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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 28.11.2006
Aktenzeichen: 11 K 87/02
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 12 Abs. 2 Nr. 1
UStG Nr. 52 a der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Baden-Württemberg

11 K 87/02

Einreihung von Bestandteilen einer Hüftgelenksprothese (Pfanneneinsätze und Schraubpfannendeckel).

Tatbestand:

Streitig ist, ob einzelne Bestandteile von Schraubpfannensystemen (Hüftimplantaten), nämlich der Pfanneneinsatz und der Pfannendeckel dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterliegen.

Die Klägerin führt regelmäßig Schraubpfannen-Systeme ein, die als Hüftimplantate verwendet werden. Dabei handelt es sich um ein aus mehreren Komponenten bestehendes System. Es beinhaltet in der Regel eine kegelförmige, oben abgeplattete und offene Schraubpfanne, die im Becken verankert wird, einen Schraubpfannendeckel, der die obere Öffnung der Schraubpfanne nach dem Einsetzen verschließt, einen halbkugelförmigen, auf der Innseite ausgehöhlten glattpolierten PE- oder Metalleinsatz, der in die Schraubpfanne eingesetzt wird, einen Fermurschaft inklusive Gradhülse, der im Oberschenkel befestigt wird und gegebenenfalls mit einer Schwenkhülse versehen ist, die den Winkel des Oberschenkels zum Becken verändern kann, und einem Keramik- oder Metallkopf, der auf den Fermurschaft aufgesteckt wird. Die Beweglichkeit des Gelenks wird durch den in dem Einsatz gleitenden Kugelkopf bewirkt.

Im Zeitraum vom 7. September 2001 bis zum 31. Januar 2002 führte die Klägerin zum Teil vollständige Schraubpfannen-Systeme und zum Teil einzelne Bestandteile des Systems aus der Schweiz in das Zollgebiet der Europäischen Gemeinschaft ein. Bei der Zollanmeldung ging die Klägerin entsprechend der von ihr ermittelten Codenummer 9021 1100 00 1 des Elektronischen Zolltarifs (EZT) bzw. ab dem Jahr 2002 der inhaltsgleichen Codenummer 9021 3100 00 1 EZT von einem ermäßigten Einfuhrumsatzsteuersatz i.H.v. 7% aus, unabhängig davon, ob das Schraubpfannen-System als Ganzes oder nur einzelne Bestandteile davon eingeführt wurden. Das Hauptzollamt (HZA) reihte dagegen die Schraubpfanneneinsätze und die Schraubpfannendeckel unter der Codenummer 9021 1100 00 9 (bzw. 9021 3100 009) EZT ein und wandte den nicht ermäßigten Einfuhrumsatzsteuersatz i.H.v. 16% an. Dies betraf die folgenden Einfuhrabgabenbescheide:

 vom 07.09.2001 (im Einspruchs- und Klageverfahren als vom 10.09.2001 bezeichnet)Reg.Kz.F 1-3514-09-2001-3951 zu Pos. 3 und 4
vom 17.09.2001Reg.KzF-1-3748-09-2001-3951 zu Pos. 3 und 4
vom 02.10.2001Reg.Kz.F-1-0085-10-2001-3951 zu Pos. 3 bis 5
vom 04.10.2001Reg.Kz.F-1-0173-10-2001-3951 zu Pos. 3 und 4
vom 15.10.2001Reg.Kz.F-1-0751-10-2001-3951 zu Pos. 3 und 4
vom 16.10.2001Reg.Kz.F-1-0893-10-2001-3951 zu Pos. 3 und 4
vom 17.10.2001Reg.Kz.F-1-1021-10-2001-3951 zu Pos. 3 und 4
vom 25.10.2001Reg.Kz.F-1-1394-10-2001-3951 zu Pos. 2
vom 25.10.2001Reg.Kz.F-1-1424-10-2001-3951 zu Pos. 4 und 5
vom 05.11.2001Reg.Kz.F-1750-10-2001-3951 zu Pos. 3 und 4
vom 14.11.2001Reg.Kz.F-1-2225-11-2001-3951 zu Pos. 3 bis 5
vom 15.11.2001Reg.Kz.F-1-2302-11-2001-3951 zu Pos. 3 bis 5
vom 29.11.2001Reg.Kz.F-1-2864-11-2001-3951 zu Pos. 3 und 4
vom 04.12.2001Reg.Kz.F-1-3002-12-2001-3951 zu Pos. 3 bis 5
vom 07.12.2001Reg.Kz.F-1-3249-12-2001-3951 zu Pos. 3
vom 20.12.2001Reg.Kz.F-1-3718-12-2001-3951 zu Pos. 3 bis 5
vom 02.01.2002Reg.Kz.F-1-3967-01-2002-3951 zu Pos. 3 bis 5
vom 14.01.2002Reg.Kz.F- 1-0283-01-2002-3951 zu Pos. 3 und 4
vom 22.01.2002Reg.Kz.F-1-0516-01-2002-3951 zu Pos. 3 bis 5
vom 28.01.2002Reg.Kz.F-1-0730-01-2002-3951 zu Pos. 3 bis 5
vom 31.01.2002Reg.Kz.F-1-0929-01-2002-3951 zu Pos. 3 und 4

In den Bescheiden setzte der Beklagte 70.010,77 EUR Einfuhrumsatzsteuer nach dem ermäßigten Steuersatz von 7% und 71.348,71 EUR nach dem regelmäßigen Steuersatz von 16% fest.

Am 22. November 2001 führten zwei Zollbeamte des Beklagten eine Beschau der Ware durch. Bei der Beschau wurden zwei Kartons geöffnet. Wegen des Ergebnisses der Beschau wird auf den Beschaubefund vom 27. November 2001 mit seinen Anlagen verwiesen (Blatt 97 ff. der Verwaltungsakten - roter Hefter).

