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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 18.03.2009
Aktenzeichen: 4 K 91/07
Rechtsgebiete: AO, FVG


Vorschriften:

AO § 10
AO § 18 Abs. 1
AO § 19 Abs. 1
AO § 21 Abs. 1
AO § 22 Abs. 1
AO § 26
AO § 27
AO § 119 Abs. 1
AO § 127
AO § 195
FVG § 17 Abs. 2
Zu den Voraussetzungen eines Familienwohnsitzes i.S.d. § 19 Abs. 1 AO;

Steht der Grundsatz von Treu und Glauben dem Einwand der Unzuständigkeit des Finanzamts zum Erlass einer Prüfungsanordnung entgegen, wenn die Steuerpflichtigen jahrelang ihre ESt-Erklärungen unter Angabe eines weiteren Wohnsitzes beim örtlich unzuständigen Finanzamt eingereicht haben?


Tatbestand:

Streitig sind die Rechtmäßigkeit einer Prüfungsanordnung (PA) sowie der Bestimmung des Prüfungsbeginns.

Seit dem Jahr 2002 führt der Beklagte (Bekl) bei den Klägern (Kl) eine Außenprüfung (AP) für die Jahre 1996 bis 2000 durch. Diese Prüfung ist noch nicht abgeschlossen. Nach Aktenlage verfügte er am 30. Oktober 2006 den Erlass einer PA, wonach für die Jahre 2001 bis 2004 die Einkommensteuer einschließlich gesonderter Feststellungen, die Gewerbesteuer und die Umsatzsteuer geprüft werden sollten. Als voraussichtlicher Beginn der Prüfung war der 11. Dezember 2006, 8:00 Uhr, angegeben. Als Prüfer waren die Betriebsprüfer A und B sowie der EDV-Fachprüfer C und der Auslandsfachprüfer der Oberfinanzdirektion D vorgesehen. Nachdem der Prozessbevollmächtigte der Kl auf telefonische Nachfrage des Bekl vom 7. Dezember 2006 erklärt hatte, eine PA vom 30. Oktober 2006 sei den Kl nicht zugegangen, erließ der Bekl am 11. Dezember 2006 eine PA über dieselben Prüfungsgegenstände und Besteuerungszeiträume wie in der PA vom 30. Oktober 2006 und bestimmte den voraussichtlichen Prüfungsbeginn auf den 18. Dezember 2006, 8.30 Uhr. Die PA enthielt den folgenden Zusatz:

"Diese Prüfungsanordnung ersetzt die Prüfungsanordnung vom 30.10.2006. Da seitens Ihres steuerlichen Beraters, Herrn G , am 7.12.2006 auf Nachfrage telefonisch vorgetragen wurde, dass die Prüfungsanordnung vom 30.10.2006 nicht zugegangen sei, ist eine erneute angemessene Bekanntgabefrist im Sinne von § 5 Abs. 4 BpO in Verbindung mit § 197 Abs. 1 Satz 1 AO nicht erforderlich. Die Kanzlei der Betriebsprüfungshauptstelle des Finanzamts Y hat das ordnungsgemäße Absenden der oben genannten Prüfungsanordnung vom 30. Oktober 2006 entsprechend dokumentiert."

Als vorgesehene Prüfer wurden die selben Personen genannt wie in der PA vom 30. Oktober 2006. Die PA vom 11. Dezember 2006 wurde am gleichen Tag der Sekretärin der Firmengruppe X persönlich übergeben.

Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 15. Dezember 2006 legten die Kl "Einspruch gegen die Prüfungsanordnung vom 11. Dezember 2006" ein. Zur Begründung ließen sie unter Bezugnahme auf die Ausführungen im Einspruchsverfahren der X-GmbH u. Co. KG im Wesentlichen vortragen, der Bekl habe sein Ermessen in Bezug auf die Bekanntgabefrist fehlerhaft ausgeübt. Außerdem teilte der Prozessbevollmächtigte mit, dass den Prüfern am 18. Dezember 2006 der Zugang zu den Geschäftsräumen verwehrt werde, falls sie versuchen sollten, mit Prüfungshandlungen zu beginnen. Zugleich beantragten die Kl, die Vollziehung der PA vom 11. Dezember 2006 auszusetzen. Mit Schreiben vom 18. Dezember 2006 wies der Bekl den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) als unbegründet zurück. Mit einem weiteren Schreiben vom 18. Dezember 2006 forderte der Bekl die Kl auf, bis 20. Dezember 2006, 9.00 Uhr, im Einzelnen bezeichnete Unterlagen zur Durchführung der Betriebsprüfung vorzulegen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben des Bekl vom 18. Dezember 2006 Bezug genommen. Mit Schreiben vom 20. Dezember 2006 stellten die Betriebsprüfer die von ihnen so bezeichnete "Prüferanfrage Nr. 2", die sie am gleichen Tag in den Briefkasten der Kl einwarfen und mit der sie verschiedene Sachverhaltsfragen stellten sowie die Vorlage verschiedener Unterlagen verlangten. Bezüglich der Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 20. Dezember 2006 verwiesen.

Mit Einspruchsentscheidung vom 14. März 2007 wies der Bekl den Einspruch der Kl als unbegründet zurück. Auf die Gründe der Einspruchsentscheidung wird Bezug genommen.

Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 3. April 2007 erhoben die Kl Klage. Zur Begründung lassen sie im Wesentlichen vortragen, der Bekl sei gemäß § 19 Abs. 1 AO für den Erlass der PA örtlich nicht zuständig gewesen, da sie ihren Wohnsitz und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in P, .....123, hätten. Der Kl habe einen mehrfachen Wohnsitz und lebe von seiner Ehefrau nicht dauernd getrennt. Entscheidend für die Frage der örtlichen Zuständigkeit des Finanzamts sei somit allein der Wohnsitz, an dem sich die Familie vorwiegend aufhalte. Die Betriebsprüfungsstelle des Bekl habe mit Fax vom 5. April 2007 an die steuerlichen Berater der Kl - vorgelegt als Anlage 2 zum Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten vom 10. März 2008 - bestätigt, dass der Kl seinen Hauptwohnsitz in P habe und die Wohnung in der ... in Y lediglich zusätzlich nutze. In diesem Zusammenhang seien die Voraussetzungen für eine steuerlich anzuerkennende doppelte Haushaltsführung von der Betriebsprüfungsstelle bezüglich des Prüfungszeitraums 1996 bis 2000 anerkannt worden. Insbesondere seien vom Bekl für Fahrten zwischen dem Familienwohnsitz in P und der Betriebsstätte in Y, also zwischen Wohnung und Betriebsstätte, gemäß § 4 Abs. 5 Einkommensteuergesetz (EStG) alter Fassung außerbilanzielle Zurechnungen vorgenommen worden. Damit sei nachgewiesen, dass die Betriebsprüfungsstelle ebenfalls der Auffassung sei, dass sich der gewöhnliche Aufenthalt der Familie X in P befinde. Die Argumentation des Bekl, der Kl habe in einem Interview anlässlich seines 70. Geburtstages gegenüber der Y .. (...), das in der Ausgabe vom. November 2007 veröffentlicht worden sei, offenbart, dass er sich 100 Tage im Jahr in Y aufhalte, greife nicht durch. Der Bekl verkenne dabei, dass im selben Satz des Zeitungsartikels auch zu lesen sei, dass der Kl sich weitere 100 Tage im Jahr in P aufhalte. Der Zeitungsartikel beweise somit gerade nicht, dass sich der Kl vorwiegend in Y aufhalte. Im Übrigen komme es auch nicht darauf an, wo sich der Kl überwiegend aufhalte, sondern wo sich der Familienwohnsitz befinde. Es mute schon seltsam an, dass vom Bekl ein Artikel der ... aus dem Jahre 2007 zitiert werde, obwohl ihm der vollständige Kalender des Kl für den Zeitraum der noch laufenden Betriebsprüfung (BP) 1995 bis 2000 vorliege und der Bekl daher weit genauere Daten über die Aufenthaltsorte des Kl habe, als sich aus einem Artikel in einer Tageszeitung ergeben könnten. Auch die Argumentation des Bekl in seinem Schriftsatz vom 23. November 2007, der Kl habe sich gegenüber der Betriebsprüfungsstelle hinsichtlich der Feststellung des Eigenverbrauchs bei der Nutzung von Hotelanlagen dahingehend eingelassen, dass er sich nur an etwa 35 Tagen im Jahr in P aufhalte, überzeuge nicht. Unterstellt, dies wäre zutreffend, wäre diese Tatsache jedoch für die Frage der örtlichen Zuständigkeit des Bekl zum Erlass der PA vom 11. Dezember 2006 unerheblich, da - wie ausgeführt - der Wohnsitz maßgebend sei, an dem sich die Familie vorwiegend aufhalte. Örtlich zuständig für die Besteuerung der Kl sei somit das Finanzamt Q. Ebenfalls nicht zutreffend sei die Argumentation des Bekl, seine örtliche Zuständigkeit für den Erlass der PA ergebe sich aus der Verordnung des Finanzministeriums zur Änderung der Finanzämter-Zuständigkeitsverordnung vom 8. Dezember 2005, Nr. 21b, da der Kl als alleiniger Kommanditist der X-GmbH & Co.KG mit Sitz in der ... in Y aus dieser Beteiligung Einkünfte als Mitunternehmer einer Personengesellschaft gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG und außerdem Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG erziele. Inwiefern sich hieraus die örtliche Zuständigkeit des Bekl ergeben solle, sei nicht nachvollziehbar. Der Kl sei nicht Inhaber eines Einzelunternehmens, sondern lediglich Kommanditist der X-GmbH & Co.KG. Als Kommanditist sei er lediglich an der Personengesellschaft beteiligt und hafte gemäß § 171 Abs. 1 Handelsgesetzbuch (HGB) den Gläubigern, soweit die Einlage geleistet sei, nicht. Der Kl habe also kein Einzelunternehmen, das ein zur Z Firmengruppe gehörendes oder sonstiges zusammenhängendes Unternehmen i.S.d. § 18 Betriebsprüfungsordnung (BpO) sein könnte. Ansonsten hätte der Bekl für dieses Unternehmen eine selbständige PA erlassen müssen. Dies sei jedoch nicht erfolgt. Sollte der Bekl einwenden, die PA gegenüber den Kl beziehe sich auf ein Einzelunternehmen des Kl, wäre die PA gegenüber den Kl aufgrund Nennung der falschen Adressaten und wegen mangelnder Bestimmtheit gemäß § 125 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) nichtig. Außerdem habe das Finanzamt Q den Kl mitgeteilt, dass sie dort unter der Steuernummer geführt würden. Seit Erlass der streitgegenständlichen PA vom 11. Dezember 2006 habe sich der gewöhnliche Aufenthalt des Kl nicht geändert. Das Finanzamt Q teile daher die Ansicht der Klägerseite, dass es für die Kl örtlich zuständig sei.

