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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 03.03.2004
Aktenzeichen: 10 K 26/01
Rechtsgebiete: EStG, SGB V, UStG 1993


Vorschriften:

UStG 1993 § 4 Nr. 14 S. 1
UStG 1993 § 2 Abs. 1
SGB V § 11 Abs. 1 Nr. 4
SGB V § 27 Abs. 1
SGB V § 28 Abs. 1 S. 2
SGB V § 28 Abs. 3
SGB V § 43a
SGB V § 82 Abs. 2
SGB V § 85 Abs. 2 S. 4
SGB V § 124 Abs. 2
SGB V § 32 Abs. 2
EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Finanzrechtsstreit

hat der 10. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 03. März 2004 durch Richter am Finanzgericht ... als Einzelrichter

für Recht erkannt:

Tenor:

Der Umsatzsteuerbescheid 1993 vom 16. November 1999 und die Einspruchsentscheidung des Finanzamts ... vom 12. Dezember 2000 werden aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der der Klägerin zu erstattenden Kosten abwenden, es sei denn diese hätte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit geleistet.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Tatbestand

Streitig ist, ob die Leistungen einer Heil- und Motopädagogin, die im Rahmen einer ärztlichen Praxis für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und Kinderheilkunde erbracht werden, gemäß § 4 Nr. 14 UStG 1993 steuerfrei sind.

Die Klägerin, die ihren im Streitjahr ausgeübten Beruf als Heil- und Motopädagogin angibt und seit 1. Januar 1993 (vertraglich fixiert am 1. Juli 1993, FG-Akten Bl. 71) als freie Mitarbeiterin dem Praxisteam der Ärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und Kinderheilkunde, Dr. W. M., angehörte, hatte folgenden beruflichen Werdegang:

Abitur

Ausbildung zur Krankenschwester bei der evangelischen Diakonie S. H.

Berufsbegleitende Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin

1986 Staatlich anerkannter Abschluss als Heilerziehungspflegerin ...

1992 Staatlich anerkannter Abschluss als Heilpädagogin ...

1994 Zusatzqualifikation Motopädagogik (Private Akademie für Motopädagogik und Mototherapie, ...)

1998 Zusatzqualifikation Sensorisch-Integrative Pädagogik ...

In der Praxis Dr. W. war die Klägerin von Anfang an (vergl. im Einspruchsverfahren vorgelegte Bescheinigung von Frau Dr. W. vom 9.12.1998) unter deren fachärztlicher Anleitung im diagnostischen Bereich für die Anwendung, Durchführung und Auswertung standardisierter Testverfahren für die Bereiche Motorik, Entwicklung, Sprache und Intelligenz zuständig. Im therapeutischen Bereich oblagen ihr die Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit heilpädagogischen motopädagogischen und kindertherapeutischen Verfahren in Einzelsitzungen sowie Kleingruppen und die Durchführung der begleitenden Elterngespräche. Wegen des Tätigkeitsfelds im einzelnen und des Ablaufs der Behandlung wird auf die schriftlichen Erläuterungen der Klägerin vom 25. November 2003 (FG-Akten Bl. 65-67) und die Einlassung in der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Krankenversicherungsrechtlich waren die von der Klägerin erbrachten Leistungen Bestandteil des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für die Abrechnung der Vertragsärzte (EBM Kapitel E II. physikalisch-medizinische Leistungen, Nn. 511, 512 und Kapitel I. Kinderheilkunde Nn. 960, 961), die nach Nachweis einer entsprechenden Weiterbildung des Arztes bzw. bei Vorliegen einer besonderen Zusatzqualifikation des nichtärztlichen Mitarbeiters abgerechnet wurden (Schreiben der Kassenärztlichen Vereinigung Nordbaden -KV-NB- vom 19. Nov. 03 an die Klägerin, FG-Akten Bl. 68).

