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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 15.12.2008
Aktenzeichen: 10 K 169/06
Rechtsgebiete: EStG, KStG, AO


Vorschriften:

EStG § 20 Abs. 1
KStG § 27 Abs. 1
KStG § 27 Abs. 2
KStG § 27 Abs. 3
KStG § 28 Abs. 2
AO § 173 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand:

Streitig ist, ob Bescheinigungen über ausgeschüttete Dividenden nach § 27 Abs.1 Satz 5 des Körperschaftsteuergesetzes vom 15. Oktober 2002 -KStG- geändert werden können.

Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft, die seit dem Rumpfgeschäftsjahr vom 1. Januar bis 31. Juli 2001 ein abweichendes Wirtschaftsjahr hat. Sie war bis zum Jahr 2001 in der Holzbranche tätig. Aufgrund von Verlusten beschränkten sich die Aktivitäten im Streitjahr auf die Verwaltung von Immobilien. Durch Beschluss der Hauptversammlung vom 06. November 2001, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, wurde das Grundkapital von 10 Millionen DM auf 2,5 Millionen Euro herabgesetzt. Der Differenzbetrag von 2.612.919 EUR wurde der Kapitalrücklage zugeführt. Die Firma der Klägerin lautet zwischenzeitlich X AG.

Alleinige Aktionäre der AG waren Y 1 mit Anteilen von 48,912%, Y 2 und Y 3 mit Aktien von jeweils 21,944% und Y 4 mit Anteilen von 7,2%. Am 15. November 2002 beschloss die Hauptversammlung eine Gewinnausschüttung von 862.000 EUR. Die Auszahlung erfolgte am 30. Dezember 2002. Die dementsprechende Anmeldung zur Kapitalertragsteuer ging am 27. Dezember 2002 beim beklagten Finanzamt ein. Darin waren die gesamten Kapitalerträge von 862.000 EUR als steuerpflichtige Erträge angegeben, die hieraus resultierende Kapitalertragsteuer mit 172.400 EUR. Die für die Aktionäre ausgestellten Steuerbescheinigungen wiesen die entsprechenden Dividenden ausschließlich als Kapitalerträge im Sinn des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG aus, die Zeile für "Leistungen aus dem steuerlichen Einlagekonto" blieb leer. Die Handelsbilanz der Klägerin enthält den Bestätigungsvermerk und den Ergebnisverwendungsvorschlag vom 18. Oktober 2002, die Bilanz selbst ist im Oktober 2003 unterschrieben.

Die Körperschaftsteuererklärung wurde zusammen mit der Handelsbilanz am 19. Mai 2004 beim beklagten Finanzamt abgegeben. Am 16. Juli 2004 erging zum Stichtag 31. Juli 2001 ein nach § 129 AO berichtigter Bescheid, mit dem in dem steuerlichen Einlagenkonto 3.203.841 DM als durch Umwandlung von Rücklagen in Nennkapital nach § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG und das Körperschaftsteuerguthaben mit 376.743 DM festgestellt wurden. Die Abgabe der Steuerbilanz erfolgte erst am 3. Februar 2005. Im Zusammenhang mit der Erstellung der Steuerbilanz wurde festgestellt, dass für die Gewinnausschüttung insgesamt 718.957 EUR als aus dem Einlagenkonto verwendet zum Abzug gebracht wurden. Es erging zunächst ein unter Vorbehalt der Nachprüfung stehender Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen zum 31. Juli 2003, mit dem das steuerliche Einlagenkonto nach § 27 Abs. 2 Satz 1 KStG mit einem Betrag von 255.864 EUR (Eigenkapital laut Steuerbilanz 3.617.864 EUR abzüglich Nennkapital 2,5 Millionen Euro minus Einlagekonto 974.821 EUR) festgestellt wurde, woraus ein ausschüttbarer Gewinn von 143.043 EUR resultierte. Damit wurde die durch die Ausschüttung erfolgte Verwendung des steuerlichen Einlagekontos zunächst zutreffend berücksichtigt. Am 08. März 2006 erging ein Änderungsbescheid, mit dem das Einlagekonto mit 947.821 EUR festgestellt wurde, somit ohne Berücksichtigung der Verwendung der Beträge des steuerlichen Einlagekontos für die Ausschüttung. Im Verlauf des Klageverfahrens wurde der Vorbehalt der Nachprüfung durch Bescheid vom 09.05.2007 aufgehoben. Am 14. September 2005 wurde eine geänderte Kapitalertragsteueranmeldung 2002 eingereicht. Darin wurden lediglich noch 143.043 EUR als steuerpflichtige Kapitalerträge mit einer hieraus folgenden Kapitalerstragsteuer von 28.608,60 EUR eingereicht. Nach einer Erläuterung zur geänderten Kapitalertragsteueranmeldung wird ausgeführt, dass nach der Anlage zum Feststellungsbescheid zum 31. Juli 2003 der Klägerin eine Verwendung der Dividende aus dem steuerlichen Einlagekonto in Höhe von 718.957 EUR erfolgte. Die steuerpflichtigen Kapitalerträge, für die die geänderte Kapitalertragsteueranmeldung eingereicht wurde, wurden folgendermaßen dargestellt

