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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 25.06.2008
Aktenzeichen: 12 K 407/04
Rechtsgebiete: UStG, AO, FGO


Vorschriften:

UStG § 18 Abs. 1 S. 1
AO 1977 § 71
AO 1977 § 155
FGO § 96 Abs. 1 S. 1 HS 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Baden-Württemberg

12 K 407/04

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Kläger eine Steuerhinterziehung begangen oder an einer solchen Tat teilgenommen hat und deshalb gemäß § 71 der Abgabenordnung (AO 1977) für die verkürzten Steuern haftet.

Das Landgericht X verurteilte den Kläger wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe. Es hatte festgestellt, dass der Kläger im Juni 1996 die ... (künftig: E) mit Sitz in Spanien (A) gegründet hatte (S. 19 der Gründe). Gegenstand des Unternehmens sei der Handel mit Central Processing Units (CPU) gewesen (S. 19). Zu Beginn des Jahres 1998 habe sich der Kläger entschlossen, sog. Karussellgeschäfte zu betreiben (S. 20). Dabei sollten die CPU von einer ... GmbH mit Sitz in C (künftig: H) an die E in Spanien geliefert werden, von der E zunächst an einen Zwischenhändler in Deutschland, von diesem wiederum an die H (S. 20 f.). Die H und der Zwischenhändler sollten die Preise mit den jeweils marktüblichen Beträgen bestimmen (S. 21, ferner S. 25, 41, 47, 59, 60 f., 65). Die H sollte deshalb den "üblichen Handelsaufschlag" anwenden (S. 21).

Der Zwischenhändler sollte ferner in seinen Rechnungen den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag angeben, diesen jedoch nicht an das Finanzamt abführen, sondern - nach Abzug des für ihn bestimmten Anteils - an die E weiterleiten (S. 21). Auf diese Weise sollte der Vorsteuerabzug, den die H vornehmen sollte, "zu Geld gemacht" werden (S. 22, 60). Sollte das Finanzamt feststellen, dass der Zwischenhändler die Umsatzsteuer hinterzieht oder sonst gezielt verkürzt, sollte dieser von einem anderen Zwischenhändler ersetzt werden (S. 21).

Die E, der Zwischenhändler und die H hätten die Karussellgeschäfte allerdings immer erst dann abgeschlossen, wenn sie sich über den Warenkreislauf, der zwischen ihnen stattfinden sollte, im Einzelnen verständigt gehabt hätten, insbesondere über die Menge und den Preis (S. 25, 27, 34, 47, 60 f., 53, 65). Hierauf habe der Kläger - wegen der bei Karussellgeschäften geltenden "Zwangsläufigkeiten" - von vornherein seinen Einfluss ausüben müssen (S. 61).

Einen Teil der Ware habe die H jedoch nicht wieder an die E veräußert (S. 24). Insoweit habe die E weitere Ware bei einer Firma F erworben (S. 24). Die E habe die von ihr getätigten Geschäfte allerdings nicht mit ihrem Anfangsvermögen finanzieren können (S. 25 f., 42, 61: "Finanzierung der Ringgeschäfte", 64, 65). Daher habe die H das von ihr geschuldete Entgelt noch vor der Lieferung der Ware an den Zwischenhändler gezahlt, der das gezahlte Geld - nach Abzug des für ihn bestimmten Anteils - sofort an die E weitergeleitet habe (S. 25, 32, 42, 61, 63, 64, 65). Die CPU seien allerdings lediglich zwischen einem Warenlager erst in den Niederlanden und später in Belgien und der Betriebsstätte der H in Ö hin- und her befördert worden (S. 26 f., 34, 47, 61, 63, 65).

Der Kläger habe mithin ein "pseudogeschäftliches Netzwerk" gegründet und geführt und sodann das Aufkommen aus der Umsatzsteuer erheblich geschädigt (S. 78).

Im Einzelnen stellte das Landgericht hierzu u. a. die folgenden Umstände fest:

Zunächst habe der Kläger den Angeklagten ...A, einen Angestellten der H (künftig: A), als Gehilfen gewinnen können (S. 22). A habe - nachdem der Kläger ihn in seine Absichten eingeweiht und ihm einen Anteil an der Beute zugesagt gehabt habe - an den Karussellgeschäften mitgewirkt (S. 22, 70). A sei auch der "einzig wirklich wichtige und unentbehrliche Partner" des Klägers gewesen (S. 71). Dementsprechend habe der Kläger geäußert, ohne A und die H "könne er nicht leben" (S. 71).

Sodann habe der Kläger einen Herrn ...M (künftig: M), einen Sozialhilfeempfänger, als Zwischenhändler eingesetzt (S. 23). Diesen habe er angewiesen, dass er ein Gewerbe anmeldet, CPU von E erwirbt und an die H veräußert, dass er ferner in seinen Rechnungen den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag angibt, die entsprechenden Beträge aber nicht an das Finanzamt abführt (S. 23 f.). M habe später weder die für die Monate März bis Mai 1998 gebotenen Voranmeldungen oder wenigstens eine Steueranmeldung für das Kalenderjahr 1998 abgegeben noch die von ihm in Rechnung gestellte Umsatzsteuer an das Finanzamt abgeführt, sondern - in Höhe der "überschüssigen Mehrwertsteuerbeträge" - an die E (S. 32, 63, zu den Beträgen im Einzelnen S. 31, 32).

Nachdem M seine Tätigkeit eingestellt gehabt habe, habe der Kläger mit einem damaligen Finanzbeamten, einem Herrn ...K (künftig: K), verabredet, dass dieser an den Karussellgeschäften zwischen der E und der H teilnimmt (S. 33, 63). Auch K habe erkannt, dass er in seinen Rechnungen den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag zwar angeben, die entsprechenden Beträge aber nicht an das Finanzamt abführen sollte (S. 33, 63).

Anschließend, ab Juni 1998 (S. 40), sei K - wie zuvor M - als Zwischenhändler tätig geworden (S. 33 ff.). Im Juni 1998 hätten sich der Kläger und die anderen Angeklagten entschlossen, "zur Tarnung" den Unternehmer ...W (künftig: W) und eine ...GmbH (künftig: F) als weitere Zwischenhändler einzusetzen (S. 39, 64). Kurz darauf habe die H dem K mitgeteilt, sie werde ihren Bedarf künftig anderweitig erwerben (S. 39, 64). Inzwischen hätten sich allerdings bereits W und die F bei K als neue Kunden vorgestellt gehabt (S. 39). Außerdem habe damals eine ...O (künftig: O) dem K angeboten, ihm CPU zu liefern (S. 40, 64). Hierauf habe K die CPU nicht mehr nur bei der E, sondern auch bei der O erworben (S. 40, auch zu den Beträgen im Einzelnen) und sodann an die H und W sowie die F veräußert (S. 40 f., auch zu den Beträgen im Einzelnen, 64). Hierzu stellte das Landgericht auch fest, dass die O gegen den Willen des Klägers und der anderen Angeklagten an den Karussellgeschäften nicht beteiligt worden wäre (S. 40, 64). Auch habe der Kläger dem A erklärt, er müsse wissen, warum die F eingeschaltet worden sei (S. 39).

K habe die von ihm zu entrichtende Umsatzsteuer ebenfalls nicht an das Finanzamt abgeführt (S. 42, zu den Beträgen im Einzelnen S. 43). Vielmehr habe er von seinen Einnahmen lediglich die sonstigen Ausgaben und als seine "Entnahmen" zehn Teilbeträge in Höhe von jeweils 29.000 DM abgezogen (S. 42). Den verbliebenen Unterschiedsbetrag habe er sodann der E jeweils als "Vorauszahlung" überwiesen (S. 42, 64). Für diesen Zweck hätten K und die E wöchentliche "Balance Sheets" erstellt (S. 42, 64).

