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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Gerichtsbescheid verkündet am 30.06.2004
Aktenzeichen: 1 K 312/03
Rechtsgebiete: EStG 1997, EG


Vorschriften:

EG Art. 43
EStG 1997 § 2a Abs. 3 S. 1
EStG 1997 § 32b
StEntlG 1999/2000/2002
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Im Namen des Volkes

Gerichtsbescheid

In dem Finanzrechtsstreit

wegen gesonderter und einheitlicher Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 1999

hat der 1. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg am 30.06.2004 durch Richter am Finanzgericht R. als Vorsitzenden Richter am Finanzgericht S. und G.

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist die Berücksichtigungsfähigkeit der Verluste aus Betriebsstätten in Luxemburg.

Die Klägerin ist eine KG mit Sitz in Neckarsulm, an der als Komplementärin die L GmbH, als Kommanditistin die L KG beteiligt sind. An der Kommanditistin sind als Komplementärinnen die L & CO und die H, als Kommanditist B beteiligt. Nach dem Streitjahr ist als weiterer persönlich haftender Gesellschafter ohne Geschäftsführungsbefugnis B in die Klägerin eingetreten.

Die Klägerin ist Teil der Unternehmenskette L. Sie betreibt ihre Geschäftstätigkeit in Belgien und Luxemburg über dort belegene Betriebsstätten. Mit beiden Ländern bestehen Doppelbesteuerungsabkommen; das DBA Luxemburg weist in Art. 5 das Besteuerungsrecht für in Luxemburg erzielte Einkünfte aus Betriebsstätten dem Belegenheitsstaat Luxemburg zu. Im Streitjahr erzielte die Klägerin einen unstreitigen Verlust aus der Betriebsstätte in Luxemburg in Höhe von 163.382 DM, den sie in ihrer Steuererklärung als Einkünfte im Sinn des § 32 b EStG (negativer Progressionsvorbehalt) erklärte. Der Beklagte veranlagte die Klägerin antragsgemäß.

Nach Ergehen des Feststellungsbescheids beantragte die Klägerin dessen Änderung. Gegen die Versagung der Änderung richtet sich nach erfolglosem Vorverfahren die vorliegende Klage.

Die Klägerin trägt vor, dass die Abschaffung der Regelung in § 2 a Abs. 3 Satz 1 EStG, der bis zum Jahr 1998 die Möglichkeit eröffnet hatte, Verluste aus ausländischen Betriebsstätten auf Antrag bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte abzuziehen, durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 verfassungswidrig sei und zudem gegen die Grundsätze der Niederlassungsfreiheit des EG-Vertrags, Art. 43 verstoße.

Unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten widerspreche die Abschaffung dem Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und dem Prinzip der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Unter EU-Gesichtspunkten bedeute die Abschaffung der vollen Berücksichtigung des Verlustes einen Eingriff in die Niederlassungsfreiheit, die auch das Verbot an den Herkunftsstaat umfasse, wirtschaftliche Tätigkeiten seiner Bürger in einem anderen EU Land anders zu behandeln, als wenn diese Tätigkeit im Inland ausgeübt werde. Aus diesem Grund habe auch der österreichische Verwaltungsgerichtshof seine Rechtsprechung geändert und die Berücksichtigung von ausländischen Verlusten als durch den Grundsatz der Niederlassungsfreiheit geboten anerkannt. Die Klägerin trägt weiter vor, dass beim EuGH ein Verfahren des Einzelhandelsunternehmens Marks und Spencer wegen einer ähnlichen Problematik anhängig sei. Dieses Verfahren beziehe sich aber nicht auf die Rechtslage zu Verlusten aus Betriebsstätten, sondern betreffe die Möglichkeit der Verrechnung von Verlusten im Konzern.

Die Klägerin regt an, die Frage der Vereinbarkeit der Nichtberücksichtigung von ausländischen Betriebsstättenverlusten dem EuGH zur Entscheidung vorzulegen. Auf den Schriftsatz vom 2.06.2004 wird Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Bescheids über die Ablehnung der Änderung des Feststellungsbescheids vom ... und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom ... den Feststellungsbescheid 1999 vom ... dahingehend zu ändern, dass die Verluste aus der Betriebsstätte in Luxemburg antragsgemäß sich in voller Höhe steuermindernd auswirken können

Der Beklagte beantragt die Klage abzuweisen.

Mit der Gesetzeslage ab dem Veranlagungszeitraum 1999 sei das Begehren der Klägerin unvereinbar; die Vorlage an den EuGH stellt der Beklagte in das Ermessen des Gericht.

Gründe

Die Klage ist unbegründet. Die Voraussetzungen für eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof liegen nicht vor.

Nach dem DBA Deutschland Luxemburg steht das Besteuerungsrecht für Gewinne/Verluste aus Betriebsstätten in Luxemburg ausschließlich dem Staat Luxemburg zu, Art. 5, 2 DBA. Allerdings können die nicht der Besteuerung unterliegenden Einkünfte im Wege des Progressionsvorbehalts berücksichtigt werden, Art. 20 Abs. 2 Satz 2 DBA. Die bis zum Veranlagungszeitraum 1998 bestehende Möglichkeit, ausländische Verluste auf Antrag bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte wie inländische Verluste abzuziehen, wurde durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 aufgehoben. Die Gesetzesänderung hat der Gesetzgeber mit den Schwierigkeiten des Verwaltungsvollzugs und der Verpflichtung der Finanzverwaltung, in den folgenden Jahren ohne eine zeitliche Beschränkung das Erfordernis eine Hinzurechnung von Erträgen prüfen zu müssen, begründet. Zudem war die Vorschrift, die die Steuerpflichtigen so stellte, als ob es kein Doppelbesteuerungsabkommen mit Freistellungsmethode gäbe, nach der Auffassung des Gesetzgebers systemwidrig (BT Drucksache 14/23, 7, 231).