Entgegen der Darstellung des Bekl habe die Klägerseite nicht vorgetragen, der Kl habe sich in den Jahren 1996 bis 2000 an etwa 100 Tagen jährlich in P aufgehalten. Die Prozessbevollmächtigten hätten lediglich mit Schriftsatz vom 11. Juli 2008 darauf hingewiesen, dass im selben Satz des Berichts aus der ... vom. November 2007, den der Bekl als Nachweis dafür anführe, dass sich der Kl 100 Tage im Jahr in Y aufhalte, zu lesen sei, dass er sich weitere 100 Tage im Jahr in P aufhalte. Ferner sei klarzustellen, dass aus einem Zeitungsbericht aus dem Jahr 2007 keine Rückschlüsse auf die Jahre 1996 bis 2000 gezogen werden könnten. Entgegen der Ansicht des Bekl ergebe sich die Zulässigkeit der angefochtenen PA auch nicht aus § 194 Abs. 2 AO. Unterstellt, § 194 Abs. 2 AO wäre anwendbar, wäre bei einer Abweichung von Betriebsstätten- und Wohnsitzfinanzamt ein Prüfungsauftrag des Wohnsitzfinanzamts an das Betriebsstättenfinanzamt gemäß § 195 Satz 2 AO notwendig gewesen. Ein solcher Auftrag des Finanzamts Q als Wohnsitzfinanzamt liege jedoch nicht vor. Der Familienwohnsitz der Familie X sei der Finanzverwaltung mindestens seit der Anordnung der vorangegangenen AP im Jahr 2001 bekannt, da sie gegenüber der Klägerin (Klin) bereits am 22. Oktober 2001 eine PA für eine gesonderte Gewinnfeststellung erlassen habe. Gemäß § 26 AO hätte der Bekl daher bei Bekanntwerden des Wechsels der Zuständigkeit diesen durchführen müssen. Die Fortführung des Verwaltungsverfahrens durch die unzuständige Behörde, also den Bekl, komme nicht in Betracht, da das Verwaltungsverfahren "Betriebsprüfung" vom Bekl schon nicht hätte begonnen werden dürfen. Das Argument des Bekl, die Durchführung der AP sei aufgrund § 26 Satz 2 AO zulässig, gehe ebenfalls fehl. Nach dieser Vorschrift könne die bisher zuständige Finanzbehörde ein Verwaltungsverfahren fortführen, wenn dies unter Wahrung der Interessen der Beteiligten der einfachen und zweckmäßigen Durchführung des Verfahrens diene und die nunmehr zuständige Finanzbehörde zustimme. Diese Voraussetzungen lägen indes nicht vor. Es sei nicht ersichtlich, weshalb die Prüfung der Kl mit Wohnsitz in P durch den Bekl unter Wahrung der Interessen der Beteiligten der einfachen und zweckmäßigen Durchführung des Verfahrens dienen solle. Gründe hierfür habe der Bekl auch nicht vorgetragen. Auch die zweite Tatbestandsvoraussetzung des § 26 Satz 2 AO, wonach die an sich zuständig gewordene Behörde benachrichtigt werden und zustimmen müsse, sei nicht erfüllt. Die bisher zuständige Finanzbehörde müsse die Zustimmung unverzüglich herbeiführen, und zwar vor der Amtshandlung, für die sie an sich nicht mehr zuständig sei. Dem Bekl sei schon vor Erlass der PA vom 11. Dezember 2006 bekannt gewesen, dass sich der Familienwohnsitz der Familie X in P befinde, da der Bekl schon am 22. Oktober 2001 gegenüber der Klin eine PA über einen Gewinnfeststellungsbescheid erlassen habe. Somit hätte der Bekl bereits vor Erlass der PA im Jahr 2006 die Zustimmung des Finanzamts Q zur Durchführung der AP bei den Kl herbeiführen müssen. Dies habe der Bekl jedoch versäumt. Das Schreiben des Finanzamts Q vom 8. Juni 2007, mit dem es im Falle eines Wechsels der örtlichen Zuständigkeit nach § 26 Satz 2 AO der Durchführung der AP zustimme, sei auch nicht vom Bekl veranlasst worden und betreffe die Prüfung der Veranlagungszeiträume 1996 bis 2000. Das Schreiben sei vielmehr aufgrund des Antrags der Klägerseite vom 9. Mai 2007, die PA des Bekl gegenüber den Kl vom 22. Oktober 2001 für die Veranlagungszeiträume 1996 bis 2000 zurückzunehmen, ergangen. Im Rahmen der vorherigen AP bei der Klin aufgrund der PA vom 22. Oktober 2001 sei die gesonderte Gewinnfeststellung für 1996 bis 1999 geprüft worden. Es lägen indes weder Feststellungserklärungen der Klin noch Feststellungsbescheide gegenüber der Klin vor. Die Klin unterhalte kein Einzelunternehmen. Sie erziele vielmehr Mieteinkünfte aus einem Vermietungsobjekt in M... Die PA über eine gesonderte Feststellung mache dann Sinn, wenn die BP überprüfen wolle, ob die Vermietungseinkünfte gewerblich seien. Als Anlage 2 zum Schriftsatz vom 9. März 2009 legten die Klägervertreter den Bericht über eine Vor-BP bei den Kl vom 21. August 1998 vor und verwiesen darauf, dass dort auf Seite 6 ausgeführt werde, dass es sich beim Objekt .....123 um das der Klin gehörende und von beiden Kl bewohnte Einfamilienhaus handle. Damit stehe fest, dass der Bekl bereits im Jahr 1998 gewusst habe, dass beide Eheleute in P wohnten.

Eine Zuständigkeitsvereinbarung nach § 27 AO liege schon deswegen nicht vor, weil hierfür die Zustimmung der Kl erforderlich gewesen wäre und diese aber nicht vorliege.