Ferner habe K bei seiner steuerlichen Erfassung die voraussichtliche Höhe seines jährlichen Umsatzes - zur "Irreführung" des Finanzamts - nur mit 50.000 DM angegeben gehabt (S. 43, 64). Später habe er lediglich eine Voranmeldung für das zweite Kalendervierteljahr eingereicht (S. 43 f., 64). Dabei habe K das der Umsatzsteuer unterliegende Entgelt bewusst mit zu niedrigen Beträgen angegeben (S. 43 f., 64). Dagegen seien die für die Besteuerungszeiträume Juni bis September 1998 gebotenen monatlichen Voranmeldungen ebenso unterblieben wie eine Steueranmeldung für das Kalenderjahr 1998 (S. 43).

Nachdem M und K verhaftet worden seien, habe der Kläger mit einem Herrn ...S (vgl. Anklageschrift der Staatsanwaltschaft X vom 29. Januar 2002, Geschäftsnr.: .., S. 28; künftig: S) verabredet gehabt, dass dieser zur Teilnahme an den Karussellgeschäften zwischen der E und der H einen neuen Zwischenhändler besorgt (S. 47 f.). Dieser habe hierauf - im November und Dezember 1998 - als die treibende Kraft hinter der ...I (künftig: I) mit Sitz in Italien und der "...P GbR (künftig: P), Inhaber: ...T (künftig: T) und ...L (künftig: L)" mit Sitz in V tatsächlich an den Karussellgeschäften des Klägers und der anderen Angeklagten mitgewirkt (S. 48). Die I und die P seien jeweils als Zwischenhändler tätig geworden (S. 47 f., 65, zu den Beträgen im Einzelnen S. 47).

Der Kläger und die anderen Angeklagten hätten die Karussellgeschäfte mit der I und der P "nach dem gleichen Grundprinzip wie bisher" fortgesetzt (S. 47, 65). Dabei seien die Lieferungen der CPU erst von der E der I berechnet worden waren, sodann von der I der P, hierauf von der P der F und schließlich von der F der H (S. 47, 48, 65). Dementsprechend habe auch die P die von ihr geschuldete, von der F an sie bezahlte Umsatzsteuer verkürzt (S. 48, 65). Soweit S die von der I an die E abzuführenden Beträge zum Teil - in Höhe von 2,1 Mio. DM - einbehalten habe, habe S eigenmächtig gehandelt (S. 48, 49).

Anschließend seien

- im April 1999 ein Herr E.Ä. in X und

- von Juni bis Oktober 1999 eine ...C Vertrieb GmbH (künftig: C)

als weitere Zwischenhändler tätig geworden (S. 48 f. bzw. S. 49). Beide Zwischenhändler hätten die CPU an die F weitergeliefert (S. 48, 49), die C allerdings auch an die Q GmbH in P (S. 49).

Bei den Karussellgeschäften des Klägers habe auch der Mitangeklagte ...B (künftig: B) eine "hervorgehobene Rolle" ausgeübt (S. 81). B habe die Aufgabe gehabt, die Zwischenhändler zu besorgen, die auch bereit gewesen seien, "Weisungen von Hintermännern zu befolgen" (S. 22). Dementsprechend habe B die weiteren Angeklagten M und K als Zwischenhändler eingesetzt (S. 23 bzw. 33). Ferner habe B bei einer Bank in Liechtenstein ein Konto auf den Namen des K eröffnet, über das er auch verfügungsbefugt gewesen sei (S. 42 f.). Auf diesem Konto seien Beträge in Höhe von rund 9,3 Mio. DM gutgeschrieben worden (S. 54).

Außerdem habe der Kläger den damaligen Rechtsanwalt ....R (künftig: R) mit der Wahrnehmung seiner Angelegenheiten beauftragt gehabt (S. 20). Dieser habe im Wesentlichen die Aufgabe gehabt, ihm, dem Kläger, "den Rücken freizuhalten" (S. 20, 21) und ihn bei den Karussellgeschäften zu unterstützen (S. 21 f.; ferner S. 45, 51, 65). Seine finanziellen Schwierigkeiten einerseits und die "finanziell großzügige ... Art" des Klägers andererseits hätten R veranlasst, für diesen tätig zu werden (S. 22, 65, 80).

Im Einzelnen habe R den Kläger bei dessen Geldgeschäften vertreten, beim Aufbau des Warenlagers in Belgien mitgewirkt oder verschiedene, an den Karussellgeschäften beteiligte Personen unterstützt oder ihnen jedenfalls anwaltlichen Beistand besorgt oder auch bei ihrer Flucht geholfen (S. 50 f., ferner S. 26, 45). Von den Erkenntnissen, die R in den jeweiligen Verfahren gewonnen habe, habe er sodann stets auch den Kläger unterrichtet (S. 51). Ferner habe auch er als Zwischenhändler tätig gewordene Personen im Auftrag des Klägers selbst oder mit Hilfe anderer Personen angeworben (S. 48, 49, 50, 80 usw.). R sei - wie den anderen Angeklagten - klar gewesen, dass die Karussellgeschäfte der "illegalen Abschöpfung" von Umsatzsteuer dienen würden (S. 22; ferner S. 47, 51, 65).

Schließlich hätten schon die "Erträge", die die E erzielt habe, dem Kläger ein Leben "auf großem Fuße" ermöglicht (S. 53, 55, 66). Darüber hinaus seien ihm mindestens 2,5 Mio. DM zugeflossen. Von den verkürzten Steuerbeträgen habe B einen Anteil in Höhe von insgesamt rund 3,1 Mio. DM erlangt. Im Einzelnen habe er das Konto bei der Bank in Liechtenstein mit Beträgen in Höhe von insgesamt 2,8 Mio. DM zu seinen eigenen Gunsten belastet. Außerdem habe er von dem Kläger einen Betrag von 200.000 DM und von M einen Betrag von 100.000 DM erhalten. An R habe der Kläger Beträge in Höhe von insgesamt rund 1,6 Mio. DM gezahlt (S. 54, 66).

Allerdings könne nicht festgestellt werden, ob der Kläger oder die anderen Angeklagten, darauf Einfluss genommen hätten, ob die Zwischenhändler - und damit auch M oder K - eine Steuererklärung abgaben oder nicht. Sie hätten deshalb durchaus in Kauf genommen, dass ein Zwischenhändler den Finanzbehörden gegenüber unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder sie auch völlig in Unkenntnis lässt (S. 74 f.).

Wegen der Einzelheiten im Übrigen wird Bezug genommen auf das Urteil des Landgerichts vom 1. August 2002 (Geschäftsnummer: ... ). Die Staatsanwaltschaft hatte das Strafverfahren eingeleitet, nachdem ihr das Bundeskriminalamt am 25. Oktober 1999 die vorstehend dargestellten Karussellgeschäfte angezeigt gehabt hatte (Anklageschrift der Staatsanwaltschaft X vom 29. Januar 2002, S. 44).

In dem vorliegenden Verfahren nimmt der Beklagte den Kläger für die Steuerschulden der P im Wege der Haftung in Anspruch.

T und L hatten die P mit ihrem am 9. September 1998 unterzeichneten Gesellschaftsvertrag errichtet. Gegenstand des Unternehmens sollte der Großhandel mit Textilien und Lebensmitteln sein. In dem Fragebogen zur steuerlichen Erfassung bei Gründung einer Personengesellschaft hatte die P angegeben, mit der Wahrnehmung ihrer steuerlichen Angelegenheiten habe sie eine Steuerberaterin beauftragt, sie werde Umsätze tätigen ab dem 15. September 1998, die voraussichtliche Höhe ihres jährlichen Gesamtumsatzes würde für das Gründungsjahr 100.000 DM betragen, für das Folgejahr 400.000 DM.

