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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 17.06.2008
Aktenzeichen: 1 K 21/05
Rechtsgebiete: UStG, EStG


Vorschriften:

UStG § 3 Abs. 1b S. 1 Nr. 3
EStG § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Baden-Württemberg

1 K 21/05

Tatbestand:

Streitig ist, ob die unentgeltliche Abgabe von Handys an Kunden, die einen Mobilfunkvertrag mit einem Mobilfunkunternehmen abgeschlossen haben, der Umsatzsteuer gemäß § 3 Abs. 1 b Satz 1 Nr. 3 Umsatzsteuergesetz (UStG) unterliegt.

Die Klägerin ist ein Unternehmen, das Mobilfunkverträge von Verbrauchern mit Netzbetreibern vermittelt und für die damit verbundenen Beratungs- und Betreuungsleistungen von den Netzbetreibern Provisionen in Höhe von ... Euro im Jahr 2003 und ... Euro im Jahr 2004 erhalten hat, die der Umsatzsteuer unterworfen worden sind. Die Klägerin hat in dieser Zeit Handys eingekauft, die den Verbrauchern im eigenen Namen unentgeltlich abgegeben worden sind, wenn sie Mobilfunkverträge mit den Netzbetreibern abgeschlossen haben. Die Vorsteuern aus dem Einkauf der Handys wurden geltend gemacht und berücksichtigt.

Der Beklagte unterwarf nach einer Außenprüfung die unentgeltliche Abgabe der Handys an die Verbraucher nach § 3 Abs. 1 b Satz 1 Nr. 3 UStG mit geschätzten Beträgen der Umsatzsteuer. Die Steuerberaterin der Klägerin wurde mit Fax vom 27. Juli 2004 aufgefordert, die Bemessungsgrundlage für die Besteuerung der unentgeltlich übereigneten Handys mitzuteilen. Sie lehnte dies mit Schreiben vom 24. August 2004 unter Verweis auf das BMF-Schreiben vom 10. Juli 2000 ab. Sie teilte jedoch mit Fax vom 10. Dezember 2004 mit, dass pro Monat durchschnittlich 1.500 Mobilfunkgeräte zu Einkaufspreisen zwischen 80 und 300 Euro (netto) an die Endverbraucher gelangten. Der Beklagte schätzte daraufhin, dass pro Monat 1.500 Geräte für durchschnittlich 190 Euro = 258.000 Euro unentgeltlich abgegeben worden sind und unterwarf diesen Betrag der Umsatzsteuer. Außerdem unterwarf der Beklagte die Gebührenerstattung für die Grundgebühren der Kunden gegenüber den Mobilfunkunternehmen der Umsatzsteuer.

Mit Bescheiden vom 28. Dezember 2004 und 3. Januar 2005 wurden Vorauszahlungsbescheide zur Umsatzsteuer für die Monate Januar 2003 bis Januar 2004, März und Mai 2004 erlassen, gegen die am 12. Januar 2005 Sprungklage beim Gericht erhoben wurde. Der Beklagte stimmte der Sprungklage mit Schreiben vom 28. Februar 2005 zu. Am 9. September 2005 erging ein Umsatzsteuerjahresbescheid für 2003, der Gegenstand des Verfahrens wurde. Mit Bescheiden vom 27. März 2007 wurde die Umsatzsteuer für 2003 und 2004 nochmals geändert. Die Erstattung der Grundgebühren durch die Klägerin gegenüber den Kunden der Mobilfunkunternehmen wurde nicht mehr der Umsatzsteuer unterworfen. Dadurch erledigte sich der Rechtsstreit teilweise. Diese Bescheide wurden zum Gegenstand des Verfahrens.

