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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 22.07.2008
Aktenzeichen: 4 K 1296/08
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 1 Abs. 1 S. 1
EStG § 19 Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Baden-Württemberg

4 K 1296/08

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darum, ob der in leitender Stellung als Schiffskoch tätige Kläger (Kl) über einen Wohnsitz im Bundesgebiet verfügt und damit in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist.

Der Kl wurde im Jahre 1967 geboren. Er stammt aus den neuen Bundesländern, wo er eine Ausbildung zum Koch abschloss. Nach der Wende trat der Kl im Sommer 1990 zunächst eine Stelle als Koch in einem Restaurant in ... an. Dort bezog er zum 1. Januar 1991 eine 45 qm große, angemietete Zwei-Zimmer-Wohnung in der .... Nach etwa eineinhalb Jahren wechselte der Kl im Jahre 1992 den Arbeitsplatz und arbeitete fortan als Schiffskoch auf den Transatlantik-Passagierschiffen der britischen Reederei .... Im Jahre 1998 gelangte der Kl dort erstmals in eine leitende Stellung als Chefkoch.

Die Mietwohnung in ... behielt der Kl für die Zeiten seiner Aufenthalte an Land bei. Zu Beginn seiner Tätigkeit als Schiffskoch sprach der Kl bei dem beklagten Finanzamt (dem Beklagten - Bekl -) vor. Dort bekam er die Auskunft, dass er seine Einkünfte im Inland nicht versteuern müsse, wenn er sich - wie geschehen - während mehr als der Hälfte der Tage des Kalenderjahres an Bord der Schiffe befinde, weil er dann in Deutschland nicht seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe. In der Folgezeit gab der Kl jährlich die ihm von der Gemeinde übersandten und von der ... unausgefüllt gelassenen Lohnsteuerkarten beim Bekl ab. Der Kl wurde vom Bekl lediglich für die Jahre 1992 und 1994 zur Einkommensteuer (ESt) herangezogen.

Im Jahre 2002 arbeitete der Kl über mehrere Wochen in der "...", einem gehobenen Speiserestaurant in Y. Auf Nachfrage des Bekl, ob er über den ihm dort gezahlten und in der Lohnsteuerkarte 2002 vermerkten Arbeitslohn hinaus weitere Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezogen habe, gab der Kl an, in der übrigen Zeit des Jahres weiterhin als Schiffskoch gearbeitet zu haben. Der Bekl schätzte daraufhin die Einnahmen aus dieser Tätigkeit zu dem bekannten Arbeitslohn hinzu und erließ für 2002 einen ESt-Bescheid gegen den Kl, der bestandskräftig wurde.

Seit März 2003 ist der Kl als Küchenchef ("Executive Chef at Sea") im Range eines Schiffsoffiziers auf wechselnden Kreuzfahrtschiffen der amerikanischen Reederei ... mit Sitz in ... -USA-) beschäftigt. Die Schiffe dieser Reederei sind unter der Flagge der Bermudas registriert. Im Einzelnen war der Kl zunächst aufgrund eines ihm am 24. März 2003 in seine ... Wohnung übersandten Auftrags in der Zeit vom 30. März 2003 bis zum 28. September 2003 auf dem Kreuzfahrtschiff "A" (Einschiffungs- und Ausstiegshafen: M - USA -) und später aufgrund eines Auftrags vom 20. November 2003 in der Zeit vom 28. November 2003 bis zum 11. Juni 2004 nacheinander auf den drei Kreuzfahrtschiffen "...", "..." und "..." (Einschiffungshäfen: Z in Australien und B in Französisch-Polynesien, Ausstiegshäfen: Z, B und K in Japan) eingesetzt. Danach fuhr der Kl aufgrund eines ihm am 12. Juli 2004 in seine ... Wohnung übersandten Auftrags in der Zeit vom 12. August 2004 bis zum 28. Februar 2005 nacheinander auf den Kreuzfahrtschiffen "...", "..." und "..." (Einschiffungshäfen: O - USA -, B und R in Mexiko, Ausstiegshäfen: M, B und nochmals M) und später aufgrund eines ihm am 18. April 2005 wiederum in die ... Wohnung übersandten Auftrags in der Zeit vom 14. Mai 2005 bis zum 21. November 2005 nacheinander auf den Kreuzfahrtschiffen "...", "..." und "..." (Einschiffungshäfen: B, D in Neuseeland und T in Südafrika, Ausstiegshäfen: B, F und Z). Der regelmäßige Wechsel der Schiffe hing mit betriebsorganisatorischen Überlegungen der Reederei zusammen und führte in Verbindung mit der ausgeübten leitenden Stellung dazu, dass der Kl an Bord der einzelnen Schiffe nur in geringem Umfang dauerhafte persönliche Bekanntschaften mit Arbeitskollegen schließen konnte.