Am 22. Januar 1999 hatte die P die Voranmeldung für das vierte Kalendervierteljahr 1998, an der die Steuerberaterin mitgewirkt gehabt haben soll, abgegeben (Bl. 24 f. der Umsatzsteuerakten). Mit dieser hatte die P die von ihr zu entrichtende Umsatzsteuer-Vorauszahlung mit 711.879,40 DM errechnet. Dabei hatte sie das der Umsatzsteuer unterliegende Entgelt mit 4.475.667 DM und die Bemessungsgrundlage für den innergemeinschaftlichen Erwerb mit 5.156.640 DM angegeben.

In der bei dem Beklagten am 5. April 2000 eingegangenen Steueranmeldung für 1998 hatte die P das der Umsatzsteuer unterliegende Entgelt nunmehr mit 5.301.943 DM, die Umsatzsteuer hierauf mit 848.310,88 DM und die Bemessungsgrundlage für den innergemeinschaftlichen Erwerb mit 5.247.828 DM angegeben. Den von ihr nach Abzug der Vorauszahlung noch zu entrichtenden Betrag hatte sie sodann mit 131.894,70 DM errechnet. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Steueranmeldung Bezug genommen.

Der Beklagte folgte der Steueranmeldung mit seiner Abrechnung vom 20. April 2000, mit der er der P mitteilte, dass Beträge in Höhe von insgesamt 842.729,30 DM noch zu zahlen seien. Zugleich forderte er die P auf, die in Höhe von 710.834,60 DM bereits fälligen Teilbeträge sofort, spätestens am 5. Mai 2000 den danach noch verbleibenden Unterschiedsbetrag von 131.894,70 DM zu bezahlen.

Bereits kurz zuvor hatte der Beklagte bei der P eine Außenprüfung durchgeführt. Diese hatte die Umsatzsteuer für das dritte und vierte Kalendervierteljahr umfasst. In seinem Aktenvermerk vom 10. April 2000 hatte der Prüfer festgestellt, dass sich keine Änderung der Bemessungsgrundlagen ergeben würden. Mit Schreiben vom 12. April 2000 hatte der Beklagte dies auch der Steuerberaterin mitgeteilt.

Mit dem Aktenvermerk hatte der Prüfer ferner berichtet, dass die P der F Beträge in Höhe von insgesamt (brutto) 6.150.254 DM berechnet habe. Die F habe hierauf aber nur 5.191.774 DM gezahlt. Die Steuerberaterin habe hierzu mitgeteilt, dass die P den Unterschiedsbetrag eingeklagt habe. Allerdings dürfte dieser uneinbringlich sein. Er sei daher in dem Jahresabschluss zum 31. Dezember 1998 bereits abgeschrieben. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Prüfungsanordnung vom 18. Februar 1999 und auf den Aktenvermerk vom 10. April 2000.

Darüber hinaus hatte auch die Steuerfahndung den Sachverhalt ermittelt. Mit ihrem Bericht vom 22. November 2002 stellten die Fahnder fest, dass die I von der P

 mit Rechnung vom ein Entgelt in Höhe von die Steuer hierauf mit
18. November 577.447,47 DM 0,00 DM
18. November 194.103,00 DM 0,00 DM
19. November 860.215,01 DM 0,00 DM
22. November 357.525,00 DM 0,00 DM
24. November 391.000,00 DM 0,00 DM
25. November 912.350,01 DM 0,00 DM
26. November 1.404.000,02 DM 0,00 DM
für November insgesamt 4.696.640,51 DM 0,00 DM
mit Rechnung vom 1. Dezember 450.000,01 DM 0,00 DM
für Dezember insgesamt 450.000,01 DM 0,00 DM
für 1998 insgesamt 5.146.640,52 DM 0,00 DM

und die P für die in diesen Rechnungen bezeichneten Lieferungen von der F wiederum

 mit Rechnung vom ein Entgelt in Höhe von einschließlich der hierin enthaltenen Steuer
17. November 576.366,89 DM 79.498,88 DM
17. November 202.072,00 DM 27.872,00 DM
19. November 844.016,01 DM 116.416,00 DM
23. November 363.660,00 DM 50.160,00 DM
24. November 393.414,00 DM 54.264,00 DM
25. November 943.486,01 DM 130.136,00 DM
26. November 706.440,01 DM 97.440,00 DM
26. November 706.440,01 DM 97.440,00 DM
für November insgesamt 4.735.894,93 DM 653.226,88 DM
mit Rechnung vom 1. Dezember 455.880,01 DM 62.880,00 DM
für Dezember insgesamt 455.880,01 DM 62.880,00 DM
für 1998 insgesamt 5.191.774,94 DM 716.106,88 DM

verlangt habe. Dementsprechend würde sich die Beute, die dem Karussell verblieben sei, mit insgesamt 45.134 DM wie folgt errechnen (S. 22):

 das von der P der F berechnete, der Umsatzsteuer unterliegende Entgelt 4.475.668 DM
die Umsatzsteuer hierauf 716.106 DM
Zwischensumme 5.191.774 DM
abzüglich das von der I der P berechnete Entgelt 5.146.640 DM
bei der P angefallene "Beute" 45.134 DM

Hätte die P dagegen die von ihr zu entrichtende Umsatzsteuer an das Finanzamt abgeführt, hätte ihr schon deswegen, um ihre anderen Verbindlichkeiten zu begleichen, ein Betrag von 670.972 DM gefehlt, der sich wiederum wie folgt errechnen lasse (S. 22):

 das von der P der F berechnete, der Umsatzsteuer unterliegende Entgelt 4.475.668 DM
die Umsatzsteuer hierauf 716.106 DM
Zwischensumme 5.191.774 DM
abzüglich
-das von der I der P berechnete Entgelt 5.146.640 DM
-die von P zu entrichtende Umsatzsteuer 716.106 DM
670.972 DM

Weiter führten die Fahnder aus, die P habe im Rahmen der Außenprüfung und mit ihren Angaben, die sie in der Steueranmeldung für 1998 gemacht gehabt habe, geltend gemacht, dass sie von der F nicht nur - wie in der Voranmeldung angegeben - einen Betrag von insgesamt 5.191.774,94 DM zu beanspruchen habe, sondern ein Entgelt in Höhe von insgesamt 5.301.943 DM zuzüglich Umsatzsteuer oder einen Betrag von insgesamt 6.150.254 DM (S. 23 ff.).

Den sich danach errechnenden Unterschiedsbetrag von 958.480 DM habe die P auch eingeklagt gehabt (S. 24). Das Landgericht habe die Klage jedoch - im Wesentlichen - abgewiesen (S. 24, 25). Dies zeige, dass die P mit den Rechnungen, die sie im Rahmen der Außenprüfung vorgelegt habe, lediglich habe vorspiegeln wollen, das Entgelt, das sie von der F verlangt habe, würde ihre Kosten decken, und zwar einschließlich der von ihr zu entrichtenden Umsatzsteuer (S. 25).

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Bericht der Fahnder vom 22. November 2002.

Die P bezahlte den von ihr geschuldeten, schon erwähnten Betrag von 842.729,30 DM zunächst nicht. Mit seinem Haftungsbescheid vom 7. Mai 2002 nahm der Beklagte den Kläger in Höhe des Teilbetrags von 716.106,88 DM (366.139,63 Euro) in Anspruch. Insoweit habe die P mit ihren - vorstehend bereits bezeichneten - Rechnungen für ihre Karussellgeschäfte Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen. In Höhe dieses Betrags sei die Umsatzsteuer auch zum Vorteil der P hinterzogen worden. Der Kläger habe an der Steuerhinterziehung teilgenommen. Er hafte daher gemäß § 71 der Abgabenordnung (AO 1977) für die verkürzten Beträge.