 Gewinnausschüttung Y AG862.000 EUR
Verwendung des steuerlichen Einlagekontos- 718.957 EUR
Kapitalerträge (Dividende Halbeinkünfteverfahren)143.043 EUR

Den Empfängern der Kapitalerträge wurden berichtigte Steuerbescheinigungen ausgestellt, die den Einkommensteuer-Finanzämtern zugeleitet wurden.

Gleichzeitig wurden für die Aktionäre bei deren Einkommensteuererklärungen Anträge auf Änderung der bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide 2002 eingereicht, mit denen berichtigte Steuerbescheinigungen der Klägerin vom 25. Oktober 2005 eingereicht wurden.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass die Steuerbescheinigungen der Y AG vom 30. Dezember 2002 zu berichtigen seien, da die Steuerbescheinigungen die Angaben nach § 27 Abs. 3 Nr. 2 KStG, 45 a Abs. 2 Nr. 2 EStG nicht zutreffend auswiesen. Zur Begründung wird ausgeführt, dass für die Ausschüttung noch keine Minderung des Einlagekontos bescheinigt worden sei, da der Klägerin das steuerliche Einlagenkonto erst nach Einreichung der Körperschaftsteuererklärung 2002 im Mai 2004 bekannt geworden und das steuerliche Einlagenkonto erstmals mit Feststellungsbescheid vom 14. Februar 2005 festgestellt worden sei. Dies habe darauf beruht, dass infolge der Kapitalherabsetzung der Y AG von 10 Millionen DM auf 2,5 Millionen Euro erstmalig zum 31. Juli 2002 974.821 EUR dem steuerlichen Einlagekonto zugeführt worden seien, wonach das steuerliche Einlagenkonto zum 30. Dezember 2002 mit 718.957 EUR für die Gesamtausschüttung von 862.000 EUR habe verwendet werden können. Da die bisherigen Steuerbescheinigungen falsch oder unvollständig gewesen seien, seien weder die Anteilseigner, noch die Finanzverwaltung an eine unrichtige Bescheinigung gebunden. Zudem sei die Nichterwähnung des Einlagekontos nur dann einer festschreibenden Null-Bescheinigung gleichzustellen, wenn es sich um eine Publikumsgesellschaft handele. Bei einer Gesellschaft mit wenigen Anteilseignern, wie es bei der Y AG der Fall sei, könnten die Bescheinigungen eingezogen werden und durch neue ersetzt werden (§ 45 a Abs. 6 EStG). Nur für den Fall, dass eine Publikumsgesellschaft ihre Anteilseigner nicht zuverlässig mit geänderten Steuerbescheinigungen erreichen könne, solle die Regelung der Verwendungsfestschreibung des § 27 KStG greifen. In den alten Steuerbescheinigungen seien die Leistungen aus dem steuerlichen Einlagekonto nicht mit Null, sondern überhaupt noch nicht bescheinigt.

Durch Verwaltungsakt vom 16. Dezember 2005 lehnte das beklagte Finanzamt die Änderung der ursprünglichen Kapitalertragsteuerfestsetzung für Dezember 2002 ab. Es vertrat die Auffassung, dass der vorgenommenen Änderung die Verwendungsfestschreibung nach § 27 Abs. 1 Satz 5 KStG entgegenstehe. Die in einer Bescheinigung zugrunde gelegte Minderung des Einlagekontos werde danach in dem bescheinigten Umfang festgeschrieben.

Dagegen legte die Klägerin form- und fristgerecht Einspruch ein. Auch legte sie Einspruch gegen die Änderung des Feststellungsbescheides vom 8. März 2006 ein. Die Einsprüche wurde durch zusammengefasste Einspruchsentscheidung vom 11. Juli 2006 zurückgewiesen.

