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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 27.12.2005
Aktenzeichen: 11 K 205/04
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Baden-Württemberg

11 K 205/04

Tatbestand:

Streitig ist in den Veranlagungszeiträumen 1994 bis 1997 die Zuordnung von Zahlungen des Arbeitgebers für vom Arbeitnehmer überlassenen Wohnraum zu den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit.

Der mit seiner Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Kläger ist Nebenerwerbslandwirt. Die Einkünfte aus seiner Land- und Forstwirtschaft einschließlich des Wohnungswertes werden nach § 13 a Einkommensteuergesetz in der in den Streitjahren geltenden Fassung (EStG) ermittelt.

Hauptberuflich arbeitet der Kläger als angestellter Zuchtwart (Außendienstmitarbeiter) für den LV in .... Ein eigener Büroraum steht ihm bei seinem Arbeitgeber nicht zur Verfügung. Die Aufgabe des Klägers als Leistungsprüfer umfasst u.a. die Abnahme und Auswertung von Milchproben bei einzelnen Landwirtschaftsbetrieben. Zu diesem Zweck stellte der Kläger seinem Arbeitgeber einen kleinen Arbeitsraum in seinem zum land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen gehörenden Wohnhaus zur Verfügung, der vom Arbeitgeber mit Büromöbeln, einem Faxgerät sowie mit einem Spezialkühlschrank für Milchprobeflaschen ausgestattet worden ist. Hierfür erhielt der Kläger eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 900.-DM für 1994, 1.205.-DM für 1995 und je 1.080.-DM für 1996 und 1997. Darüber hinaus zahlte der Arbeitgeber einen monatlichen Pauschalbetrag von 20.-DM für Stromkosten, die in den vorgenannten Beträgen nicht enthalten und der Besteuerung nicht unterworfen worden sind. Ein schriftlicher Mietvertrag wurde nicht abgeschlossen. Der Arbeitgeber hatte mit dem Betriebsrat eine Vereinbarung u.a. des Inhalts getroffen, dass für einen im eigenen Haus eines Mitarbeiters eingerichteten Büroraum/Arbeitszimmer eine bestimmte "Büromiete" festgesetzt wurde; hieran hatte sich der Arbeitgeber orientiert.

Anlässlich einer Lohnsteueraußenprüfung bei dem Arbeitgeber im September 1999 wurde u.a. Folgendes festgestellt: Der LV beschäftigte im Prüfungszeitraum ca. 160 Leistungsprüfer, die z.B. Milchproben bei einzelnen Landwirtschaftsbetrieben nehmen und diese dann auswerten. Die Auswertung erfolgt durch ca. 60 Arbeitnehmer in von fremden Dritten angemieteten Räumen. 80 Arbeitnehmer werden in einem Büro in der eigenen Wohnung tätig. In weiteren zehn Büros arbeiten mehrere Probennehmer gemeinsam.

Die Eignung der Räume wird durch einen Bediensteten der aufsichtsführenden Behörde (mit Vertretern des LV) festgestellt. Ein Protokoll wird über diese Eignung bzw. diesen Besichtigungstermin nicht gefertigt. Es besteht eine grundsätzliche Zugangsberechtigung des Arbeitgebers zu diesen angemieteten Räumen. Einen Schlüssel für diese Räume besitzt der Arbeitgeber jedoch nicht. Wegen aller Einzelheiten wird auf den in den vom Gericht beigezogenen Akten des Finanzamts (FA) enthaltenen Prüfungsbericht vom 2. November 1999 verwiesen.

Das FA folgte der Auffassung des Prüfers, der die Zahlungen den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit zuordnete, und erließ Einkommensteueränderungsbescheide, jeweils vom 7. Dezember 1999, mit denen die Einkommensteuerschulden um insgesamt 1.146.-DM auf 3.330.-DM (1994), 3.330.-DM (1995), 3.896.-DM (1996) und 4.604.-DM (1997) erhöht wurden.