Der Kl unterzeichnete - wie auch seine Kollegen - jeweils zu Beginn seiner Heuer auf den wechselnden Kreuzfahrtschiffen den sog. "Bermudian Article" und unterstellte sich damit in arbeits-, versicherungs- und steuerrechtlicher Hinsicht dem Recht der Bermudas. Auf die jeweiligen Reisen nahm er etwa 60 bis 70 kg Gepäck mit, das er auf den Flügen zu den Einschiffungshäfen in zwei großen Koffern mit sich führte und bei dem es sich im Wesentlichen um seine Seeuniformen und um private Kleidung für gelegentliche Landgänge in den während der Kreuzfahrten aufgesuchten Häfen handelte. An Bord der Schiffe stand dem Kl jeweils eine 25 qm große Einzelkabine mit Wohn- und Schlafbereich zur alleinigen Verfügung.

Seine Entlohnung erhielt der Kl regelmäßig vom Zahlmeister der Reederei an Bord der Schiffe in US-Dollar und ohne Steuerabzug bar ausgezahlt.

In den Zeiten, in denen er nicht auf den Kreuzfahrtschiffen beschäftigt war, hatte sich der Kl der Reederei auf Abruf für die nächsten Einsätze auf See zur Verfügung zu halten. Diese Zeiträume (in den Streitjahren die Zeiten bis Ende März 2003, von Ende September 2003 bis Ende November 2003, von Mitte Juni 2004 bis Mitte August 2004, von Anfang März 2005 bis Mitte Mai 2005 und seit Ende November 2005) verbrachte der Kl im Wesentlichen in seiner ... Wohnung, um sich dort von seiner Berufstätigkeit auf See zu erholen. Über einen Freundeskreis verfügte der Kl in ... indessen nicht. Gelegentlich lud er einzelne seiner Nachbarn aus dem gleichen Wohnhaus zum Essen bei sich ein. Die Wohnung war neben Esstisch, Stühlen und Bett sowie einer Einbauküche mit Kleiderschränken im Schlafzimmer und im Flur und mit einer Schrankwand im Wohnzimmer ausgestattet, in der der Kl im Wesentlichen seine Kochbücher sowie Geschirr und Gläser aufbewahrte. Außerdem verfügte der Kl in ... über einen Festnetz-Telefonanschluss sowie über einen Fernseher und eine Stereoanlage im Wohnzimmer seiner Wohnung. Einmal jährlich besuchte der Kl für eine Woche seine Eltern in S, bei denen er allerdings weder über ein eigenes Zimmer verfügte noch persönliche Gegenstände gelagert hatte.

Mit Schreiben vom 29. August 2005 forderte der Bekl den Kl unter seiner ... Anschrift auf, für das erste Streitjahr 2003 eine ESt-Erklärung abzugeben. Dieser Aufforderung kam der Kl in der Folgezeit unter Hinweis darauf, dass sich sein eigentlicher Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt für mehr als sechs Monate im Jahr beruflich bedingt außerhalb Deutschlands auf dem Territorium der Bermudas befinde und dass er zehn bis elf Monate im Jahr auf See verbringe, nicht nach. Daraufhin schätzte der Bekl die Einnahmen des Kl aus nichtselbständiger Arbeit auf 30.000 EUR jährlich und erließ unter dem 28. März 2007 ESt-Bescheide für die Streitjahre 2003 bis 2005, in denen er die ESt unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf 5.672 EUR (2003), 5.276 EUR (2004) und 5.039 EUR (2005) festsetzte.

Am 31. März 2007 legte der Kl gegen diese Bescheide Einsprüche ein, die er damit begründete, dass es für die Annahme eines Wohnsitzes im Inland - anders als der Bekl meine - nicht genüge, wenn der Steuerpflichtige - so wie er, der Kl - dauernd und langfristig im Ausland wohne und sich nur gelegentlich und unregelmäßig im Urlaub oder zu Besuchszwecken in den Räumlichkeiten in Deutschland aufhalte.