Dagegen richtet sich die form- und fristgerecht erhobene Klage, mit der die Klägerin ihr Begehren, die geänderte Kapitalertragsteueranmeldung festzusetzen und das Einlagekonto auf 255.864 EUR festzustellen, weiter verfolgt. Zur Begründung führt sie aus, das beklagte Finanzamt verkenne die Tragweite der Bestimmung des § 27 Abs. 1 Satz 5 KStG. Schon nach ihrem Wortlaut finde die Bestimmung nur dann Anwendung, wenn die Minderung des Einlagekontos bescheinigt worden sei. Tatsächlich sei eine solche Bescheinigung aber nicht erfolgt. Vielmehr habe das betreffende Feld der ursprünglichen Steuerbescheinigung keinen Eintrag enthalten, insbesondere auch nicht den Eintrag "Null". Die Steuerbescheinigungen seien auch nicht stillschweigend als "Null"-Bescheinigung auszulegen. § 27 Abs. 3 KStG verlange, dass die Kapitalgesellschaft unter den dort genannten Voraussetzungen ihren Anteilseignern die Höhe der Leistungen, soweit das steuerliche Einlagekonto vermindert werde, bescheinige. Von einer stillschweigenden Null-Bescheinigung könne daher nur dann auszugehen sein, wenn der jeweilige Anteilseigner als Empfänger der Bescheinigung durch Rückrechnung aus den übrigen Inhalten der Bescheinigung errechnen könne, dass eine Null-Verwendung des steuerlichen Einlagekontos erfolgt sei. Eine solche Rückrechnung sei dem Empfänger der Bescheinigung aber schon deshalb nicht möglich, weil das amtliche Steuerbescheinigungsformular keine Angabe des gesamten Ausschüttungsbetrages vorsehe. Für den Empfänger der Bescheinigung sei nicht ohne weiteres ersichtlich, ob in dieser die erfolgte Ausschüttung umfassend berücksichtigt sei. Aus seiner Sicht sei es auch möglich, dass über Leistungen aus dem Einlagekonto gegebenenfalls eine gesonderte Bescheinigung erteilt werde. Die Empfänger müssten auch keinen Abgleich mit Dividendenbekanntmachungen, Gewinnverwendungsbeschlüssen oder Nettodividenden vornehmen.

Selbst wenn trotz fehlender Angabe die Bescheinigung einer Null-Verwendung des steuerlichen Einlagekontos entgegen der obigen Auffassung zu unterstellen wäre, bedeute dies, dass im Sinn des § 27 Abs. 1 Satz 5 KStG eine Minderung des Einlagekontos gerade nicht bescheinigt worden sei. Eine Minderung liege nämlich nur im Fall der Reduzierung eines Bestandes vor, nicht aber bei dessen fehlender Änderung. Nach dem Zweck der Bestimmung ergebe sich, dass die in § 27 Abs. 1 Satz 5 KStG geregelte Verwendungsfestschreibung nur im Falle einer bescheinigten Reduzierung und nicht auch im Fall einer bescheinigten Null-Verwendung des Einlagekontos eingreifen solle. Die Verwendungsfestschreibung solle ausschließlich sicher stellen, dass - zutreffend oder unzutreffend - bescheinigte Verwendungsbeträge nicht nochmals zu einer Steuerfreistellung nach § 20 Abs. 1 Satz 3 EStG führen könne. Die vom Gesetzgeber gewählte Verwendungsfestschreibung diene diesem Zweck in sicherer und für alle Beteiligten - namentlich für Publikumsgesellschaften - einfacher zu handhabenden Weise als eine Verpflichtung des Ausstellers, eine unzutreffende Bescheinigung zurückzufordern und zu korrigieren. Im Falle einer bescheinigten Nullverwendung bestehe jedoch weder ein solches fiskalisches Sicherungsinteresse noch sonst ein ersichtliches Motiv für eine Verwendungsfestschreibung. Im übrigen stehe § 27 Abs.1 Satz 5 KStG auch nicht einer Änderung einer unzutreffenden Bescheinigung nach § 27 Abs. 1 KStG entgegen. Ansonsten müsste § 27 Abs. 1 Satz 5 KStG nämlich lauten: "ist .... erstmals bescheinigt worden" oder so ähnlich. Durch die amtlich vorgegebene Verbindung der Bescheinigungen nach § 27 Abs. 3 KStG und § 45 a Abs. 2 EStG in einem einheitlichen Formular werde vielmehr der Aussteller einer Bescheinigung, die den Bestimmungen des § 45 a Abs. 2 EStG nicht entspreche, genötigt, die hier gesetzlich gebotene Berichtigung nach § 45 a Abs. 6 EStG mit einer sachlich zutreffenden - und gegenüber der zurückgeforderten Bescheinigung ggf. veränderten - Angabe zur Verwendung des steuerlichen Einlagenkontos zu versehen.