Die Klägerin legte gegen die einzelnen Einfuhrabgabenbescheide Einspruch ein soweit in den Bescheiden "Teile zu Endoprothesen" mit dem Regelsteuersatz von 16% statt 7% versteuert worden waren. Die Einsprüche wurden vom HZA mit Einspruchsentscheidung vom 26. Februar 2002 als unbegründet zurückgewiesen. Daraufhin erhob die Klägerin mit Schreiben vom 25. März 2002, eingegangen bei Gericht am gleichen Tag, Klage mit dem Antrag, die genannten Bescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung ersatzlos aufzuheben.

Am 19. September 2006 fand in der Sache ein Erörterungstermin statt. Auf die Niederschrift (Bl. 133 der Gerichtsakten) wird verwiesen. Im Nachgang zu dem Termin nahm die Klägerin mit Schreiben vom 20. November 2006 ihre Klage insoweit zurück, als sie über das Begehren, in den genannten Bescheiden die Einfuhrumsatzsteuer für einzelne Bestandteile von künstlichen Hüftgelenken auf 7% festzusetzen, hinausging. Dies betraf insbesondere die Einfuhr von Werkzeugen und Prospekten.

Zur Begründung trägt die Klägerin vor, soweit das Schraubpfannen-System komplett eingeführt worden sei, handele es sich um eine funktionelle Einheit im Sinne der nach Anmerkung 3 zu dem Kapitel 90 der Kombinierten Nomenklatur (KN) auch für dieses Kapitel geltenden Anmerkung 4 zu Abschnitt XVI KN um eine als Ganzes einzureihende Ware, die der Unterposition 9021 11 KN zuzuordnen sei und unter Nr. 52 a der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1, 2 Umsatzsteuergesetz (UStG) falle. Die Einzelkomponenten seien aus Zweckmäßigkeitsgründen voneinander getrennt. Die Aufschlüsselung der Bestandteile in den Rechnungen sei für die Einreihung ohne Belang. Werde das Schraubpfannen-System mit seinen Komponenten "Schraubpfanne", "Deckel" und "Einsatz" importiert, so handele es sich wiederum um eine funktionelle Einheit. Wenn Einzelkomponenten fehlten, liege eine unvollständige oder unfertige Ware gemäß Nr. 2 a Satz 1 der Allgemeinen Vorschriften (AV) für die Auslegung der KN vor, weil auch das unvollständige System die wesentlichen Beschaffenheitsmerkmale der vollständigen Ware aufweise und daher wie diese zu tarifieren sei. Der "Kopf" des Systems sei auch nach Auffassung des Beklagten als Einzelkomponente eines künstlichen Gelenkes einfuhrumsatzsteuerbegünstigt. Das Gleiche gelte für die Schraubpfanne. Soweit der Beklagte aber Schraubpfannendeckel und Schraubpfanneneinsatz dem Regelsteuersatz von 16% zuordne, könne dies nur gelten, wenn jene Bestandteile selbständig und nicht als System eingeführt und gestellt würden. Dies sei aber bis auf Überstücke regelmäßig nicht der Fall.

Der Beklagte habe die AV Nr. 2 a Satz 2 unrichtig angewendet, indem er wegen der Beschau einer Teilsendung durch das Zollamt (ZA) deren Anwendbarkeit verneint habe. Die Klägerin habe über ihre Spedition die streitbefangenen Einfuhren in der jeweiligen Zollanmeldung als Endoprothesen einschließlich Einzelkomponenten angemeldet. Spätestens damit sei die streitbefangene Ware gestellt worden. Sie sei auch noch nicht zusammengesetzt gewesen, so dass die AV Nr. 2 a erfüllt seien. Die Bestimmung verlange nicht, dass in der Gestellungsmitteilung oder Zollanmeldung auf den Zustand der Zerlegung hingewiesen werden müsse, wenngleich dies hier in der Zollanmeldung durchaus geschehen sei. Seien die Voraussetzungen der AV Nr. 2 a Satz 2 erfüllt, dann müssten die getrennten Bestandteile ebenso wie die zusammengefügte Ware eingereiht werden. Eine Zuordnung solcher Bestandteile zu einer Position für Teile sei dann nicht zulässig. Im vorliegenden Fall seien wie ausgeführt die einzelnen Komponenten des Schraubpfannen-Systems zusammen gestellt worden. Dies habe auch die in Rede stehende Zollbeschau bestätigt. Mangels gegenteiliger Erkenntnisse sei sodann zugunsten der Klägerin zu unterstellen, dass bei ermessensgerechter Überprüfung der Kartons Außenschalen, Deckel und Einsätze in gleicher Stückzahl bzw. in im Wesentlichen gleicher Stückzahl vorgefunden worden wären. Da es sich nach alledem nicht um Teile i.S.d. Nr. 52 der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG handele, sondern um Komponenten künstlicher Gelenke, greife im Ergebnis die Umsatzsteuerbegünstigung.

Rein vorsorglich nehme die Klägerin jedoch auch zur Einreihung separaten Einfuhren Stellung. Zunächst sei hervorzuheben, dass der Deckel immer zusammen mit der Schraubpfanne in einer Schachtel geliefert werde, wenn auch Deckel und Pfanne aus hygienischen Gründen ihrerseits in eigenen Beuteln verschweißt seien. Eine separate Gestellung gebe es nur in vernachlässigbaren seltenen Fällen, wenn sich der Deckel als schadhaft erweise und nachgeliefert werden müsse. Außenschale und Deckel gehörten zusammen wie Kochtopf und Deckel. Pfanne und Deckel seien eine Ware, weil sie als Einzelkomponenten ihrerseits eine funktionelle Einheit bildeten. Bei einer Operation müsse jede Außenschale abschließend mit dem Deckel verschraubt werden, um den direkten Kontakt des Einsatzes mit den Knochen zu verhindern. Sie seien also funktionell zusammengehörig.