Den Einspruch des Klägers wies der Beklagte mit der Einspruchsentscheidung vom 2. November 2004 als unbegründet zurück. Im Wesentlichen führte der Beklagte im Anschluss an das Urteil des Landgerichts aus, der Kläger habe im Juni 1996 die E gegründet. Zu Beginn des Jahres 1998 habe er sich entschlossen, die von dem Landgericht festgestellten Karussellgeschäfte zu betreiben. Bei diesen Geschäften sollten CPU von der H an die E geliefert werden, von dieser an einen Händler in Deutschland und von diesem wiederum an die H. Der Zwischenhändler sollte in seinen Rechnungen den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag angeben. Er sollte den Steuerbetrag jedoch nicht an das Finanzamt abführen, sondern - nach Abzug des für ihn bestimmten Anteils - an die E. Sollte das Finanzamt feststellen, dass der Zwischenhändler die Umsatzsteuer hinterzieht oder sonst gezielt verkürzt, sollte dieser von einem anderen Zwischenhändler ersetzt werden.

Inzwischen, mit Bescheid vom 21. April/29. Mai 2008, hat der Beklagte hat den Betrag, mit dem er den Kläger in Anspruch nimmt, auf 330.568,28 Euro herabgesetzt.

Der Kläger, der eine Steuerhinterziehung zum Vorteil der P verneint, beantragt, den Haftungsbescheid vom 7. Mai 2002 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. November 2004 und des Bescheids vom 21. April/29. Mai 2008 ersatzlos aufzuheben, hilfsweise die Revision zuzulassen, und die Zuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt im Wesentlichen unter Bezugnahme auf den Haftungsbescheid und die Einspruchsentscheidung, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe:

1. Die Klage ist unbegründet.

Nach § 100 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 FGO kann das Gericht den mit einer Klage angefochtenen Verwaltungsakt nur dann aufheben, soweit dieser rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Der Haftungsbescheid vom 7. Mai 2002 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. November 2004 ist allerdings nicht als rechtswidrig zu beanstanden. Der Beklagte hat vielmehr zutreffend angenommen, dass der Kläger für die streitigen Beträge haftet:

Wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet, kann gemäß § 191 AO 1977 durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden. Die Finanzbehörde ist danach ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu entscheiden. Dabei hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (§ 5 AO 1977). Insoweit prüft das Gericht - wenn es über die Klage entscheidet - jedoch nur, ob der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (§ 102 Satz 1 FGO).

Prüfungsgegenstand für die richterliche Kontrolle auf Ermessensfehler können allerdings nur diejenigen tatsächlichen Verhältnisse sein, die der Finanzbehörde im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen (Urteil des Bundesfinanzhofs [BFH] vom 7. April 1992, VII R 104/90, BFH/NV 1993, 213, unter 1. a). Die tatsächlichen Verhältnisse hat die Finanzbehörde zwar von Amts wegen zu ermitteln (§ 88 Abs. 1 Satz 1 AO 1977). Der Umfang dieser Pflichten wird jedoch begrenzt durch die dem Steuerpflichtigen gemäß § 90 AO 1977 auferlegten Mitwirkungspflichten (BFH-Beschluss vom 13. März 1990, VII S 3/90, BFH/NV 1991, 171 unter 1. b).

Danach konnte der Beklagte den Kläger mit dem angefochtenen Haftungsbescheid in Anspruch nehmen:

a) Der Kläger haftet für die verkürzten Beträge allerdings nicht nach § 71 AO 1977.

Nach § 71 AO 1977 haftet für verkürzte Steuern nur, wer eine Steuerhinterziehung begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt. Eine Steuer hinterzieht, wer

- den Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder

- die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt

und dadurch Steuern verkürzt (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 AO 1977). Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht (§ 370 Abs. 4 Satz 1 AO 1977).

Die Steueranmeldung ist eine Steuererklärung, in der der Steuerpflichtige die Steuer selbst zu berechnen hat (§ 150 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 a. F.; jetzt § 150 Abs. 1 Satz 3 AO 1977). Deshalb ist auch die Voranmeldung der Umsatzsteuer eine Steueranmeldung im Sinne von § 370 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 2 AO 1977, denn der Steuerpflichtige hat in dieser gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG die Umsatzsteuer für den Voranmeldungszeitraum (Vorauszahlung) selbst zu berechnen.

Ist eine Steueranmeldung abzugeben, hat die Finanzbehörde die Steuer allerdings nur dann gemäß § 155 AO 1977 mit einem Steuerbescheid festzusetzen, wenn die Festsetzung zu einer abweichenden Steuer führt oder der Steuer- oder Haftungsschuldner die Steueranmeldung nicht abgibt (§ 167 Abs. 1 Satz 1 AO 1977). Sodann steht die Steueranmeldung grundsätzlich einer Steuerfestsetzung (unter Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 AO 1977) gleich (§ 168 Satz 1 AO 1977). Die Steuerhinterziehung ist deshalb schon vollendet, wenn eine Steueranmeldung ausbleibt (Urteil des Bundesgerichtshofs [BGH] vom 11. Dezember 1990, 5 StR 519/90, Neue Juristische Wochenschrift 1991, 1315, wistra 1991, 215, unter II. 3.; vgl. ferner BFH-Urteil vom 26. August 1992, VII R 50/91, Bundessteuerblatt [BStBl] II 1993, 8, unter 2. a).

Der Unternehmer hat die Voranmeldung ferner bis zum 10. Tag nach Ablauf jedes Voranmeldungszeitraums abzugeben (§ 18 Abs. 1 Satz 1 UStG). Voranmeldungszeitraum war im Kalenderjahr 1998 grundsätzlich das Kalendervierteljahr (§ 18 Abs. 2 Satz 1 UStG). Betrug die Steuer für das vorangegangene Kalenderjahr mehr als 12.000 DM, war der Kalendermonat der Voranmeldungszeitraum (§ 18 Abs. 2 Satz 2 UStG). Hatte der Unternehmer - wie im Streitfall die P - seine gewerbliche Tätigkeit im laufenden Kalenderjahr aufgenommen, war die voraussichtliche Steuer des laufenden Kalenderjahres maßgebend (§ 18 Abs. 2 Satz 5 UStG).

Wegen des Schadensersatzcharakters der Haftung nach § 71 AO 1977 haftet der Täter oder Teilnehmer einer Steuerhinterziehung jedoch nur in Höhe der aufgrund seines Tatbeitrages verkürzten bzw. hinterzogenen Beträge (BFH-Beschluss vom 11. Februar 2002, VII B 323/00, BFH/NV 2002, 891, unter II. 1. b, m. w. Nachw.). Die Haftung des Täters beschränkt sich deshalb auf den Vermögensschaden, der durch seine vorsätzliche Tat eingetreten ist (BFH-Urteil vom 13. Juli 1994, I R 112/93, BStBl II 1995, 198, unter II. B. 3., m. w. Nachw.). Seine Haftung gemäß § 71 AO 1977 reicht nur soweit, wie sein Vorsatz gereicht hat (BFH-Urteile vom 13. Juli 1994, I R 112/93, BStBl II 1995, 198, unter II. B. 3., und vom 6. März 2001, VII R 17/00, BFH/NV 2001, 1100, unter II. 2., jeweils m. w. Nachw.). Dementsprechend setzt die Inanspruchnahme des Teilnehmers einer Steuerhinterziehung auch die Feststellung voraus, dass dessen (Teilnahme-)Handlung zu dem eingetretenen Erfolg einer Steuerverkürzung tatsächlich beigetragen hat, für ihn also (zumindest) mitursächlich gewesen ist (BFH-Beschluss vom 11. Februar 2002, VII B 323/00, BFH/NV 2002, 891 unter II. 1., m. w. Nachw.). Die Haftung des Teilnehmers reicht (nur) soweit, wie auch der Vorsatz des Täters gereicht hat; d. h. der Teilnehmer haftet für den gesamten durch die Hinterziehung eingetretenen Schaden allenfalls dann, wenn sich sein Vorsatz auch auf die Folgen der Hinterziehungshandlung bezogen hat (BFH-Urteil vom 11. Februar 2002, VII B 323/00, BFH/NV 2002, 891, unter II. 1. b, m. w. Nachw.).