Auch habe der Gesetzgeber mit Gesetz vom 7. Dezember 2006 BStBl I 2006, 2782 (SESTEG) § 27 Abs. 5 KStG dahingehend geändert, dass bei fehlender Bescheinigung einer Verwendung des Einlagekontos eine Einlagenrückgewähr von Null EUR als bescheinigt gelte. Die geänderte Fassung des § 27 KStG und damit auch die darin enthaltene Fiktionsregelung gelte indessen erstmals für den Veranlagungszeitraum 2007 (§ 34 Abs. 1 KStG) und somit nicht für das Streitjahr. Der Gesetzbegründung sei nicht etwa zu entnehmen, dass der Gesetzgeber lediglich einen bereits bestehenden Rechtszustand klarstellen wolle, vielmehr handele es sich bei der gesetzlichen Fiktion um eine Neuregelung, die belege, dass aus Sicht des Gesetzgebers zuvor eine fehlende Angabe zur Verwendung des Einlagekontos nicht als Bescheinigung einer Einlagenrückgewähr von Null EUR anzusehen sei.

Die Klägerin beantragt,

1. die Kapitalertragsteueranmeldung vom 27. September 2002 zum 30. September 2002 und die Einspruchsentscheidung vom 11. Juli 2006 dahingehend abzuändern, dass die Kapitalertragsteuer auf 28.609 EUR und der Solidaritätszuschlag auf 1.573,47 EUR festgesetzt werde,

2. die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Das beklagte Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Unstreitig ist auch nach Auffassung des Beklagten zwischen den Beteiligten, dass es sich materiellrechtlich nur in Höhe von 143.043 EUR um steuerpflichtige Dividenden handele, der Restbetrag entstamme dem steuerlichen Einlagekonto. Dennoch hält das beklagte Finanzamt eine Änderung der Kapitalertragsteueranmeldung nicht für möglich. Es verweist auf das BMF-Schreiben vom 04.06.2003 BStBl I, 2003, 366, das unter Rz 24 für den Fall einer nachträglichen Änderung des maßgeblichen Bestandes von einer unveränderten Verwendung ausgeht. In diesem Sinne liege eine Festschreibung auch vor, wenn die entsprechenden Zeilen der Steuerbescheinigung nicht ausgefüllt worden seien. Durch den Ausweis des Gesamtbetrages als Kapitalertrag werde konkludent und dauerhaft über die Finanzierung der Ausschüttung entschieden. Die Festschreibung der Verwendung greife auch dann ein, wenn in der ausgestellten Steuerbescheinigung eine Einlagenverwendung von Null DM bestätigt werde. Nichts anderes könne gelten, wenn die Zeile des Einlagekontos unausgefüllt bleibe, die vollumfängliche Zuordnung der Ausschüttung zu den Kapitalerträgen aber keinen anderen Raum als Null belasse. Es könne auch nicht der Klägerin zugute gehalten werden, dass sich das Vorhandensein des Einlagekontos erst im Jahr 2005 herausgestellt habe. Zwar datiere der Feststellungsbescheid zum 31. Juli 2002 vom 14. Februar 2005, jedoch dokumentiere dieser nur einen Tatbestand zum Feststellungszeitpunkt. Das Einlagenkonto resultiere nach den eigenen Angaben der Klägerin aus der Herabsetzung des Nennkapitals im Wirtschaftsjahr 2001/2002 und sei ihr daher bekannt gewesen. Der Feststellungsbescheid zum 31. Juli 2003 führe nur die Beträge unter Zugrundlegung der o.g. Rechtsauffassung zum Einlagekonto konsequent fort. Auch die Oberfinanzdirektion habe diese Auffassung in der Körperschaftsteuer Dienstbesprechung 2003 ausdrücklich zu einem vergleichbaren Sachverhalt vertreten. Das beklagte Finanzamt sei daher an die Anweisungen der vorgesetzten Dienststellen gebunden. Auf den Inhalt der Dienstbesprechung wird Bezug genommen.