Bei den Einsätzen sei zunächst schon nicht nachvollziehbar, warum diese umsatzsteuerrechtlich "Teile" sein sollten, während beispielsweise Köpfe Einzelkomponenten seien. Dass in den Zollanmeldungen Einsätze gelegentlich als Teile bezeichnet worden seien, sei ersichtlich laienhaft geschehen. Die Klägerin habe auch diese Komponenten sachlich richtig als umsatzsteuerbegünstigt mit der entsprechenden Codenummer des Elektronischen Zolltarifs (EZT) angemeldet. Die Einsätze gehörten unzweifelhaft zur Unterposition 9021 11 KN, die als solche überhaupt nicht zwischen Hauptsache und Teil unterscheide. Sie seien damit wie die Hauptware als künstliches Gelenk anzusehen. Ob nun dieser Einsatz als zolltarifliches künstliches Gelenk umsatzsteuerlich "Teil" i.S.d. Nr. 52 a Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG sei, sei folglich eine Frage, die nichts mehr mit dem Zolltarif oder der KN zu tun habe, auch wenn der EZT für verwaltungsinterne Zwecke weiter aufgliedern möge. Bei der somit gebotenen umsatzsteuerrechtlichen Interpretation müsse teleologisch berücksichtigt werden, dass die Nr. 52 der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG aus sozialpolitischen Gründen das Gesundheitswesen von Kosten habe entlasten wollen. Ersichtlich dienten die streitigen Einsätze ausschließlich medizinischen Zwecken. Berücksichtige man ferner systematisch, dass die Nr. 52 der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG im Prinzip alle in der Überschrift genannten Prothesen etc. erfassen wolle, so seien die "Teile und Zubehör" betreffenden Ausnahmen hiervon eng auszulegen. Auch dies führe zur Bejahung der Umsatzsteuerbegünstigung. Die Klägerin verweist insoweit auf das BFH-Urteil vom 14. Januar 1997 VII R 47/96, ZfZ 1997, Seite 307 ff..

Die Klägerin betrachte dieses Auseinanderhalten von Zolltarif und Umsatzsteuerrecht für so eminent, dass sie es zu einem zentralen Anliegen ihrer Klage mache. Auch der vom Beklagten als einzige Begründung seines Einspruchsbescheides herangezogene Befund der Beschau vermöge an diesem Ergebnis nichts zu ändern. Die Zollbeschau sei in der vorgenommenen Art und Weise ermessensfehlerhaft vorgenommen worden. Die Zollstelle übe ihr Ermessen nach Artikel 68 des Zollkodex (Verordnung [EWG] Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften - ZK-) rechtsfehlerfrei aus, wenn eine Probe in einer Menge gezogen worden sei, die für die sachgerechte Durchführung der Analyse und einer etwaigen Gegenanalyse ausreiche und keine Anhaltspunkte dafür bestanden hätten, dass aufgrund der Inhomogenität der Ware eine Durchschnittsprobe zu erstellen sei. Hier sei völlig klar gewesen, dass es in Anbetracht der Inhomogenität der Ware nicht ausreichend sein konnte, nur einzelne Kartons zu überprüfen, zumal diese zum Teil nur Muster der Ware enthielten.

Das Vorgehen bei der Beschau, auf deren Ergebnis sich maßgeblich der Einspruchsbescheid des Beklagten stütze, ergebe sich im Einzelnen aus dem Beschaubefund vom 27. November 2001. Danach habe durch Beschau festgestellt werden sollen, ob es sich bei den Waren um zerlegte Einzelkomponenten (also Außenschale, Deckel und Einsätze in gleicher Stückzahl) handele. Von sieben Karton seien lediglich zwei geöffnet worden, nämlich Karton sieben und Karton fünf. Der Inhalt der beiden Kartons sei in zwei Listen festgehalten worden. Danach hätten die Kartons jeweils Schäfte, Einsätze und Schalen in unterschiedlicher Zahl enthalten. Ausweislich des Beschaubefundes habe Karton fünf 72 kleinere Kartons enthalten, von denen jedoch offensichtlich nur ein einziger, welcher einen Einsatz enthalten habe, geöffnet worden sei. Daraus sei geschlossen worden, dass sich in jedem der kleinen Kartons nur ein Stück befinde. Die verbleibenden großen Kartons seien ausweislich des Beschaubefundes gar nicht untersucht worden. Die Vorgehensweise sei daher nicht sachgerecht und damit ermessensfehlerhaft.

Da sich der Beklagte auf die verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA) betreffend der so genannten xxx Pfanneneinsätze berufe, weise die Klägerin daraufhin, dass sie die vZTA nicht beantragt habe und folglich gegen sie auch nicht habe Einspruch einlegen können. Sie sei rechtlich für sie völlig unverbindlich. Im Übrigen bezweifle die Klägerin ob die vZTA zolltariflich zutreffend sei. Den Pfanneneinsatz als Warenzusammenstellung zu begreifen, erscheine als unzutreffend. Es werde auch schon daran gezweifelt, ob die offenbar allein für umsatzsteuerliche Zwecke beantragte Zuordnung überhaupt einer vZTA zugänglich sei, weil es um die allein umsatzsteuerliche Auslegung des Begriffs "Teil" gehe.