Der erforderliche adäquate Kausalzusammenhang ist dagegen nicht mehr gegeben, wenn der Steuerausfall als Vermögensschaden des Fiskus mangels ausreichender Zahlungsmittel und vollstreckbaren Vermögens des Steuerpflichtigen unabhängig davon eingetreten ist, ob Steueranmeldungen fristgerecht eingereicht und die geschuldeten Steuerbeträge innerhalb der gesetzlich hierfür bestimmten Fristen entrichtet worden sind (BFH-Urteil vom 19. September 2007, VII R 39/05, BFH/NV 2008, 18, unter II. 2. a, aa, m. w. Nachw.).

Hieraus folgt:

aa) Im Streitfall sind Steuern nicht schon deshalb verkürzt, weil - wie der Beklagte annimmt - die P in ihren Steuererklärungen bezeichneten Umsätze in Wirklichkeit nicht ausgeführt hatte.

Für solche Fälle hätten die entsprechenden Beträge in den Steuererklärungen zwar - wie der von der P für die Steueranmeldung für das Kalenderjahr 1998 verwandte Vordruck (Zeile 103) zeigt - als "in Rechnungen unberechtigt ausgewiesene Steuerbeträge (§ 14 Abs. 2 und 3 UStG)" angesetzt werden müssen. Auch sind Steuern selbst dann verkürzt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt werden können (§ 370 Abs. 4 Satz 3 AO 1977). Diese Vorschrift greift jedoch nicht ein, wenn die Steuer - wie im Streitfall - auch dann (mindestens) mit demselben Betrag festzusetzen gewesen wäre, wenn anstelle der unrichtigen die der Wahrheit entsprechenden Angaben gemacht worden wären und die unrichtigen Angaben mit den verschleierten steuererheblichen Tatsachen in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehen (BGH-Urteile vom 31. Januar 1978, 5 StR 458/77, Steuerrechtsprechung in Karteiform, AO 1977, § 370, R. 2, m. w. Nachw., und vom 26. Juni 1984, 5 StR 322/84, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1985, 40, unter 2. b).

bb) Soweit die P die Voranmeldung für November 1998 - obwohl im Streitfall nach § 18 Abs. 2 Satz 2, 5 UStG möglicherweise geboten - nicht, die Voranmeldung für das vierte Kalenderjahr 1998 und die Steueranmeldung für 1998 - entgegen § 18 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, 6 UStG in Verbindung mit §§ 46 ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV), § 149 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 - jeweils verspätet abgegeben hat, vermag sich der Senat jedenfalls nicht mit der nach § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 FGO gebotenen Sicherheit davon zu überzeugen, dass dies vorsätzlich geschah.

Immerhin hatte die P - sollte ihr eine Dauerfristverlängerung im Sinne der §§ 46 ff. UStDV nicht gewährt worden sein - die Voranmeldung für das vierte Kalenderjahr 1998 nur um wenige Tage verspätet abgegeben. Anhaltspunkte tatsächlicher Art, nach denen dies - bewusst - geschah, um die Absicht zu verdecken, die von ihr geschuldete Umsatzsteuer nicht zu entrichten, sind weder von dem Beklagten vorgetragen noch sonst nach Aktenlage ersichtlich. Eine solche Annahme ist auch nicht wahrscheinlich,

- da die Säumnis wie erwähnt nur wenige Tage dauerte und, vor allem,

- weil die Beträge, die für die Entrichtung der Umsatzsteuer erforderlich waren, bei Fristablauf - dem Tatplan des Karussells folgend - mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bereits an die I oder an die E oder sonst an den Kläger weitergeleitet gewesen sein dürften.

Der Umstand, dass die P die Steueranmeldung für 1998 nicht innerhalb der in § 149 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 bestimmten Frist abgab, lässt sich auch mit bloßer Sorglosigkeit erklären. Auch insoweit ist wiederum zu bedenken, dass die P offenbar alsbald nicht mehr über die Beträge verfügen konnte, die für die Entrichtung der Umsatzsteuer erforderlich gewesen wären.

cc) Deshalb würde im Streitfall auch der erforderliche adäquate Kausalzusammenhang zwischen der Steuerhinterziehung und dem Steuerausfall fehlen.

Vielmehr ist der Vermögensschaden des Fiskus mangels ausreichender Zahlungsmittel und vollstreckbaren Vermögens der P unabhängig davon eingetreten, ob die gebotenen Steueranmeldungen fristgerecht eingereicht worden sind.

b) Der Kläger haftet aber als faktischer Geschäftsführer der P nach § 69 in Verbindung mit §§ 34, 35 AO 1977 für die verkürzten Beträge.

Der Beklagte hat den angefochtenen Haftungsbescheid zwar lediglich auf die Vorschrift des § 71 AO 1977 gestützt. Ein bestimmter Geschehensablauf kann jedoch gleichzeitig und nebeneinander die Haftung sowohl nach § 34 in Verbindung mit § 69 AO 1977 als auch nach § 71 AO 1977 begründen (BFH-Urteil vom 8. November 1994, VII R 1/93, BFH/NV 1995, 657, unter 1. c). Auch wird der einem Haftungsbescheid zugrundeliegende Sachverhalt nicht durch die Haftungsnorm, die zur Begründung der Haftung dient, sondern durch den Geschehensablauf bestimmt, der seinerseits eine oder mehrere bestimmte Haftungsnormen erfüllen kann (BFH-Urteil vom 8. November 1994, VII R 1/93, BFH/NV 1995, 657, unter 1. c). Deshalb steht es dem Finanzamt ferner grundsätzlich frei, ob es den Haftungsbescheid neben § 69 AO 1977 auch oder - wie im Streitfall - nur auf § 71 AO 1977 stützt (BFH-Urteil vom 8. November 1994, VII R 1/93, BFH/NV 1995, 657, unter 1. c; BFH-Beschluss vom 11. August 2005, VII B 312/04, juris, unter II. 1.).

Auch ein faktischer Geschäftsführer kommt, wenn er mit dem entsprechenden Anschein einer Berechtigung tatsächlich nach außen hin auftritt, obwohl er formell nicht zum Geschäftsführer bestellt worden ist, gemäß § 35 in Verbindung mit § 69 AO 1977 für die Haftung in Betracht (BFH-Urteil vom 7. April 1992, VII R 104/90, BFH/NV 1993, 213, unter 1. a). Nach § 35 AO 1977 hat derjenige, der als Verfügungsberechtigter im eigenen oder fremden Namen auftritt, die Pflichten eines gesetzlichen Vertreters (§ 34 Abs. 1 AO 1977) jedoch nur, soweit er sie rechtlich und tatsächlich erfüllen kann (vgl. BFH-Urteil vom 24. April 1991, I R 56/89, BFH/NV 1992, 76, unter II. 4.). Unter einem Verfügungsberechtigten im Sinne dieser Vorschrift ist jeder zu verstehen, der tatsächlich über Mittel, die einem anderen gehören, verfügen kann und als solcher auftritt.

Deshalb muss das Auftreten als Verfügungsberechtigter auch nicht in einer Disposition über fremdes Vermögen bestehen. Für die Anwendung des § 35 AO 1977 reicht es aus, dass sich die betreffende Person nach außen hin so geriert, als könne sie über fremdes Vermögen verfügen. Diese Voraussetzung ist auch dann erfüllt, wenn eine Person, die eine Gesellschaft faktisch leitet, ohne deren gesetzlicher Vertreter zu sein, das Auftreten nach außen weisungsabhängigen Personen überlässt (BFH-Urteil vom 24. April 1991, I R 56/89, BFH/NV 1992, 76, unter II. 2.). In diesem Falle muss der Weisungsgeber sich das Auftreten der weisungsgebundenen Person wie eigenes zurechnen lassen (BFH-Urteil vom 24. April 1991, I R 56/89, BFH/NV 1992, 76, unter II. 2.).

