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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 12.12.2002
Aktenzeichen: 10 K 288/96
Rechtsgebiete: GG, BGB, EStG 1990


Vorschriften:

EStG 1990 § 10 Abs. 3
EStG 1990 § 9 Abs. 1 S. 1
EStG 1990 § 19 Abs. 2
EStG 1990 § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a
BGB § 1587b
GG § 3 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Finanzrechtsstreit

wegen Einkommensteuer 1994

hat der 10. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12. Dezember 2002 durch Vorsitzenden Richter am Finanzgericht ... Richter am Finanzgericht ... und ... ehrenamtliche Richter ... und ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist bei der Veranlagung der Einkommensteuer 1994, ob dem Kläger dadurch Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit oder den sonstigen Einkünften entstanden sind, dass er zur Vermeidung der Kürzung von Rentenanwartschaften sogenannte Auffüllungszahlungen an Rentenversicherungsträger geleistet hat, nachdem das Amtsgericht (Familiengericht) bei der Scheidung seiner Ehe zugunsten der geschiedenen Ehefrau den Versorgungsausgleich durchgeführt hatte.

Nachdem das Amtsgericht - Familiengericht - die erste Ehe des Klägers mit ... geb. ... geschieden und dabei auch zu deren Gunsten den Versorgungsausgleich durchgeführt hatte (Urteil des Amtsgerichts - Familiengerichts - ... vom 20. Mai 1994 - 1 BF 217/92 ES), schloss der Kläger mit Dr. ... die mit ihm Klage erhoben hat, am 7. Juli 1994 erneut die Ehe. Durch die Eheschließung erhielten die Kinder H. (geb. 1987) und E. (geb. 1989) die Rechtsstellung ehelicher Kinder (vgl. § 1719 BGB). Der Kläger ist als Assistenzarzt im Kreiskrankenhaus ... und die Klägerin ist als Ärztin im Kreiskrankenhaus ... cht selbständig tätig.

Mit Bescheid vom 26. Mai 1995 wurden die Kläger erstmals zur Einkommensteuer 1994 mit ihren beiderseits erzielten Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zusammenveranlagt. Als Sonderausgaben wurden berücksichtigt: Versicherungsbeiträge (mit dem Höchstbetrag von 7.830 DM), Spenden, Kirchensteuern, Steuerberatungskosten und die Steuerbegünstigung für die eigene Wohnung. Darüber hinaus zog der Beklagte Aufwendungen für hauswirtschaftliche Beschäftigungsverhältnisse mit dem Betrag von 12.000 DM ab. Er erkannte überdies Kinderbetreuungskosten mit 5.184 DM und Scheidungskosten mit 9.650 DM dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastungen an, kürzte aber diese Posten um die zumutbare Belastung von 9.590 DM, von der er 4.224 DM den Kinderbetreuungskosten und 5.366 DM den Scheidungskosten zuordnete, so dass sich die Kinderbetreuungskosten mit 960 DM und die Scheidungskosten mit 4.284 DM einkommensmindernd auswirkten. Schließlich zog er zwei Kinderfreibeträge zu 4.104 DM im Gesamtbetrag von 8.208 DM von dem gemeinsam zu versteuernden Einkommen ab, das er mit 185.686 DM berechnete. Von der tariflichen Einkommensteuer von 54.952 DM wurde noch Baukindergeld für zwei Kinder von 1.200 DM abgezogen und die Einkommensteuer 1994 auf 53.752 DM festgesetzt.

Während des Klageverfahrens wurde der Bescheid vom 26. Mai 1995 durch Bescheide vom 30. Dezember 1996, vom 12. Juni 1998 und vom 29. Juli 1999 geändert. Die Änderungsbescheide wurden jeweils zum Gegenstand des Klageverfahrens gemacht (vgl. Schriftsätze des Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 16./20. Januar 1997, 23. Juni 1998 und 2. August 1999). Durch den Bescheid vom 29. Juli 1999 wurde die Einkommensteuer 1994 auf 53.752 DM festgesetzt, so dass der letzte Bescheid im Endergebnis wieder dem ursprünglichen Bescheid vom 26. Mai 1995 entsprach. Allerdings wurden die Kinderbetreuungskosten (5.184 DM) ungekürzt als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt. Es wurde aber festgestellt, dass bei den Scheidungskosten ein Gerichtskostenvorschuss von 423 DM doppelt erfasst war, so dass die Scheidungskosten nur 9.227 DM betrugen. Da die zumutbare Belastung (unverändert 9.590 DM) allein von den Scheidungskosten abgezogen wurde, wirkten sich diese steuerlich nicht mehr aus. Der Beklagte errechnete zwar ein zu versteuerndes Einkommen von 185.746 DM und damit einen um 60 DM höheren Betrag als im Bescheid vom 26. Mai 1995. Der Unterschiedsbetrag bewirkte aber keinen Tabellensprung.

