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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 24.07.2007
Aktenzeichen: 12 K 50/06
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 12 Abs. 2 Nr. 1 der Anlage 2
UStG § 12 Abs. 2 Nr. 49 der Anlage 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Baden-Württemberg

12 K 50/06

Tatbestand:

Laut Gewerbeanmeldung und Gesellschaftsvertrag betrieb die Klägerin eine "Partnervermittlung im In- und Ausland und artverwandte Geschäfte". Gesellschafter waren die Herren -X.Y.- und -A.B.-. Auf den 30. Juni 1999 erklärte die Klägerin die Betriebsaufgabe; die Weiterführung des Geschäftsbetriebes erfolgte unter der Firma Z. K. GmbH bzw. ZK Vertriebs GmbH. Der Betriebsablauf bei der Klägerin stellte sich dabei wie folgt dar:

Mittels Annoncen in regionalen und überregionalen Zeitungen wurden partnersuchende Frauen geworben. Diesen wurde ein standardisierter Bewerbungsbogen zugesandt. Die zurückgesandten Bewerbungsbogen wurden dann von der Klägerin hinsichtlich der angegebenen Telefonnummern überprüft sowie Bewerbungen mit finanziellen Interessen oder unseriösen Angaben ausselektiert. Die gewonnenen Daten wurden sodann archiviert und drucktechnisch in einer sogenannten Kontaktliste aufbereitet, die von der Klägerin immer wieder aktualisiert wurde. Die Aufnahme in die Kontaktliste erfolgte für die Frauen kostenlos. Für den Verkauf der Kontaktlisten wiederum schaltete die Klägerin in diversen Zeitschriften Werbeanzeigen. Hierauf meldeten sich dann telefonisch (männliche) Interessenten, denen dann durch entsprechend geschultes Personal die Kontaktlisten verkauft wurden. Die Versendung der Kontaktlisten erfolgte dann per Post nach Bezahlung oder per Nachnahme. Ausgangsrechnungen wurden seitens der Klägerin keine erstellt.

Nachdem zunächst in der Umsatzsteuer-Jahreserklärung für das Streitjahr 1997 Lieferungen und sonstige Leistungen in Höhe von DM 1.577.657,- zu einem Steuersatz von 15% erklärt worden waren, der auch durch Mitteilung des Beklagten vom 16. März 1999 zugestimmt worden war, reichte die Klägerin mit Datum vom 13. März 2003 eine berichtigte Umsatzsteuererklärung ein, in der Lieferungen und sonstige Leistungen in Höhe von DM 1.577.657,- zu einem Steuersatz von 7% erklärt wurden. Beigefügt war eine "unverbindliche Zolltarifauskunft für Umsatzsteuerzwecke über das Druckerzeugnis Kontaktliste partnersuchende Frauen" mit einem ausgewiesenen Umsatzsteuersatz in Höhe von 7%.

Durch Verwaltungsakt vom 14. April 2003 hat der Beklagte den Antrag auf Änderung des Umsatzsteuerbescheides abgelehnt. Der dagegen form- und fristgerecht eingelegte Einspruch wurde durch Einspruchsentscheidung vom 29. Dezember 2005, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, als unbegründet zurückgewiesen.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit der vorliegenden Klage.