§ 35 AO 1977 fordert auch nicht ausdrücklich ein Auftreten nach außen. Für das Tatbestandsmerkmal "Auftreten nach außen" reicht deshalb das Auftreten als Verfügungsberechtigter in einer begrenzten Öffentlichkeit aus. Daher ist das Tatbestandsmerkmal bereits dann erfüllt, wenn sich das Auftreten in dem Handeln gegenüber Gesellschaftern und Organen der Gesellschaft erschöpft. Entscheidend ist, dass sich die betreffende Person gegenüber einer begrenzten Öffentlichkeit als tatsächlicher Geschäftsführer geriert. Ein Auftreten gegenüber Nichtgesellschaftern ist nicht erforderlich (BFH-Urteil vom 24. April 1991, I R 56/89, BFH/NV 1992, 76, unter II. 3.).

Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor:

aa) Der Kläger war als Verfügungsberechtigter aufgetreten.

Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens ist der Senat im Sinne von § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 FGO davon überzeugt, dass der Kläger tatsächlich auch über die Mittel, die der P gehörten, verfügen konnte und auch verfügt hat. Der Senat ist insbesondere davon überzeugt, dass

- der Kläger die wesentlichen Grundzüge der Karussellgeschäfte zwischen der E und der H entwickelt und sie als die (allein) führende Kraft maßgeblich ins Werk gesetzt und gesteuert hatte,

- auch die Geschäfte, an der die P mitgewirkt hatte, entsprechend dieser Grundzüge abgewickelt wurden,

- B und R den Kläger ganz allgemein bei den Karussellgeschäften als seine maßgeblichen Vertreter unterstützten,

- S jedenfalls seinen Einfluss auf die P offenbar im Einklang mit den Abreden ausübte, die er mit dem Kläger getroffen hatte,

- jedoch weder B oder R noch S willens oder in der Lage waren, den Kläger von der Einwirkung auf die Mittel, die der P gehörten, wirtschaftlich auszuschließen,

- die P vielmehr nur dann mit CPU handeln konnte, wenn der Kläger dies zuließ,

- die P insoweit in jeder Hinsicht von dem Willen des Klägers abhing, ihr insbesondere ein Spielraum, über Preis und Menge auch nur nachzudenken, nicht zukam und

- der Kläger deshalb (auch) der P die zur Begleichung der verwirklichten Umsatzsteuerschuld notwendigen, bei deren Vereinnahmung auch vorhandenen Gelder auf Dauer entziehen konnte und ihr diese Mittel auch tatsächlich entzogen hatte.

Diese Umstände entnimmt der Senat dem Urteil des Landgerichts. Das Finanzgericht darf sich nämlich die tatsächlichen Feststellungen, Beweiswürdigungen und rechtlichen Beurteilungen des Strafgerichts zu eigen machen, wenn und soweit es zu der Überzeugung gelangt, dass diese zutreffend sind und im finanzgerichtlichen Verfahren keine substantiierten Einwendungen gegen diese Feststellungen erhoben werden (BFH-Beschluss vom 30. Januar 2007, VII B 4/06, BFH/NV 2007, 1374, unter 2. a. E., m. w. Nachw.).

Das Landgericht hatte mit seinem Urteil insbesondere festgestellt, dass

- der Kläger die E gegründet hatte (S. 19),

- Gegenstand des Unternehmens der Handel mit CPU war (S. 19),

- sich der Kläger zu Beginn des Jahres 1998 entschlossen hatte, Karussellgeschäfte zu betreiben (S. 20), bei denen die CPU von der H an die E in Spanien und von der E wieder an einen Zwischenhändler in Deutschland und von diesem wiederum an die H geliefert werden sollten (S. 20 f.),

- die H den "üblichen Handelsaufschlag" anwenden sollte (S. 21),

- die H und die Zwischenhändler die Preise - wie von dem Kläger beabsichtigt - mit den jeweils marktüblichen Beträgen bestimmt hatten (S. 21, ferner S. 25, 41, 59, 60 f., hinsichtlich der von der P berechneten "Preise": S. 47, 65),

- der Zwischenhändler in seinen Rechnungen den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag angeben, den Steuerbetrag jedoch nicht an das Finanzamt abführen, sondern - nach Abzug des für ihn bestimmten Anteils - an die E abführen sollte (S. 21),

- der Zwischenhändler, sollte das Finanzamt feststellen, dass dieser die Umsatzsteuer hinterzieht oder sonst gezielt verkürzt, von einem anderen Zwischenhändler ersetzt werden sollte (S. 21),

- die E, der Zwischenhändler und die H ihre Geschäfte allerdings immer erst dann abschlossen, wenn sie sich über den Warenkreislauf, der zwischen ihnen stattfinden sollte, im Einzelnen, insbesondere über die Menge und den Preis, verständigt gehabt hatten (S. 25, 27, 34, 47, 61),

- der Kläger hierauf - wegen der bei Karussellgeschäften geltenden "Zwangsläufigkeiten" - von vornherein seinen Einfluss ausüben musste (S. 61)

- der Kläger mithin ein "pseudogeschäftliches Netzwerk" gegründet und auch geführt hatte (S. 78),

- der Kläger sodann - seinen Absichten folgend - mit M einen Sozialhilfeempfänger als Zwischenhändler eingesetzt (S. 23) und angewiesen hatte, ein Gewerbe anzumelden, CPU von der E zu erwerben und an die H zu veräußern, ferner in seinen Rechnungen den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag anzugeben, die entsprechenden Beträge aber nicht an das Finanzamt abzuführen (S. 23 f.),

- M dementsprechend später die von ihm in Rechnung gestellte Umsatzsteuer an nicht an das Finanzamt, sondern - in Höhe der "überschüssigen Mehrwertsteuerbeträge" - an die E abgeführt hatte (S. 32),

- der Kläger, nachdem M seine Tätigkeit eingestellt hatte, nunmehr mit K verabredet hatte, dass dieser an den Karussellgeschäften zwischen der E und der H teilnimmt (S. 33, 63),

- er auch K veranlasst hatte, in seinen Rechnungen den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag zwar anzugeben, die entsprechenden Beträge aber nicht an das Finanzamt abzuführen (S. 33, 64),

- K die von ihm zu entrichtende Umsatzsteuer ebenfalls nicht an das Finanzamt abgeführt, sondern von seinen Einnahmen lediglich die sonstigen Ausgaben und als seine "Entnahmen" zehn Teilbeträge in Höhe von jeweils 29.000 DM abgezogen, den verbliebenen Unterschiedsbetrag aber der E jeweils als "Vorauszahlung" überwiesen hatte (S. 42, 64), ferner

- K und die E hierfür wöchentliche "Balance Sheets" erstellt hatten (S. 42, 64),

- die O gegen den Willen des Klägers und der anderen Angeklagten an den Karussellgeschäften nicht beteiligt worden wäre (S. 40),

- der Kläger, nachdem auch K seine Tätigkeit eingestellt hatte, jetzt mit S verabredet hatte, dass dieser zur Teilnahme an den Karussellgeschäften zwischen der E und der H einen neuen Zwischenhändler besorgt (S. 47 f.),

- S hierauf - im November und Dezember 1998 - als die treibende Kraft hinter der I und der P an den Karussellgeschäften des Klägers und der anderen Angeklagten mitgewirkt hatte (S. 48),

- die I und die P jeweils als Zwischenhändler tätig geworden waren (S. 47 f., 65),

- der Kläger und die anderen Angeklagten die Karussellgeschäfte mit der I und der P "nach dem gleichen Grundprinzip wie bisher" fortgesetzt hatten (S. 47, 65), dabei

- die Lieferungen von CPU erst von der E der I berechnet worden waren, sodann von der I der P mit Beträgen in Höhe von insgesamt 5.146.640 DM, hierauf von der P der F mit Beträgen in Höhe von insgesamt 4.475.668,06 DM zuzüglich als die gesetzlich geschuldete Umsatzsteuer ausgewiesene Beträge in Höhe von insgesamt 716.106,88 DM und schließlich von der F der H (S. 47, 48, 65),