Denn allein das bloße Bereithalten einer Wohnung reiche hierfür nicht aus. Daneben fehle es auch an einem Arbeitsverhältnis i. S. des § 19 des Einkommensteuergesetzes (EStG), da er - der Kl - weder bei einem deutschen Arbeitgeber noch bei einem "ausländischen Arbeitgeber mit Deutschlandbezug" beschäftigt sei. Seine Wohnung und seinen Lebensmittelpunkt habe er - der Kl - ausschließlich auf den jeweiligen Kreuzfahrtschiffen, wo er sich auch seine berufliche Existenz aufgebaut habe.

Der Bekl wies die Einsprüche mit Entscheidung vom 20. Februar 2008 als unbegründet zurück, ließ jedoch zugleich jeweils den Vorbehalt der Nachprüfung bestehen. Eine Wohnung sei steuerlich als Wohnsitz zu qualifizieren, wenn sie dem Steuerpflichtigen dadurch als Bleibe diene, dass er sie mit einer gewissen Regelmäßigkeit und Gewohnheit benutze. Dafür genügten jedoch selbst unregelmäßige Aufenthalte in der inländischen Wohnung, sofern sie der Inhaber nicht nur geschäftlich oder besuchsweise, sondern "als eigene" nutze. Dem Kl hätten die Kabinen an Bord der jeweiligen Kreuzfahrtschiffe nicht durchgängig zur Verfügung gestanden. Eine weitere Wohnung an Land habe der Kl nicht innegehabt. Daher sei davon auszugehen, dass die Wohnung in ... dem Kl über die vorgetragenen unregelmäßigen Erholungsaufenthalte hinaus als regelmäßige Anlaufstelle gedient habe. Damit sei der Kl in Deutschland mit seinen - vom Bekl nicht zu hoch geschätzten - Einkünften aus seiner Tätigkeit als Schiffskoch unbeschränkt einkommensteuerpflichtig gewesen.

Mit der fristgerecht erhobenen Klage verfolgt der Kl sein Begehren weiter, mit den genannten Einkünften in Deutschland nicht besteuert zu werden. Hierzu führt er unter Wiederholung seines bisherigen Vortrags an, er habe sich in den Streitjahren von insgesamt 1.095 Kalendertagen lediglich an 234 Tagen nicht an Bord der wechselnden Kreuzfahrtschiffe und damit nur zu Urlaubszwecken in der ... Mietwohnung aufgehalten.

Der Kl beantragt,

die ESt-Bescheide 2003, 2004 und 2005, jeweils vom 28. März 2007, sowie die Einspruchsentscheidung vom 20. Februar 2008 aufzuheben und die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Der Bekl beantragt,

die Klage abzuweisen,

und verweist auf seine Einspruchsentscheidung.

Vor dem Berichterstatter des erkennenden Senats hat am 3. Juli 2008 ein Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage stattgefunden. Auf die Niederschrift über dessen Verlauf vom 7. Juli 2008 und auf den Inhalt der ESt- und Rechtsbehelfsakten des Bekl wird ergänzend verwiesen. Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung vor dem Senat verzichtet.

Entscheidungsgründe:

Die Klage, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -FGO-), ist nicht begründet.

Zu Recht hat der Bekl den Kl durch Erlass der angefochtenen Bescheide zur ESt der Streitjahre herangezogen. Der Kl war in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Der von der amerikanischen Reederei ... aufgrund der Tätigkeit an Bord der Kreuzfahrtschiffe bezogene Arbeitslohn unterlag als Teil des sog. Welteinkommens dem Besteuerungszugriff des deutschen Fiskus und rechnete dort zu den Einkünften des Kl aus nichtselbständiger Arbeit i. S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 EStG.

1. Natürliche Personen wie der Kl sind nach § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, wenn sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.