Die Abrechnung der von der Klägerin im Praxisteam erbrachten Leistungen erfolgte in der Weise, dass die Klägerin die ihren Leistungen zugrundeliegenden EBM-Abrechnungsziffern auf den Behandlungsprotokollen vermerkte. Diese wurden quartalsweise von der Praxissekretärin zusammengestellt und im Namen von Frau Dr. W. gegenüber der KV-NB abgerechnet. Die KV-NB ihrerseits hatte nach den mit den Sozialversicherungsträgern gemäß § 83 Abs. 1 Sozialgesetzbuch V -SGB V- abgeschlossenen Gesamtverträgen Anspruch auf Berücksichtigung dieser Leistungen bei der Festlegung der Gesamtvergütung gemäß § 85 Abs. 1 SGB V in Verbindung mit § 85 Abs. 2 Satz 4 SGB V. Denn gemäß § 43 a SGB V gehörten die nichtärztlichen sozialpädiatrischen Leistungen, insbesondere die psychologischen, heilpädagogischen und psychosozialen Leistungen, die unter ärztlicher Verantwortung erbracht werden, seit 1991 zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung. Zur Sicherstellung dieser nichtärztlichen Krankenkassenleistungen und deren Vergütung hatte die KV-NB (unter anderem) mit der AOK Baden-Württemberg eine Vereinbarung zum Gesamtvertrag geschlossen, in der weitere Einzelheiten zu den medizinischen Voraussetzungen, zu der Qualifikation der nichtärztlichen Mitarbeiter und zu der Abrechnungsbefugnis der Vertragsärzte geregelt sind (Vergl. hierzu Anlage 1.6 zum Gesamtvertrag in der Fassung vom Juli 2001 FG-Akten Bl. 79 bis 82).

Nach Eingang der KV-Zahlungen erhielt die Klägerin die ihren EBM-Leistungen entsprechenden Vergütungsanteile vom Praxissekretariat gutgeschrieben. Zur eigenen Abrechnung den Kassen und anderen Sozialversicherungsträgern gegenüber war die Klägerin dagegen nicht berechtigt (vergl. Schreiben der AOK ... vom 13. Februar 2004).

Im Streitjahr 1993 erhielt die Klägerin insgesamt 69.208,34 DM überwiesen, die mit 15.596,29 DM auf die Behandlung gesetzlich krankenversicherter Kinder (KV-Leistungen) und mit 53.512,05 DM auf Kinder entfielen, deren Krankenfürsorge vom Sozialamt übernommen worden war (Sozialhilfeempfänger).

Zusätzlich weiterer Einnahmen aus einer Tätigkeit für das Berufsförderungswerk ... in Höhe von 3.640 DM erwirtschaftete die Klägerin damit ein Entgelt von 72.848,34 DM, das sie in ihrer USt-Erklärung 1993 den gemäß § 4 Nr. 14 UStG 1993 steuerfreien Umsätzen aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit im Sinne von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG zuordnete.

Dieser Erklärung folgte das Amt in der Festssetzungsbestätigung vom 10.11.1999 mit der Folge, dass die Erklärung mit dem Tag des Eingangs (31.03.99) als Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung galt.

In dem nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung -AO- am 16. November 1999 geänderten USt-Bescheid 1993 vertrat das Amt dagegen die Auffassung, dass die Leistungen von Heilpädagogen nach der derzeitigen Rechtslage umsatzsteuerpflichtig seien, da diese Tätigkeiten mangels berufsrechtlicher Regelungen nicht unter die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 14 UStG fielen. Ausgehend von einem Bruttoumsatz von 72.848 DM errechnete sich danach bei angenommenen Versteuern von 3.000 DM eine festzusetzende Umsatzsteuer von 6.751 DM.

Anlass für diese Änderung der Rechtsauffassung waren u.a. die Schreiben des BMF vom 5.10.1998 IV D 2 - S 7170-40/98 (UStR 1998, 477) und vom 29.01.1999 IV D 2 - S 7170 16/98 (UStR 1999, 131), in denen ausgeführt wird, dass der Beruf des Heilpädagogen als sozialpflegerischer und pädagogischer Beruf und nicht als Heil(hilfs)beruf zu charakterisieren sei. Abgesehen von der bisher fehlenden berufsrechtlichen Regelung folge dies auch daraus, dass Heilpädagogen ihre Leistungen mit dem Sozial- und Jugendamt abrechneten, während heilkundliche Leistungen im Sinne der Heilhilfsmittelrichtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen mit den Krankenkassen abzurechnen seien.

