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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 19.12.2008
Aktenzeichen: 1 K 71/07
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 3
EStG § 17 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 9.02.2007 wird der Einkommensteuerbescheid 2003, zuletzt vom 13.12.2006 geändert. Der steuerpflichtige Veräußerungsgewinn aus der Beteiligung an der Firma X wird auf 324.314 EUR ermäßigt. Die Berechnung der Einkommensteuer wird dem Beklagten übertragen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

3. Die Revision wird zugelassen.

4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat der Kläger in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn der Kläger nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat, §§ 151 FGO i.V.m. 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

Tatbestand:

Streitig ist, ob vergebliche Einbringungskosten des Jahres 2000 als Teil der Anschaffungskosten zu werten sind.

Der Kläger war im Streitjahr als Vertriebsleiter nicht selbstständig tätig. Am Stammkapital der Gesellschaft X, Gesellschaft für Unternehmensberatung GmbH (im folgenden X GmbH) war er mit 22,81% beteiligt. Die Gesellschafter der Firma X GmbH planten seit 1998 ihre Geschäftsanteile zu veräußern. Zu diesem Zweck wollten sie ursprünglich die Gesellschaft in eine AG umwandeln, um die Aktien über die Börse zu vertreiben. Nach dem Zusammenbruch des Marktes für die New Economy, die einen Börsengang verhinderte, wollten die Gesellschafter ihre GmbH im Jahr 2000 in die Firma Y AG gegen Gewährung von Aktien an dieser einbringen. Am 16.06.2000 wurde der entsprechende Einbringungsvertrag notariell abgeschlossen. Auf diesen wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen. Der Vertrag wurde auf Veranlassung der Firma Y AG noch im selben Jahr rückabgewickelt. Im Zusammenhang mit dem geplanten Einbringungsvorgang entstanden dem Kläger Rechts- und Beratungskosten in unstreitiger Höhe von 30.727 EUR, die mangels Einbringung sich steuerrechtlich im Jahr 2000 nicht auswirkten.

Mit Vertrag vom 19.12.2003 veräußerten die Gesellschafter der Firma X GmbH ihre Anteile an die Firma Z AG. Der hierbei erzielte Gewinn ist zwischenzeitlich wie folgt unstreitig geworden:

 Veräußerungserlös  3.895.000,00 EUR
Kaufpreisminderung aus Garantien   
Auftrag Q GmbH & Co KG  -110.000,00 EUR
Forderung an X I / G 410.974,94 EUR  
abzüglich Vergleichsvereinbarung -125.000,00 EUR -285.974,94 EUR
abzüglich Sondervergütung P /R  -50.000,00 EUR
abzüglich Zinsen Darlehen K  -39.177,74 EUR
Steuernachzahlung X GmbH aus Betriebsprüfung  -85.438,47 EUR
berichtigter Veräußerungserlös  3.324.408,85 EUR
Anteil Kläger 22,81% 758.297,66 EUR
Anschaffungskosten GmbH Anteile 8.539,00 EUR  
Anschaffungsnebenkosten 1.135,51 EUR  
Rechts- und Beratungskosten 2.486,14 EUR  
Rechts- und Beratungskosten 66.780,48 EUR -78.941,13 EUR
Gewinn  679.356,53 EUR

Zusätzlich machte der Kläger als Teil seiner Aufwendungen Rechts- und Beratungskosten des Jahres 2000, die mit der vergeblichen Einbringung in die Firma Y AG im Zusammenhang standen, geltend.

Auch diese wurden vom Beklagten ursprünglich anerkannt; der Einkommensteuerbescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Erst aufgrund einer Beanstandung des Rechnungshofs änderte der Beklagte den streitigen Einkommensteuerbescheid und erkannte die insoweit entstandenen Kosten nicht mehr Gewinn mindernd an.

Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Vorverfahren die vorliegende Klage. Der Kläger trägt vor, dass die Gesellschafter der Firma X GmbH wegen Unstimmigkeiten unter den Gesellschaftern und wegen eines erheblichen Kapitalbedarfs der Firma X GmbH, den die Gesellschafter nicht selbst erbringen konnten, geplant hätten, die Anteile an der Gesellschaft zu veräußern. Sie hätten eine seit 1998 von Anfang an bestehende Veräußerungsabsicht gehabt, die sich mit dem Verkauf der Anteile im Jahr 2003 realisiert habe. Daher seien alle Rechts- und Beratungskosten, die der Veräußerung dienten bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns zu berücksichtigen.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 9.02.2007 den Einkommensteuerbescheid 2003, zuletzt vom 13.12.2006 zu ändern und den Veräußerungsgewinn aus der Beteiligung an der Firma X um 30.727 EUR -unter Anwendung des Halbeinkünfteprinzips- zu ermäßigen,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Unter Hinweis auf seine Einspruchsentscheidung trägt er vor, dass vergebliche Einbringungskosten nicht bei der Veräußerung der Beteiligung im Jahr 2003 an einen anderen Erwerber berücksichtigt werden könnten.

Im Klageverfahren fand ein Erörterungstermin statt. Auf die Niederschrift wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet. Die im Jahr 2000 aufgewandten Kosten sind bei der Ermittlung der Anschaffungskosten der Anteile an der Firma X GmbH im Jahr der Veräußerung zu berücksichtigen.

Der Kläger war am Stammkapital der Firma X GmbH wesentlich beteiligt. Daher gehört der Gewinn aus der Veräußerung der Anteile zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb, § 17 Abs. 1 EStG. Dieser ermittelt sich durch Gegenüberstellung des Veräußerungserlöses zu den Anschaffungskosten und den Veräußerungskosten, § 17 Abs. 2 EStG und ist nach den Grundsätzen des Halbeinkünfteprinzips zur Hälfte steuerpflichtig, § 3 Nr. 40c EStG.