Nach dem Wortlaut des Gesetzes reicht es aus, wenn eine der beiden Voraussetzungen erfüllt ist (Stapperfend in Herrmann/Heuer/Raupach - HHR -, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, § 1 EStG Anm. 62). Danach kommt es nicht entscheidend darauf an, ob der Kl - wie er meint und wovon auch der Bekl offenbar jedenfalls für die Vorjahre bis 2001 ausgegangen war - möglicherweise jedenfalls seinen gewöhnlichen Aufenthalt i. S. des § 9 der Abgabenordnung (AO) nicht in Deutschland hatte, weil er sich dort an weit weniger als sechs Monaten im Jahr aufgehalten hat. Die unbeschränkte ESt-Pflicht des Kl war bereits deswegen begründet, weil der Kl in den Streitjahren einen Wohnsitz im Inland hatte.

Die Frage, ob eine natürliche Person im Inland einen Wohnsitz hat, beurteilt sich nach § 8 AO (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 19. März 1997 I R 69/96, BFHE 182, 296, BStBl II 1997, 447, unter II. 2., vom 24. Januar 2001 I R 100/99, BFH/NV 2001, 1402, unter II. 1., und vom 24. April 2007 I R 64/06, BFH/NV 2007, 1893, unter II. 1. a.). Danach kommt es darauf an, ob die betroffene Person im Inland eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass sie die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Diese Voraussetzungen waren im Streitfall gegeben.

a) Im Gegensatz zum bürgerlichen Recht, das in Bezug auf Begründung, Beibehaltung und Aufgabe des Wohnsitzes auf den rechtsgeschäftlichen Willen abstellt (§§ 7, 8 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -), ist der steuerrechtliche Wohnsitzbegriff objektiviert. Er stellt auf die tatsächliche Gestaltung ab und knüpft insgesamt an äußere Merkmale an, ohne subjektiven Momenten oder Absichten Raum zu geben.

Maßgebend ist der objektive Zustand, nämlich das Innehaben einer Wohnung unter Umständen, die den Schluss rechtfertigen, dass der Wohnungsinhaber diese Wohnung beibehalten und benutzen wird.

Besteht dieser Zustand objektiv, so kommt einem etwaigen Willen des Steuerpflichtigen, an diesem Platz keinen Wohnsitz zu begründen, keine Bedeutung zu (BFH-Urteile vom 23. November 1988 II R 139/87, BFHE 155, 29, BStBl II 1989, 182, unter 1. b., m.w.N., und vom 28. Januar 2004 I R 56/02, BFH/NV 2004, 917, unter II. 3.; HHR-Stapperfend, § 1 EStG Anm. 62).

b) Nach diesen Maßstäben hatte der Kl in den Streitjahren im Inland eine Wohnung inne. Bei der angemieteten Zwei-Zimmer-Wohnung in ... handelte es sich um Räumlichkeiten, die zum Wohnen geeignet und auch entsprechend eingerichtet waren. Der Kl hat diese Wohnung auch innegehabt, weil er über sie als Mieter tatsächlich verfügen konnte (vgl. hierzu BFH-Urteil in BFHE 155, 29, BStBl II 1989, 182, unter 1. b. aa.; Heinicke in Schmidt, EStG, 27. Aufl., § 1 Rz. 22). Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht weiter streitig.

c) Entgegen der Auffassung des Kl lagen bei Berücksichtigung aller Gegebenheiten des Streitfalls auch hinreichende objektive Begleitumstände vor, die in den Streitjahren den Rückschluss darauf zuließen, dass der Kl die innegehabte Wohnung weiterhin beibehalten und auch zukünftig als solche nutzen würde.

aa) Nach Überzeugung des erkennenden Senats dienten die angemieteten Räumlichkeiten dem Kl dadurch als Bleibe, dass er sie zumindest mit einer gewissen Regelmäßigkeit und Gewohnheit als eigene Wohnung zu Wohnzwecken benutzte.

Dafür sprachen zunächst die Ausstattung der Wohnung mit allen für einen dauerhaften Aufenthalt erforderlichen Schlaf- und Schrankmöbeln, mit einer vollständigen Einbauküche, mit dem für die eigenen Bedürfnisse und auch für das Bewirten von Gästen erforderlichen Geschirr, mit einer Esstischgruppe, mit den in der Vergangenheit erworbenen Büchern des Kl und mit den gängigen Medien der Unterhaltungselektronik wie Fernseher und Stereoanlage. Daneben hielt der Kl in der Wohnung in den Streitjahren auch in den Zeiten seiner Abwesenheit dauerhaft einen Festnetz-Telefonanschluss vor. Hinzu trat, dass der Kl die solchermaßen eingerichteten Räumlichkeiten in den Streitjahren auch tatsächlich immer wieder zu wochenlangen Aufenthalten aufgesucht und sie dabei zu Wohnzwecken tatsächlich genutzt hat und auch weiterhin nutzt. Dass die angemietete Wohnung auch in den Augen des Kl selbst als seine Bleibe diente und von ihm als sein eigener, persönlicher Lebensbereich angesehen wurde, erhellt schließlich auch aus dem Umstand, dass der Kl im Erörterungstermin vor dem Berichterstatter des Senats wiederholt die Äußerung fallen gelassen hat, dass er dort "zu Hause" gewesen sei.