Hiergegen wenden sich die Kläger nach vorangegangenem erfolglosem Rechtsbehelfsverfahren mit ihrer Klage und lassen im Wesentlichen Folgendes vortragen: Die streitigen Zahlungen stellten Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung dar. Diese Zahlungen seien nur dann Arbeitslohn, wenn sie sich im weitesten Sinne als Gegenleistung für die Zur-Verfügung-Stellung der individuellen Arbeitskraft erwiesen. Der Arbeitgeber stelle bei einer Vielzahl von Arbeitnehmern sowohl Büroräume für mehrere Bedienstete außerhalb von Wohnräumen als auch innerhalb von Wohngebäuden der Arbeitnehmer zur Verfügung.

Auch gebe es Fälle, in denen von einzelnen Arbeitnehmern ein fremd angemieteter Raum zur Verfügung gestellt werde. Letztendlich sei die Gestaltung der Arbeitsmöglichkeit durch den Arbeitgeber zufällig und von den örtlichen Gegebenheiten abhängig.

Der Arbeitgeber sei verpflichtet, seinem Arbeitnehmer einen Arbeitsplatz mit den dazugehörigen Arbeitsmitteln zur Verfügung zu stellen. Dies geschehe durch die Anmietung von Räumen in unterschiedlichen Konstellationen. Entscheidend sei, dass für den Arbeitnehmer die Mietzahlung auch nicht im Entferntesten eine Gegenleistung für die individuelle Arbeitskraft des Arbeitnehmers sei. Dies habe der Bundesfinanzhof (BFH) bereits in seinem Urteil vom 11. März 1988 (VI R 106/84, Bundessteuerblatt -BStBl- II 1988, 726) bestätigt. Im Übrigen werde diese Rechtsauffassung zumindest bei den vergleichbaren so genannten Posthaltereien von der Finanzverwaltung ebenso vertreten (Koordinierter Ländererlass vom 21. Mai 1990). Danach sei eindeutig festgelegt, dass die Zahlungen für die Hergabe und Unterhaltung der dienstlich genutzten Räume Mieteinnahmen darstellten und daher steuerlich im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen seien.

Das vom FA zitierte Urteil des Finanzgerichts (FG) Düsseldorf vom 18. Oktober 2000 (Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG-2001, 21) sei im vorliegenden Falle nicht einschlägig. Es handele sich hierbei eindeutig um einen Umgehungsfall zur Werbungskostenabzugsbeschränkung beim häuslichen Arbeitszimmer. Entscheidender Unterschied zu dem zitierten Urteil sei, dass im Streitfall der Arbeitgeber des Klägers diesem die gesamte Büroausstattung zur Verfügung gestellt habe, um seiner Verpflichtung zu genügen, einen Arbeitsplatz zu stellen. Hinzu komme, dass alle Beträge, die der Lohnsteuer zu unterwerfen seien, auch sozialversicherungspflichtig seien. Dies führe beim Arbeitnehmer und beim Arbeitgeber jeweils zu einer weiteren Belastung von ca. 20%, die nicht gerechtfertigt sei.

Im Übrigen habe der BFH mit Urteil vom 16. September 2004 (VI R 25/02, BFH/NV 2005, 279) einen nahezu identischen Sachverhalt im Sinne der Kläger entschieden und Zahlungen für einen Büroraum den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zugeordnet. Hierauf werde Bezug genommen.

Die Kläger stellen den Antrag,

die Einkommensteuerbescheide für 1994 bis 1997 zu ändern, die streitigen Zahlungen als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i. H. v. 400.-DM (1994), 525.-DM (1995), 580.-DM (1996) und 580.-DM (1997) zu berücksichtigen und die Einkommensteuerschulden entsprechend herabzusetzen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die streitigen Zahlungen seien Teil der Gegenleistung für die Zur-Verfügung-Stellung der Arbeitskraft des Klägers und nicht Gegenleistung für die Nutzungsüberlassung am vermieteten Arbeitsraum. Eine Verknüpfung der Zuwendung des Arbeitgebers mit der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers liege grundsätzlich immer dann vor, wenn die Zuwendung mit Rücksicht auf das Arbeitsverhältnis erfolge, ein fremder Dritter also nicht in ihren Genuss komme. So sei der Streitfall jedoch zu beurteilen. Zum Einen sei die Leistung aufgrund einer Vereinbarung mit dem Betriebsrat erfolgt und zum Anderen sei die pauschale Entschädigung mit der Gehaltsabrechnung überwiesen worden. Die Interessenlage der Vertragsparteien erfordere im Übrigen keine Fortsetzung des Mietverhältnisses nach einem eventuell möglichen Ende des Arbeitsverhältnisses.