Die im Jahr 2000 vergeblich aufgewandten Rechts- und Beratungskosten konnten im Jahr 2000 nicht steuermindernd abgezogen werden (BFH Urteil vom 17.04.1997 VIII R 47/95, BStBl II 1998, 102, BFHE 184, 275). Da diese Aufwendungen nicht mit der im Jahr 2003 erfolgten Veräußerung in einem kausalen Zusammenhang stehen, können sie auch nicht als Veräußerungskosten für diesen Verkauf berücksichtigt werden (BFH Urteile vom 1. Dezember 1992 VIII R 43/90, BFH/NV 1993, 520; vom 26. März 1987 IV R 20/84, BFHE 149, 557, BStBl II 1987, 561; vom 2. Oktober 1984 VIII R 36/83, BFHE 143, 228, BStBl II 1985, 320, 322).

Sie sind jedoch als Anschaffungskosten zu berücksichtigen und mindern insoweit den steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn. Anschaffungskosten sind alle Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können, § 255 Abs. 1 HGB (Frotscher, in Frotscher, EStG, § 17 EStG Rz. 100 , Stand: 15.05.2004). Als Anschaffungskosten der Beteiligung an einer juristischen Person sind alle Einzahlungen auf das Nennkapital und ein etwaiges Aufgeld, das in die Kapitalrücklage einzustellen ist anzuerkennen (BFH-Urteil vom 27.4.2000, I R 58/99, BFH/NV 2000, 1526). Zu den Anschaffungskosten zählen auch nachträgliche Aufwendungen, z.B. Einlagen in die Kapitalgesellschaft einschließlich der verdeckten Einlagen und Zahlungen eines Gesellschafters nach Auflösung der Kapitalgesellschaft zur Vermeidung eines Insolvenzverfahrens (BFH-Urteil vom 12.10.1999, VIII R 46/98, BFH/NV 2000, 561).

Zwar sind die Rechts- und Beratungskosten des Jahres 2000 keine Anschaffungskosten in diesem "engeren Sinne"; sie sind jedoch als Anschaffungskosten im "weiteren Sinne" zu erfassen. Der Begriff der Anschaffungskosten ist für den Bereich des § 17 weit auszulegen; er umfasst alle durch das Gesellschaftsverhältnis veranlassten Aufwendungen, die nicht als Werbungskosten oder Veräußerungskosten abziehbar sind oder waren (BFH-Urteile vom 10.11.1998, VIII R 6/96, BFH/NV 1999, 855;vom 12.12.2000, VIII R 52/93, BStBl II 2001, 286; Frotscher a.a.O.. Rz. 102a; Weber-Grellet in Schmidt EStG Kommentar 27. Aufl. 2008, § 17 Rz. 156; Strahl in Korn/ Strahl Einkommensteuergesetz Kommentar § 17 Anm. 85 ff). Maßgebend für diese weite Auslegung des Begriffs der Anschaffungskosten ist das objektive Nettoprinzip, nach dem dem Ertrag aus der Beteiligung alle hierdurch veranlassten Aufwendungen gegenüberzustellen sind. Nur eine konsequente Erfassung aller Aufwendungen wird dem Begriff der Anschaffungskosten bei § 17 EStG gerecht.

Zwar hat die Rechtsprechung des BFH die steuerliche Berücksichtigung vergeblicher Veräußerungskosten bei späteren Veräußerungen ausdrücklich offen gelassen. Der Senat ist jedoch der Überzeugung, dass diese als Anschaffungskosten berücksichtigt werden müssen. Die Anerkennung als Anschaffungskosten berücksichtigt, dass die Aufwendungen vom Gesellschafter für die Beteiligung getätigt wurden und bisher nicht als Veräußerungs- bzw. Werbungskosten berücksichtigungsfähig waren.

Aufwendungen die bisher steuerlich nicht berücksichtigt werden konnten, müssen Anschaffungskosten sein.

Mit einer anderen Begründung kommt auch die Literatur zum selben Ergebnis. Die Abzugsfähigkeit wird entweder als "Beteiligungskosten" (Weber-Grellet a.a.O.. § 17 Rz. 132) oder allgemein aufgrund des Nettoprinzips bejaht (Strahl a.a.O. § 17 Anm. 79 Fehlgeschlagener Verkauf ). Der Vorteil der Berücksichtigung fehlgeschlagener Aufwendungen als Teil der Anschaffungskosten liegt nach Überzeugung des Senats jedoch darin, dass das Ergebnis unmittelbar auf den Begriff der Anschaffungskosten nach dem HGB gestützt werden kann, ohne eine weitere Unterscheidung, die sich aus dem HGB nicht unmittelbar ergibt (Weber-Grellet) heranziehen zu müssen.

Da die Höhe der auf den Kläger entfallenden Aufwendungen des Jahres 2000 unstreitig ist, mindert sich der Veräußerungsgewinn von 679.356,53 EUR um 30.727 EUR auf 648.628,95 EUR. Dieser ist hälftig, also mit 324.314 EUR der Besteuerung zugrunde zu legen.

Die Neuberechnung der Einkommensteuer wird dem Beklagten übertragen, § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 FGO.

Die Revision wird zugelassen, weil die Rechtsfrage in der Rechtsprechung des BFH bisher ausdrücklich offen gelassen worden ist und die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, §§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 155 FGO, 709, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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