Die Kl rügen außerdem die Verletzung der vierwöchigen Bekanntgabefrist nach § 5 Abs. 4 BpO. Ausweislich der Einspruchsentscheidung gehe der Bekl wie die Kl davon aus, dass die Z-Firmengruppe ein Großbetrieb im Sinne des § 5 Abs. 4 BpO sei. Gemäß § 5 Abs. 4 BpO hätte der Beginn der AP erst vier Wochen nach Erlass der PA und somit frühestens zum 8. Januar 2007 angeordnet werden dürfen. Da der Bekl beabsichtigt habe, auch die Prüfung der Einkommensteuer sowie der Gewerbe- und Umsatzsteuer der Kl in den Geschäftsräumen der Z-Firmengruppe durchzuführen, gelte die vierwöchige Bekanntgabefrist auch für die AP bei den Kl. Der Bekl habe stattdessen eine Bekanntgabefrist von einer Woche für angemessen gehalten und den Beginn der Prüfung zum 18. Dezember 2006 angeordnet. Auch wenn man davon ausgehe, dass die PA im Streitfall ausschließlich die Kl betreffe und somit möglicherweise eine Bekanntgabefrist von zwei Wochen einschlägig wäre, sei die Vorbereitungsfrist zu kurz bemessen. Denn auch diese Frist sei nicht eingehalten worden. Entgegen der Ansicht des Bekl sei es unbeachtlich, welche Bekanntgabefrist die angebliche PA vom 30. Oktober 2006 vorgesehen habe, da diese weder den Kl noch einem ihrer Empfangsbevollmächtigten zugegangen sei. Gemäß § 122 Abs. 2 AO habe die Behörde im Zweifel den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen. Dies sei dem Bekl indes nicht möglich. Eine Dokumentation des Versands der PA sei kein Nachweis für den Zugang. Mangels Zugangs sei die angeblich vom Bekl versandte PA vom 30. Oktober 2006 nicht gemäß § 122 AO bekanntgegeben worden. Da bei fehlerhafter Bekanntgabe gar kein wirksamer Verwaltungsakt entstehe, gebe es eine PA vom 30. Oktober 2006 gar nicht. Sämtliche Ausführungen des Bekl zur angeblich erlassenen PA vom 30. Oktober 2006 seien daher nicht von Belang. Somit komme es bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der PA und des Beginns der Prüfung ausschließlich auf die PA vom 11. Dezember 2006 an. Diese sei rechtswidrig, da die bei Großbetrieben wie der Z-Firmengruppe einschlägige Bekanntgabefrist von vier Wochen gemäß § 193 AO i.V.m. § 5 Abs. 4 BpO nicht eingehalten worden sei. Der drohende Eintritt der Festsetzungsverjährung rechtfertige die kurze Bekanntgabefrist nicht, da sich die Finanzverwaltung hierauf hätte einstellen können. Ansonsten wäre es der Finanzverwaltung möglich, die Pflicht zur Einhaltung einer angemessenen Bekanntgabefrist durch den Erlass von PA'en kurz vor Ende des Jahres zu umgehen. Da die Finanzverwaltung Kenntnis von den Festsetzungsverjährungsfristen habe, sei es ihr möglich, den Beginn der AP zu einem Zeitpunkt anzuordnen, zu dem die Einhaltung einer angemessenen Bekanntgabefrist auch noch vor dem drohenden Eintritt der Festsetzungsverjährung möglich sei. Dies habe sie bei der Ausübung ihres Ermessens zu berücksichtigen. Die angebliche Ermessensausübung bei der angeblichen PA vom 30. Oktober 2006 sei unerheblich, da diese PA nicht existiere. Dieser Umstand sei dem Bekl beim Erlass der PA vom 11. Dezember 2006 auch bekannt gewesen, weshalb er die vierwöchige Bekanntgabefrist des § 5 Abs. 4 BpO hätte einhalten müssen. Zwar seien die Kl kein Großbetrieb im Sinne der BpO, jedoch sei die PA am gleichen Tag und im Zusammenhang mit den PA'en für die Konzernprüfung der Z-Firmengruppe erlassen worden. Die vierwöchige Bekanntgabefrist sei somit auch gegenüber den Kl einzuhalten gewesen. Selbst wenn gegenüber den Kl die vierwöchige Bekanntgabefrist nicht einzuhalten gewesen wäre, sei die PA gegenüber den Kl dennoch rechtswidrig, denn der Bekl hätte dann zumindest die zweiwöchige Bekanntgabefrist gemäß § 5 Abs. 4 BpO einhalten müssen. Solange die vorhergehende, seit über 4 1/2 Jahren dauernde BP nicht abgeschlossen werde, seien die Anordnung und der Beginn einer erneuten BP auch als unverhältnismäßig anzusehen. Denn die Kl seien bereits durch die 4 1/2 Jahre andauernde BP der Jahre 1996 bis 2000 belastet. Bevor die Prüfung für diesen Zeitraum nicht beendet sei, stelle die Prüfung der Jahre ab 2001 keine angemessene Maßnahme zur Erreichung des Zwecks der Prüfung dar.

Die PA sei auch deshalb rechtswidrig, weil für die Steuerarten und Besteuerungszeiträume, die Gegenstand der PA seien, bereits Festsetzungs- bzw. Feststellungsverjährung eingetreten sei. Entgegen der Ansicht des Bekl sei der Ablauf der Festsetzungs- bzw. Feststellungsfrist auch nicht gemäß § 171 Abs. 4 AO gehemmt worden. Zwar könne die Anfechtung einer PA ebenso wie die AdV einem Antrag auf Prüfungsaufschub gleichstehen, wenn die Festlegung des Prüfungsbeginns rechtmäßig gewesen sei. Diese sei jedoch - wie ausgeführt - rechtswidrig. Auch habe der Bekl mit der AP nicht noch im Jahr 2006 begonnen. Sämtliche Handlungen des Bekl, die auf die Herbeiführung eines Prüfungsbeginns gerichtet gewesen seien, seien entweder rechtswidrig oder als sog. Scheinhandlungen wirkungslos. Mit der Prüfung sei erst dann begonnen, wenn der Prüfer in die sachliche Prüfung in einem Umfang eingetreten sei, der im Verhältnis zur Gesamtheit der zu prüfenden Sachverhalte von Gewicht sei. Scheinhandlungen, die lediglich den Zweck hätten, die Ablaufhemmung herbeizuführen, bedeuteten keinen Beginn der BP. Sie hemmten daher den Ablauf der Festsetzungsfrist nicht. Die Kl hätten sich gegen den Beginn der AP auch durch ein Hausverbot für die Betriebsprüfer A, B, D und C zur Wehr setzen müssen. Denn wenn sich der Steuerpflichtige auf die Prüfung einlasse, obwohl er die Frist nicht für angemessen halte, liege darin der stillschweigende Verzicht auf eine angemessene Frist. Die Geschäftsräume der Z-Firmengruppe seien verfassungsrechtlich durch Art. 13 Grundgesetz (GG) geschützt. Einen Eingriff in dieses Grundrecht aufgrund eines rechtswidrigen Verwaltungsakts müssten die Kl nicht dulden.

Außerdem sei die PA auch deshalb rechtswidrig, weil sie Herrn A als Prüfer benenne, von dessen Befangenheit im Sinne des § 83 AO die Kl, ihre steuerlichen Berater von sowie der Prozessbevollmächtigte überzeugt seien. Zur Begründung legte der Prozessbevollmächtigte als Anlage 6 zur Klagebegründung vom 6. Juni 2007 den von ihm formulierten Befangenheitsantrag gegen die Herren R und A bei, den er am 7. Oktober 2005 im Rahmen einer Besprechung mit dem Vorsteher des Bekl "auf den Tisch gelegt und dabei die Befangenheitsgründe erläutert" habe. Der Prozessbevollmächtigte habe aber letztlich darauf verzichtet, den Befangenheitsantrag förmlich zu stellen, da der Vorsteher sowie sein Vertreter versichert hätten, dass sie "Herrn A in den Griff bekämen". Dies sei jedoch bis heute nicht gelungen. Selbst wenn das Verhalten des Herrn A nicht zur Annahme einer Befangenheit im Sinne des § 83 AO ausreichen würde, wäre seine Benennung als Betriebsprüfer unverhältnismäßig. Denn er sei bereits der Betriebsprüfer der vorangegangenen BP, die schon über fünf Jahre andauere. Allein diese Tatsache zeige, dass zwischen den Kl und Herrn A kein reibungsloser Ablauf einer Folgeprüfung durch Herrn A gewährleistet sei. Eine Folge-BP mit Herrn A sei somit weder das mildeste noch ein geeignetes Mittel, den Zweck der BP zu erreichen.