Das BFH-Urteil vom 19. Oktober 2001 (VI R 131/00, BStBl II 2002, 300) sei hier nicht einschlägig. In seiner Begründung führe der BFH aus, dass zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehörender Arbeitslohn vorliege, wenn die Mietzahlungen nur deshalb gewährt würden, weil der Zahlungsempfänger Arbeitnehmer des Arbeitgebers sei. Arbeitslohn liege dagegen nicht vor, wenn eine Zuwendung wegen anderer Rechtsbeziehungen oder wegen sonstiger nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber bewirkt würden. Entscheidend sei, dass zu gleichen Bedingungen, unabhängig davon, ob ein Dienstverhältnis bestehe, auch mit Dritten ein derartiges Vertragsverhältnis eingegangen werde. Im Streitfalle handele es sich um pauschale Mietkostenzuschüsse, die als Nutzungsentschädigung aufgrund einer Vereinbarung mit dem Betriebsrat und im Rahmen von Lohnzahlungen geleistet würden. Das von den Klägern behauptete Mietverhältnis und die daraus resultierenden Rechte für den Mieter seien nicht konkret dargelegt worden.

So habe auch das FG Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 27. Mai 2002 (12 K 22/01) die Klage bei einem vergleichbaren Sachverhalt abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Revision sei vom BFH in seiner Entscheidung vom 27. Oktober 2004 (VI R 95/02) als unbegründet zurückgewiesen worden. Auch das BFH-Urteil vom 11. Januar 2005 (IX R 72/01, BFH/NV 2005, 882) gebe für den Streitfall nichts her, da es sich dort um einen fremdüblichen Mietvertrag gehandelt habe, der hier ersichtlich nicht vorliege. Der Arbeitgeber des Klägers zahle die Entschädigung für die entstandenen Raumkosten seit Jahren aufgrund der Betriebsvereinbarung. Die Behauptung des Klägers, dass neben der Betriebsvereinbarung ein mündlicher Mietvertrag vorgelegen habe, sei nicht nachvollziehbar. Eine gesonderte Rechtsbeziehung bezüglich der Raumüberlassung in Form eines Mietvertrags, der die Regelungen der Betriebvereinbarung ablöse, sei zwar grundsätzlich möglich. Aufgrund der im Gegensatz zu einer reinen Aufwandserstattung weiterreichenden rechtlichen und tatsächlichen Folgen für die Beteiligten erscheine es nicht glaubhaft, dass ernsthaft ein mündlicher Mietvertrag geschlossen worden sei. Die Zahlungen seien vielmehr untrennbar an das Bestehen des Arbeitsverhältnisses geknüpft. Dies ergebe sich aus daraus, dass keine Vereinbarungen über das Betreten des Raumes in der Privatwohnung des Klägers durch den Arbeitgeber getroffen worden sei. Derartige Vereinbarungen hätte der Arbeitgeber aber - wie bei den Verträgen mit Nichtarbeitnehmern - schriftlich getroffen. Eine ausdrückliche schriftliche Vereinbarung sei zwar keine zwingende Voraussetzung für die Annahme einer eigenständigen Rechtsbeziehung; die Beibehaltung und Fortführung der Regelungen in der Betriebsvereinbarung ließen aber den Schluss zu, dass die Abgeltung der den Arbeitnehmern entstehenden Aufwendungen im Rahmen des Dienstverhältnisses erfolgt sei.

Selbst wenn die hier streitigen Zahlungen nicht den Lohnzahlungen hinzugerechnet werden könnten, handele es sich bei den von den Klägern angeführten Einkünften um Sondergewinne nach § 13 a Abs. 3 Nr. 5 i.V.m. Abs. 8 EStG. Auch die von dem Prozessbevollmächtigten der Kläger im Klageschriftsatz vom 26. Februar 2001 ermittelten Einkünfte könnten so nicht übernommen werden. Zumindest die angesetzten Unkosten für Strom/Heizung i. H. v. jeweils 360.-DM seien um jeweils 240.-DM zu reduzieren, da insoweit jährliche Pauschalzahlungen durch den Arbeitgeber erfolgt seien.