Soweit sich der Beklagte ebenfalls auf das Urteil des BFH vom 14. Januar 1997 (a.a.O.) berufe, werde es vom Beklagten völlig verzerrt dargestellt. Er suggeriere, es ergebe sich daraus, dass die strittigen Pfanneneinsätze und Deckel als Teile anzusehen seien. Schon aus den beiden Leitsätzen der zitierten Entscheidung sei jedoch ersichtlich, dass der BFH genau das Gegenteil von dem ausgesagt habe, was der Beklagte hier zu suggerieren versuche.

Nach einem Erörterungstermin am 19. September 2006 ergänzte die Klägerin, die Frage der Beurteilung, ob hier Teile oder Komponenten von künstlichen Gelenken vorlägen, richte sich allein nach umsatzsteuerrechtlichen Gesichtspunkten. Diese Rechtsprechung sei von der Finanzverwaltung mit dem BMF-Schreiben vom 24. Juli 1997 im Bundessteuerblatt (BStBl.) 1997 Teil I Seite 737 nachvollzogen worden. Einzelkomponenten für Hüftprothesen seien nach der o.g. Rechtsprechung einfuhrumsatzsteuerermäßigte künstliche Gelenke, keine nicht begünstigten Teile.

Darüber hinaus würden unvollständige oder unfertige orthopädische Hilfsmittel wie die vollständigen oder fertigen orthopädischen Hilfsmittel behandelt, wenn sie die charakterbestimmenden Merkmale aufwiesen. Diese Voraussetzung sei im vorliegenden Fall sowohl hinsichtlich der strittigen Einsätze als auch hinsichtlich der Pfannendeckel des Implantatsystems erfüllt. Beide Komponenten hätten eine eigenständige Funktion. Für die Funktion eines Hüftgelenkes seien die Einsätze von entscheidender Bedeutung. Nach der Implantation der Pfannenschale entscheide der Operateur welcher Einsatz (welcher Standard, Dysplasie etc.) für den jeweiligen Patienten die optimale Versorgung darstelle. Der Einsatz übernehme quasi die Funktion des früheren Knorpelgewebes. Er sei Gleitpartner für den auf dem Schaft sitzenden Kugelkopf, der den Fermurkopf des künstlichen Gelenkes ersetze. Ohne einen entsprechenden Einsatz sei die Implantation unvollständig und funktionslos. Der Pfannendeckel zur XY-Schraubpfanne habe eine eigene Funktion, nämlich als nötiger Verschluss der Pfanne. Das große Loch im Boden der Implantatschale diene der Übersicht des Operateurs. Er könne beurteilen, ob das Implantat optimal im Knochen sitze und bei Bedarf durch diese Öffnung eventuell vorhandene Hohlräume mit Spongiosamehl auffüllen. Anschließend müsse das Loch mit dem Deckel verschlossen werden, da der Knochen keinerlei direkten Kontakt mit dem Material des Einsatzes haben dürfe. Dieser Kontakt würde eine vorzeitige Destruktion des Polyäthylens sowie Knochenabbau zur Folge haben, was wiederum zu einer vorzeitigen Lockerung des Implantates führen würde.

Die Klägerin beantragt, die Bescheide vom

 07.09.2001Reg.Kz.F 1-3514-09-2001-3951
17.09.2001Reg.KzF-1-3748-09-2001-3951
02.10.2001Reg.Kz.F-1-0085-10-2001-3951
04.10.2001Reg.Kz.F-1-0173-10-2001-3951
15.10.2001Reg.Kz.F-1-0751-10-2001-3951
16.10.2001Reg.Kz.F-1-0893-10-2001-3951
17.10.2001Reg.Kz.F-1-1021-10-2001-3951
25.10.2001Reg.Kz.F-1-1394-10-2001-3951
25.10.2001Reg.Kz.F-1-1424-10-2001-3951
05.11.2001Reg.Kz.F-1-1750-10-2001-3951
14.11.2001Reg.Kz.F-1-2225-11-2001-3951
15.11.2001Reg.Kz.F-1-2302-11-2001-3951
29.11.2001Reg.Kz.F-1-2864-11-2001-3951
04.12.2001Reg.Kz.F-1-3002-12-2001-3951
07.12.2001Reg.Kz.F-1-3249-12-2001-3951
20.12.2001Reg.Kz.F-1-3718-12-2001-3951
02.01.2002Reg.Kz.F-1-3967-01-2002-3951
14.01.2002Reg.Kz.F-1-0283-01-2002-3951
22.01.2002Reg.Kz.F-1-0516-01-2002-3951
28.01.2002Reg.Kz.F-1-0730-01-2002-3951
31.01.2002Reg.Kz.F-1-0929-01-2002-3951

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er führt hierzu aus, die Klägerin habe die einzelnen Sendungen bei der Einfuhr zutreffend aufgeteilt nach Hüftprothesen für Menschen einschließlich Einzelkomponenten sowie Teile und sie zu den einzelnen Unterpositionen des Zolltarifs der Europäischen Gemeinschaft angemeldet. Für die Hüftprothesen für Menschen einschließlich Einzelkomponenten sei vom Zollamt der zutreffende Einfuhrumsatzsteuersatz von 7% angewendet worden. Teile seien jedoch ausdrücklich ausgenommen. Sie unterlägen einem Einfuhrumsatzsteuersatz von 16%.