Im Einspruchsverfahren verwies die Klägerin vergeblich auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BverfG vom 29.10.1999 2 BvR 1264/90BStBl II 2000, 155), nach dem allein das Fehlen einer berufsrechtlichen Regelung nicht zur Steuerpflicht der Leistungen der in § 4 Nr. 14 UStG nicht ausdrücklich genannten Heilhilfsberufe führen dürfe, sofern die darauf entfallende Umsätze von den Sozialversicherungsträgern aufzubringen seien. Außerdem wies sei darauf hin, dass ihre Leistungen innerhalb der Praxisgemeinschaft auf Honorarbasis über die kassenärztlichen Vereinigungen im Rahmen erstellter Heil- und Kostenpläne abgerechnet würden und die Tätigkeit des gesamten Praxisteams u.a. auch durch das Gesundheitsamt überwacht werde.

Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos. Das Amt folgte im wesentlichen der in den o.g. BMF-Schreiben wiedergegebenen Auffassung der Finanzverwaltung.

Mit der Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie weist nochmals auf ihre Tätigkeit im Praxisteam und die Abrechnungen der Leistungen über die KV-NB sowie die zwischenzeitlich vorliegende Rechtsprechung des BverfG zur heilberuflichen Tätigkeit des Heileurythmisten und des medizinischen Fußpflegers und auf das hierzu ergangene BMF-Schreiben vom 28.2.2000 (BStBl I 2000, 433) hin. Die Klägerin führt weiter aus, dass sie entgegen der Auffassung des Finanzamts als Angehörige der Berufgruppe der Heil- und Motopädagogen von den zuständigen Stellen der gesetzlichen Krankenkassen auch nicht als Leistungserbringer gemäß § 124 Abs. 2 SGB V regelmäßig zugelassen sein müsse, um die Umsatzsteuerbefreiung als Heilhilfsberuf oder Gesundheitsfachberuf in Anspruch nehmen zu können. Diese von der Rechtsprechung aufgestellte Voraussetzung schließe als Positivindiz die Umsatzsteuerbefreiung nicht aus, wenn es an einer solchen Zulassung fehle. Ebenso wenig stehe die von der KV-NB und den Krankenkassen praktizierte Abrechnung der Leistungen über die ärztliche Praxis einer Steuerbefreiung entgegen, denn dieses Verfahren sei von den Kassen vorgeschrieben. Es müsse auch gesehen werden, dass der Arzt ohne die Mitarbeit der nichtärztlichen Therapeuten die von den Krankenkassen und der KV-NB gewollte Form der fachübergreifenden Praxis nicht betreiben könne. In diesem Zusammenhang werde nochmals darauf hingewiesen, dass die Leistungen der Klägerin Regelleistungen seien und als EBM-Leistungen und gerade nicht über die von der KV-NB mit den Kassen vereinbarte Stundenhonorarbasis abgerechnet werden würden.

Die Klägerin beantragt,

den Umsatzsteuerbescheid 1993 vom 16. November 1999 und die Einspruchsentscheidung des Finanzamts B. vom 12. Dezember 2000 ersatzlos aufzuheben, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt

Die Klage abzuweisen und ebenfalls hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Er trägt ergänzend vor, dass die Klägerin keine Zulassung ihrer Tätigkeit und ihres Berufs durch die Kassen gemäß § 124 Abs. 2 SBG V erhalte und dass sie auch deswegen mit den den Katalogberufen ähnlichen Heilhilfsberufen nicht vergleichbar sei. Gegen die Umsatzsteuerbefreiung ihrer Leistungen spreche außerdem, dass sie den Kassen gegenüber nicht selbst abrechnungsberechtigt sei. Dies mache auch deutlich, dass sie keine ärztliche oder arztähnliche Tätigkeit ausübe.

Durch Beschluss des Senats vom 24. September 2003 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung anstelle des Senats übertragen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet, denn die Leistungen der Klägerin im Praxisteam Dr. W. sind steuerbefreite Umsätze i.S. von § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG 1993.

Nach dieser Bestimmung sind von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UStG fallenden Umsätzen steuerfrei die Umsätze aus einer Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Krankengymnast, Hebamme oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -.