Als im Jahre 2000 zu prüfen war, ob die Kinderfreibeträge von insgesamt 8.208 DM mit dem Kindergeld das Existenzminimum der Kinder ausreichend berücksichtigten oder ob nicht eine höhere Steuerfreistellung nach § 53 EStG in Frage käme, wurde festgestellt, dass zugunsten der Kläger rechtsfehlerhaft um 1.684 DM zu hohe Kinderbetreuungskosten angesetzt worden waren. Da der Ansatz der erhöhten Kinderfreibeträge bei einer Fehlerkorrektur nach § 177 Abs. 2 AO ohne Auswirkung auf das zu versteuernde Einkommen und die festzusetzende Einkommensteuer geblieben wäre, unterblieb eine nochmalige Änderung des Einkommensteuerbescheids 1994 vom 29. Juli 1999.

Der Rechtsstreit wird ausschließlich um die Frage der steuerlichen Abziehbarkeit von Zahlungen geführt, die der Kläger 1994 im Zusammenhang mit dem Versorgungsausgleich zugunsten der geschiedenen Ehefrau geleistet hat. Als durch das Urteil des Familiengerichts die am 3. Juni 1971 in Spanien geschlossene Ehe des Klägers mit ... (I. M) geschieden wurde, war zu ihren Gunsten der Versorgungsausgleich durchzuführen. Sie hatte in der Ehezeit in Deutschland gewisse Versorgungsanrechte bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) erworben. Der Kläger hatte in der Ehezeit bei der BfA, insbesondere aber auch bei der ... Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte (VAÄ), Körperschaft des öffentlichen Rechts in ..., und bei der Zusatzversorgungskasse des Kommunalen Versorgungsverbandes ... (ZVK) in ... Versorgungsanrechte begründet. Von der ZVK erhalten nichtbeamtete Kommunalbedienstete bei Eintritt des Versorgungsfalles zu den gesetzlichen Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung eine Zusatzversorgung, durch die sie in etwa Pensionsempfängern gleichgestellt werden. Die Beiträge zu der Zusatzversicherung gelten steuerlich als Zukunftssicherungsleistungen. Die auf die Beiträge entfallende Lohnsteuer wird vom Arbeitgeber übernommen und pauschaliert entrichtet

Das Familiengericht führte den Versorgungsausgleich im Falle des Klägers in der Weise durch, dass es von den bei der VAÄ bestehenden Anrechten des Klägers im Wege der Realteilung (§ 1 Abs. 2 VAHRG) - sog. Rentensplitting -, bezogen auf das Ende der Ehezeit (hier 31. August 1992), einen Teilbetrag auf ein neu eingerichtetes Versorgungskonto bei der VAÄ zugunsten von I. M. übertrug; überdies begründete es - offenbar im Wege des sog. erweiterten Quasi-Splittings (§ 1 Abs. 3 VAHRG; vgl. Münchener Kommentar zum BGB Bd. 7 § 1 VAHRG Rdnr. 72) unter Kürzung der bei der ZVK bestehenden Anrechte des Klägers in Höhe eines Teilbetrags auf dem Versicherungskonto von I. M. Anwartschaften bei der BfA.

Die VAÄ teilte dem Kläger am 25. Juli 1994 mit, die Realteilung des Leistungsanrechts führe bei ihm zu einer Kürzung der Rentenanwartschaft in bestimmter Höhe, die er jedoch nach § 46 Abs. 2 Satz 2 der Anstaltssatzung durch Zahlung eines Kapitalbetrags von 51.881,91 DM abwenden könne. Der Kläger zahlte daraufhin am 19. August und 23. September 1994 gemäß § 46 Abs. 2 der Satzung insgesamt 51.881,91 DM ein.