Der vom Bevollmächtigten der Klägerin vorgetragenen Meinung, dass grundsätzlich, wenn Teile zu den Hüftprothesen eingeführt würden, diese der gleichen Unterposition wie die Hüftprothesen selbst zuzuweisen seien, da es sich um funktionelle Einheiten handele, widerspreche das Urteil des BFH vom 14. Januar 1997 (a.a.O.), wonach zwar Einzelkomponenten derselben Unterposition wie das Hüftgelenk zuzuweisen seien, jedoch die hier strittigen Pfanneneinsätze und Deckel als Teile anzusehen und somit nicht derselben Unterposition zuzuweisen seien. Es sei nicht nachvollziehbar, dass - wie bei der Beschau festgestellt - für ein zerlegtes Hüftgelenk mehrere Pfanneneinsätze und Deckel geliefert würden. Selbst bei Schadhaftigkeit eines Pfanneneinsatzes oder Deckels müssten nicht zusätzlich mehrere weitere vorhanden sein.

Die von der Klägerin beanstandete Beschau habe eindeutig ergeben, dass die strittigen Teile einzeln geliefert worden seien und nicht Bestandteile einer zerlegten Ware dargestellt hätten. Außerdem sei festgestellt worden, dass Deckel und Schraubpfanne nicht, wie behauptet, zusammen in einer Schachtel eingeführt würden. Dies ergebe sich auch aus der Rechnungsstellung der Firma Z / Schweiz. Die Beschau sei nur stichprobenweise durchgeführt worden, um eine eventuelle sterile Verpackung nicht zu beschädigen.

Die vom Zollamt und dem HZA hinzugezogene Zolllehranstalt (ZLA) stütze in Absprache mit der Zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt ZPLA) die vom Zollamt vertretene Meinung, dass bei einer separaten Einfuhr von Deckeln und Pfanneneinsätze diese als Teile anzusehen seien und so mit der Unterposition 9021 1100 009 bzw. ab dem Jahr 2002 der Unterposition 9021 3100 009 zuzuordnen seien und somit einem Regeleinfuhrumsatzsteuersatz von 16% unterlägen. Da die vZTA für eine gleichartige Ware erteilt worden sei, könne sie als Anhaltspunkt für die Tarifierung und Einordnung in den Gebrauchszolltarif der Gemeinschaft sehr wohl herangezogen werden.

Die Erläuterungen zur Unterposition 9021 3100 001 des EZT führten eindeutig aus, was als Einzelkomponente anzusehen sei und ordneten die in diesem Fall strittigen Pfanneneinsätze und Deckel den nicht begünstigten Teilen zu, da sie keine Einzelkomponenten seien.

Die von dem Bevollmächtigten dargestellte Praxis der Bestellung der einzelnen Komponenten bewirke auch keine andere Beurteilung der Sachlage. Offensichtlich würden hier Sammelbestellungen aufgegeben, die nicht nur die Hüftgelenke, Einzelkomponenten sondern auch die Teile umfassten.

Die vom Bevollmächtigten angeführte Bindungswirkung einer vZTA nur gegenüber dem Berechtigten werde gar nicht bestritten. Da es sich jedoch um dieselbe Ware handele, könne die vZTA jedoch als Anhaltspunkt für die Zuordnung zur Codenummer herangezogen werden.

Aufgrund des Ergebnisses des Erörterungstermins trug der Beklagte ergänzend vor, die vorliegende Frage sei umsatzsteuerrechtlich in Verbindung mit dem Zolltarif zu beantworten, da das Umsatzsteuerrecht in dieser Frage auf den Zolltarif verweise. Im Zolltarif werde auf diese umsatzrechtliche Frage eingegangen, wogegen im Umsatzsteuerrecht nirgends definiert sei, was eine Einzelkomponente oder was ein Teil sei. Diese Frage sei daher letztlich nach zolltariflichen Kriterien und nur nach diesen zu beantworten.

Die Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG verweise in der Überschrift der Spalte 3 auf den Zolltarif und auf die dortigen Kapitel, Positionen und Unterpositionen. Bei der Auslegung der Nr. 52 a dieser Anlage sei zu berücksichtigen, dass es sich dabei um eine "Ex-Position" ("aus Unterposition 9021.11" bzw. "aus Unterposition 9021.31") handele, die nicht voll umfänglich auf eine Position der KN Bezug nehme. In "Ex-Positionen" verwendete Rechtsbegriffe seien grundsätzlich umsatzsteuerrechtlich auszulegen. Dies gelte allerdings nur, soweit eine "Ex-Position" eigenständige Begriffe verwende, die zolltariflich ohne Belang seien. Verwende die "Ex-Position" hingegen Begriffe der KN, seien diese nach der Regeln der KN auszulegen. Das HZA verweist insoweit auf das BFH-Urteil vom 9. Februar 2006 V R 49/04 (BFH/NV 2006, 1236). Der unter Nr. 52 a der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG verwendete Begriff "Teil" sei zweifellos kein eigenständiger Rechtsbegriff aus dem Umsatzsteuerrecht, der zolltariflich ohne Belang wäre. Daher sei die vorliegende Frage nicht umsatzsteuerrechtlich, sondern nach den Regeln der KN, zumindest umsatzsteuerrechtlich i.V.m. den Regeln der KN auszulegen. Dem stehe letztlich auch das BFH-Urteil vom 14. Januar 1997 (a.a.O.) nicht entgegen, da dort nicht darauf eingegangen werde, ob die hier betroffenen Waren umsatzsteuerrechtlich begünstigt seien oder nicht. Vielmehr werde dort vorgegeben, dass der Teilebegriff in Nr. 52 a der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG in einem engen Sinn verstanden werden müsse. Genau diese Auslegung sei in den Zolltarif eingearbeitet worden, da das genannte Urteil dort aufgeführt sei.

