räumlich unterschiedliche Teilmärkte beteiligt, so daß zu einem bestimmten Zeitpunkt im Ergebnis eine Abschottung des Gemeinschaftsmarktes eingetreten sei. So habe sich TFE/FBC 1984 an einer Absprache über den französischen Markt, einer Absprache über den Benelux-Markt und an einer Absprache über den deutschen Markt beteiligt. Der Hinweis auf das Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission stütze die Ansicht der Klägerin nicht, weil der Gerichtshof darin entschieden habe, "ohne daß es einer Stellungnahme dazu bedarf, ob es gemeinschaftsrechtliche Grundsätze in bezug auf die Kumulierung von Geldbussen gibt, die für mehrere getrennte Zuwiderhandlungen verhängt worden sind".

91 Die Kommission macht geltend, sie habe bei jeder Zuwiderhandlung die Dauer und die Schwere angegeben, die sie zugrunde gelegt habe. Zur Dauer verweist sie darauf, daß sie in der Entscheidung klar die Dauer der Beteiligung der Klägerin an den verschiedenen Absprachen dargelegt habe. Die besonderen Umstände der Verhaltensweise der Klägerin habe sie in den Punkten 200 ff. der Entscheidung ordnungsgemäß berücksichtigt. Aus diesem Grund habe sie im Hinblick auf alle diese Faktoren gegen die Klägerin eine Geldbusse in Höhe von 2,5 % des auf dem relevanten Markt (Betonstahlmatten in den sechs ursprünglichen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft) erzielten Umsatzes festgesetzt, während bei bestimmten anderen am Kartell Beteiligten ein Prozentsatz von 3, 3,15 und sogar 3,6 angewandt worden sei.

Würdigung durch das Gericht

92 Das Gericht weist darauf hin, daß die Kommission nach ständiger Rechtsprechung für mehrere Zuwiderhandlungen eine einzige Geldbusse verhängen darf (vgl. die Urteile des Gerichtshofes in der Rechtssache Suiker Unie u. a./Kommission, a. a. O., vom 14. Februar 1978 in der Rechtssache 27/76, United Brands/Kommission, Slg. 1978, 207, und in der Rechtssache Musique diffusion française u. a./Kommission, a. a. O.), und daß dies erst recht zu gelten hat, wenn, wie im vorliegenden Fall, die in der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlungen die gleiche Art von Verhaltensweisen auf den verschiedenen Märkten, insbesondere die Festlegung von Preisen und Quoten und den Austausch von Informationen, bezweckten, und wenn an diesen Zuwiderhandlungen weitgehend dieselben Unternehmen beteiligt waren. Insoweit lässt sich nicht übersehen, daß die Klägerin an Absprachen über mehrere Märkte wie den französischen und den Benelux-Markt beteiligt war.

93 Ausserdem ist darauf hinzuweisen, daß durch die Verhängung einer einzigen Geldbusse der Klägerin nicht die Möglichkeit genommen wurde, zu beurteilen, ob die Kommission die Schwere und die Dauer der Zuwiderhandlungen zutreffend gewürdigt hatte. Die Klägerin interpretiert nämlich die Entscheidung in einer Weise, die einen ihrer Teile künstlich isoliert, obwohl jeder Teil der Entscheidung, da diese ein Ganzes darstellt, im Licht der anderen Teile gesehen werden muß. Insgesamt gesehen hat aber die Entscheidung der Klägerin die erforderlichen Angaben mitgeteilt, so daß diese die verschiedenen Zuwiderhandlungen, die ihr vorgeworfen wurden, und die spezifischen Umstände ihres Verhaltens, insbesondere hinsichtlich der Dauer ihrer Beteiligung an den verschiedenen Zuwiderhandlungen, erkennen konnte.

94 Im übrigen weist das Gericht darauf hin, daß die Klägerin angesichts der Dauer und der besonderen Schwere der zu ihren Lasten festgestellten Zuwiderhandlungen keine Indizien dafür beibringt, daß in der Entscheidung nicht sämtliche mildernde Umstände berücksichtigt worden wären, die bei ihr gegenüber den anderen in der Entscheidung geahndeten Unternehmen vorliegen. Es ist im Gegenteil darauf hinzuweisen, daß die Kommission in den schriftlichen Antworten auf die Fragen des Gerichts erklärt hat, daß zugunsten der Klägerin als mildernder Umstand berücksichtigt worden sei, daß sich ihre Beteiligung an den Zuwiderhandlungen auf die sie interessierenden Tätigkeiten beschränkt habe.