Die Beteiligten haben nach § 90 Abs. 2 FGO auf mündliche Verhandlung vor dem Senat verzichtet.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

1. a) Gewinnanteile aus Aktien unterliegen als Kapitalerträge nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG dem Steuerabzug nach dem Kapitalertrag (§ 43 Abs. 1 Nr. 1 EStG), sofern dafür nicht das steuerliche Einlagenkonto verwendet wird. Nach § 27 Abs. 1 Satz 3 des Körperschaftsteuergesetzes -KStG- mindern Leistungen der Kapitalgesellschaft mit Ausnahme der Rückzahlung von Nennkapital im Sinn von § 28 Abs. 2 Satz 2 KStG das steuerliche Einlagenkonto nur, soweit die Summe der im Wirtschaftjahr erbrachten Leistungen den auf den Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres ermittelten ausschüttbaren Gewinn übersteigt. Als ausschüttbarer Gewinn gilt das um das gezeichnete Kapital geminderte, in der Steuerbilanz ausgewiesene Eigenkapital abzüglich des Bestands des steuerlichen Einlagekontos. Ist für die Leistung der Kapitalgesellschaft die Minderung des Einlagekontos bescheinigt worden, bleibt die der Bescheinigung zugrunde gelegte Verwendung unverändert.

Nach Absatz 2 der Vorschrift wird der unter Berücksichtigung der Zu- und Abgänge des Wirtschaftsjahres ermittelte Bestand des steuerlichen Einlagekontos gesondert festgestellt. Der Bescheid über die gesonderte Feststellung ist Grundlagenbescheid für den Bescheid über die gesonderte Feststellung zum folgenden Feststellungspunkt.

Für die in § 28 Abs. 2 Satz 3 KStG geregelte Direktverwendung des steuerlichen Einlagekontos ist eine Steuerbescheinigung nach § 27 Abs. 3 KStG nicht auszustellen (BMF-Schreiben in BStBl I 2003, 366, Rn. 23; in Dötsch/Eversberg § 27 KStG Anmerkung 46, 59).

Nach der Gesetzesfassung entfaltet der Feststellungsbescheid über das Einlagekonto nach § 27 Abs. 2 KStG keine materielle Bindungswirkung gegenüber dem Anteilseigner im Sinne eines bindenden Grundlagenbescheides. Erst die Steuerbescheinigung nach § 27 Abs. 3 KStG bindet die Anteilseigner im Umfang der gesetzlich angeordneten Bindungswirkung (Dötsch a.a.O. Textziffer 112; Förster/van Lishaut, Finanzrundschau 2002, 1205, 1212 Fußnote 40). Die Regelung des § 27 Abs. 1 Satz 5 KStG wurde für den hier vorliegenden Fall, dass das Einlagekonto nicht erwähnt wurde oder eine Einlageverwendung von Null bestätigt wurde, durch die Neufassung im SESTEG mit Wirkung ab 2006 umfassend und differenziert verändert. Nach dieser Regelung wurde eine Fiktion in das Gesetz eingeführt, nach der in einem Fall wie hier "der Betrag der Einlagenrückgewähr als mit Null EUR bescheinigt gilt, sofern für eine Leistung eine Steuerbescheinigung im Sinn des § 27 Abs. 3 KStG nicht erteilt worden ist."

b) Für die hier maßgebende Gesetzesfassung ist der Umfang der Festschreibung der Verwendung nach § 27 Abs. 1 Satz 5 KStG in der zum Veranlagungszeitraum 2005 geltenden Fassung streitig, wenn in der Steuerbescheinigung das Einlagenkonto nicht erwähnt wird. In der Literatur werden hierzu unterschiedliche Auffassungen vertreten. Gegen eine Festschreibung sprechen sich Förster/van Lishaut (Finanzrundschau 2002, 1205, 1212, Schaumburg/Rödder in Unternehmenssteuerreform 2001, 594; Frotscher in Frotscher/Maas, Kommentar zum Körperschaftsteuergesetz, § 27 KStG Rn 77; Christorowitz in Gail/Goutier/Grützner, § 27 KStG Rn 74 zur alten Fassung und Danseling in Blümich/Falk, Kommentar zum EStG und KStG, § 27 a.F. Rn 33) aus.

Für eine umfassende Festschreibung sprechen sich Köster in Hermann/Heuer/Raupach, § 27 KStG, Rn 13 zur alten Gesetzesfassung; Antweiler in Ernst & Young, § 27 KStG, Rn 80 und Lornsen/Veit/Odenbach in Erle/Sauter, Kommentar zum KStG, § 27 Rn 71; ; Heger in Gosch, Kommentar zum KStG, § 27 KStG Rn 30 sowie Dötsch in Dötsch/Eversberg u.a., § 27 KStG Rnr. 192 aus.