bb) Des weiteren spricht es auch nach der Lebenserfahrung für die Beibehaltung eines Wohnsitzes i. S. des § 8 AO, wenn jemand - wie der Kl - eine Wohnung, die er vor und nach einem Auslandsaufenthalt als einzige ständig nutzt, während des Aufenthalts im Ausland unverändert und in einem ständig nutzungsbereiten Zustand beibehält (BFH-Urteile vom 17. Mai 1995 I R 8/94, BFHE 178, 294, BStBl II 1996, 2, unter II. 1., und in BFHE 182, 296 , BStBl II 1997, 447, unter II. 4. a.; HHR-Stapperfend, § 1 EStG Anm. 70). Dies gilt dann um so mehr, wenn - wie geschehen - die Wohnung jährlich mit einer gewissen Regelmäßigkeit für eine Dauer von jeweils acht bis zehn Wochen genutzt wird.

Zwar in die Betrachtung einzubeziehen, aber von (nach dem BFH-Urteil in BFHE 182, 296, BStBl II 1997, 447) nicht für sich schon ausschlaggebender Bedeutung ist demgegenüber der Umstand, ob der Steuerpflichtige eine solchermaßen beibehaltene Wohnung mit hoher Wahrscheinlichkeit auch nach letztmaliger Beendigung seiner Auslandsaufenthalte wieder ständig nutzen wird. Aus diesem Grunde kommt es nicht entscheidend darauf an, dass das Beschäftigungsverhältnis zwischen dem Kl und der amerikanischen Reederei nach wie vor unverändert fortbesteht und auch nicht abzusehen ist, ob der Kl in Zukunft jemals wieder eine berufliche Betätigung an Land in Erwägung ziehen wird. Es mag deshalb zwar sein, dass der Kl in die Wohnung künftig nicht mehr aus Anlass einer festen Beschäftigungsaufnahme in ... oder Umgebung dauerhaft zurückkehren wird. Indessen ist eine solche Entwicklung der Dinge - wie die zwischenzeitliche Tätigkeit des Kl in dem Restaurant "..." im Jahre 2002 zeigt - derzeit auch nicht zwingend ausgeschlossen.

cc) Nur untergeordnete Bedeutung kommt daneben der Frage zu, ob der Kl am Ort der ... Wohnung den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen hatte (BFH-Urteil in BFH/NV 2001, 1402, unter II. 2.) oder ob er dort zumindest über intensive persönliche Beziehungen verfügte. Nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben des Kl verfügte er zwar in ... und Umgebung weder über Verwandte noch über einen nennenswerten Freundes- und Bekanntenkreis. Auch stammte er nicht aus der Gegend, sondern aus den neuen Bundesländern, wo auch seine Eltern weiterhin wohnhaft waren. Umgekehrt gab es jedoch auch keinen anderen vergleichbaren örtlichen Bezugspunkt in der Lebensführung des Kl. Einen dauerhaften Mittelpunkt der Lebensführung an Bord eines der Kreuzfahrtschiffe konnte der Kl schon deshalb nicht begründen, weil er die Schiffe, auf denen er eingesetzt werden sollte, auf Betreiben der ihn beschäftigenden Reederei regelmäßig nach Ablauf von etwa zwei Monaten wieder verlassen und anschließend auf einem anderen Schwesterschiff der gleichen Reederei anheuern musste und weil sich ein fester, zusammenhängender Bekanntenkreis an Bord eines bestimmten Schiffes infolgedessen nicht bilden konnte.