- dementsprechend auch die P die von ihr geschuldete, von der F auch bezahlte Umsatzsteuer verkürzt hatte (S. 48, 65), also den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag zwar angegeben hatte, die entsprechenden Beträge nicht an das Finanzamt abgeführt hatte (S. 48, 65 in Verbindung mit S. 21, 32, 34),

- S, soweit er die von der I an die E abzuführenden Beträge zum Teil - in Höhe von 2,1 Mio. DM - einbehalten hatte, eigenmächtig gehandelt hatte (S. 48, 49),

- die CPU allerdings - auch, soweit die P eingeschaltet war - lediglich zwischen einem Warenlager erst in den Niederlanden und später in Belgien und der Betriebsstätte der H in C hin- und her befördert worden waren (S. 26 f., 34, 47, 61, 63, 65), ferner

- B eine "hervorgehobene Rolle" bei den Karussellgeschäften des Klägers ausgeübt gehabt hatte (S. 81),

- B insbesondere die Aufgabe gehabt hatte, die Zwischenhändler zu besorgen, die auch bereit gewesen waren, "Weisungen von Hintermännern zu befolgen" (S. 22),

- dementsprechend B die weiteren Angeklagten M und K als Zwischenhändler eingesetzt gehabt hatte (S. 23 bzw. 33), ferner

- B bei einer Bank in Liechtenstein ein Konto auf den Namen des K eröffnet gehabt hatte, über das er, B, auch verfügungsbefugt gewesen war (S. 42 f.),

- auf diesem Konto Beträge in Höhe von rund 9,3 Mio. DM gutgeschrieben worden waren (S. 54),

- der Kläger mit der Wahrnehmung seiner Angelegenheiten den damaligen Rechtsanwalt R beauftragt hatte (S. 20),

- dieser im Wesentlichen die Aufgabe gehabt hatte, dem Kläger "den Rücken freizuhalten" (S. 20, 21) und ihn bei den Karussellgeschäften zu unterstützen (S. 21 f.; ferner S. 45),

- seine finanziellen Schwierigkeiten einerseits und die "finanziell großzügige ... Art" des Klägers andererseits R veranlasst hatten, für den Kläger tätig zu werden (S. 22, 80) und schließlich

- der Umfang der "Erträge", die die E erzielt hatte, dem Kläger ein Leben "auf großem Fuße" (S. 55, 66) ermöglichten,

- dem Kläger außerdem noch weitere Beträge in Höhe von mindestens 2,5 Mio. DM zuflossen,

- B von den verkürzten Steuerbeträgen einen Anteil in Höhe von insgesamt rund 3,1 Mio. DM erlangt hatte und schließlich

- der Kläger darüber hinaus an R Beträge in Höhe von insgesamt immerhin rund 1,6 Mio. DM zahlen konnte (S. 54, 66).

Der Senat entnimmt diesen Umständen zunächst die hervorgehobene Rolle, die schon das Landgericht dem B zugeschrieben hat, die nach Ansicht des Senats aber auch R und - im November und Dezember 1998 - S innehatten. Der Senat sieht sich ferner in seiner Überzeugung, dass auch S sich nicht nur bereit erklärt hatte, an den Karussellgeschäfte des Klägers mitzuwirken, dies vielmehr auch getan hatte, auch von dem Umstand bestätigt, dass sich die P - wie zuvor M und K - im Einklang mit den Absichten des Klägers verhielt, insbesondere - jedenfalls im Ergebnis (zumindest) - die "Preise" bezahlt hat, die ihr von der I berechnet worden waren.

Dass S offenbar die Gelegenheit genutzt hatte, der E mit dem Betrag von insgesamt rund 2,1 Mio. DM einen Teil der - von der I - vereinnahmten Geldbeträge vorzuenthalten, beruhte dagegen - wie sich aus den Feststellungen des Landgerichts ergibt - auf einem eigenmächtigen, also abredewidrigen Entschluss. Hierfür spricht zum einen, dass - wie das Landgericht ebenfalls festgestellt hat - R im Auftrag des Klägers diesen Betrag beizutreiben suchte. Zum anderen betrafen diese Geldbeträge die drei letzten Geschäftsvorfälle, die zwischen der E und der I stattgefunden hatten. Dies bestätigen auch die Angaben, die S bei seiner Vernehmung in dem Strafverfahren gegen den Kläger bei der Staatsanwaltschaft X (Geschäftsnummer: ...) gemacht hatte (S. 13 der Niederschrift vom 22. Februar 2001), und die Angaben der Fahnder in der Anlage 5 zu ihrem Bericht vom 22. November 2002 (Übersicht: "Eingangsrechnungen" der I):

 Rechnung vom Entgelt
25. November 364.800,00 DM
26. November 1.345.500,02 DM
30. November 437.000,00 DM
Summe 2.147.300,02 DM

Auch das Ende der Tätigkeit des S als Zwischenhändler bei den Karussellgeschäften des Klägers ist nach Überzeugung des Senats ein Beweisanzeichen dafür, dass dieser bestimmen konnte, wer bei den von ihm ins Werk gesetzten Karussellgeschäfte mitwirken durfte oder ausgeschlossen wurde. Jedenfalls sind im Streitfall Anhaltspunkte tatsächlicher Art weder von dem Kläger vorgetragen noch sonst nach Aktenlage ersichtlich, nach denen die I aus anderen Gründen aus den Karussellgeschäfte ausgeschieden sein könnte. Das dem Urteil des Landgerichts zugrundeliegende Ermittlungsverfahren gegen den Kläger kann nicht die Ursache gewesen sein, denn die Staatsanwaltschaft hatte das Strafverfahren erst ein knappes Jahr später eingeleitet (Anklageschrift der Staatsanwaltschaft X vom 29. Januar 2002, S. 44). Vielmehr waren - wie das Landgericht feststellte - die Karussellgeschäfte im Laufe des Jahres 1999 mit weiteren Zwischenhändlern fortgesetzt geworden (II. F. 2. und 3. der Gründe, S. 48 f. bzw. S. 49). Die vorstehenden Umstände sprechen zugleich dafür, dass S bei seiner Teilnahme an den Karussellgeschäften von dem Kläger abhängig war, dass dieser den S insoweit schon aus tatsächlichen Gründen steuern und somit mit seiner Hilfe auch über die Mittel der P verfügen konnte.

Ein weiteres Beweisanzeichen dafür, dass S, aber auch T und L bei ihrer Teilnahme an den Karussellgeschäften von dem Kläger völlig abhängig waren, dass er daher auch sie insoweit schon aus tatsächlichen Gründen steuern und damit zugleich über die Mittel der P verfügen konnte, ist, dass Anhaltspunkte tatsächlicher Art weder von dem Kläger vorgetragen noch sonst nach Aktenlage ersichtlich sind, nach denen S oder T und L

- aus eigenem Vermögen in der Lage gewesen wären, die in dem Bericht der Fahnder vom 22. November 2002 bezeichneten Geschäftsvorfälle nach Art und Umfang "aus dem Nichts heraus" zu tätigen oder

- sich aus waghalsigen, aber doch noch als kaufmännisch zu wertenden Gründen zu den Geschäften entschlossen haben könnten, bei denen die P "Preise" bezahlen musste, die das Entgelt überstiegen, das sie - abzüglich der Umsatzsteuer - von der F verlangen konnte.

bb) Der Kläger war ferner in der Lage, die Pflichten eines gesetzlichen Vertreters rechtlich und tatsächlich zu erfüllen.

Wie schon ausgeführt greift die Haftung gemäß §§ 35, 34 Abs. 1 AO 1977 nur ein, soweit der Verfügungsberechtigte die Pflichten eines gesetzlichen Vertreters rechtlich und tatsächlich erfüllen kann (BFH-Urteil vom 24. April 1991, I R 56/89, BFH/NV 1992, 76, unter II. 4.).