In der mündlichen Verhandlung beantragten die Kl die Vernehmung der Herren R (Sachgebietsleiter beim Bekl) und A (Betriebsprüfer beim Bekl) als Zeugen zum Beweis der Tatsache, dass sie anlässlich eines Besuches in P-L im Privathaus der Kl im Jahr 2004 die beiden Kinderzimmer besichtigt und sich davon überzeugt hätten, dass beide Kinderzimmer auch noch benutzt würden.

Die Kl beantragen,

1. die PA des Bekl vom 11. Dezember 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. März 2007 aufzuheben,

2. die Rechtswidrigkeit der Bestimmung des Prüfungsbeginns auf den 18. Dezember 2006 in der PA des Bekl vom 11. Dezember 2006 festzustellen,

3. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären, 4. hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Bekl beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Er erwidert, er sei für den Erlass der streitgegenständlichen PA örtlich zuständig gewesen. Die Anordnung der AP bei den Kl sei nach den §§ 13, 18 BpO und § 195 AO im Rahmen der AP bei der Firmengruppe X erfolgt. Das leitende Unternehmen, die X-GmbH & Co.KG, habe seinen Sitz im Zuständigkeitsbereich des Bekl, und die Einkünfte der Kl würden von Angehörigen der Firmengruppe am Verwaltungssitz der Firmengruppe in Y bearbeitet. Obwohl die Prozessbevollmächtigten seit Anfang des Jahres 2005 an der laufenden BP für die Jahre 1996 bis 2000 für die Kl mitwirkten, hätten sie weder die zuständige Veranlagungsstelle des Bekl noch die Betriebsprüfungsstelle informiert. Außerdem habe sich der Kl im Prüfungszeitraum nur an etwa zehn Tagen im Jahr am vermeintlichen Familienwohnsitz in P aufgehalten. Es habe daher keine objektiven Anhaltspunkte gegeben, aus denen sich ein Zuständigkeitswechsel zum Zeitpunkt des Erlasses der streitgegenständlichen PA habe herleiten lassen. Solche objektiven Anhaltspunkte gebe es auch weiterhin nicht. Selbst wenn man unterstelle, dass ein Zuständigkeitswechsel eingetreten wäre, sei die streitgegenständliche PA deshalb nicht rechtswidrig, da der Bekl gemäß § 26 Satz 2 AO das Betriebsprüfungsverfahren fortführen könne. Eine gegebenenfalls erforderliche Zustimmung seitens des möglicherweise neu zuständigen Betriebsprüfungsfinanzamts F würde nachgereicht werden, sobald objektiv ein Zuständigkeitswechsel feststellbar sei. Ferner sei für die Frage nach der örtlichen Zuständigkeit des Bekl von Bedeutung, dass das leitende Unternehmen der Firmengruppe X, die X-GmbH & Co.KG, seinen Sitz und seine Geschäftsleitung im Zuständigkeitsbereich des Bekl habe. Daher sei dieser nach Randziffer 21b der Finanzämter-Zuständigkeitsverordnung vom 8. Dezember 2005, BStBl I 2006, 102, auch für die allgemeine AP (Betriebsprüfung) aller zu dem Unternehmensverbund gehörenden abhängigen Konzernunternehmen der Regierungsbezirke H und I zuständig. Für den Erlass der PA'en sei der Wohnsitz der Kl somit nicht relevant und eine Zuständigkeitsvereinbarung im Sinne des § 27 AO nicht notwendig. Keinesfalls sei dem Bekl bei Erlass der von der Klägerseite benannten PA gegen die Klin für die Jahre 1996 bis 2000 vom 22. Oktober 2001 bekannt gewesen, dass sich der Familienwohnsitz der Familie X nicht in Y befinden solle. Die Anordnung der Prüfung einer gesonderten Gewinnfeststellung bei der Klin sei rein vorsorglich für den Fall erfolgt, dass sie anstatt Einkünften aus Vermietung und Verpachtung solche aus Gewerbebetrieb beziehe und die Frage der Zurechnung von Einkünften zwischen den Kl noch zu klären sei. Im Übrigen gingen selbst die Kl von einem Wohnsitz in Y aus, da ihr Wohnsitz in der Klageschrift mit "...,Y" angegeben sei. Der Bekl bestreitet die Richtigkeit des von den Kl hinsichtlich des Wohnsitzes vorgetragenen Sachverhalts und führt weiter aus, sämtliche bisher beim Bekl eingereichten Steuererklärungen der Kl hätten als Anschrift stets "...,Y" ausgewiesen. Das Gebäude "..." umfasse neben den Geschäftsräumen auch zwei Penthousewohnungen im Dachgeschoss, wovon eine von den Kl bewohnt werde und etwa 190 qm groß sei. In rechtlicher Hinsicht führt der Bekl aus, der Kl sei alleiniger Kommanditist der X-GmbH & Co.KG mit Sitz in der ... in Y, die die Konzernspitze bilde, und erziele aus dieser Beteiligung Einkünfte als Mitunternehmer einer Personengesellschaft. Zum Unternehmensverbund gehöre mit der X-GmbH in Y ein weiterer Großbetrieb im Sinne des § 3 BpO. Die Klin sei die alleinige Kommanditistin des konzernzugehörigen Unternehmens ..Markt Q GmbH & Co. KG. Aufgrund seiner betrieblichen Tätigkeit sei der Kl als Aufsichtsrat und Beirat in verschiedene Unternehmen berufen worden und erziele hieraus Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG. Wegen dieses sachlichen Zusammenhangs der verschiedenen Einkünfte des Kl ergebe sich die örtliche Zuständigkeit für den Erlass einer PA auch aus der Verordnung des Finanzministeriums zur Änderung der Finanzämter- Zuständigkeitsverordnung vom 8. Dezember 2005, Nr. 1b, veröffentlicht im Bundessteuerblatt - BStBl - Teil I 2006, Seite 102. Das Einzelunternehmen des Kl sei nach dieser Regelung in Verbindung mit den §§ 13, 18 BpO in die Prüfung des Unternehmensverbundes einzubeziehen, da in der BpO der Konzernbegriff für die Verwaltung verbindlich geregelt sei. Die gegen die Kl erlassene PA sei auch dann nicht als rechtswidrig anzusehen, wenn unterstellt würde, dass der Bekl für den Erlass der streitigen PA örtlich nicht (mehr) zuständig gewesen sei. Denn das neu zuständige Wohnsitzfinanzamt könnte keine andere PA für die Eheleute erlassen als die vom Bekl erlassene. Insoweit verweist der Bekl auf § 127 AO. Weiter führt der Bekl aus, zwar habe ein Ehegatte, der nicht dauernd getrennt lebe, seinen Wohnsitz grundsätzlich dort, wo seine Familie lebe, jedoch habe der Kl mehrere Wohnsitze im Inland. Nach wie vor sei seitens des Kl nicht widerlegt, dass er sich an seinem Wohnsitz in Y jeweils am längsten im Inland aufhalte. Nach dem Anwendungserlass zur AO (AEAO) Nr. 2 zu § 8 AO könne die Anmeldung bei der Ordnungsbehörde im Allgemeinen als Indiz dafür gesehen werden, dass der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz unter der von ihm angegebenen Anschrift begründet habe. Der Kl sei aber in Y mit Erstwohnsitz gemeldet. Sollte sich der Vortrag der Klägerseite als richtig erweisen, wonach sich der Kl in den Jahren 1996 bis 2000 an etwa 100 Tagen jährlich in P aufgehalten habe, wären die vom Kl im Rahmen früherer Teilschlussbesprechungen gemachten Angaben unrichtig. Die Bemessungsgrundlage für die Besteuerung von Entnahmen und Eigenverbräuchen hinsichtlich diverser Hotelanlagen in P wäre deshalb entsprechend zu berichtigen. Würde man die Einlassungen der Klägerseite unwidersprochen gelten lassen, ergäbe sich die Begründung für die Zulässigkeit der angefochtenen PA aus § 194 Abs. 2 AO, weil nach den gegebenen Verhältnissen die Einbeziehung der steuerlichen Verhältnisse der Gesellschafter zweckmäßig gewesen sei. Es sei für den Bekl nicht nachvollziehbar, aufgrund welcher Umstände es den Kl gelungen sei, das Finanzamt Q von seiner örtlichen Zuständigkeit zu überzeugen. Darüber hinaus dürfte gerichtsbekannt sein, dass Anfragen der Finanzämter untereinander bezüglich einer Aktenübernahme regelmäßig nicht negativ beschieden würden. Insofern handle es sich bei der von der Klägerseite zitierten und dem letzten Schriftsatz beigefügten Anlage um einen rein mechanischen Vorgang im Rahmen einer Aktenübernahme. Im Übrigen spiele dies für die Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen PA keine Rolle, da die Durchführung der Prüfung jedenfalls gemäß § 26 Satz 2 AO zulässig wäre. Auf die im Rahmen der vorausgegangenen BP mit Schreiben vom 8. Juni 2007 gegenüber den Prozessbevollmächtigten der Kl vorsorglich erteilte Zustimmung werde hingewiesen. Festzuhalten bleibe jedoch, dass auch diesem Schreiben des Finanzamts Q keine Bindungswirkung bezüglich der objektiven Umstände der eigenen örtlichen Zuständigkeit entnommen werden könne. Da die Kl ihre Steuererklärungen bis zum Erlass der streitgegenständlichen PA stets unter der Wohnanschrift "...,Y" abgegeben hätten, hätten für den Bekl sowohl aus der Sicht der Veranlagungsstelle als auch aus der Sicht der BP keinerlei objektive Anhaltspunkte dafür bestanden, an der Richtigkeit dieser Angaben der Kl zu zweifeln. Die nach § 26 Satz 1 AO für einen Zuständigkeitswechsel maßgebliche Kenntnis einer der beiden Finanzbehörden von den eine Veränderung begründenden Umständen sei deshalb frühestens nach Erlass der streitigen PA eingetreten. Die Prozessbevollmächtigten hätten diese Problematik erstmals mit Schreiben an das Finanzamt Q vom 9. Mai 2007 thematisiert. Dieses Schreiben habe aber - wie die Klägerseite selbst ausführe - die Prüfungszeiträume 1996 bis 2000 betroffen. Vor diesem Schreiben hätten - soweit bekannt - weder die Prozessbevollmächtigten noch die Kl selbst jemals gegenüber der Veranlagungsstelle eines Finanzamts mitgeteilt, dass sich ihr Familienwohnsitz in P befinde. Die Feststellung der Richtigkeit der Behauptungen der Kl hinsichtlich ihrer Wohnsitzsituation sei Aufgabe der anstehenden neuen AP. Die Teil-Schlussbesprechung im Rahmen der BP für die Jahre 1996 bis 2000 bezüglich einer möglichen doppelten Haushaltsführung des Kl habe am 2. Mai 2007 stattgefunden. Die Frage eines Wechsels in der örtlichen Zuständigkeit für die Einkommensbesteuerung der Kl sei dabei zu keinem Zeitpunkt angesprochen und von der BP auch nicht geprüft worden. Die Anfrage des Senats beim Einwohnermeldeamt Y vom 6. März 2008 habe vielmehr ergeben, dass der Kl seinen Hauptwohnsitz in Y habe. Diese Auskunft böte allenfalls Anlass zu der Frage, ob überhaupt ein gemeinsamer Familienwohnsitz bestehe oder ob der Kl nicht von der Klin dauernd getrennt lebe und der Bekl aus diesem Grund für die Einkommensbesteuerung des Kl zuständig wäre. Entscheidend sei, dass im Zeitpunkt des Erlasses der streitgegenständlichen PA somit keine Umstände vorgelegen hätten, die es erforderlich gemacht hätten, die örtliche Zuständigkeit des Bekl in Frage zu stellen. Ein Prüfungsauftrag durch das Finanzamt Q gemäß § 195 AO sei deshalb nicht erforderlich gewesen. Für den Fall, dass sich die Behauptungen der Kl verifizieren lassen sollten, wäre dies unter dem Gesichtspunkt des § 26 Satz 2 AO für die Rechtmäßigkeit der PA ohnehin Bedeutung.