d) Wie der BFH in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, ist es für die Aufrechterhaltung eines Wohnsitzes nicht erforderlich, dass sich der Steuerpflichtige dort während einer Mindestzahl von Tagen oder Wochen im Jahr tatsächlich aufhält oder von dort aus seiner Arbeit nachgeht (BFH-Urteile in BFHE 182, 296 , BStBl II 1997, 447, unter II. 3., in BFH/NV 2004, 917 , unter II. 3. b., und in BFH/NV 2007, 1893, unter II. 1. c). Geklärt ist zudem, dass eine nicht durchgängig bewohnte Wohnung im Inland auch dann beibehalten wird, wenn sie nicht in gleichbleibenden Zeitabständen, sondern durch zeitlich unregelmäßige Aufenthalte genutzt wird (BFH-Entscheidungen vom 29. August 1996 I B 12-13/96, BFH/NV 1997, 96, vom 27. September 19999 I B 83/98, BFH/NV 2000, 673, unter II. 1. b., und in BFH/NV 2004, 917 , unter II. 3. b.). Darauf, dass der Kl in den Streitjahren über drei Viertel seiner Zeit auf See verbracht hat, kommt es daher nicht an.

e) Zu Unrecht hält der Kl einen inländischen Wohnsitz in der ... Wohnung unter Hinweis darauf nicht für gegeben, dass er sich dort stets nur "zu Erholungszwecken" während seiner jeweils etwa zwei Monate umfassenden Landgänge aufgehalten habe.

aa) Zwar trifft der Einwand zu, dass der BFH in einer Reihe von Entscheidungen, auf die sich der Kl beruft, aus einer jährlichen Aufenthaltsdauer von fünf bis sechs Wochen in Räumlichkeiten, in denen die dortigen Kläger nur während unregelmäßig aufeinanderfolgender kurzer Zeiträume zu Erholungszwecken verweilt hatten, auf deren Charakter als Ferienobjekte geschlossen hat (BFH-Urteile vom 24. April 1964 VI 236/62 U, BFHE 79, 626, BStBl III 1964, 462, vom 4. Juni 1964 IV 29/64 U, BFHE 80, 169, BStBl III 1964, 535, und vom 6. März 1968 I 38/65, BFHE 92, 5, BStBl II 1968, 439). Indessen betrafen diese Entscheidungen jeweils die Errichtung von "Ferienhäusern" in der Oberpfalz, in Oberbayern oder im Schwarzwald als "Zweitwohnungen", und zwar in der Zeit der Teilung Deutschlands und durch Steuerpflichtige, die zugleich eine dauerhafte Wohnung im Westteil Berlins innehatten. Für diese Fälle hat der BFH für Recht erkannt, dass die genannten Nebenwohnungen im damaligen Bundesgebiet einem "ausschließlichen Wohnsitz" des Steuerpflichtigen in Berlin (West) nicht entgegenstanden, wie er für bestimmte Steuerermäßigungen nach § 1 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in der Fassung vom 21. Dezember 1954, des Körperschaftsteuergesetzes vom 21. Dezember 1954 und des Gesetzes zur Erhebung einer Abgabe "Notopfer Berlin" (Berliner Steuerpräferenzgesetz - StPräfG -) vom 4. Juli 1955 (BGBl. I 1955, 384, BStBl I 1955, 245) erforderlich war. Der Rückschluss des Kl von der Inanspruchnahme seiner ... Wohnung zu - wie er meint - Erholungszwecken auf den fehlenden Wohnsitzcharakter ist jedoch dann nicht mehr möglich, wenn - wie im Streitfall - eine Wohnung unverändert beibehalten wird, die vor und nach einem Auslandsaufenthalt des Steuerpflichtigen dessen einzigen Wohnsitz bildet (BFH-Urteil in BFHE 182, 296, BStBl II 1997, 447, unter II. 5. a.).

bb) Dadurch unterscheidet sich der Streitfall auch von dem Sachverhalt, der der Entscheidung des BFH vom 22. April 1994 III R 22/92 (BFHE 174, 523, BStBl II 1994, 887, unter 1. b.) zugrunde gelegen hat.