Die Erläuterungen sähen unter der Überschrift "Nationale Entscheidungen und Hinweise" zu Position 9021 KN unter der Ziffer 06.0 die Pfanneneinsätze nicht als Einzelkomponenten an, sondern als Teile. An diese Vorgabe der nationalen Einreihung sei der Beklagte gebunden, zumal diese für die beklagten Fälle eindeutig sei, denn die gegenständlichen Pfanneneinsätze seien dort namentlich genannt. Da schon die Pfanneneinsätze als nicht begünstigte Teile anzusehen seien, müsse dies umso mehr für die Pfannendeckel gelten, denen eine noch weit weniger eigenständige Funktion zukomme. Daher müssten auch die Pfannendeckel als nicht begünstigte Teile gelten.

Am 28. November 2006 wurde die Sache mündlich verhandelt.

Im Erörterungstermin vom 19. September 2006 waren verschiedene Modelle der eingeführten Ware zur Ansicht vorgelegt worden. Dem Senat lagen bei seiner Entscheidung ein Leitzordner mit Zollbelegen sowie die Verwaltungsakten (roter Hefter) vor.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Klage ist begründet. Die Einfuhrabgabenbescheide des Beklagten in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. Februar 2002 verletzen die Klägerin in ihren Rechten, soweit die Festsetzung der Einfuhrumsatzsteuer für Pfanneneinsätze und für gemeinsam mit den Schraubpfannen eingeführten Pfannendeckel auf der Grundlage des regelmäßigen Steuersatzes in Höhe von 16% erfolgte. Sowohl die Pfanneneinsätze als auch die zusammen mit den Schraubpfannen eingeführten Deckel unterliegen einem ermäßigten Steuersatz von 7%.

Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 52 a der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG in der in den Streitjahren (2001 und 2002) gültigen Fassung ermäßigt sich die Einfuhrumsatzsteuer für künstliche Gelenke, ausgenommen Teile und Zubehör aus Unterposition 9021 11 der KN auf 7%. Ab dem 1. Januar 2002 wurde die Unterposition 9021 11 der KN durch die Unterposition 9021 31 abgelöst. Die Unterposition 9021 11 der KN ist seither keiner Ware mehr zugeordnet. Die damalige Anlage (spätere Anlage 2) zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG wurde jedoch erst mit dem Steueränderungsgesetz 2003 vom 15. Dezember 2003 (Art. 5 Nr. 36 d aa, Bundesgesetzblatt - BGBl. - I 2003, S. 2645) mit Wirkung vom 1. Januar 2004 an die neuen Positionen der KN angepasst ( Art. 25 Abs. 4 des Steueränderungsgesetz 2003). Gleichwohl geht die Verweisung auf die Unterposition 9021 11 KN in der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG nicht ins Leere. Denn bei der Verweisung auf den Zolltarif handelt es sich um eine dynamische Verweisung (Weymüller in Sölch/Ringleb, Kommentar zum UStG, § 12 Rz. 23; Rondorf in Plückebaum/Malitzky, UStG, 10. Auflage, § 12 Abs. 2 Nr. 1 Rz. 82 -Stand März 2006). Dies gilt auch im Hinblick auf Änderungen der Positionen der KN, zumindest dann, wenn der Wortlaut der Position der KN derselbe bleibt.

Sowohl die Schraubpfanneneinsätze als auch die Schraubpfannendeckel waren bei den hier maßgeblichen Einfuhren umsatzsteuerbegünstigt.

1.

Bei den Schraubpfanneneinsätzen handelt es sich nicht um Teile und Zubehör, sondern um Einzelkomponenten des Hüftgelenkimplantats.

Der Begriff "Teile und Zubehör" ist rein umsatzsteuerrechtlicher Art. Der Ausschluss der Teile und des Zubehörs von der Steuerbegünstigung wurde ausdrücklich - zunächst in § 27 UStDV a.F., später in Nr. 52 a der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG - geregelt, weil das zolltarifliche Schicksal der Teile und des Zubehörs sonst in der Regel zu dem umsatzsteuerlich unerwünschten Ergebnis einer Steuerbegünstigung geführt hätte. Denn zolltariflich ist die Unterscheidung in Teile und Hauptware unerheblich. Teile sind zolltariflich nämlich in der Regel der Position der Hauptware zuzuweisen (vgl. Anmerkung 2 b zu Kapitel 90). Auch die Regelungssystematik führt zu einer umsatzsteuerlichen Auslegung des Begriffs "Teile und Zubehör". Denn die Verweisung in Nr. 52 a der Anlage zum UStG reicht nur bis zur Unterposition 9021 11 bzw. 9021 31 der KN. Die Warenbezeichnung dieser Unterpositionen lautet lediglich "künstliche Gelenke". Erst die nationale Untergliederung in der letzten Ziffer der Codenummer des EZT unterscheidet - entsprechend der Nr. 52 a der Anlage zum UStG - zwischen Einzelkomponenten sowie Teilen und Zubehör. Die Beurteilung, ob es sich bei den eingeführten Waren um künstliche Gelenke oder um Teile und Zubehör handelt, ist daher ausschließlich nach umsatzsteuerrechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen (so auch das dieselbe Unterposition der KN betreffende Urteil des BFH vom 14. Januar 1997, a.a.O.).

Dem widerspricht auch das vom HZA angeführte Urteil des BFH vom 9. Februar 2006 (a.a.O.) nicht. Der 6. Senat des BFH hatte dort entschieden, in "Ex-Positionen" verwendete Rechtsbegriffe seien grundsätzlich umsatzsteuerrechtlich auszulegen. Dies gelte allerdings nur, soweit eine "Ex-Position" eigenständige Begriffe verwende, die zolltariflich ohne Belang seien. Verwende die "Ex-Position" hingegen Begriffe der KN, seien diese nach den Regeln der KN auszulegen. Der 6. Senat des BFH verweist in diesem Zusammenhang auf das Urteil des 7. Senates vom 20. Februar 1990 VII R 172/84 (BFHE 160, 342, BStBl. II 1990,760), das oben bereits erwähnte Urteil des 7. Senates des BFH vom 14. Januar 1997 (a.a.O.) sowie auf das Urteil des 5. Senates des BFH vom 28. Januar 1999 (V R 88/97, HFR 1999, 665 und BFH/NV 1999, 1252).