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Klägerin Unternehmerin i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ist. Danach ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Das Gericht sieht diese Voraussetzungen aufgrund des zwischen der Klägerin und Frau Dr. W. geschlossenen Partnerschaftsvertrages vom 1. Juli 1999 als gegeben an. Insbesondere ist die Klägerin nach diesen Vereinbarungen nicht derart in die Praxis eingegliedert, dass sie den Weisungen von Frau Dr. Weinel zu folgen verpflichtet ist (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG). Im Streitfall besteht die Weisungsgebundenheit weder in zeitlicher noch in örtlicher Hinsicht. Allein die von Frau Dr. Weinel zu tragende fachärztliche Gesamtverantwortung für den Behandlungserfolg der in der Praxis behandelnden Patienten macht die mit ihr partnerschaftlich zusammenarbeitenden nichtärztlichen Therapeuten nicht zu Arbeitnehmern der Praxis. Zu diesem Ergebnis ist offensichtlich auch eine Betriebsprüfung der AOK gekommen, die nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin im Rechtsbehelfsverfahren (Schreiben des Prozessbevollmächtigten an das Finanzamt B. vom 4. November 1999) die Prüfung der dort tätigen Therapeuten hinsichtlich der Scheinselbständigkeit zum Gegenstand hatte.

Damit sind die von der Klägerin im Praxisteam erbrachten Leistungen dem Grundsatz nach von ihr als Unternehmerin erbrachte steuerbare Umsätze i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UStG 1993, wenn diese Leistungen nicht unter die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 14 UStG fallen.

Nach der hierzu ergangenen und in Abschn. 90 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2000 wiedergegebenen bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist ein Beruf einem der im Gesetz genannten Katalogberufe ähnlich, wenn das typische Bild des Katalogberufs mit seinen wesentlichen Merkmalen dem Gesamtbild des zu beurteilenden Berufs vergleichbar ist. Dazu gehören die Vergleichbarkeit der jeweils ausgeübten Tätigkeit nach den sie charakterisierenden Merkmalen, die Vergleichbarkeit der Ausbildung und die Vergleichbarkeit der Bedingungen, an die das Gesetz die Ausübung des zu vergleichenden Berufs knüpft. Nach dieser Rechtsprechung macht dies vergleichbare berufsrechtliche Regelungen über Ausbildung, Prüfung und staatliche Anerkennung sowie staatliche Erlaubnis und Überwachung der Berufsausbildung erforderlich.

Mit dieser Rechtsprechung hat sich das Bundesverfassungsgericht in zwei Entscheidungen kritisch auseinandergesetzt. Im Urteil vom 29. Oktober 1999 - 2 BvR 1264/90 (BStBl II 2000, 155) ging es um einen selbständig tätigen Heileurythmisten, dem das Finanzamt die Steuerbefreiung mit dem Hinweis versagte hatte, diese Tätigkeit bedürfe nicht - wie etwa die eines Krankengymnasten - der staatlichen Erlaubnis, sie unterliege auch nicht der Aufsicht durch die Gesundheitsbehörden und auch die Ausbildung für diesen Beruf sei gesetzlich nicht geregelt.

Dem Urteil vom 10. November 1999 2 BvR 1820/92 (BStBl II 2000, 158) lag der Fall zu Grunde, dass das Finanzamt einem medizinischen Fußpfleger die Steuerbefreiung wegen der fehlenden landesrechtlichen Regelung über Ausbildung, Prüfung und staatliche Anerkennung des Berufs versagt hatte.

Dieser Rechtsauffassung ist das Bundesverfassungsgericht in den genannten Entscheidungen mit folgender Begründung nicht gefolgt:

Die Steuerermäßigung für Umsätze freier Berufe widerspreche an sich dem System der Umsatzsteuer, das eine Begünstigung bestimmter Unternehmer nach der Konzeption der Überwälzbarkeit der Steuer nicht erlaube. Systemgerecht seien nur Vergünstigungen im Interesse der Verbraucher nicht aber einzelner Unternehmergruppen. Soweit das Umsatzsteuerrecht gleichwohl nach Umsatzarten und Unternehmern unterscheide und daran unterschiedliche Rechtsfolgen knüpfe, sei dies nur in besonderen sachlich begründeten Fällen gerechtfertigt. Eine berufsrechtliche Regelung sei kein eigenständiger Differenzierungsgrund, von deren Vorliegen die Ähnlichkeit mit einer heilberuflichen Tätigkeit i.S. von § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG abhängig gemacht werden könne. Denn der umsatzsteuerrechtliche Belastungsgrund erfasse die entgeltliche unternehmerische Leistung unabhängig von der beruflichen Qualifikation des Unternehmers. Da der Regelung des § 4 Nr. 14 UStG auch kein berufsrechtlicher Lenkungszweck zugrunde liege, sei erkennbarer Normzweck dieser Regelung allein die Entlastung der Sozialversicherungsträger von Umsatzsteuer. Für Leistungen der in § 1 Nr. 14 UStG nicht ausdrücklich genannten Heilhilfsberufe, die in der Regel von den Sozialversicherungsträgern finanziert würden, bestehe daher kein sachlich gerechtfertigter Grund, die Steuerbefreiung zu versagen. Deswegen verbiete das Gleichbehandlungsgebot eine allein nach der Existenz berufsrechtlicher Regelungen unterschiedliche Umsatzsteuerbefreiung.