Die ZVK teilte dem Kläger am 11. August 1994 mit, sie sei verpflichtet, der BfA alle durch die Übertragung von Anrechten bedingten Aufwendungen zu ersetzen (§ 225 Abs. 1 SGB VI); deshalb seien im Gegenzuge die dem Kläger zustehenden Rentenrechte aus seiner Zusatzversicherung bei der ZVK in bestimmter Höhe gemäß § 1 Abs. 3 VAHRG in sinngemäßer Anwendung des § 57 BeamtVG zu kürzen. Die Kürzung unterbleibe jedoch, wenn der Kläger den Betrag von derzeit 6.462,30 DM zahle. Dieser Betrag errechne sich in sinngemäßer Anwendung des § 58 BeamtVG. Daraufhin zahlte der Kläger am 21. November 1994 den genannten Betrag ein.

Die ZVK teilte dem Kläger überdies mit, der Auffüllungsbetrag von derzeit 6.462,30 DM werde in Zukunft durch laufende Anpassung an die Entwicklung der Beamtenversorgungsbezüge ansteigen. Jede künftige Erhöhung der Versorgungsbezüge im öffentlichen Dienst werde daher auch zu einer anteiligen Erhöhung der Auffüllungszahlung führen. Im Falle einer Erhöhung gelte der 1994 zu leistende Auffüllungsbetrag nur als Teilabwendung. Offenbar beabsichtigte der Kläger, auch bei späteren Erhöhungen der Versorgungsleistungen die Auffüllungsbeträge an die ZVK zu entrichten.

Im vorliegenden Fall sind nur die Verhältnisse des Jahres 1994 von Bedeutung. Der Kläger beantragte in seiner Einkommensteuererklärung 1994, die Auffüllungszahlungen an die VAÄ und die ZVK von insgesamt 58.344,21 DM als vorweg entstandene Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit oder den sonstigen Einkünften zu berücksichtigen.

Dies lehnte der Beklagte bei der erstmaligen Durchführung der Veranlagung 1994 mit Bescheid vom 26. Mai 1995 ab. Er hielt daran in der. Einspruchsentscheidung vom 25. April 1996, auf die Bezug genommen wird, und in den im Laufe des Verfahrens geänderten Einkommensteuerbescheiden für 1994 fest.