Der Arbeitgeber des Klägers bestätigte dem Gericht gegenüber mit seinen Schreiben vom 31. März 2005, 8. September 2005 und 13. September 2005, dass das "angemietete Büro vor allem in Interesse des Arbeitgebers liegt". Räume des Arbeitnehmers wurden nur angemietet, wenn "vor Vertragsschluss die Büroräume/Arbeitszimmer besichtigt wurden und der Mitarbeiter (zukünftiger Vermieter) gefragt wurde, ob er mit der Höhe des Mietpreises entsprechend der Betriebsvereinbarung einverstanden ist". Aus ihren Unterlagen ergebe sich, "dass der zukünftige Raum (Arbeitszimmer) erst nach der mündlichen Absprache am 13. Mai 1980 zwischen Herrn C, damaliger Verwaltungsleiter, und Herrn B angemietet wurde. Der mündliche Mietvertrag mit Herrn B wurde erst abgeschlossen, als sich beide Seiten einig waren".

Die Beteiligten waren mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist teilweise begründet. Die streitigen Zahlungen stellen keine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit dar, sondern sind i. H. v. 640.-DM (1994), 765.-DM (1995), 820.-DM (1996) und 820.-DM (1997) den Einkünften des Klägers aus Land- und Forstwirtschaft zuzurechnen. Im Übrigen war die Klage abzuweisen.

Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Ein Vorteil wird dann "für" eine Beschäftigung gewährt, wenn er durch das individuelle Dienstverhältnis des Arbeitnehmers veranlasst ist. Hieran fehlt es, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Vorteile aufgrund einer anderen, neben dem Dienstverhältnis gesondert bestehenden Rechtsbeziehung - etwa aufgrund eines Mietverhältnisses - zuwendet.

Leistet der Arbeitgeber Zahlungen für ein im Haus oder in der Wohnung des Arbeitnehmers gelegenes Büro, das der Arbeitnehmer für die Erbringung seiner Arbeitsleistung nutzt, so ist die Unterscheidung zwischen Arbeitslohn und Einkünften aus z.B. Vermietung und Verpachtung danach vorzunehmen, in wessen vorrangigem Interesse die Nutzung des Büros erfolgt. Dient sie in erster Linie den Interessen des Arbeitnehmers, weil er im Betrieb des Arbeitgebers über einen weiteren Arbeitsplatz verfügt und die Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers vom Arbeitgeber lediglich gestattet oder geduldet wird, so sind die Zahlungen als Arbeitslohn zu erfassen. Wird der betreffende Raum jedoch vor allem im betrieblichen Interesse des Arbeitgebers genutzt und geht dieses Interesse objektiv nachvollziehbar - über die Entlohnung des Arbeitnehmers und über die Erbringung der jeweiligen Arbeitsleistung hinaus, so ist anzunehmen, dass die betreffenden Zahlungen auf einer neben dem Dienstverhältnis gesondert bestehenden Rechtsbeziehung beruhen (BFH-Urteil vom 9. Juni 2005 IX R 4/05, BFH/NV 2005, 2180 m.w.N.). Anhaltspunkte hierfür können sich beispielsweise daraus ergeben, dass der Arbeitgeber entsprechende Rechtsbeziehungen zu gleichen Bedingungen auch mit fremden Dritten, die nicht in einem Dienstverhältnis zu ihm stehen, eingegangen ist. Hierbei handelt es sich aber lediglich um ein Indiz, und nicht um eine zwingende Voraussetzung.

Haben die Beteiligten eine ausdrückliche, schriftliche Vereinbarung über die Bedingungen der Nutzung des überlassenen Raumes getroffen, so kann dies ebenfalls ein Indiz für ein besonderes, über das Dienstverhältnis hinausgehendes betriebliches Interesse sein. Allerdings schließt eine solche Vereinbarung einerseits nicht aus, dass die Zahlungen gleichwohl als Arbeitslohn zu erfassen sind, falls ein entsprechendes betriebliches Interesse des Arbeitgebers nicht nachgewiesen werden kann. Andererseits ist eine ausdrückliche schriftliche Vereinbarung keine zwingende Voraussetzung für die Annahme einer eigenständigen Rechtsbeziehung; denn ein steuerlich anzuerkennendes Nutzungsverhältnis kann auch mündlich oder konkludent begründet werden. Der Nachweis eines entsprechenden betrieblichen Interesses an der Nutzung des betreffenden Raumes obliegt dem Steuerpflichtigen (BFH-Urteil vom 16. September 2004 VI R 25/02, BFH/NV 2005, 279).