Entsprechend diesen verfassungsrechtlichen Grundsätzen, die auch im Streitfall zu beachten sind, ist nicht entscheidend, ob die Klägerin für die Steuerbefreiung ihrer Tätigkeit auf eine berufsrechtliche Regelung über Ausbildung, Prüfung und staatliche Anerkennung und deren Erfüllung verweisen kann, sondern ob ihre durch ihre heilberufliche Tätigkeit erbrachten Leistungen von den Sozialversicherungsträgern finanziert werden.

Dies ist nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 13. April 2000 V R 78/99 (BFH/NV 2000, 1431) dann der Fall, wenn sie ihrer Art nach von den Sozialversicherungsträgern für den Patienten bezahlt werden. Denn nur dadurch könne der Normzweck der Regelung erreicht werden, dass Umsatzsteuer nicht auf den Endverbraucher abgewälzt werde, sei es über Beiträge an den Sozialversicherungsträger oder sei es über das Honorar an den Unternehmer, der die heilberufliche Tätigkeit ausführe. Aus der Leistungsübernahme durch die Sozialversicherungsträger folgt nach dieser Rechtsprechung damit gleichzeitig die Berufsähnlichkeit der erbrachten Leistungen i.S. von § 4 Nr. 14 UStG die weiterhin gemeinschaftsrechtliche Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist (BFH-Urteil vom 19. Dezember 2002 V R 28/00 BStBl II 2003, 532).

Die Steuerbefreiung der von der Klägerin erbrachten Leistungen hängt damit nicht mehr von vergleichbaren berufsrechtlichen Regelungen über Ausbildung, Prüfung und staatliche Anerkennung sowie staatliche Erlaubnis und Überwachung ab, sondern von der Rechtsgrundlage, nach der die Krankenkassen die Leistungen der Klägerin erstattet haben.

Die Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen als den Sozialversicherungsträgern i.S. der genannten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesfinanzhofs sind im dritten Kapitel des Sozialgesetzbuchs -SGB- V geregelt. Danach haben Versicherte gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 4 SGB V Anspruch auf Leistungen zur Behandlung einer Krankheit. § 27 Abs. 1 SGB V konkretisiert diesen Anspruch zum Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn diese notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nach Satz 2 Nr. 1 dieser Bestimmung umfasst die Krankenbehandlung die ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung. Was wiederum die ärztliche Behandlung in diesem Sinne umfasst, ist in § 28 SGB V näher beschrieben. Nach Abs. 1 dieser Regelung ist dies die Tätigkeit des Arztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. Zur ärztlichen Behandlung in diesem Sinne gehören nach § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB V ausdrücklich auch die Hilfeleistungen anderer Personen, die von dem Arzt angeordnet und von ihm zu verantworten sind.

In § 28 Abs. 3 SGB V ist geregelt, dass die psychotherapeutische Behandlung einer Krankheit durch psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendpsychotherapeuten, soweit sie zur psychotherapeutischen Behandlung zugelassen sind, sowie durch Vertragsärzte durchgeführt wird.

Schließlich regelt § 43 a SGB V ausdrücklich den Anspruch versicherter Kinder auf nicht ärztliche sozialpädiatrische Leistungen insbesondere auf psychologische, heilpädagogische und psychosoziale Leistungen, wenn sie unter ärztlicher Verantwortung erbracht werden und erforderlich sind um eine Krankheit zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu erkennen und einen Behandlungsplan aufzustellen.