95 Folglich ist die Rüge der Klägerin zurückzuweisen, soweit sie in ihrer Tragweite über die des ersten Klagegrundes hinausgeht.

II ° Zur fehlerhaften Heranziehung des Umsatzes als Grundlage der Bemessung der Geldbusse

Vorbringen der Parteien

96 Die Klägerin beanstandet, daß die Kommission ihren Umsatz an Betonstahlmatten als Bemessungsgrundlage für die gegen sie festgesetzte Geldbusse herangezogen habe. Ein erheblicher Teil ihres Umsatzes entfalle nämlich auf den Verkauf von Zeichnungsmatten, die aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht Gegenstand einer Absprache sein könnten und somit nicht in ihren Umsatz an den Erzeugnissen hätten einbezogen werden dürfen, denen die Absprachen gegolten hätten. Die Kommission habe, indem sie dies nicht berücksichtigt habe, einen Beurteilungsfehler im Verhältnis zu den gegen die anderen Unternehmen verhängten Geldbussen begangen.

97 Die Kommission entgegnet, sie habe nur den Umsatz an Betonstahlmatten zugrunde gelegt, obwohl sie nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes (vgl. Urteile in der Rechtssache Musique diffusion française u. a./Kommission, a. a. O., und vom 8. Februar 1990 in der Rechtssache C-279/87, Tipp-Ex/Kommission, Slg. 1990, I-261, Randnr. 39) den Gesamtumsatz des Unternehmens habe berücksichtigen dürfen. Da sie sich dafür entschieden habe, nur den Umsatz an dem betreffenden Erzeugnis zugrunde zu legen, sei sie nicht verpflichtet gewesen, den auf Zeichnungsmatten entfallenden Teil auszunehmen. Die Zeichnungsmatten stellten nämlich wohl einen Untermarkt innerhalb des Betonstahlmattenmarkts, nicht jedoch einen eigenen Markt dar (Punkt 3 der Entscheidung).

Würdigung durch das Gericht

98 Das Gericht stellt fest, daß in der Entscheidung mit vollem Recht der Betrag der gegenüber der Klägerin verhängten Geldbusse unter Berücksichtigung ihres Umsatzes an allen Betonstahlmatten einschließlich der Zeichnungsmatten festgesetzt wurde, da diese Zahl einen Anhaltspunkt für das Ausmaß der Zuwiderhandlung liefern kann (Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission, a. a. O., Randnr. 121). Es kann nämlich nicht in Abrede gestellt werden, daß die Zuwiderhandlung eine Auswirkung auf die Preise für Zeichnungsmatten, die nicht zu einem anderen Markt als dem für die übrigen Betonstahlmatten gehören, haben sollte und gehabt hat.

99 Demnach ist diese Rüge zurückzuweisen.

100 In Anbetracht dessen, daß der Kommission der Beweis für die Beteiligung der Klägerin an einer Absprache, die eine Beschränkung der deutschen Exporte in die Benelux-Länder bezweckte, rechtlich nicht gelungen ist, kommt das Gericht aufgrund seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung zu dem Ergebnis, daß die gegen die Klägerin festgesetzte Geldbusse von 315 000 ECU um ein Fünftel herabzusetzen und auf 252 000 ECU festzusetzen ist.

Kostenentscheidung:

Kosten

101 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach § 3 dieses Artikels kann das Gericht jedoch die Kosten teilen, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt. Da die Klage zum Teil Erfolg hat und beide Parteien beantragen, die andere Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen, ist das Gericht der Auffassung, daß bei angemessener Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Falles die Klägerin ihre eigenen Kosten und drei Fünftel der Kosten der Kommission zu tragen hat.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Artikel 1 der Entscheidung 89/515/EWG der Kommission vom 2. August 1989 betreffend ein Verfahren nach Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag (IV/31.553 ° Betonstahlmatten) wird für nichtig erklärt, soweit darin die Beteiligung der Klägerin an einer Absprache, die eine Beschränkung der deutschen Exporte in die Benelux-Länder bezweckte, festgestellt wird.

2) Die Höhe der in Artikel 3 dieser Entscheidung gegen die Klägerin festgesetzten Geldbusse wird auf 252 000 ECU festgesetzt.

3) Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

4) Die Klägerin trägt ihre eigenen Kosten und drei Fünftel der Kosten der Kommission.

5) Die Kommission trägt zwei Fünftel ihrer eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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