Ausgehend von diesen Grundsätzen sind die an den Kläger für den Arbeitsraum geleisteten Zahlungen im Streitfall kein Arbeitslohn, da die Nutzung des betrieblichen Raumes vorrangig den Interessen des Arbeitgebers diente. Der Arbeitgeber des Klägers hat ausdrücklich bestätigt, dass der betreffende Raum auch in Ermangelung eines Arbeitsplatzes am Sitz des Arbeitgebers in ... - vor allem im betrieblichen Interesse des Arbeitgebers genutzt wird. Es ist für das Gericht auch objektiv nachvollziehbar, dass dieses Interesse über die Entlohnung des Arbeitnehmers und über die Erbringung der jeweiligen Arbeitsleistung Abnahme und Auswertung von Milchproben bei einzelnen Landwirtschaftsbetrieben -hinausgeht. Hierfür spricht u.a. der Umstand, dass der Arbeitgeber entsprechende Rechtsbeziehungen auch mit fremden Dritten, die nicht in einem Dienstverhältnis zu ihm stehen, eingegangen ist. So hat der Prüfer des Beklagten ausdrücklich festgestellt, dass von insgesamt ca. 160 Leistungsprüfern die Auswertung der Milchproben durch ca. 60 Arbeitnehmer in von fremden Dritten angemieteten Räumen stattfindet.

Diesen vorstehend genannten Gesichtspunkten ist der Beklagte auch nicht substantiiert entgegengetreten. Der Beklagten hat sich im Wesentlichen darauf beschränkt, angesichts der Betriebsvereinbarung die Existenz eines - mündlich abgeschlossenen - Mietvertrags in Abrede zu stellen. Hierbei lässt er unberücksichtigt, dass die in den Streitjahren bestehende Betriebsvereinbarung zwischen dem Arbeitgeber des Klägers und dem Betriebsrat lediglich einen betragsmäßigen Rahmen für den Fall geschaffen hat, dass ein Mitarbeiter im eigenen Haus dem Arbeitgeber einen Büroraum zur Verfügung stellt. Letzteres findet aber in aller Regel - und so auch im Streitfall - aufgrund eines Nutzungsüberlassungsvertrages statt, der sowohl schriftlich als auch mündlich abgeschlossen werden kann und dann neben die Betriebsvereinbarung tritt. Die steuerliche Zuordnung der jeweiligen Einnahmen richtet sich weder nach der äußeren Form noch nach der Bezeichnung des von den Beteiligten geschlossenen Vertrages, sondern nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt. Eine Zahlung, die sich ihrem wirtschaftlichen Gehalt nach als Gegenleistung für die Überlassung des Gebrauchs oder der Nutzung des überlassenen Gegenstands darstellt, ist daher z.B. bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu erfassen. Gehören die betreffenden Einkünfte allerdings (auch) zu einer anderen Einkunftsart, so sind sie gem. § 21 Abs. 3 EStG dieser zuzurechnen (Subsidiaritätsklausel; vgl. BFH-Urteil vom 16. September 2004 VI R 25/02 a.a.O.).

Wesentlich für das Bestehen eines solchen Mietvertrages ist grundsätzlich nur, dass die Vertragsparteien die Hauptpflichten des Vertrages, wie das Überlassen einer bestimmten Mietsache zur Nutzung und die Höhe der zu entrichtenden Miete vereinbart und entsprechend durchgeführt haben. Dies ist nach den im Wesentlichen unbestritten gebliebenen Darlegungen des Arbeitgebers des Klägers für das Gericht aber nicht zweifelhaft. Hiernach hat der Arbeitgeber des Klägers und spätere Mieter das Arbeitzimmer/Büroraum vor Vertragsabschluss besichtigt und sich mit seinem Arbeitnehmer, dem Kläger, dahingehend geeinigt, dass das Nutzungsentgelt entsprechend der betrieblichen Vereinbarung gezahlt wird.