Auch sei die PA vom 11. Dezember 2006 in der Sache rechtmäßig, da der Bekl sein Ermessen bereits am 30. Oktober 2006 pflichtgemäß ausgeübt habe. Es sei alles Notwendige veranlasst worden, um einen ordnungsgemäßen Zugang der PA auf dem normalen Postweg durch einfachen Brief zu gewährleisten. Unregelmäßigkeiten im Bereich der Postzustellung durch den Anbieter .... seien nicht bekannt geworden. Für den Fall, dass der tatsächliche Zugang der PA rechtlich maßgebend sein sollte, stellte der Bekl mehrere Beweisanträge. Unzutreffend und mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht vereinbar seien die Ausführungen der Kl, eine erneute BP sei so lange unverhältnismäßig, wie die vorhergehende AP nicht abgeschlossen sei. Es sei nicht nachvollziehbar mit welcher rechtlichen Begründung (Gesetz und Rechtsprechung) die Kl diese Behauptung aufstellten. Zu dem von der Klägerseite vorgetragenen Sachverhalt im Hinblick auf die behauptete Befangenheit eines Prüfers und des Sachgebietsleiters werde vom Bekl nicht Stellung genommen, da der Befangenheitsantrag gegenüber dem Bekl bisher nicht wirksam erhoben worden sei und auch die jetzige Vorlage vor Gericht daran nichts ändere. Das Finanzgericht sei hinsichtlich des Befangenheitsantrags sachlich unzuständig. Unabhängig davon seien bisher keine schlüssigen Gründe genannt worden, die eine Besorgnis der Befangenheit der betreffenden Bediensteten begründen würden. Vorsorglich für den Fall, dass der Sachverhalt, der in dem als Anlage 6 zum Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten vom 6. Juni 2007 vorgelegten Befangenheitsantrag vom 16. September 2005 vorgetragen werde, als richtig unterstellt würde, führt der Bekl aus, dass dieser Sachverhalt nach ständiger Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte die Besorgnis der Befangenheit der betroffenen Personen nicht zu begründen vermöge. Unabhängig von der behaupteten Befangenheit werde bemerkt, dass seitens der Kl bisher unter keinem Gesichtspunkt vorgetragen worden sei, warum die angefochtene PA im Hinblick auf die dort ebenfalls benannten Prüfer B, D und C rechtswidrig sein solle. Auch sei durch das Bundesverfassungsgericht und den BFH hinlänglich geklärt, dass es dem Finanzamt, vertreten durch die Beamten der BP, gemäß § 200 Abs. 3 AO im Hinblick auf Art. 13 GG verfassungsrechtlich erlaubt sei, die Geschäftsräume des Steuerpflichtigen während der üblichen Geschäftszeiten aufzusuchen. Die Behauptung eines "Hausverbotsrechts" innerhalb der Anwendung des § 200 Abs. 3 AO sei aus Sicht des Bekl unverständlich.

Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf ihren schriftsätzlichen Vortrag Bezug genommen.

Der Senat hat die Kl in der mündlichen Verhandlung persönlich angehört. Die Angaben der Kl wurden unmittelbar auf Tonträger aufgezeichnet.

Entscheidungsgründe:

1. Die Klage ist zulässig und begründet.

a) Nach der Rechtsprechung des BFH handelt es sich bei einer PA einerseits bzw. der Bestimmung des Beginns einer AP andererseits um jeweils selbständige Verwaltungsakte (vgl. BFH-Urteile vom 18. Dezember 1986 I R 49/83, BFHE 149, 104, BStBl II 1987, 408; vom 18. Oktober 1988 VII R 123/85, BFHE 154, 446, BStBl II 1989, 76 und vom 25. Januar 1989 X R 158/87, BFHE 156, 18, BStBl II 1989, 483; BFH-Beschluss vom 25. September 1987 IV B 60/87, BFH/NV 1989, 13).

b) Die PA vom 11. Dezember 2006 und die Einspruchsentscheidung vom 14. März 2007 sind rechtswidrig und verletzen die Kl in ihren Rechten, denn der Bekl war für den Erlass der PA örtlich nicht zuständig.