Der Schlussfolgerung des HZA aus dem Urteil des 6. Senates, dass der Begriff "Teile und Zubehör" ein solcher der KN sei und daher ausschließlich im Sinne der KN auszulegen sei, vermag der erkennende Senat nicht zu folgen. Der Begriff "Teile und Zubehör" ist in den Bezeichnungen der Positionen des Kapitel 90 HS nicht enthalten und wird erst in Nr. 2 der Anmerkungen zu Kapitel 90 HS und den Erläuterungen zu diesem Kapitel (III Rz. 15) erwähnt. Zudem handelt es sich hierbei um einen allgemeinen, nicht einer bestimmten Ware zuordenbaren Begriff. Nicht jeder in der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG verwendete Begriff, der auch im Zusammenhang mit der KN verwendet wird, führt automatisch zu einer zollrechtlichen Auslegung. Vielmehr muss auch eine tarifliche Relevanz vorliegen. Dies ist aber bei dem Begriff "Teile und Zubehör" im Zusammenhang mit der Unterposition 9021 11 bzw. 9031 11 KN gerade nicht der Fall, weil die Unterposition nicht zwischen der Ware als ganzes und in Teilen unterscheidet. Wenn der 6. Senat des BFH unter Berufung auf das Urteil des 7. Senates des BFH vom 20. Februar 1990 feststellt, soweit die "Ex-Position" Begriffe der KN verwendeten, seien diese nach den Regeln der KN auszulegen, ist dies daher nicht anders zu verstehen, als dass bei einer tariflichen Relevanz der jeweilige Begriff nach den Grundsätzen der KN auszulegen ist.. Genau dies hat der 7. Senat in seinem Urteil vom 14. Januar 1997, mit dem er sein Urteil vom 20. Februar 1990 präzisiert hat und auf das sich der 6. Senat ebenfalls beruft, entschieden und ausdrücklich für den in Nr. 52 a der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG verwendeten Teilebegriff eine umsatzsteuerliche Auslegung für richtig erachtet. Dass der 6. Senat von dieser Rechtsprechung abweichen wollte, ist nicht ersichtlich.

Der Begriff "Teile und Zubehör" ist im Zusammenhang mit Nr. 52 a der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG eng auszulegen. Dies folgt schon aus der historischen Entwicklung dieser Regelung. Nach dem bis 31. Dezember 1987 geltenden Gemeinsamen Zolltarif wurden Hüftgelenkköpfe und -pfannen als vollständige Prothesen tarifiert und zählten gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 des damals geltenden UStG i.V.m. Nr. 46 der damals gültigen Anlage zu den dem ermäßigten Steuersatz unterliegenden Gegenständen (BMF-Schreiben vom 27. Dezember 1983 IV A 1 - S 7220 - 44/83, BStBl I 1983, 567 ff., Abschnitt B Tz.152: "3. Andere Prothesen ... Dazu gehören ... auch alle sonstigen Prothesen (z.B. Hüftgelenkprothesen...)"). Der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes stand auch nicht der inzwischen weggefallene § 27 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) entgegen, wonach auch schon damals Teile und Zubehör für Körperersatzstücke von der Steuerermäßigung ausgenommen waren (vgl. BMF-Schreiben vom 17. Oktober 1994 IV C 3 -S 7227 - 10/94, BStBl. I 1994, 774; Rondorf in Plückebaum/Malitzky, a. a. O, Rz. 1234). Aufgrund der Systemumstellung zum 1. Januar 1988 durch die Verordnung zur Änderung des UStG und der UStDV vom 7. März 1988 (BGBl. 1988 I S. 204, BStBl. 1988 I S. 117) fiel § 27 UStDV weg und der Verordnungsgeber übernahm den Ausschluss von Teilen und Zubehör direkt in Nr. 52 a der Anlage zum UStG. Nach dem Willen des Verordnungsgebers sollten die Änderung keine materiellrechtlichen Auswirkungen haben (Begründung zur Änderung des UStG und der UStDV, unter A. Allgemeines, Bundesrats-Drucksache 28/88, S. 16/17). Dies ist bei der Auslegung der Nr. 52 a der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG zu berücksichtigen. Wenn der Verordnungsgeber aber weiterhin künstliche Gelenke steuerlich begünstigen wollte, muss dies auch dann gelten, wenn das Gelenk nicht als Ganzes, sondern nur die einzelnen Komponenten eingeführt werden. Bei der Abgrenzung, ob es sich bei einem Hüftgelenksbestandteil um eine einzelne Komponente oder um ein Teil handelt, ist daher von einem engen Teile-Begriff auszugehen (so auch der BFH in seinem Urteil vom 14. Januar 1997, a.a.O.)

Um eine Einzelkomponente handelt es sich demnach jedenfalls dann, wenn dem Prothesenbestandteil eine eigenständige Funktion in dem zusammengesetzten Gelenk zukommt. Dies ist bei den Schraubpfanneneinsätzen - entgegen der Auffassung des HZA - der Fall. Der Einsatz garantiert nämlich erst die Beweglichkeit des Gelenks, da er - im Gegensatz zur Schraubpfanne - auf der Innenseite glattpoliert ist. Nur so kann der auf den Fermurschaft aufgesteckte Kugelkopf sich frei und reibungsarm in der künstlichen Hüftgelenkspfanne bewegen.