Zur Begründung der Klage trägt der Klägervertreter vor, die Klägerin habe die Handys nicht unentgeltlich an die Kunden übereignet, sondern nur bei Abschluss eines Mobilfunkvertrags und unter Übernahme der weiteren Kosten aus dem Vertrag durch die Kunden. Das entspreche nicht dem Tatbestand einer Schenkung im Sinne des § 516 BGB. Dies sei keine unentgeltliche Zuwendung im Sinne des § 3 Abs. 1 b Satz 1 Nr. 3 UStG. Nach dem BMF-Schreiben vom 3. Dezember 2001 (Bundessteuerblatt - BStBl - I 2001, 1010) sei die Überlassung eines "Startpakets" im Mobilfunkbereich auf jeder Stufe (Lieferant, Händler, Kunde) als eine einheitliche Lieferung steuerbar und steuerpflichtig. Danach müsse der Händler gleichbehandelt werden wie der Mobilfunkanbieter. Eine Nichtberücksichtigung des Rabatts in Gestalt des Mobilfunkgeräts wäre ein Verstoß gegen Art. 11 Abs. 3 b der 6. EG-Richtlinie. Mit Urteil vom 13. Juli 2006 (V R 46/05, BStBl II 2007, 186) sei der streitige Sachverhalt entschieden worden. Dagegen sei das Urteil des BFH vom 11. Mai 2006 (V R 33/03, BStBl II 2006, 699) auf den Sachverhalt nicht anwendbar, weil der Kunde den Einkauf dort unabhängig davon vorgenommen habe, ob er einen Parkchip für weniger als 2 % des Umsatzes erhält. Im vorliegenden Fall sei jedoch die Entscheidung des Kunden zum Abschluss eines Mobilfunkvertrags wesentlich durch die Überlassung des Handys beeinflusst worden. Es sei völlig unverständlich, dass bei einem geringfügigen Kaufpreis, den der Kunde für das Gerät zahlen müsse, 16 % aus diesem geringfügigen Kaufpreis an das Finanzamt abzuführen sei, bei einer unentgeltlichen Abgabe jedoch 30,40 Euro (190 Euro x 16 %) pro Gerät.

Die Klägerin beantragt, den Bescheid vom 27. März 2007 über Umsatzsteuer für 2003 um ... Euro und den Bescheid vom 27. März 2007 über Umsatzsteuer für 2004 um ... Euro herabzusetzen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte verweist zur Begründung auf die Stellungnahme der OFD vom 8. November 2004. Soweit die Handys unentgeltlich abgegeben werden, liege eine Wertabgabe nach § 3 Abs. 1 b Satz 1 UStG vor, die auch dann steuerbar sei, wenn sie aus unternehmerischen Gründen erfolge (Abschn. 24 b Abs. 8 Umsatzsteuer-Richtlinien (UStR)). Da im vorliegenden Fall der Kunde den Mobilfunkvertrag vom Mobilfunkanbieter und das Gerät vom Vermittler (der Klägerin) bezogen habe, könnten die beiden Leistungsbeziehungen nicht zu einer einheitlichen Lieferung zusammengefasst werden, wie dies bei den Startpaketen von Mobilfunkanbietern angenommen werde.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Mit Wirkung vom 1. April 1999 ist § 3 Abs. 1 b Satz 1 Nr. 3 UStG in das Umsatzsteuergesetz eingefügt worden. Danach werden alle unentgeltlichen Zuwendungen von Gegenständen den Lieferungen gegen Entgelt gleichgestellt. Ausgenommen sind Geschenke von geringem Wert und Warenmuster für Zwecke des Unternehmens. Voraussetzung für die Steuerbarkeit ist, dass der Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben (§ 3 Abs. 1 b Satz 2 UStG).

Im vorliegenden Fall hat die Klägerin aus dem Einkauf der Mobilfunkgeräte die Vorsteuern geltend gemacht, die vom Beklagten berücksichtigt worden sind. Es kann im Ergebnis für die Rechtmäßigkeit der Umsatzsteuerfestsetzung dahinstehen, ob die Vorsteuern aus dem Einkauf der Handygeräte gemäß § 3 Abs. 1 b Satz 2 i. V. m. § 15 Abs. 1 a Nr. 1 UStG und § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) nicht abzugsfähig sind oder die Dreingabe der Geräte gemäß § 3 Abs. 1 b Satz 1 Nr. 3 UStG der Umsatzsteuer unterliegt. Gegen die Annahme eines "Geschenks" im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG spricht, dass das Gerät stets nur im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Mobilfunkvertrags zugewendet worden ist. Nieskens (Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG Kommentar § 3 Anm. A 4.8) vertritt dagegen die Auffassung, § 3 Abs. 1 b Satz 1 Nr. 3 UStG spiele keine Rolle, weil jede unentgeltliche Zuwendung ein "Geschenk" sei.