Nach § 195 Satz 1 AO werden AP'en von den für die Besteuerung zuständigen Finanzbehörden durchgeführt.

aa) Gemäß § 19 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AO ist für die Besteuerung natürlicher Personen nach dem Einkommen und Vermögen das Finanzamt örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz oder in Ermangelung seines Wohnsitzes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Wohnsitzfinanzamt). Bei mehrfachem Wohnsitz im Geltungsbereich des Gesetzes ist der Wohnsitz maßgebend, an dem sich der Steuerpflichtige vorwiegend aufhält; bei mehrfachem Wohnsitz eines verheirateten Steuerpflichtigen, der von seinem Ehegatten nicht dauernd getrennt lebt, ist der Wohnsitz maßgebend, an dem sich die Familie vorwiegend aufhält.

Familienwohnsitz in dem genannten Sinne ist der Ort, an dem sich die Ehefrau und eventuelle Kinder aufhalten und den die Familie zum Mittelpunkt ihrer persönlichen Lebensführung auserkoren hat. Das Bestehen eines Familienwohnsitzes erfordert jedoch nicht die ständige Anwesenheit des Ehemannes. Es reicht vielmehr aus, wenn er nach einer vorübergehenden, wenn auch längeren Abwesenheit in die Familienwohnung zurückkehren wird ( BFH-Beschluss vom 2. November 1994 I B 110/94, BFH/NV 1995, 753; Schwarz, AO, Kommentar, § 19 Rn. 4; vgl. auch BFH-Urteil vom 3. Dezember 1964 I 364/61, HFR 1965, 268; Sunder-Plassmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, § 19 Rn. 4). Maßgeblich sind dabei die Wohnsitzverhältnisse im Zeitpunkt des Verwaltungshandelns und nicht die Verhältnisse während des jeweiligen Veranlagungszeitraums (vgl. BFH-Urteile vom 15. April 1986 VIII R 325/84, BFHE 147, 101, BStBl II 1987, 195; vom 11. Dezember 1987 III R 228/84, BFHE 152, 27, BStBl II 1988, 230 und vom 22. September 1989 III R 227/84, BFH/NV 1990, 568).

Ausgehend von diesen Grundsätzen, denen der Senat folgt, befand sich der Familienwohnsitz der Kl i.S.d. § 19 Abs. 1 Satz 2 AO seit ihrer Eheschließung am ... 1984 und damit auch zum - maßgeblichen - Zeitpunkt des Erlasses der streitgegenständlichen PA in P, mithin im Zuständigkeitsbereich des Finanzamts Q. Dies ergibt sich aus den nachvollziehbaren und glaubhaften Angaben der Kl im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 18. März 2009 und - ergänzend - aus den Erkenntnissen der Betriebsprüfungsstelle des Bekl, die im BP-Bericht vom 21. August 1998 sowie den den steuerlichen Beratern der Kl am 17. Januar 2005 übergebenen "Prüfernotizen", die die Prozessbevollmächtigten der Kl in der mündlichen Verhandlung zur Gerichtsakte gereicht haben, zum Ausdruck kommen.

Im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung führten die Kl glaubhaft aus, sie bewohnten seit dem Jahr 1982 ein Einfamilienhaus in P, .....123, das sie nach einem von ihnen vorgenommenen Umbau gemeinsam bezogen hätten. Dieses Einfamilienhaus befinde sich hinter dem .........., das von der X-GmbH & Co.KG betrieben werde. Die Klin sei in Q im .... geboren und zur Schule gegangen, habe dort ihre Berufsausbildung absolviert und später im ......... gearbeitet, wo sie auch ihren jetzigen Ehemann - den Kl - kennengelernt habe. Nach einer vorübergehenden Tätigkeit als Flugbegleiterin sei sie, nachdem sie mit dem Kl zusammengezogen sei, in den ......... zurückgekehrt. Da ihre gesamte Familie seit jeher im .... lebe, habe sie - die Klin - von dort nicht wegziehen wollen. Deshalb sei für sie ein Umzug nach Y, wohin sie keinen Bezug habe, nie ein Thema gewesen. Sie sei deshalb stets in P ansässig gewesen. Der Kl sei aus beruflichen Gründen zwar häufiger ortsabwesend gewesen, habe aber in der Regel die Wochenenden bei seiner Familie in P verbracht, wobei er es sich in der Regel so eingerichtet habe, dass er donnerstags nach P gekommen und dienstags wieder nach Y gefahren oder zu anderen Dienstreisen aufgebrochen sei. Wenn es aber erforderlich sei, mit dem Kl in Y Termine wahrzunehmen, begleite ihn die Klin und übernachte während dieser Zeit - ebenso wie der Kl - in der Wohnung in der ... in Y. Weiter führten die Kl aus, ihre beiden Kinder seien in P zur Welt gekommen und dort aufgewachsen. Sie hätten im Ortsteil L den Kindergarten und die Grundschule besucht. Danach seien beide Kinder in P zur Schule gegangen, die Tochter auf das Gymnasium (bis zur 9. Klasse) und der Sohn auf die Realschule (bis zur 6. Klasse). Seit dem Jahr 2000 hätten beide Kinder der Kl ihre Schulausbildung in einem Internat in ......... fortgesetzt. Im Jahr 2006 habe sich der Sohn noch im Internat in .... befunden. Dort habe er im Frühjahr 2007 das Abitur abgelegt und studiere seither in .../USA. Die Tochter studiere bereits seit dem Jahr 2006 in ..../USA. Auch nach ihrem Wechsel auf das Internat in .... seien die Kinder der Kl regelmäßig an den Wochenenden und in den Ferien nach P zu den Kl zurückgekehrt und hätten sich dort aufgehalten. Der Kl räumte zwar ein, dass er seit dem Jahr 2002 in Y mit Erstwohnsitz gemeldet sei. Dies bedeute aber nicht, dass er dort den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen habe, sondern sei dem Umstand geschuldet, dass er aus Y stamme und sich dieser Stadt deshalb sehr verbunden fühle. Außerdem habe er von der Stadt Y verschiedene Ehrungen erhalten, die seine Verbundenheit zu dieser Stadt bestärkt hätten.

Der Annahme eines Familienwohnsitzes der Kl in P, der sich aus den geschilderten Ausführungen ergibt, steht der Umstand, dass die Kinder der Kl zum Zeitpunkt des Erlasses der streitgegenständlichen PA bereits volljährig waren, nicht entgegen. Denn die gesetzliche Regelung über die örtliche Zuständigkeit für die Besteuerung nach dem Einkommen und Vermögen in § 19 Abs. 1 Satz 2, 2. Hs. AO stellt nach ihrem Wortlaut bei "verheirateten Steuerpflichtigen", die einen mehrfachen Wohnsitz unterhalten, auf den Wohnsitz ab, "an dem sich die Familie vorwiegend aufhält" (sog. Familienwohnsitz). Hiernach wird nicht zwingend vorausgesetzt, dass im ehelichen Haushalt minderjährige Kinder leben. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob die Regelung in § 19 Abs. 1 Satz 2, 2. Hs. AO so zu verstehen ist, dass - was naheliegen dürfte - bei kinderlosen Ehepaaren auf den Wohnsitz abzustellen sein dürfte, der den Schwerpunkt der gemeinsamen ehelichen Lebensführung bildet. Denn - wie sich aus den dargestellten Ausführungen der Kl in der mündlichen Verhandlung, ergänzt durch die dargestellten aktenkundigen Erkenntnisse des Bekl, ergibt - stellte der Wohnsitz der Kl in P während der Zeit der Minderjährigkeit der Kinder der Kl den Familienwohnsitz i.S.d. § 19 Abs. 1 Satz 2, 2. Hs. AO dar. Dieser Charakter als Familienwohnsitz blieb auch nach Eintritt der Volljährigkeit der Kinder der Kl erhalten, da er - wie von ihnen dargelegt - weiterhin das Zentrum der gemeinsamen Lebensführung der Kl bildete und außerdem ihre mittlerweile volljährigen Kinder an Wochenenden bzw. Semesterferien dorthin ("nach Hause") zurückkehrten. Die Lebensverhältnisse der Kl haben somit mit der Volljährigkeit ihrer Kinder keine für die Beurteilung des Bestehens eines Familienwohnsitzes relevante Änderung erfahren.