§ 43 a SGB V verweist zudem auf § 30 SGB IX, der die medizinischen Leistungen zur Früherkennung und Frühförderung Behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder umschreibt. Diese umfassen nach Abs. 1 Nr. 2 ausdrücklich nicht ärztliche sozialpädiatrische, psychologische, heilpädagogische, psychosoziale Leistungen und die Beratung der Erziehungsberechtigten, auch in fachübergreifend arbeitenden Diensten und Einrichtungen, wenn sie unter ärztlicher Verordnung erbracht werden und erforderlich sind um eine drohende oder bereits eingetretene Behinderung zu frühestmöglichem Zeitpunkt zu erkennen und einen individuellen Behandlungsplan aufzustellen.

Nach diesen Regelungen haben die von der Klägerin im Praxisteam Dr. Weinel heil- und motopädagogisch behandelten Kinder ohne Zweifel einen sozialversicherungsrechtlichen Anspruch auf Behandlung, so dass die hierfür von den Krankenkassen erstatteten Leistungen Regelleistungen i.S. des Sozialgesetzbuch V sind.

Diese Leistungen der Krankenkassen an die Leistungserbringer im Gesundheitswesen werden nach § 82 Abs. 2 SGB V durch Gesamtverträge geregelt. Diese regeln die Vergütungen der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und sind von den Landesverbänden der Krankenkassen und Verbänden der Ersatzkassen einerseits und den kassenärztlichen Vereinigungen andererseits abzuschließen. Entsprechend diesen Vereinbarungen entrichten die Krankenkassen an die jeweiligen kassenärztlichen Vereinigungen eine Gesamtvergütung für die gesamte vertragsärztliche Versorgung der Mitglieder, die im Bezirk der kassenärztlichen Vereinigung wohnen (§ 85 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Diese Gesamtvergütung ist nach § 85 Abs. 2 Satz 2 SGB V das Ausgabevolumen für die Gesamtheit der zu vergütenden vertragsärztlichen Leistung. Sie kann als Festbetrag oder auf der Grundlage des Bewertungsmaßstabs nach Einzelleistungen, nach einer Kopfpauschale, nach einer Fallpauschale oder nach einem Mischsystem berechnet werden. In § 85 Abs. 2 Satz 4 SGB V ist ausdrücklich festgehalten, dass die Vertragsparteien auch eine angemessene Vergütung für die nicht ärztlichen Leistungen im Rahmen sozialpädiatrischer und psychiatrischer Tätigkeit vereinbaren sollen.

Für das Gericht folgt aus diesen Regelungen des Sozialgesetzbuchs V zu den von der Klägerin im Praxisteam Dr. W. erbrachten heil- und motopädagogischen Leistungen nicht nur deren Charakter i.S. des Erstattungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung als Regelleistung, sondern darüber hinaus auch, dass die Leistungen der Klägerin vom Gesetzgeber als arztähnliche Leistungen angesehen, berechnet und vergütet werden. In diesem Sinne ist auch die von der Klägerin im Klageverfahren vorgelegt Bescheinigung der kassenärztlichen Vereinigung Nordbaden vom 19. November 2003 zu verstehen.

Aus diesem Grund bedarf es für die von der Klägerin erbrachten Leistungen zur Einstufung als Regelleistungen i.S. des Sozialversicherungsrechts auch nicht der Zulassung der Klägerin als Leistungserbringerin i.S. von § 124 SGB V. Nach dieser Bestimmung dürfen Heilmittel, die als Dienstleistungen abgegeben werden, insbesondere Leistungen der physikalischen Therapie, der Sprachtherapie oder der Beschäftigungstherapie an Versicherte nur von zugelassenen Leistungserbringern abgegeben werden. § 124 Abs. 2 SGB V regelt die Zulassungsvoraussetzungen dieser Leistungserbringer im einzelnen.

Nach der Systematik des Sozialgesetzbuchs V erbringt die Klägerin mit ihren Leistungen jedoch keine Heilmittel sondern wie dargelegt arztähnliche Leistungen. Dies folgt aus dem Regelungszusammenhang der §§ 28 bis 33 SGB V. Während in § 28 die ärztliche und zahnärztliche Behandlung und auch die psychotherapeutische Behandlung durch Kinder- und Jugendpsychotherapeuten geregelt ist, regelt § 32 SGB V den Anspruch der Versicherten auf Heilmittel und § 33 SGB V den Anspruch der Versicherten auf Hilfsmittel. Die Besonderheit dieser Regelung besteht darin, dass nach § 32 Abs. 2 Satz 2 SGB V Massagen, Bäder und Krankengymnastik als Heilmittel i.S. des Sozialgesetzbuchs angesehen werden, nicht jedoch heilpädagogische oder motopädagogische Behandlungen. Das Zulassungserfordernis des § 124 SGB betrifft aber nur Heilmittel im Sinne von § 32 SGB V, arztähnliche Leistungen gemäß § 28, 43 a SGB V dagegen nicht.