Mit der nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung form- und fristgemäß erhobenen Klage machen die Kläger geltend: Auffüllungszahlungen zur Abwendung der Kürzung von Versorgungsanwartschaften würden einkommensteuerrechtlich ohne sachlichen Grund unterschiedlich behandelt, je nachdem, ob der im öffentlichen Dienst tätige ausgleichspflichtige Ehegatte Beamter ist oder im Angestelltenverhältnis beschäftigt wird. Seit 1980 sei der Gesetzgeber aufgrund eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts verpflichtet, bei Renten und Pensionen eine im wesentlichen gleiche einkommensteuerliche Belastung herzustellen. Bereits Mitte der 90er Jahre habe sich abgezeichnet, dass der Gesetzgeber die erforderliche Angleichung in näherer Zukunft herbeiführen werde, jedenfalls aber nicht mehr zeitlich unbegrenzt hinausschieben könne. Wenn aber damit gerechnet werden müsse, dass nach Eintritt des Versorgungsfalles die steuerliche Belastung der Renten an die der Pensionen anzugleichen sei, müssten auch die steuerlichen Abzugsmöglichkeiten für die im Rahmen eines Versorgungsausgleichs zur Abwendung der Renten- bzw. Pensionskürzungen aufgewendeten Beträge einander angeglichen werden. Es sei jedenfalls untragbar, bei künftigen Pensionsbeziehern 100 %, bei künftigen Rentenbeziehern dagegen nur 0 % der Auffüllungszahlungen zum Werbungskostenabzug zuzulassen. Eine Möglichkeit der Angleichung bestehe darin, die Auffüllungszahlungen, wenn sie schon nicht als Werbungskosten abziehbar ausgestaltet würden, wenigstens nach Abzug einer zumutbaren Belastung im Rahmen der Tarifvorschriften der §§ 33 ff. EStG zu berücksichtigen.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 25. April 1996 den zuletzt am 29. Juli 1999 geänderten Einkommensteuerbescheid 1994 abzuändern und bei den Einkünften des Ehemanns aus nichtselbständiger Arbeit, hilfsweise bei seinen sonstigen Einkünften weitere Werbungskosten im Betrag von 58.344,21 DM abzuziehen, höchsthilfsweise, diese Beträge nach Abzug einer zumutbaren Selbstbeteiligung als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Auffüllungszahlungen seien keine vorweg abziehbaren Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Sie seien nicht durch das aktive Arbeitsverhältnis des Ehemanns veranlasst Sie seien entstanden, weil sich der Ehemann entschlossen habe, bei Erreichen der Altersgrenze und Eintritt in den Ruhestand ungekürzte Alterseinkünfte zu beziehen. Im Ruhestand werde er aber nach derzeitiger Gesetzeslage keine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Hinblick auf sein früheres Dienst- oder Arbeitsverhältnis, sondern je eine Altersrente von der BfA und von der VAÄ sowie eine Zusatzrente von der ZVK beziehen. Diese Renten seien nach derzeit gültigem Recht Leibrenten im Sinne des § 22 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG. Denn Leibrenten gehörten zu den sonstigen Einkünften, und dies nur mit dem Ertragsanteil, während bei ehemaligen Beamten die Ruhestandsbezüge nach Abzug eines Versorgungsfreibetrags voll als zu versteuernde Einkünfte aus einem früheren Arbeitsverhältnis erfasst würden. Zwar habe das Bundesverfassungsgericht bereits 1980 den Gesetzgeber verpflichtet, die Besteuerung der Renten und Pensionen einander anzugleichen. Es habe ihn aber erst mit Urteil vom 6. März 2002 (DStRE 2002, 349) verpflichtet, spätestens mit Wirkung zum 1. Januar 2005 eine Neuregelung zu treffen. Soweit § 19 EStG mit dem Grundgesetz unvereinbar ist, bleibt die Vorschrift bis zum Inkrafttreten der Neuregelung, längstens mit Wirkung bis zum 31. Dezember 2004, weiter anwendbar. Der Gesetzgeber sei jedoch nicht verpflichtet worden, die äußerst komplizierte Angleichung der Besteuerung von Pensionen und Renten bereits 1994 herzustellen. Dann aber könne auch der Gesetzgeber nicht gezwungen sein, eine so genannte Auffüllungszahlung bei Rentenanwärtern zum Werbungskostenabzug zuzulassen, wenn diese 1994 geleistet worden sei.

Bereits 1983 habe der Bundesfinanzhof im Falle eines Pensionszusageempfängers entschieden, dass die Einmalzahlung, die ein geschiedener Ehegatte als Versorgungsausgleich nach der inzwischen vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärten Vorschrift des § 1587 b Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 BGB für seinen früheren Ehegatten zur Begründung einer Rentenanwartschaft im Wege der Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung zu leisten hatte, nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit des Arbeitnehmers (Pensionszusageempfängers) abgezogen werden könne, wobei er nicht übersehen habe, dass nach Ansicht der Finanzverwaltung ein geschiedener Beamter, der beim Versorgungsausgleich durch Quasi-Splitting (§ 1587 b Abs. 2 BGB) die Auffüllungszahlung zur Abwendung der Kürzung der Versorgungsbezüge als Werbungskosten geltend machen könne (BFH-Urteil vom 21. Oktober 1983 VI R 198/79, BStBl II 1984, 106). Jedenfalls sei die Auffüllungszahlung eines Beamten mit der Auffüllungszahlung eines Angestellten angesichts der völlig unterschiedlichen Versorgungssysteme nicht vergleichbar. Nur wenn der Gesetzgeber befugt wäre, beide Formen von Altersversorgung dadurch gleich zu besteuern, dass er Leibrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung, soweit sie nicht durch Arbeitnehmer-Beiträge zur Rentenversicherung finanziert worden seien, in voller Höhe und nicht nur mit dem Ertragsanteil als sonstige Einkünfte der Besteuerung zu unterwerfen, könnte und müsste die Frage neu gestellt werden, ob auch die sogenannten Auffüllungszahlungen in voller Höhe (und ohne Begrenzung auf die verhältnismäßig niedrig angesetzten Höchstbeträge des § 10 Abs. 3 EStG) als steuerlich abziehbare Werbungskosten auszugestalten seien (BFH-Urteil vom 29. Juli 1986 IX R 206/84, BStBl II 1986, 747, 749 Abschn. 2 c).