Da sich hiernach der Familienwohnsitz der Kl stets im Zuständigkeitsbereich des Finanzamts Q befand, ist kein Fall eines Zuständigkeitswechsels im Sinne des § 26 AO gegeben, weshalb es auf die Frage, welches Finanzamt in welchem Zeitpunkt positive Kenntnis (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 25. Januar 1989 X R 158/87, BFHE 156, 18, BStBl II 1989, 483) von einem - im Streitfall wie ausgeführt nicht gegebenen - Zuständigkeitswechsel hatte, nicht ankommt. Außerdem handelt es sich bei einer AP um ein selbständiges Verwaltungsverfahren und nicht um die Fortführung des Veranlagungsverfahrens (vgl. hierzu FG Köln, Urteil vom 28. Juni 1990 5 K 800/90, EFG 1991, 110), weshalb die Voraussetzungen des § 26 Satz 2 AO für den Erlass der streitgegenständlichen PA ohnehin nicht erfüllt sind .

Auch eine Beauftragung des Bekl durch das zuständige Finanzamt ist im Streitfall nicht gegeben.

Nach § 195 Satz 2 AO können andere Finanzbehörden mit der AP beauftragt werden. Die Beauftragung kann entweder durch einen selbständig anfechtbaren Verwaltungsakt der eigentlich zuständigen Finanzbehörde (vgl. BFH-Urteil vom 21. Juni 1994 VIII R 24/92, BFH/NV 1994, 763) oder rein innerdienstlich vorgenommen werden (vgl. BFH-Urteile vom 10. Dezember 1987 IV R 77/86, BFHE 152, 24, BStBl II 1988, 322 und vom 11. Dezember 1991 I R 66/90, BFHE 166, 490, BStBl II 1992, 595; Klein- Rüsken, AO, 9. Aufl. 2006, § 195 Rn. 11 u. 13). In letzterem Fall entfaltet sie zunächst keine Außenwirkung und ist daher nicht selbständig anfechtbar, sondern lediglich inzident zusammen mit der PA, die in diesem Fall von der beauftragten Behörde erlassen wird und die genaue Mitteilung des Prüfungsauftrages (Steuerarten, zeitlicher Prüfungsumfang) enthalten muss ( BFH-Urteil vom 10. Dezember 1987 IV R 77/86, BFHE 152, 24, BStBl II 1988, 322). Eine solche Beauftragung durch das zuständige Finanzamt Q liegt im Streitfall nicht vor. Zwar hat dieses den Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 8. Juni 2007 mitgeteilt, dass es "selbst im Falle eines örtlichen Zuständigkeitswechsels" nach § 26 Satz 2 AO zustimme, "dass das Finanzamt Y das bisherige Verwaltungsverfahren" fortführe. Dieses Schreiben erfüllt die Voraussetzungen einer Beauftragung i.S.d. § 195 Satz 2 AO indes nicht. Denn die hierin erklärte Zustimmung "nach § 26 Satz 2 AO", "dass das Finanzamt Y das bisherige Verwaltungsverfahren fortführt", betrifft, da mit diesem Schreiben der Antrag der Prozessbevollmächtigten vom 9. Mai 2007 auf Rücknahme der PA'en des Bekl vom 22. Oktober 2001, die gegenüber den Kl bzw. der Klin erlassen worden waren und die Prüfung gesonderter Gewinnfeststellungen für 1996 bis 1999, von Gewerbesteuer für 1996 bis 1999 und Umsatzsteuer für 1996 bis 1999 zum Gegenstand hatten, beschieden wurde, lediglich die Gegenstände der PA'en vom 22. Oktober 2001 und hat keine Auswirkungen auf die von der streitgegenständlichen PA umfassten Steuerarten und Besteuerungszeiträume.

Eine Zuständigkeitsvereinbarung i.S.d. § 27 AO ist ebenfalls nicht gegeben. Eine solche Vereinbarung, die eine von den Regelungen über die örtliche Zuständigkeit abweichende Begründung der Zuständigkeit ermöglicht (Klein-Brockmeyer, AO, 9. Aufl. 2006, § 27 Rn. 1), bedarf keiner bestimmten Form, setzt aber das "Einvernehmen", also zwei übereinstimmende Entschließungen der beteiligten Behörden sowie das Einverständnis des Betroffenen voraus ( BFH-Urteil vom 13. Dezember 2001 III R 13/00, BFHE 197, 12, BStBl II 2002, 406; Klein-Brockmeyer, AO, 9. Aufl. 2006, § 27 Rn. 3 u. 5). Bereits für das Bestehen eines solchen Einvernehmens zwischen den jeweiligen Finanzämtern bestehen keine ausreichenden Anhaltspunkte. Insbesondere hat der Bekl das Vorliegen der hierfür erforderlichen "übereinstimmenden Entschließungen" nicht substantiiert behauptet. Die vom Finanzamt Q mit Schreiben an die Prozessbevollmächtigten vom 8. Juni 2007 erklärte Zustimmung, dass das Finanzamt Y das bisherige Verwaltungsverfahren im Falle eines Wechsels der örtlichen Zuständigkeit fortführe, reicht für die Annahme einer Zuständigkeitsvereinbarung i.S.d. § 27 AO nicht aus, zumal diese Zustimmung eine AP betrifft, die auf der Grundlage einer anderen PA erfolgt und andere Besteuerungszeiträume betrifft. Auch ist die nach § 27 AO erforderliche Zustimmung der Betroffenen - also der Kl - nicht gegeben. Denn die bloße Einreichung von Steuererklärungen bei einem örtlich unzuständigen Finanzamt reicht für die Annahme einer solchen Zustimmung nicht aus (vgl. BFH-Urteil vom 13. Dezember 2001 III R 13/00, BFHE 197, 12, BStBl II 2002, 406). Außerdem würde sich - selbst wenn man eine entsprechende konkludente Zustimmung zur Bearbeitung der jeweiligen Steuererklärung durch die örtlich unzuständige Finanzbehörde annähme - diese Zustimmung nicht auch noch auf die spätere Durchführung einer AP erstrecken, da es sich dabei - wie ausgeführt - um ein weiteres selbständiges Verwaltungsverfahren handelt.

Auch aufgrund der Verordnungsermächtigung des § 17 Abs. 2 Satz 3 des Gesetzes über die Finanzverwaltung (FVG) i.V.m. der Finanzämter-Zuständigkeitsverordnung vom 30. November 2004 (GBl. S. 865) in der Fassung der Verordnung des Finanzministeriums zur Änderung der Finanzämter- Zuständigkeitsverordnung vom 8. Dezember 2005 (BStBl I 2006, 102) ergibt sich keine Zuständigkeit des Bekl. Zwar können nach § 17 Abs. 2 Satz 3 FVG durch Rechtsverordnung der zuständigen Landesregierung Zuständigkeiten nach den Sätzen 1 und 2 einem Finanzamt für den Bereich mehrerer Finanzämter übertragen werden, soweit es sich um Aufgaben der Finanzverwaltung handelt und dadurch der Vollzug der Aufgaben verbessert oder erleichtert wird. Im Streitfall lässt sich aber aus der Finanzämter-Zuständigkeitsverordnung keine einschlägige Zuständigkeitszuweisung zugunsten des Bekl entnehmen. Insbesondere gilt die vom Bekl angeführte Regelung in Nr. 21b der Änderungsverordnung vom 8. Dezember 2005 nur für "zu dem Konzern gehörende abhängige Konzernunternehmen" und nicht - wie im Streitfall - für die AP bei natürlichen Personen.

Auch können die vom Bekl angeführten §§ 13 bis 18 BpO eine Zuständigkeit für den Erlass einer PA nicht begründen. Denn die BpO ist als bloße Verwaltungsregelung nicht geeignet, eine solche Zuständigkeitsregelung zu treffen. Um eine nach den §§ 13 bis 18 BpO vorgesehene Verbundprüfung vornehmen zu können, ist es vielmehr geboten, die formellgesetzlich vorgesehenen Voraussetzungen für eine Abweichung von der gesetzlich grundsätzlich vorgesehenen Zuständigkeitsregelung zu erfüllen, z.B. durch eine Beauftragung im Sinne des § 195 Satz 2 AO. Dies ist im Streitfall - wie ausgeführt - nicht erfolgt.