Schließlich scheitert die Steuerbefreiung der von der Klägerin erbrachten Leistungen auch nicht daran, dass diese Leistungen zwar für ihre Rechnung jedoch nicht in ihrem Namen über die kassenärztliche Vereinigung bei den Sozialversicherungsträgern abgerechnet wurden. Dieses Abrechnungsverfahren hat seine Ursache darin, dass die Klägerin als nichtärztliche Therapeutin nicht Mitglied einer kassenärztlichen Vereinigung sein kann und damit nach dem Abrechnungssystem des SGB V von dem Abrechnungsverfahren über Gesamtvertrag und Gesamtvergütung ausgeschlossen ist. Um diese Leistungen dennoch erstatten zu können muss die Abrechnung systemkonform über ein Vertragsarzt erfolgen.

An der Person des Leistungserbringers ändert sich durch diese Abrechnungsform jedoch nichts. Dies wird auch aus der Zusatzvereinbarung der KV-NB mit der AOK Baden-Württemberg über die Vergütung nichtärztlicher Leistungen im Rahmen sozialpädiatrischer/-psychiatrischer Tätigkeit gemäß § 85 Abs. 2 Satz 4 SBG V in Verbindung mit § 43 a SBG V deutlich. Denn nur dann, wenn die mit dem Vertragsarzt zusammenarbeitenden Therapeuten von der nichtärztliche Leistung her gesehen als selbständiger und vergütungsberechtigte Leistungserbringer angesehen werden, sind die in dieser Vereinbarung für die kooperierenden Therapeuten geförderten Voraussetzungen verständlich. Auch die KV-NB geht davon aus, dass Anspruchsberechtigter die mit dem Artz zusammenarbeitenden Therapeuten sind und der Vertragsarzt für diese Leistungen lediglich als Abrechnungsbefugter im Sinne des Gesamtvertrages auftritt. Der Steuerbefreiung der von der Klägerin im Rahmen des Praxisteams erbrachten Leistungen steht dieses Abrechnungssystem jedenfalls nicht entgegen, (vergl. Hierzu die Hinweise des BvefG im Urteil vom 29.10.1999 II BvR 1264/90 Abschnitt B. I. 4. 1. b), BStBl II 2000, 155, 158). Danach hat die Finanzverwaltung in Abschnitt 90 Abs. 3 Satz 6 UStR 1996 die Tätigkeit des nichtärztlichen Psychotherapeuten und Psychagogen trotz fehlender berufsrechtlicher Regelung dann als heilkundliche Tätigkeit im Sinne der Steuerbefreiung des § 4 Nr. 14 UStG angesehen, wenn diese aufgrund einer Zuweisung des Patienten durch eine Arzt und unter dessen Verantwortung ausgeübt wurde. Wegen der Vergleichbarkeit der Sachverhalte muss die Klägerin diese Regelung auch für ihre Tätigkeit beanspruchen können. Der Klage war daher in vollem Umfang stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtordnung -FGO-.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Streitfrage, ob selbständig tätige Heil- und Motopädagogen, die in einem Praxisteam nach ärztlicher Zuweisung und unter ärztlicher Verantwortung mit Patienten arbeiten und deren Leistungen Regelleistungen im Sinne des Sozialgesetzbuchs V sind, ähnlich heilberuflich im Sinne von § 4 Nr. 14 UStG tätig sind, nach der o.g. Rechtsprechung des BverfG und des BFH höchstrichterlich entschieden ist und die Streitsache damit keine grundsätzliche Bedeutung mehr hat und auch keine weitere Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts oder zur Herstellung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung erforderlich wäre (§ 155 Abs. 2 FGO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verb. mit § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Die Entscheidung durch den Einzelrichter anstelle des Senats beruht auf § 6 FGO.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren folgt auch § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.

Ende der Entscheidung

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