Die Klägerin hat die Mobilfunkgeräte jedenfalls unentgeltlich im Sinne des § 3 Abs. 1 b Satz 1 Nr. 3 UStG an Kunden zugewendet. Der Abschluss des Mobilfunkvertrags auf Vermittlung der Klägerin ist keine Gegenleistung des Kunden an die Klägerin. Die späteren Zahlungen des Kunden an den Mobilfunkanbieter sind Zahlungen an diesen für dessen Dienstleistungen. Der Kunde zahlt nichts für das überlassene Mobilfunkgerät. Die Klägerin erhält keinerlei Zahlung vom Kunden. Entscheidend ist nach der Rechtsprechung des EuGH (EuGH-Urteil vom 27. April 1999, Rs. C-48/97, Kuwait Petroleum, UStR 1999, 278), dass zwischen Leistung und Gegenleistung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht, der sich regelmäßig aus dem Rechtsverhältnis, d. h. den vertraglichen Beziehungen zwischen Leistendem und Leistungsempfänger ergibt. Diese Grundsätze gelten sinngemäß auch für die Beurteilung der Frage, ob die Zahlung eines Dritten für eine bestimmte Leistung des Leistenden gewährt wird bzw. ob der Leistende die Zahlung für diese Leistung erhält, denn die Entrichtung der Gegenleistung für Lieferungen oder sonstige Leistungen kann auch durch einen anderen als den Leistungsempfänger (§ 10 Abs. 1 Satz 3 UStG) also durch einen Dritten - hier den Mobilfunkanbieter - erfolgen (Art. 5 Abs. 6 und Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. B der 6. EG-Richtlinie; vgl. FG Münster, Urteil vom 16. September 2004 5 K 4920/01, EFG 2007, 1559). Die Provisionszahlungen, die die Klägerin vom Mobilfunkanbieter bekommen hat, sind jedoch nicht synallagmatisch (in vertraglicher Abhängigkeit) mit der Ausgabe des Geräts an den Kunden verbunden worden. Es mag sein, dass der Kunde bei einer unentgeltlichen Abgabe des Geräts bereit ist, sich längerfristig an den Mobilfunkanbieter zu binden, was eine höhere Provision für die Klägerin auslöst. Daraus kann man jedoch keine Gegenleistung des Kunden oder des Mobilfunkunternehmens für die Abgabe des Geräts ableiten.

Es handelt sich im vorliegenden Fall nicht um einen Rabatt oder eine Zugabe des Mobilfunkbetreibers an den Kunden, der den Aufwand des Mobilfunkbetreibers zur Erzielung der Einnahmen von diesem Kunden erhöht. Deshalb sind die Grundsätze des BMF-Schreibens vom 3. Dezember 2001 (BStBl I 2001, 1010) über das Startpaket des Mobilfunkbetreibers als einheitliche Lieferung auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Es ist dort ausgeführt, dass die Leistungen des Vermittlers nicht in das Startpaket einzubeziehen sind.

So merkwürdig es erscheint, aber die Zahlung von 1 Euro pro Gerät durch den Kunden hätte die Anwendung des § 3 Abs. 1 b Nr. 3 UStG i. V. m. § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG verhindert (vgl. Nieskens a. a. O. § 3 Anm. 1278.6). Der vorliegende Fall ist jedoch eher dem Fall vergleichbar, dass die Klägerin dem Kunden Geld (einen Teil des Provisionserlöses) gegeben hätte und dieser dann das Mobilfunkgerät - belastet mit Umsatzsteuer - hätte einkaufen können. § 3 Abs. 1 b UStG will erreichen, dass auch im vorliegenden Fall das Gerät belastet mit Umsatzsteuer beim Verbraucher ankommt. Deshalb hat der BFH mit Urteil vom 11. Mai 2006 (V R 33/03, BStBl II 2006, 699) die kostenlose Abgabe von Parkchips beim Einkauf von Waren nicht als Entgeltsminderung, sondern als unentgeltliche Zuwendung beurteilt. Anders als "Dreingaben" sind "Preisnachlässe" des Vermittlers an die Kunden von der Bemessungsgrundlage der Provision abzuziehen (vgl. BFH-Urteil vom 12. Januar 2006 V R 3/04, BStBl II 2006, 479). Im vorliegenden Fall ist kein Preisnachlass, sondern eine Dreingabe gewährt worden, die nicht unter die Ausnahme des § 3 Abs. 1 b Nr. 3 UStG bis zum Wert von 35 Euro (UStR Abschn. 24 b Abs. 9) fällt.

Soweit die Klage erfolglos geblieben ist, trägt die Klägerin die Kosten des Verfahrens gemäß § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO), soweit die Beklagte auf der Berechnungsgrundlage des ursprünglichen Streitwerts teilweise abgeholfen hat, tragen die Beteiligten die Kosten gem. § 136 Abs. 1 FGO verhältnismäßig.

Die Revision wird zugelassen. Die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Ziff. 2 FGO liegen vor. Es ist eine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts erforderlich. Die wenigen Entscheidungen zu § 3 Abs. 1 b Nr. 3 UStG gehen nicht auf alle im vorliegenden Fall vorliegenden Nuancen ein, die dazu führen, dass wirtschaftlich vergleichbare Sachverhalte unversteuert bleiben.



Ende der Entscheidung

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