2. Der Senat folgt der zuerst genannten Auffassung, dass eine umfassende Verwendungsfestschreibung in § 27 Abs. 1 Satz 5 KStG für den hier vorliegenden Fall weder nach dem Wortlaut, noch nach dem Sinn des Gesetzes geregelt ist.

a) Die Absätze 3 - 5 des § 27 KStG dienen der technischen Durchführung der Besteuerung der aus dem steuerlichen Einlagekonto erbrachten Leistungen auf Seiten der Anteilseigner. Erbringt die Kapitalgesellschaft Leistungen aus dem steuerlichen Einlagekonto, gehören diese Leistungen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG beim Anteilseigner nicht zu den steuerpflichtigen Einnahmen aus Kapitalvermögen. Sie sind daher als Kapitalrückzahlung nicht steuerbar. Diese Behandlung als Kapitalrückzahlung erfordert, dass bei der Besteuerung des Anteilsinhabers Informationen verfügbar sind, die auf der Ebene der Kapitalgesellschaft anfallen, nämlich, ob und in welchem Umfang Beträge des steuerlichen Einlagekontos für die Leistung an den Anteilseigner verwendet worden sind. Diese notwendige Information der ausschüttenden Kapitalgesellschaft an den Anteilsinhabern wird durch das Bescheinigungsverfahren nach den Abs. 3 - 5 der Vorschrift sichergestellt. Der Nachweis, dass die Voraussetzungen für die Einordnung der Leistung als nicht steuerbare Kapitalrückzahlung vorliegen, wird durch die Steuerbescheinigung erbracht.

Anders jedoch als nach den §§ 44, 45 a.F. KStG für das Anrechnungsverfahren ist die Bescheinigung nach der jetzt vorliegenden gesetzlichen Regelung keine materiell-rechtliche Voraussetzung für die Einordnung als nicht steuerbare Kapitalrückzahlung, sondern nur ein Nachweis. § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG alter Fassung machte die Anrechnung materiell-rechtlich davon abhängig, dass die Steuerbescheinigung vorlag. Dagegen ordnet § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG alle Leistungen als nicht steuerbar ein, für die Eigenkapital im Sinn des § 27 KStG als verwendet gilt. Die Vorschrift macht die Nichtsteuerbarkeit also nur vom Vorliegen der materiellen Voraussetzungen des § 27 KStG, nicht jedoch - wie früher - vom Vorliegen der Bescheinigung abhängig. Fehlt die Bescheinigung, kann der Nachweis auch auf andere Weise geführt werden. Allerdings ist die Bescheinigung die einfachste Methode des Nachweises. Da die Bescheinigung keine materielle Voraussetzung ist, sondern nur ein Beweismittel, besteht weder eine Bindung der Finanzverwaltung noch des Steuerpflichtigen an eine unrichtige Bescheinigung. Diejenige Seite, die die Unrichtigkeit der Bescheinigung behauptet, ist daher mit dem Nachweis zugelassen, dass die Bescheinigung unrichtig ist (zum Vorstehenden: Dösch/Eversberg a.a.O., § 27 KStG Anmerkung 140 ff; 172 ff; Frotscher/Maas a.a.O. § 27 KStG Rn 59). Aus diesem Rechtscharakter folgt, dass die nachträgliche Erteilung der Bescheinigung auch kein rückwirkendes Ereignis im Sinn § 175 Abs. 1 Nr. 2, Absatz 2 Satz 2 AO ist. Eine Bescheinigung kann demzufolge jedoch nachträgliches Beweismittel im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 AO sein.

b) Ein Teil der Literatur geht davon, dass es einer zwingenden Übereinstimmung der Finanzierung einer Gewinnausschüttung auf der Seite der Körperschaft und der vom Anteilseigner ausgestellten Steuerbescheinigung bedarf. Sie leitet dies aus § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KStG her, wonach die Höhe der Leistungen "soweit das steuerliche Einlagenkonto gemindert wurde", in der Steuerbescheinigung anzugeben ist. Würde man eine von der tatsächlichen Verwendung bei der Körperschaft abweichenden Steuerbescheinigung an die Anteilseigner zulassen, könnte es zu einer ungerechtfertigten zweifachen Nutzung des Einlagenkontos kommen, die nicht als gesetzlicher Regelungswille unterstellt werden könne. Nach dem in § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG geregelten Rechengang würde nämlich einer nachfolgenden Leistung an die Anteilseigner als ausschüttbarer Gewinn das tatsächliche Eigenkapital laut Steuerbilanz abzüglich des zu hohen Bestandes beim Einlagekonto mit der Folge gegenüber gestellt, dass an sich hälftig zu versteuerende Rücklagen den Anteilseignern als steuerfreie Einlagenrückzahlung bescheinigt werden können (Dötsch a.a.O., § 27 KStG Anmerkung 164; anderer Auffassung: Frotscher a.a.O., § 27 Rn 63).