Soweit die ZPLA und die ZLA zu einem anderen Ergebnis kommen, ist dies für das Gericht nicht nachvollziehbar. Weder aus der in der Akte enthaltenen vZTA vom 11. April 2001 zu dem vergleichbaren Produkt (xxx Pfanneneinsatz mit Ceralock) noch aus der Stellungnahme der ZLA geht eine Begründung für die Annahme eines Teils hervor. Die vZTA verweist lediglich auf die (im Einzelnen genannten) Allgemeinen Vorschriften (AV) und die Anmerkungen zu Kapitel 90 HS, die im Rahmen der vorliegenden umsatzsteuerlichen Beurteilung keine Rolle spielen (s.o.). Der insgesamt etwas ausführlicheren Stellungnahme der ZLA ist zu entnehmen, dass diese die ZPLA wegen der dort vorgenommenen Einreihung - wohl wegen eigener Zweifel - noch einmal um Stellungnahme gebeten hat, diese jedoch bei der Einreihung blieb. Eine eigene Stellungnahme der ZLA ist nicht enthalten. Auch der in der mündlichen Verhandlung anwesende Vertreter der ZPLA konnte nicht erklären, warum zwar der Kugelkopf, nicht aber der Pfanneneinsatz als Einzelkomponente anzusehen sein sollte. Die Beteiligten verwiesen in diesem Zusammenhang lediglich auf die Nationalen Entscheidungen und Hinweise zu Unterposition 9021 3100 001, in denen es unter Rz. 05.0 und 06.0 heißt:

Auf Grund des BFH-Urteils vom 14. Januar 1997 VII R 47/96 sind "Einzelkomponenten" im Sinne der Unterposition 9021 3100 001: der Oberschenkelschaft (sog. Fermurschaft), der Hüftgelenkkopf (sog. Fermurkopf) und die Hüftgelenkpfanne (sog. Acetabulum) eines künstlichen Hüftgelenks sowie das Schienbeinteil (sog. Tibiateil) und das Oberschenkelknochenteil (sog. Fermurteil) eines künstlichen Kniegelenks.

Dagegen sind z. Pfanneneinsätze, die als Keramikeinsatz in die Hüftgelenkpfanne eingesetzt werden oder sog. "distale Centralizer", die der Zentrierung des künstlichen Hüftschaftes im Diaphysenbereich dienen, nicht als Einzelkomponente, sondern als Teile anzusehen.

Bei den Nationalen Entscheidungen und Hinweisen handelt es sich nicht um verbindliche Regeln zur Auslegung der KN, sondern um Auslegungshilfen, die als Dienstanweisung für die Zollverwaltung jedoch bindend ist. Während der erste Absatz dieser Nationalen Entscheidungen und Hinweise in sehr komprimierter Form das Ergebnis des zitierten BFH-Urteils wiedergibt, suggeriert der zweite Absatz, der BFH habe auch über die Einordnung der Pfanneneinsätze entschieden. Offenbar schlussfolgert die Dienstanweisung aus der Entscheidung des BFH, dass alle anderen Bestandteile des künstlichen Gelenkes keine Einzelkomponenten sein können. Gegenstand des genannten Urteils war jedoch nur die Rechtmäßigkeit von fünf vZTAen für Fermurschaft, Fermurkopf und Acetabulum der Hüftgelenksprothese sowie Tibia- und Fermurteil der Kniegelenksprothese. Pfanneinsätze fanden weder in zollrechtlicher noch in umsatzsteuerlicher Hinsicht Erwähnung. Eine diesbezügliche Entscheidung konnte der BFH in diesem Verfahren daher gar nicht treffen.

Der Nationale Hinweis zur Unterposition 9021 3100 001 Rz. 06.0 ist mit der geltenden Rechtslage nicht vereinbar. Wie oben ausgeführt ist nicht nachzuvollziehen, warum die Schraubpfanne, der Fermurschaft und der Kugelkopf, nicht aber der Pfanneneinsatz eine Einzelkomponente des künstlichen Hüftgelenks sein soll. Ebenso wie der Fermurschaft, der die Verankerung der Prothese im Oberschenkelknochen gewährleistet, sein Gegenstück in der Schraubpfanne hat, die für die Befestigung im Becken zuständig ist, bildet der Pfanneneinsatz den Gegenspieler zum Kugelkopf, der seinerseits unstreitig als Einzelkomponente anzusehen ist. Auch der Pfanneneinsatz ist daher als Einzelkomponente und nicht als Teil im Sinne der Nr. 52 a der Anlage zum UStG anzusehen.

2.

Auch hinsichtlich der Schraubpfannendeckel ist der ermäßigte Umsatzsteuersatz anzuwenden. Dabei kann dahinstehen, ob auch der Deckel für sich genommen umsatzsteuerlich als Einzelkomponente oder als Teil anzusehen ist. Denn die Tatsachenfeststellungen haben hinsichtlich der hier maßgeblichen Einfuhren ergeben, dass die Deckel immer zusammen mit den Schraubpfannen eingeführt wurden. Dies geht zum einen aus den vorgelegten Rechnungen hervor, zum anderen aus dem Beschaubefund vom 27. November 2001. Danach wurden sowohl im Karton 5/7 als auch im Karton 7/7 immer nur "Schalen mit Deckel" vorgefunden. In der mündlichen Verhandlung wurde dies vom Beklagten auch nicht mehr bestritten. Damit ist der Deckel nicht selbständig, sondern gemeinsam mit der Schraubpfanne als zerlegte Einzelkomponente anzusehen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 i.V.m. § 143 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen, da die Sache grundsätzliche Bedeutung hat.

Ende der Entscheidung

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