Denn dort stand fest, dass ein minderjähriges Kind für mehrere Jahre zum Besuch der Schule bei Verwandten im Heimatland der Eltern untergebracht war. Aufgrund der damit einhergehenden Verwurzelung im Ausland und der gleichzeitigen Einschränkung der bisherigen familiären Wohn- und Lebensgemeinschaft mit den Eltern war es nach Ansicht des BFH ausgeschlossen, weiterhin davon auszugehen, dass das Kind bei den Eltern im Inland eine Wohnung unter Umständen innehatte, die darauf hingewiesen hätten, dass die Wohnung beibehalten und als solche genutzt werden sollte und das Kind deshalb dort über einen dauerhaften Wohnsitz verfügte. Damit hatte das dortige minderjährige Kind - anders als hier der Kl - zum einen jedenfalls einen dauerhaften Wohnsitz bei den Verwandten im Ausland inne. Zum anderen bestand eine vergleichbare Entfremdung des Kl von seiner ... Wohnung nicht, über die der Kl zum dritten - anders als ein minderjähriges Kind im Verhältnis zu seinen Eltern - auch noch allein und unbeschränkt verfügungsberechtigt war. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des 12. Senats des Finanzgerichts (FG) Baden-Württemberg vom 18. Dezember 1991 12 K 270/90 (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1992, 238), auf das der Kl sich beruft.

cc) Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass der Kl sich in den Räumlichkeiten in den Streitjahren auch nicht lediglich besuchsweise (vgl. dazu Buciek in Beermann/Gosch, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 8 AO Rz. 27) aufgehalten hat, zumal sie für ihn als Seemann den einzigen dauerhaft angelegten örtlichen Bezugspunkt seiner Lebensführung bildeten (vgl. dazu Urteile des FG Bremen vom 27. Juli 1989 II 246/85 K, EFG 1990, 93, und des Niedersächsischen FG vom 23. Juli 1992 XI 187/88, EFG 1993, 135). Dass dieser Bezug nicht besonders intensiver Natur gewesen sein mag, ist bei der Natur der ausgeübten Berufstätigkeit des Kl nicht gänzlich ungewöhnlich und daneben auch ohne Belang. Um eine typische Geschäfts-, Ferien- oder Freizeitwohnung handelte es sich bei der Mietwohnung in ... jedenfalls nicht.

2. Da der Kl mithin in den Streitjahren unbeschränkt einkommensteuerpflichtig war, unterlag das von ihm erzielte sog. Welteinkommen der deutschen Besteuerung (vgl. zum Welteinkommensprinzip z.B. HHR-Stapperfend, § 1 EStG Anm. 88).

Die von der amerikanischen Reederei gezahlte Gegenleistung für die Tätigkeit des Kl auf den unter der Flagge der Bermudas fahrenden Kreuzfahrtschiffen war auch nicht aufgrund eines geltenden Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung in Deutschland steuerfrei.

a) Ein derartiges Abkommen besteht zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Bermudas nicht (vgl. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen - BMF - vom 25. Januar 2008 IV B 5 - S 1301/07/0013, BStBl I 2008, 310, zum Stand der Doppelbesteuerungsabkommen). Die Bermudas fallen als Überseegebiet des Vereinigten Königreichs auch nicht unter den territorialen Anwendungsbereich des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung (DBA-Großbritannien) vom 26. November 1964 (BGBl. II 1966, 358, BStBl I 1966, 729) i.d.F. des Revisionsprotokolls vom 23. März 1970 (BGBl. II 1971, 46, BStBl I 1971, 139). Die vom Kl bezogenen Vergütungen fielen nicht unter Art. XI Abs. 2 Satz 2 DBA-Großbritannien, da die Arbeit an Bord der Kreuzfahrtschiffe nicht im Gebiet des Vereinigten Königreichs i. S. des Art. II Abs. 1 Buchst. c DBA-Großbritannien ausgeübt worden ist. Denn der im Abkommen verwendete Ausdruck "Vereinigtes Königreich" umfasst lediglich das Territorium Großbritanniens und Nordirlands unter Ausschluss der Überseegebiete (vgl. Art. II Abs. 1 Buchst. a DBA-Großbritannien).

b) Die Einkünfte waren auch nicht nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und einiger anderer Steuern (DBA-USA) vom 29. August 1989 (BGBl. II 1991, 354, BStBl I 1991, 94) in der in den Streitjahren geltenden Fassung (a.F.) von der Besteuerung in Deutschland auszunehmen.