Die Auffüllungszahlungen stellten nach geltendem Recht bei künftigen Leibrentenbeziehern auch keine außergewöhnliche Belastung dar. Der Gesetzgeber sei nicht verpflichtet, die Zahlungen so auszugestalten, dass sie als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden könnten. Im Übrigen habe der Beklagte durch Änderungsbescheid vom 12. Dezember 2002 - also am Tage der mündlichen Verhandlung in dieser Sache - den angefochtenen und zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Einkommensteuerbescheid 1994 nochmals insoweit geändert, als der Vorläufigkeitskatalog um die Problematik der Beschränkung der Abziehbarkeit der Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 3 EStG erweitert worden ist. Dies decke so genannte Auffüllungszahlungen von Rentenanwärtern mit ab.

Gründe

Die Klage ist nicht begründet.

Die Auffüllungszahlungen, die der Kläger 1994 geleistet hat, sind Vorsorgeaufwendungen i. S. des § 10 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG), die sich auf die Einkommensteuer 1994 der Kläger nicht auswirken konnten, da die Höchstbeträge des § 10 Abs. 3 EStG (7.830,- DM) bereits mit anderen Vorsorgeaufwendungen (in Höhe von 37.668,- DM) mehr als ausgeschöpft waren.

Der Kläger kann die Auffüllungszahlungen an die VAÄ und die ZVK nicht als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) abziehen, da sie nicht durch das Arbeitsverhältnis, sondern durch die Ehescheidung veranlasst sind. Sie sind auch keine vorweg abziehbaren Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften, sondern Zahlungen zur Aufstockung der bei der Durchführung des Versorgungsausgleichs gekürzten Rentenstammrechte des Klägers gegenüber der VAÄ und der ZVK. Zahlungen zur Begründung von Rentenstammrechten sind nach geltendem Steuerrecht nicht als vorab entstandene Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften abziehbar (BMF-Schreiben vom 20. Juli 1981, BStBl I 1981, 567 und DStR 1981, 535; Stuhrmann bei Blümich, Komm. zum EStG, KStG und GewStG, § 22 EStG Rdnr. 142).

Auch die Auffüllungszahlung an die ZVK gehört nicht zu den Werbungskosten. Denn die ZVK zahlt den bei ihr zusatzversicherten Angestellten und Arbeitern im Kommunaldienst beim Eintritt in den Ruhestand keine beamtenrechtlichen Ruhestandsbezüge (i. S. des § 15 Abs. 2 EStG), sondern Leibrenten (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst a EStG), die nur die Besonderheit aufweisen, dass sie so bemessen sind, dass der Ruheständler mit seinen Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung (bzw. beim Kläger aus der berufsständischen Versicherung) eine Gesamtversorgung bezieht, die der eines Ruhestandsbeamten vergleichbar ist.

Auch wenn die Kürzung der Anwartschaft von der ZVK satzungsgemäß in entsprechender Anwendung des § 57 BeamtVG und die zur Abwendung (Teilabwendung) der Kürzung derzeit erforderliche Nachzahlung in entsprechender Anwendung des § 58 BeamtVG berechnet worden ist, hat sich der Kläger durch die Auffüllungszahlung an die ZVK nicht die Erhaltung später entstehender Versorgungsbezüge (§ 19 Abs. 2 EStG), sondern künftiger Rentenbezüge (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG) gesichert (bzw. teilweise gesichert).