Der Senat ist aufgrund der vorstehend zu b, aa) dargestellten Umstände und Beweisanzeichen davon überzeugt, dass zwischen dem Kläger einerseits und S sowie T und L andererseits ein Treuhand- oder sonstiges Auftragsverhältnis bestand, kraft dessen der Kläger diese steuern und deshalb über die Mittel der P verfügen konnte. Er entnimmt dies insbesondere

- der Art und Weise, in der der Kläger sein Vorhaben, Karussellgeschäfte durchzuführen, ins Werk gesetzt hatte, und insbesondere

- dem Umstand, dass er der P (über den "Preis") die zur Begleichung der tatsächlich verwirklichten Umsatzsteuerschuld notwendigen - und bei deren Vereinnahmung auch vorhandenen - Geldmittel tatsächlich entzogen hat.

Diese Geldmittel wurden der P entzogen, indem in den Preis, den die P von der F verlangen durfte, nicht sämtliche vorhersehbaren Betriebsausgaben der P einberechnet waren. Im Streitfall hat der Aufschlag auf den "Preis", den die P an die I zu zahlen hatte, insbesondere die von ihr, der P, geschuldete Umsatzsteuer jedenfalls in Höhe des Betrags von (mindestens) 670.972 DM nicht berücksichtigt. Dieser Betrag lässt sich - wie schon erwähnt - wie folgt errechnen:

 das von der P der F berechnete, der Umsatzsteuer unterliegende Entgelt 4.475.668 DM
die Umsatzsteuer hierauf 716.106 DM
Zwischensumme 5.191.774 DM
abzüglich
-das von der I der P berechnete Entgelt 5.146.640 DM
-die von P zu entrichtende Umsatzsteuer 716.106 DM
670.972 DM

cc) Der Senat ist weiter davon überzeugt, dass das Handeln des Klägers auch das Tatbestandsmerkmal "Auftreten nach außen" erfüllte.

Zum einen sind S sowie T und L als - wie vorstehend zu b, bb) ausgeführt - von ihm, dem Kläger, weisungsabhängige Personen nach außen aufgetreten. Zum anderen ist er selbst nach außen aufgetreten, wenn er sich mit A darüber verständigte, ob und nach welcher Maßgabe ein Karussellgeschäft durchgeführt werden sollte. Insoweit hat er im Außenverhältnis zur H gehandelt. Der Senat ist auch davon überzeugt, dass A wusste, dass der Kläger auch die Tätigkeit der P steuerte, denn der Kläger hatte den A - wie das Landgericht feststellte (S. 22) - in seine wahren Absichten eingeweiht.

dd) Der Senat ist schließlich - insbesondere aufgrund der Feststellungen vorstehend zu b, aa) - davon überzeugt, dass der Kläger im Sinne von § 69 Satz 1 AO 1977 die zur Begleichung der tatsächlich verwirklichten Umsatzsteuerschuld notwendigen - und bei deren Vereinnahmung auch vorhandenen - Geldmittel im Sinne von § 69 Satz 1 AO 1977 vorsätzlich entzogen hatte (vgl. BFH-Beschluss vom 11. Februar 2002, VII B 323/00, BFH/NV 2002, 891 unter II. 1. c)

Der Senat ist insoweit auch davon überzeugt, dass die bei ihrer Vereinnahmung vorhandenen, im Sinne von § 69 Satz 1 AO 1977 vorsätzlich auf Dauer entzogenen Geldmittel mindestens den Betrag ausgemacht hatten, der sich - wie vorstehend zu b, bb) schon dargestellt - mit 670.972 DM errechnen lässt.

c) Der Kläger hat mit seinem schuldhaft pflichtwidrigen Verhalten auch einen Steuerausfall in Höhe der Beträge verursacht, mit denen ihn der Beklagte in Anspruch nimmt.

Diese Beträge können anhand der Aktenlage durchaus nachvollzogen werden. Gegenteilige Anhaltspunkte tatsächlicher Art sind jedenfalls weder von dem Kläger vorgetragen noch sonst nach Aktenlage ersichtlich.

Ein anderes Ergebnis folgt im Streitfall auch nicht aus dem haftungsbegrenzenden Grundsatz der anteiligen Tilgung der Umsatzsteuer. Nach diesem Grundsatz haftet der Geschäftsführer einer GmbH für die von dieser geschuldete, nicht an das Finanzamt entrichtete Umsatzsteuer nach den §§ 34, 69 AO 1977 nur insoweit, als er aus den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln die Steuerschulden hätte tilgen können. Bei insgesamt nicht ausreichenden Zahlungsmitteln liegt eine schuldhafte Pflichtverletzung des Geschäftsführers nur insoweit vor, als er die vorhandenen Mittel nicht zu einer in etwa anteiligen Befriedigung der privaten Gläubiger und des Finanzamts (wegen der Umsatzsteuer) verwendet hat (BFH-Urteile vom 26. August 1992, VII R 50/91, BStBl II 1993, 8, unter 2. a, und vom 4. Dezember 2007, VII R 18/06, BFH/NV 2008, 521, unter II. 5., jeweils m. w. Nachw.). Dieser Grundsatz greift im Streitfall jedoch nicht ein, weil - wie vorstehend zu b) im Einzelnen ausgeführt -

- der Kläger die wesentlichen Grundzüge der Karussellgeschäfte zwischen der E und der H entwickelt und sie als die (allein) führende Kraft maßgeblich ins Werk gesetzt und gesteuert hatte,

- auch die Geschäfte, an der die P mitgewirkt hatte, entsprechend dieser Grundzüge abgewickelt wurden, und gerade deshalb

- der Kläger (auch) der P die zur Begleichung der verwirklichten Umsatzsteuerschuld notwendigen, bei deren Vereinnahmung auch vorhandenen Gelder auf Dauer entziehen konnte und ihr diese Mittel auch tatsächlich entzogen hatte.

Der tatsächlich eingetretene Steuerausfall war im Streitfall mithin die von dem Kläger vorsätzlich herbeigeführte Folge der von ihm betriebenen Karussellgeschäfte (vgl. auch BFH-Urteil vom 6. März 2001, VII R 17/00, BFH/NV 2001, 1100, unter II. 4., m. w. Nachw.).

d) Nachdem der Beklagte neben dem Kläger auch die anderen, an dem bei der P verursachten Steuerausfall möglicherweise Beteiligten im Wege der Haftung in Anspruch nimmt und hierauf auch in dem Haftungsbescheid vom 7. Mai 2002 und in der Einspruchsentscheidung vom 2. November 2004 hingewiesen hat, ist auch insoweit ein Ermessensfehler des Beklagten nicht erkennbar (zum sog. Auswahlermessen vgl. ferner BFH-Urteil vom 13. Juni 1997, VII R 96/96, BFH/NV 1998, 4, m. w. Nachw.).

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1, § 138 Abs. 1 FGO. Die Verfahrenskosten waren den Beteiligten wegen der im Laufe des Rechtsstreits durch den Bescheid vom 21. April/29. Mai 2008 eingetretenen Streitwertminderung für die verschiedenen Zeitabschnitte getrennt in unterschiedlichen Quoten aufzuerlegen (BFH-Urteile vom 6. Juni 1984, II R 184/81, BStBl II 1985, 261, unter 3. und vom 11. Mai 1999, IX R 56/96, BFH/NV 2000, 20, unter 4.).

3. Der Streitwert war gemäß § 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes mit dem Betrag festzusetzen, mit dem der Beklagte den Kläger in Anspruch nimmt bzw. - für die Zeit bis zum 21. April 2008 - in Anspruch genommen hatte (vgl. BFH-Beschluss vom 24. November 1994, VII E 7/94, BFH/NV 1995, 720).



Ende der Entscheidung

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