Zwar war der Kl aufgrund seines Wohnsitzes in ... in Deutschland ansässig (Art. 4 Abs. 1 DBA-USA). Da der Kl seine Tätigkeit an Bord der Kreuzfahrtschiffe indessen nicht in den USA, sondern auf dem Territorium der Bermudas ausgeübt hat, konnten die bezogenen Vergütungen aus unselbständiger Arbeit gemäß Art. 15 Abs. 1 Satz 1 DBA-USA nur im Ansässigkeitsstaat Deutschland besteuert werden. Art. 15 Abs. 3 DBA-USA enthält keine abweichende Regelung, sondern weist die Besteuerung von Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person für unselbständige Arbeit als Mitglied der regulären Besatzung eines Seeschiffes bezieht, das im internationalen Verkehr betrieben wird, gleichfalls dem Ansässigkeitsstaat zu. Das Urteil des BFH vom 5. September 2001 I R 55/00 (BFH/NV 2002, 478), auf das der Kl sich beruft, ist zu dem anderslautenden Art. 15 Abs. 3 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Zypern zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA-Zypern) vom 9. Mai 1974 (BGBl. II 1977, 488, BStBl I 1977, 1204) ergangen und daher für den Streitfall nicht einschlägig.

3. Die vom Kl bezogenen Gehälter für seine Tätigkeit an Bord der Kreuzfahrtschiffe unterlagen als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG der deutschen ESt.

a) An der Eigenschaft des Kl als Arbeitnehmer der amerikanischen Reederei bestehen, da er zu ihr in einem Dienstverhältnis stand und in die Betriebsabläufe an Bord in weisungsgebundener Stellung eingegliedert war (vgl. dazu Drenseck in Schmidt, a.a.O., § 19 Rz. 5), keine Zweifel. Einen Grundsatz, dass nur solche Gehaltszahlungen steuerbar oder steuerpflichtig seien, die von einem in Deutschland ansässigen Arbeitgeber oder von - wie der Kl meint - einem "ausländischen Arbeitgeber mit Deutschlandbezug" herrührten, kennt das deutsche ESt-Recht nicht (Umkehrschluss aus § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 EStG, wonach eine Eingrenzung auf inländische Einkünfte nur für Zeiten der beschränkten ESt-Pflicht besteht; Thürmer in Blümich, Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer, § 19 EStG Rz. 265, m.w.N.). Der Umstand, dass es sich bei der Reederei ... nicht um einen inländischen Arbeitgeber handelte, gewinnt nur für die Nichtanwendbarkeit der Vorschriften über das Lohnsteuerabzugsverfahren gemäß § 38 Abs. 1 EStG Bedeutung und ändert an der ESt-Pflichtigkeit der Einkünfte als solcher nichts.

b) Der Bekl war auch nicht aufgrund des ihn bindenden BMF-Schreibens vom 31. Oktober 1983 IV B 6 -S 2293- 50/83 (BStBl I 1983, 470, sog. Auslandstätigkeitserlass) verpflichtet, von der Besteuerung des vom Kl erzielten Arbeitslohns abzusehen. Zum einen war der Kl - wie dargelegt - nicht für einen inländischen Arbeitgeber tätig. Ungeachtet dessen zählt die Tätigkeit des Bordpersonals auf Seeschiffen auch nicht zum Kreis der dort von der Finanzverwaltung begünstigten Tätigkeiten.

4. Einwendungen gegen die Höhe der geschätzten Tätigkeitsvergütungen hat der Kl nicht erhoben.

Die Schätzung des Bekl, der Kl habe in den Streitjahren einen Bruttoarbeitslohn von je 30.000 EUR bezogen, erscheint in Anbetracht des Umstands, dass dem Kl nach Ablauf der Streitjahre mit Vertrag vom 7. September 2006 ein monatliches Gehalt von 5.250 US-$ zugesagt worden ist, jedenfalls nicht zu hoch gegriffen. Da die angefochtenen ESt-Bescheide nach wie vor unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehen, können sie im Übrigen nicht nur zu Ungunsten, sondern auch zu Gunsten des Kl bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist jederzeit geändert werden (§ 164 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 AO), sofern der Kl dem Bekl noch ein niedrigeres zu versteuerndes Einkommen nachweist.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

6. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 115 Abs. 2 FGO), sind nicht ersichtlich. Die dem Streitfall zugrunde liegenden Rechtsfragen sind durch die ständige Rechtsprechung des BFH, der der erkennende Senat folgt, hinreichend geklärt.



Ende der Entscheidung

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