c) Für eine nur beschränkte Bindungswirkung der Bescheinigung sprechen für den Streitfall nach Auffassung des Senats der Wortlaut, Sinn und Zweck des § 27 Abs. 1 Satz 5 KStG a.F. und der Charakter der Steuerbescheinigung als bloßes Beweismittel.

aa) Nach § 27 Abs. 1 Nr. 5 KStG bleibt die der Bescheinigung zugrunde gelegte Verwendung nur dann unverändert, wenn für die Leistung der Kapitalgesellschaft "die Minderung des Einlagekontos" bescheinigt worden ist.

Nach diesem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes greift die Festschreibung nur bei einer Bescheinigung einer Minderung ein. Da keine Bescheinigung oder eine Bescheinigung mit Null nach mathematischen Grundsätzen keine Minderung des Einlagenkontos darstellt, kann eine solche Festschreibung, wie sie im § 27 Abs. 1 Satz 5 KStG a.F. vorgesehen war, schon nach dem Wortlaut der Vorschrift für diesen Fall nicht eingreifen.

bb) Auch nach Sinn und Zweck der Vorschrift ist diese Regelung nicht ausdehnend auszulegen. Die vom beklagten Finanzamt herangezogene Auslegung des Bundesministers der Finanzen steht dieser Auffassung des Senats nicht entgegen, da die von der OFD vertretene Auffassung eindeutig über Randziffer 24 des vorgenannten Erlasses hinaus geht. Auch dort wird die Verwendungsfiktion für den gesetzlich geregelten Fall der Minderung des Einlagekontos vertreten. Aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift, Steuerausfälle, insbesondere bei Publikumsgesellschaften, jedoch auch bei anderen Körperschaften zu verhindern, ergibt sich nichts anderes. Dabei ist bei Publikumsgesellschaften jeder Einzelfall vom jeweiligen Sachverhalt her zu beurteilen und zu untersuchen.

cc) § 27 Abs.1 Satz 5 KStG steht im Zusammenhang mit der Verwendungsfiktion in § 27 Abs. 1 Satz 3 und 4 KStG. Zweck der Vorschrift ist, dass die einmal bescheinigte Verwendung von Beträgen des Einlagekontos unverändert bleibt, auch für den Fall, dass sich nachträglich, zum Beispiel im Rahmen einer Betriebsprüfung, herausstellt, dass noch andere Rücklagen vorhanden waren. Die der Bescheinigung zugrunde gelegte Verwendung soll unverändert bleiben, unabhängig davon, ob diese zu hoch oder zu niedrig bescheinigt wurde. Hintergrund der Regelung ist der Umstand, dass insbesondere bei Publikumsgesellschaften, deren Anteilseigner anonym sind, eine Berichtigung einmal ausgestellter Bescheinigungen praktisch unmöglich ist. Im Fall zu hoch ausgestellter Bescheinigungen kann es nachträglich ausnahmsweise zu einem Negativbestand im Einlagekonto kommen, da es sich bei der Festschreibung der Verwendung durch die Ausstellung der Bescheinigung letztlich um eine weitere Fiktion handelt. Bis zum Zugang der Bescheinigung beim Anteilseigner ist eine Berichtigung möglich. Jedoch genügt der Zugang bei einem Teil der Anteilseigner für die bindende Festschreibung (Binnewies in Streck, Kommentar zum KStG, § 27 Anmerkung 6). Diese Festschreibung der Verwendung hatte ihr Vorbild in § 28 Abs. 4, 5 und 7 KStG. Im zeitlichen Geltungsbereich des früheren Anrechnungsverfahrens waren Verwendungsfestschreibungen für fast alle Teilbeträge des VEK geregelt, nicht allerdings für die des EK 04. Im heutigen System ist es genau umgekehrt. Eine Verwendungsfestschreibung gibt es nur für das steuerliche Einlagekonto. Auch für diese Regelung hat die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs jedoch für die Verwendungsreihenfolge entschieden, dass nur die tatsächlichen Verwendungen der Vergütung von Körperschaftsteuer an nicht anrechnungsberechtigte Anteilseigner maßgebend ist und es insoweit auf die gesetzlichen Regelungen, nicht jedoch auf vermeintliche praktische Schwierigkeiten; ankommt (BFH-Urteil vom 21. April 1999 I R 5/98 BStBl II 1999, 415). Auch die Gegner der hier vertretenen Auffassung räumen ein, dass § 27 KStG kein ausdrückliches Berichtigungsverbot für ausgestellte Steuerbescheinigungen enthält. Sie interpretieren jedoch ein solches in diese Regelung als immanente Mitregelung hinein.