Nach wohl herrschender Ansicht können Zahlungen eines ausgleichspflichtigen Beamten an den Dienstherrn bzw. Arbeitgeber zur Abwendung späterer Pensionskürzungen als Werbungskosten abgezogen werden, weil sie den ungeschmälerten Zufluss der nachträglichen Einnahmen aus dem beamtenrechtlichen Arbeitsverhältnis sicherstellen sollen (vgl. BMF-Schreiben a.a.O., Abschn. I 2; Heinicke bei Ludwig Schmidt, Komm., § 22 EStG Rdnr. 117 m.w.N.). In der Rechtsprechung des BFH konnte diese Frage letztlich offen bleiben (vgl. BFH-Urteil in BStBl II 1984, 106 und Beschluss vom 19. Juni 2000 VI B 30/00, BFH/NV 2000, 1467).

Das Finanzgericht hält es für vertretbar, dass die späteren Pensionsbezüge eines Ruhestandsbeamten, auch soweit sie auf einer Auffüllungszahlung nach § 58 BeamtVG beruhen, zu den Einnahmen aus einem früheren Dienst- oder Arbeitsverhältnis (§ 19 Abs. 2 EStG) gehören. Für sich betrachtet weist allerdings die Auffüllungszahlung die Merkmale eines "Rentenkaufs" auf. Denn bei genauerer Betrachtung beruhen die späteren Versorgungsleistungen nicht ausschließlich auf den vor Eintritt des Versorgungsfalls erbrachten Dienstleistungen des Beamten, sondern, soweit die Anrechte beim so genannten Quasi-Splitting nach § 1587 b Abs. 2 BGB zunächst gekürzt worden sind, auf der diese Kürzung ausgleichenden einmaligen Auffüllungszahlung, nicht anders, als wenn der Beamte den Einmal-Betrag nicht für die freiwillige Auffüllungszahlung an den Dienstherrn, sondern an ein Versicherungsunternehmen erbringen würde, das ihm bzw. seinen Hinterbliebenen bei Eintritt des Versorgungsfalles mehr oder weniger dynamische Pensionsersatzleistungen zahlen wird (vgl. auch Urteil vom 24. Juli 1996 X R 105/95, BStBl II 1996, 650), das die Besteuerung der von der Bahnversicherungsanstalt gezahlten und von der Deutschen Bundesbahn garantierten Zusatzrenten betrifft.

Wenn die Finanzverwaltung den geschiedenen Beamten, die eine Kürzung ihrer Versorgungsanrechte nach § 58 BeamtVG ausgeglichen haben, nicht zugestehen würde, die Auffüllungszahlung zum Werbungskostenabzug zu verwenden, wäre sie verpflichtet, die späteren Versorgungsbezüge, soweit sie auf der Auffüllungszahlung beruhen, nicht gemäß § 19 Abs. 2 EStG als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, sondern gem. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG nur als Leibrenten zu einem bestimmten Prozentsatz des Rentenbezugs anzusetzen, der als Ertrag des Rentenrechts (des so genannten Rentenstammrechts) gilt. Die Aufteilung der Versorgungsbezüge zum Zwecke der Besteuerung teils in Lohneinkünfte, teils in Leibrenten würde die Veranlagung der betroffenen Pensionäre zu einer nicht nur für diese selbst schwer durchschaubaren Prozedur geraten lassen. Wenn allerdings der Steuergesetzgeber in den Jahren ab 2005 nach und nach, Schritt für Schritt die Besteuerung der Altersrenten und der Ruhestandsbezüge (entsprechend dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 06. März 2002) konvergieren lässt und dabei berücksichtigt, dass die Sozialrenten eigentlich nur zum Teil aus den von den späteren Altersrentnern gezahlten Arbeitnehmer-Anteilen selbst finanziert werden mussten, wird er wohl nicht umhinkönnen, einzelnen Altersrentern die ehedem von ihnen aus dem versteuerten Einkommen aufgebrachten Auffüllungszahlungen, die sie nach § 187 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI bzw. den entsprechenden Bestimmungen in den Satzungen der berufsständischen Versorgungswerke freiwillig geleistet hatten, in geeigneter Weise gut zu bringen und die Renten insoweit nach dem herkömmlichen System weiterhin nur mit dem Ertragsanteil zu besteuern.

De lege lata aber wird der Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht verletzt, wenn berufsständisch oder sozialversicherte Arbeitnehmer Auffüllungszahlungen steuerlich nicht als Werbungskosten geltend machen können, während dies geschiedenen versorgungsausgleichspflichtigen Beamten von der Finanzverwaltung - nach herrschender Ansicht zwangsläufig/systemimmanent nach einer Mindermeinung freiwillig - zugestanden wird. Denn dies entspricht bei Ruhestandsbeamten dem Grundsatz der nachgelagerten Besteuerung der Alterseinkünfte.