Der Zuständigkeitsmangel ist auch nicht gemäß § 127 AO unbeachtlich, da dieser Vorschrift für Ermessensnormen wie die im Streitfall maßgeblichen Vorschriften der §§ 193 bzw. 194 AO nicht gilt (vgl. BFH-Urteil vom 25. Januar 1989 X R 158/87, BFHE 156, 18, BStBl II 1989, 483; Klein-Brockmeyer, AO, 9. Auflage 2006, § 127 Rn. 2 m.w.N.).

Entgegen der Auffassung des Bekl können sich die Kl trotz des Umstands, dass sie in ihren ESt- Erklärungen für die Jahre 1996 bis 2005 als Wohnsitz beider Kl die Adresse "...,Y" angegeben haben, auf die Unzuständigkeit des Bekl berufen. Insbesondere steht der Grundsatz von Treu und Glauben der Geltendmachung der Unzuständigkeit des Bekl nicht entgegen. Der Grundsatz von Treu und Glauben besagt, dass im konkreten Steuerrechtsverhältnis jeder Beteiligte auf die berechtigten Belange des anderen Teils angemessen Rücksicht zu nehmen habe und sich nicht zu seinem eigenen Verhalten in Widerspruch setzen darf, sofern der andere darauf vertraut und auf Grund dessen unwiderruflich disponiert hat ( BFH-Urteile vom 9. August 1989 I R 181/85, BFHE 158, 31, BStBl II 1989, 990; vom 5. Februar 1980 VII R 101/77, BFHE 130, 90; und vom 21. Juli 1988 V R 97/83, BFH/NV 1989, 356). Der Grundsatz von Treu und Glauben kann bewirken, dass wegen treuwidrigen Verhaltens die Berufung auf eine bestimmte Rechtsposition abgeschnitten ist ( BFH-Urteil vom 9. August 1989 I R 181/85, BFHE 158, 31, BStBl II 1989, 990; vom 20. September 1995 X R 86/94, BFHE 178, 555, BStBl II 1996, 53; vom 23. Februar 1995 VII R 51/94, BFH/NV 1995, 862; und vom 8. Februar 1996 V R 54/94, BFH/NV 1996, 733). Er verdrängt damit, allerdings nur ausnahmsweise, gesetzliche Rechte ( BFH-Urteil vom 21. Juli 1988 V R 97/83, BFH/NV 1989, 356; Klein-Gersch, AO, 9. Aufl. 2006, § 4 Rn. 15). Weiter ist erforderlich, dass der andere Teil, hier: der Bekl, schutzwürdig ist. Diese Voraussetzung ist im Streitfall indes nicht erfüllt. Zwar haben die Kl in ihren ESt-Erklärungen für die Jahre 1996 bis 2005 als Wohnsitz beider Kl jeweils die Adresse "...,Y" angegeben. Dies reicht jedoch nicht aus, um ihnen die Berechtigung abzusprechen, sich auf die Unzuständigkeit des Bekl für den Erlass der streitgegenständlichen PA zu berufen. Denn der Bekl hatte bereits vor Erlass der streitgegenständlichen PA Kenntnis von den tatsächlichen (Wohnsitz-) Verhältnissen, die die Kl im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung schilderten. Dies ergibt sich aus den Erkenntnissen der Betriebsprüfungsstelle des Bekl, die im BP-Bericht vom 21. August 1998 sowie den den steuerlichen Beratern der Kl am 17. Januar 2005 übergebenen "Prüfernotizen" zum Ausdruck kommen.

bb) Gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 AO ist für die Umsatzsteuer mit Ausnahme der Einfuhrumsatzsteuer das Finanzamt zuständig, von dessen Bezirk aus der Unternehmer sein Unternehmen im Geltungsbereich des Gesetzes ganz oder vorwiegend betreibt. Dies ist regelmäßig der Ort, an dem der Unternehmer sein Büro unterhält und das Unternehmen leitet, also regelmäßig der Ort der Geschäftsleitung i.S.d. § 10 AO (vgl. FG Hamburg, Urteil vom 24. August 2007 2 K 215/05, [...]). Nach § 10 AO ist unter Geschäftsleitung der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung zu verstehen. Dieser liegt dort, wo der für die Geschäftsführung maßgebende Wille gebildet wird ( BFH-Urteil vom 23. Januar 1991 I R 22/90, BStBl II 1991, 554; BFH-Urteil vom 3. Juli 1997 IV R 58/95, BStBl II 1998, 86, 87). Im Streitfall sind indes keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür gegeben, dass sich im Zuständigkeitsbereich des Bekl die Geschäftsleitung eines Unternehmens der Kl bzw. der Klin befindet. Die Ausführungen der Beklagtenseite in der mündlichen Verhandlung, sie habe nicht gewusst, ob die Kl gemeinsam ein Unternehmen betrieben, da diese der Aufforderung der Betriebsprüfer in der vorherigen BP zur Vorlage des Ehevertrages nicht nachgekommen seien, weshalb der Bekl zum Zweck der "Verjährungsunterbrechung" gezwungen gewesen sei, auch insoweit eine PA anzuordnen, sind jedenfalls für die Annahme einer Geschäftsleitung im Zuständigkeitsbereich des Bekl und damit für die Begründung einer Zuständigkeit des Bekl nicht ausreichend konkret. Auch soweit eine unternehmerische Betätigung der Klin durch Vermietung ihres Grundstücks in M.. im Raum steht, besteht keine örtliche Zuständigkeit des Bekl. Da die Klin - wie sie glaubhaft dargelegt hat - weitestgehend an ihrem Wohnsitz in P lebt und arbeitet, ist vielmehr davon auszugehen, dass die Willensbildung hinsichtlich der Vermietung ihres Grundstücks in P erfolgt.

cc) Gemäß § 22 Abs. 1 AO ist für die Festsetzung und Zerlegung der Steuermessbeträge bei der Gewerbesteuer das Betriebsfinanzamt im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 2 AO örtlich zuständig. Dies ist bei gewerblichen Betrieben mit Geschäftsleitung im Geltungsbereich der AO das Finanzamt, in dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung befindet (§ 18 Abs. 1 Nr. 2, 1. Alt. AO). Im Streitfall ist bereits zweifelhaft, ob die PA hinsichtlich des Prüfungsgegenstandes "Gewerbesteuer" ausreichend bestimmt ist im Sinne des § 119 Abs. 1 AO bzw. ob insoweit ein ausreichender Anlass für den Erlass einer PA bestand. Denn die Beklagtenseite hat auf die Frage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung, welche tatsächlichen Umstände der PA wegen Gewerbesteuer zugrundelägen, wie bereits zur Frage, weshalb eine AP wegen Umsatzsteuer angeordnet worden sei, lediglich ausgeführt, man habe aufgrund der Nichtvorlage des Ehevertrages nicht gewusst, ob die Eheleute gemeinsam einen Gewerbebetrieb unterhielten, und sei deshalb zum Zweck der "Verjährungsunterbrechung" gezwungen gewesen, auch insoweit eine PA zu erlassen. Außerdem gehe es um die Einkommensabgrenzung zwischen den Kl, da man wegen der unzureichenden Auskunftserteilung der Kl im Rahmen der vorherigen BP mit der Sachverhaltsermittlung nicht weitergekommen sei. Diese Erwägungen des Bekl sind jedoch in tatsächlicher Hinsicht nicht ausreichend konkret, um ausreichende Anhaltspunkte dafür zu bieten, dass sich im Zuständigkeitsbereich des Bekl die Geschäftsleitung eines gewerblichen Betriebs der Kl befindet.

c) Die Bestimmung des Prüfungsbeginns auf den 18. Dezember 2006 war ebenfalls rechtswidrig. Denn auch für den Erlass dieses Verwaltungsakts war der Bekl örtlich nicht zuständig. Wegen der Gründe wird auf die Ausführungen unter Nr. 1b der Entscheidungsgründe Bezug genommen.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

3. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3; 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11; 711 bzw. 709 Zivilprozessordnung (ZPO).

4. Die Revision war mangels Gründen im Sinne des § 115 Abs. 2 FGO nicht zuzulassen.

5. Die Beiziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war angesichts der Komplexität der streitgegenständlichen Rechtsfragen notwendig i.S.d. § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO .

Ende der Entscheidung

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