dd) Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Da es sich bei der Auferlegung von Steuerpflichten um hoheitliche Eingriffe zu Lasten des Bürgers handelt, müssen diese klar und eindeutig bestimmt und festgelegt sein. Sind die Regelungen zu Lasten des Bürgers nicht eindeutig und klar bestimmt, so muss der Staat die hieraus sich ergebenden Nachteile tragen. In dem hier vorliegenden Fall, dass die Bescheinigung eben gerade keinen Eintrag enthält über die Zahlung aus dem Einlagenkonto, entsteht dem Staat zunächst einmal kein Nachteil. Wie der vorliegende Fall zeigt, wurde der als Dividende behandelte Betrag in vollem Umfang, somit in Höhe von 862.000 EUR mit einer Kapitalertragsteuer von 172.400 EUR angemeldet und die Kapitalertragsteuer abgeführt. Materiell betrachtet sind beide Beteiligte sich dahingehend einig, dass die Leistungen in Höhe von 718.957 EUR tatsächlich aus dem Einlagenkonto erbracht worden sind und die Besteuerung als Kapitalerträge insoweit materiell unrichtig ist. Die ursprünglichen Bescheinigungen sind demnach falsch, während die berichtigten Bescheinigungen richtig sind.

ee) Die hier vorliegende Konstellation zeigt, dass in dem Fall, in denen keine Rückzahlungen aus Kapitalerträgen bescheinigt worden sind oder die Bescheinigung auf Null EUR lautet, gerade keine Steuerausfälle zu besorgen sind, da in diesem Fall die Erträge in vollem Umfang der Kapitalertragsteuer unterworfen und beim Anteilseigner angerechnet werden. Sinn und Zweck der Regelung erfordern daher keine ausdehnende Auslegung, sondern allenfalls eine restriktive. Entgegen den früheren Regelungen in §§ 44, 45 KStG sind die Bescheinigungen keine materiell-rechtlichen Voraussetzungen, sondern nur noch Beweismittel. Die Bescheinigungen sind nach einhelliger Auffassung dem Grunde nach änderbar, da dies § 27 Abs. 1 Satz 5 KStG in der im Streitjahr geltenden Fassung nicht verbietet. Es besteht weder ein Änderungsverbot noch -anders als in den Jahren ab 2006- eine Fiktion für den hier gegebenen Streitfall. Damit durfte die Klägerin die Bescheinigungen abändern und die früheren Bescheinigungen zurückfordern. Sie hat auch die neuen Bescheinigungen ausdrücklich als berichtigte Bescheinigungen gekennzeichnet und dementsprechend eine geänderte Kapitalertragsteueranmeldung abgegeben. Da alle Beteiligten darin übereinstimmen, dass dies dem Grunde nach zutreffend ist, haben die Beteiligten auch die Zahlung aus der Kapitalrücklage nachgewiesen, zumal sich dies eindeutig aus den vorgelegten Unterlagen ergibt. Insoweit ist der Sachverhalt auch zwischen den Beteiligten unstreitig.

Die Kapitalertragsteuer war demzufolge auf 28.609 EUR, der Solidaritätszuschlag auf 1.573,47 EUR aus Kapitalerträgen von 143.043 herabzusetzen.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 135 FGO.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war für notwendig zu erklären, da es sich um eine schwierige und grundsätzliche Rechtsfrage handelt.

Die Revision ist nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen, da es sich um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung handelt, die - soweit ersichtlich - bislang noch nicht entschieden wurde. Die Rechtsfragen sind trotz der Tatsache, dass es sich um auslaufendes Recht handelt, noch in einer Reihe von offenen Fällen und Betriebsprüfungen von erheblicher Bedeutung.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 151, 155 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.



Ende der Entscheidung

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