Das Gericht sieht auch keine Veranlassung, an der Richtigkeit dieser Erklärungen zu zweifeln, zumal es im ureigensten Interesse (auch) des Arbeitgebers liegen dürfte, sich vor der Anmietung im Hinblick auf die Zweckmäßigkeit des Raumes Klarheit zu verschaffen und über die Mietsache und die Miethöhe Einigkeit zu erzielen. Auch wenn der Kläger angesichts der Betriebsvereinbarung, an die der Arbeitgeber gebunden ist, keinen Verhandlungsspielraum bezüglich der Miethöhe besitzt, besteht selbstverständlich uneingeschränkte Vertragsfreiheit insofern, als er den Abschluss eines Mietvertrages ablehnen kann. Ein Mietvertrag kommt daher auch dann zustande, wenn die Vertragsparteien einen Mietpreis vereinbaren, der - wie hier - bereits aus anderen rechtlichen oder tatsächlichen Gründen vorgegeben ist.

Dass keine weiteren Regelungen getroffen worden sind, die normalerweise Inhalt eines Mietvertrages - z.B. über Wohnräume - sind, führt ebenfalls zu keiner anderen Beurteilung. Die bereits erwähnten Besonderheiten des Streitfalles lassen es als unschädlich erscheinen, dass weder ausdrücklich über ein spezifiziertes Zugangsrecht gesprochen worden ist, zumal zwischen den Mietvertragsparteien unstreitig Einigkeit über eine grundsätzliche Zugangsberechtigung bestanden hat, noch die Höhe der monatlichen Zahlungen von der exakten Raumgröße abhängig gemacht worden ist. 30 Schließlich vermag an der Rechtsqualität des Nutzungsüberlassungsvertrags als Mietvertrag auch der Umstand nichts zu ändern, dass das Mietverhältnis mit dem Arbeitsverhältnis untrennbar verbunden ist. Es versteht sich von selbst, dass bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Kläger bzw. Arbeitnehmer auch den vom Arbeitgeber angemieteten Arbeitsplatz nicht mehr benötigt, an dem er die den Inhalt seines bisherigen Arbeitsverhältnisses bildenden Aufgaben erledigen müsste.

Der Beklagte hat allerdings - von den Klägern unbestritten - darauf hingewiesen, dass der Büroraum landwirtschaftliches Betriebsvermögen des Klägers darstellt und es sich bei den Einnahmen somit um Sondergewinne nach § 13 a Abs. 3 Nr. 5 i.V.m. Abs. 8 EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung handelt. Dies hat zur Folge, dass keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gegeben, vielmehr die jeweiligen Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft entsprechend zu erhöhen sind. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass der Kläger - zusätzlich zu den Mieteinnahmen - jährliche Pauschalvergütungen für Stromkosten i. H. v. 240.-DM erhalten hat, die zu einer entsprechenden Reduzierung der von den Klägern im Klageschriftsatz vom 26. Februar 2001 vorgenommenen Kostenansätze für Strom/Heizung i. H. v. jeweils 360.-DM auf 120.-DM führen müssen. Die übrigen Kostenansätze blieben unbeanstandet und werden daher auch vom Gericht übernommen.

Hieraus ergeben sich zusätzliche Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft i. H. v. 640.-DM (1994), 765.- DM (1995), 820.-DM (1996) und 820.-DM (1997) und Mindereinkünfte bei nichtselbständiger Arbeit i. H. v. 900.-DM (1994), 1.205.-DM (1995), 1.080.-DM (1996) und 1.080.-DM (1997).

Die Einkommensteuerschulden verringern sich somit von 3.330.-DM auf 3.284.-DM (1994), von 3.330.DM auf 3.240.-DM (1995), von 3.896.-DM auf 3.808.-DM (1996) und von 4.604.-DM auf 4.544.-DM (1997).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Finanzgerichtsordnung (FGO), die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt auf den § 708 Nr. 11, 709, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 151 Abs. 3 FGO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der in § 115 Abs. 2 FGO abschließend genannten Zulassungsgründe vorliegt.



Ende der Entscheidung

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