Entsprechendes muss auch für die Auffüllungszahlung gelten, die der Kläger im Streitjahr an die ZVK geleistet hat. Die ZVK gewährt nichtbeamteten Kommunalbediensteten bei Eintritt des Versorgungsfalles eine Zusatzversorgung in Gestalt einer Leibrente und nicht in Form von Versorgungsbezügen, die etwa nach § 19 Abs. 2 EStG zu besteuern wären. Auch wenn diese Zusatzversorgung den Kläger nach Eintritt des Versorgungsfalles einem Ruhestandsbeamten mit Versorgungsbezügen wirtschaftlich gleichstellen soll, bleibt die Versorgungsrente eine Leibrente, so dass es auch gerechtfertigt erscheint, die Auffüllungszahlung an die ZVK nicht zum Werbungskostenabzug zuzulassen.

So wie Unterhaltszahlungen an den geschiedenen Ehegatten sich von Unterhaltszahlungen an Angehörige wesentlich unterscheiden, so dass es gerechtfertigt ist, für sie nach Maßgabe des § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG anstelle des Abzugs als außergewöhnliche Belastung (§ 33 a Abs. 1 EStG) das so genannte Realsplitting zu gewähren, wäre es dem Gesetzgeber auch nicht verwehrt, Auffüllungszahlungen steuerlich anders zu behandeln als sonstige Vorsorgeaufwendungen und Versicherungsbeiträge und für sie eine - etwa quotal und/oder durch Höchstbeträge beschränkte - Abzugsmöglichkeit nach §§ 10 ff oder 33 ff EStG zu schaffen. Aber der Steuergesetzgeber ist dazu von Verfassungswegen nach Ansicht des Senats nicht gezwungen.

Da die Klage erfolglos bleibt, sind den Klägern die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen (§ 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortentwicklung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO) zugelassen worden. Die Versorgungsausgleiche nach § 1587 b Abs. 1 - Anwartschafts-Splitting - und § 1587 b Abs. 2 BGB - Anwartschafts-Quasi-Splitting - sind nicht die einzigen Formen des Versorgungsausgleichs, die das Gesetz regelt oder anerkennt. Ein ausgleichspflichtiger rentenversicherter Angestellter oder ein Beamter kann, um ein Anwartschafts-Splitting oder Quasi-Splitting zu vermeiden, mit seinem geschiedenen Partner eine Vereinbarung zur schuld rechtlichen Durchführung des Versorgungsausgleichs treffen und zu dessen Gunsten eine äquivalente Leistung regeln, die zur Sicherung des Ausgleichsberechtigten für den Fall der Erwerbsunfähigkeit und des Alters geeignet erscheint (§ 1587 o BGB). In der Praxis der Finanzbehörden und in der Rechtsprechung der Finanzgerichte werden Zahlungen zur schuldrechtlichen Durchführung des Versorgungsausgleichs mit unterschiedlicher Begründung -auch bei Beamten- überwiegend nicht zum Werbungskostenabzug zugelassen. Der BFH hat in jüngster Zeit - möglicherweise auch, um dem Urteil des BVerfG vom 06. März 2002 Rechnung zu tragen -, Revisionen zugelassen (vgl. die bei ihm anhängigen Verfahren VI R 19/00, VI R 123/01, VI R 33/02). Nach Ansicht des erkennenden Senats wäre es durchaus wünschenswert, Ausgleichszahlungen und Auffüllungszahlungen schon jetzt, vielleicht auch schon im Streitjahr 1994, im Hinblick auf die in mittelfristiger Zukunft angestrebte und erreichbare Konvergenz der Renten- und Pensionsbesteuerung steuerlich gleich zu behandeln. Die Dinge sind zur Zeit im Fluss. Es erscheint dem Senat deshalb nicht ausgeschlossen, dass der BFH auch für die steuerliche Behandlung von Auffüllungszahlungen der versorgungsausgleichspflichtigen Arbeiter, Angestellten und Beamten eine konvergierende Lösung entwickelt.

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