Die Gesetzesänderung ist verfassungskonform (BFH Urteile vom 17.10.1990, I R 182/87, BFHE 162, 307, BStBl II 1991, 136; 29.05.2001, VIII R 43/00, BFH/NV 2002, 14). Auch verstößt die Abschaffung des uneingeschränkten Verlustabzugs nicht gegen den Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Dieses Prinzip verlangt nicht, dass jeder Verluste uneingeschränkt verrechenbar sein muss. Es genügt vielmehr, dass er überhaupt steuerlich berücksichtigt werden kann (BVerfG- Beschluss vom 30. September 1998, 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88). Dabei kann der Gesetzgeber berücksichtigen, dass Verluste aus Ländern, bei denen die Einkünfte aus Betriebsstätten nach den Regelungen von DBA einkommensteuerfrei gestellt sind, sich nur im Wege des negativen Progressionsvorbehalts auswirken dürfen. Zu einer weitergehenden Berücksichtigung dieser Verluste ist der Gesetzgeber dagegen nicht gezwungen (BVerfG Beschluss vom 5. Februar 2002, 2 BvR 305/93, BVerfGE 105, 17).

Die Regelung verstößt auch nicht gegen die Grundsätze der Niederlassungsfreiheit des Art. 43 des EG-Vertrages (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft vom 24.12.2002 C 325/33). Danach sind Beschränkungen der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats verboten. Durch die Abschaffung des unbeschränkten Abzugs von Verlusten aus ausländischen Betriebsstätten wird zwar das Recht, Betriebsstätten innerhalb der EU zu gründen, beschränkt, indem Betriebsstätten Verluste, die innerhalb der EU anfallen, anders als Betriebsstättenverluste aus dem Inland nicht unbeschränkt abgezogen werden können, sondern sich bei natürlichen Personen nur über den negativen Progressionsvorbehalt auswirken können. Damit werden inländische und in der EU erzielte Verluste unterschiedlich behandelt.

Aus diesem Grund bejaht die Literatur auch einen Verstoß gegen die Grundsätze der Niederlassungsfreiheit der EU (Probst in Flick/Wassermeyer/Baumhoff Außensteuerrecht § 2 a EStG Anm. 204.4 ff; Kessler/Schmitt/Janson IStR 2001, 729; 2003, 307; Vogel IStR 2002, 91, Lüdicke IStR 2000, 341; a.A. Hahn IStR 2002, 681).

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs fällt dagegen die Ausgestaltung der direkten Steuern und damit auch die Möglichkeit der Verlustverrechnung in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten der EU. Ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit liegt nach dieser Rechtsprechung nicht vor, wenn ein Mietgliedstaat bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage nur Gewinne und Verluste berücksichtigt, die aus der Inlandstätigkeit stammen (EuGH Urteil vom 15.05.1997 C 250/95 FR 1997, 567). Ausgehend von dieser Entscheidung ist der Senat der Auffassung, dass die geltende Regelung nicht gegen das Diskriminierungsverbot der EU verstößt. Der Gesetzgeber hat nicht die Berücksichtigungsfähigkeit der Verluste insgesamt ausgeschlossen, sondern sich dafür entschieden, dass sich diese nur noch im Wege des negativen Progressionsvorbehalts auswirken dürfen. Diese Gesetzeslage beseitigt auch die Schwierigkeiten der Verwaltung, die durch die spätere Hinzurechnung von Gewinnen begründet waren.

Auch die Entscheidung des EuGH im Fall AMID (EugH Urteil vom 14.12.2000, BFH/NV 2001, Beilage 1, 1) ändert an der Auffassung des Senats nichts. Nach dieser Entscheidung liegt ein Verstoß gegen die Grundsätze der Niederlassungsfreiheit vor, wenn das nationale Steuerrecht den Ausgleich von Verlusten insgesamt ausschließt und sich Verluste in keinem Mitgliedsstaat der EU steuerlich auswirken können. Nach der Regelung des deutschen Steuerrechts werden die ausländischen Betriebsstättenverluste der Klägerin im Wege der Progressionsminderung berücksichtigt und wirken sich damit auf die Höhe der deutschen Steuerschuld aus. In welchem Umfang die Berücksichtigung erfolgen muss regelt die Niederlassungsfreiheit dagegen nicht.

Da der Senat einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit nicht bejaht, kommt eine Vorlagen an den EuGH nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 FGO.

Der Senat lässt die Revision zu, da der BFH mit Beschluss vom 13.11.2002§ 2 a EStG (alte Fassung) teilweise als gemeinschaftswidrig angesehen hat und eine einheitliche Rechtsprechung zur Neuregelung durch Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 zum Problembereich des § 2 a EStG eine Entscheidung des BFH gebietet, § 115 Abs. 2 Ziff. 2 FGO.

Ende der Entscheidung

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