Zur Begründung wird vorgetragen, dass es sich bei dem Verkauf der Kontaktlisten um Lieferungen eines drucktechnischen Erzeugnisses handele, auf die nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) i.V.m. Art. 12 Abs. 3 der 6. Richtlinie EG in Verbindung mit Anhang H Nr. 49 der ermäßigte Steuersatz anzuwenden sei. Die Arbeit der Klägerin bestehe darin, Fachwissen zu sammeln, das gesammelte Fachwissen zu archivieren, die gesammelten Daten für die drucktechnische Erstellung zu bearbeiten, das Produkt mittels Drucktechnik zu erstellen und das drucktechnische Produkt zu verkaufen. Der Verkauf der Kontaktlisten sei daher mit dem Verkauf von Fachliteratur vergleichbar. Es handele sich dabei um keine einfache Sammlung von Adressen, kein Anzeigenblatt, in welchem Kunden gegen Bezahlung Informationen veröffentlichen könnten und auch keine Annoncenzeitung, welche Werbung enthalte. Überdies würden in der Fachliteratur selbst einfache Adressenlisten als ein drucktechnisches Erzeugnis behandelt werden. Entgegen der Auffassung des Beklagten werde dabei keine sonstige Leistung erbracht, da nach der einschlägigen Rechtsprechung bei einer sonstigen Leistung ein direkter persönlicher Kontakt zwischen Leistungsgeber und Leistungsempfänger sowie ein konkreter Informationsaustausch bestehe, eine geistige Leistung im Vordergrund stehe und eine persönlich abgestimmte Dienstleistung erbracht werde. Seitens der Klägerin bestehe kein persönlicher Kontakt zu den Frauen und es würden auch keinerlei Beratungen erfolgen. Auch gegenüber den Männern würden keinerlei persönlich konkrete Dienstleistungen erbracht, was diese auch nicht wünschten. Ihnen gehe es einzig und allein um die Erlangung der Verfügungsmacht an den Kontaktlisten. Die Klägerin sei weder als Heiratsvermittler noch als Eheanbahnungsinstitut tätig. Ihre Tätigkeit bestehe allein darin, ihre Informationen in der Form eines Kataloges niederzuschreiben und diesen Katalog an Kunden zu verkaufen. Insoweit würden auch keinerlei Rechte oder geistige Leistungen in Papierform verkauft. Schließlich erbringe die Klägerin auch nach Auffassung des Zollamts Köln mit der Lieferung der Adresslisten steuerbare und steuerpflichtige Umsätze nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, die nach der zolltariflichen Auskunft des Zollamts Köln dem ermäßigten Steuersatz von 7% unterlägen.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 29. Dezember 2005 zu verpflichten, für das Streitjahr einen geänderten Umsatzsteuerbescheid dahingehend zu erlassen, dass der durch den Verkauf der Kontaktlisten erzielte Umsatz in Höhe von DM 1.695.613,- dem ermäßigten Steuersatz von 7% zu unterwerfen ist, hilfsweise Zulassung der Revision.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Entgegen der Auffassung der Klägerseite liege eine sonstige Leistung vor, die dem Regelsteuersatz unterliege. Die Abgrenzung, ob ein Leistungsvorgang als Lieferung oder sonstige Leistung zu beurteilen sei, hänge auch wesentlich davon ab, ob nach dem der Leistung zu Grunde liegenden Inhalt des Umsatzgeschäfts, den Vorstellungen der Parteien und dem wirtschaftlichen Gehalt des Leistungsvorgangs die Lieferung eines Gegenstandes oder aber die Elemente einer sonstigen Leistung im Vordergrund stünden. Mit dem Erwerb der Kontaktliste habe der Käufer die Möglichkeit erhalten, mit den darin aufgelisteten Personen zwanglos in Kontakt treten zu können. Insoweit sei Hauptinhalt des Leistungsaustausches die bestimmungsgemäße Verwendung der in dem Druckwerk aufgelisteten Kontaktadressen gewesen. Eine sonstige Leistung ergebe sich auch unter dem Gesichtspunkt, dass die Klägerin den Frauen eine kostenlose Partnervermittlung angeboten habe. Damit habe sie Partner suchenden Personen ihre Dienstleistung angeboten und zwar durch Aufnahme derselben in die Kontaktliste. Dies habe zwar für diese kostenlos erfolgen sollen. Bezahlen müssen hätten jedoch die Erwerber der Kontaktliste. Nach § 10 Abs. 1 Satz 3 gehöre zum Entgelt aber auch, was ein anderer als der Leistungsempfänger aufwende, um die Leistung zu erhalten.

Der vorstehende Sach- und Streitstand ist der Gerichtsakte, dem Inhalt der mündlichen Verhandlung sowie den vom Beklagten nach § 71 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) vorgelegten Akten (1 Band Umsatzsteuer-, 1 Band Gewerbesteuerakten) entnommen. Wegen der Einzelheiten wird hierauf Bezug genommen. Die Akten aus dem Verfahren 12 V 33/03 wurden beigezogen.

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte hat zu Recht die Änderung des Umsatzsteuerbescheids abgelehnt, da es sich bei dem Verkauf der Kontaktlisten um sonstige Leistungen, die dem vollen Steuersatz unterliegen und keine Lieferungen von drucktechnischen Erzeugnissen mit einem ermäßigten Steuersatz von 7% nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Nr. 49 der Anlage 2 UStG handelt.

Die Klage ist nach Ansicht des Senats zulässig. Zwar sind als Kläger die (ehemaligen) Gesellschafter - X.Y.- und -A.B.- benannt, denen als solche die Aktivlegitimation fehlen würde, da lediglich die Z. K. GbR bis zu ihrer steuerrechtlichen Vollbeendigung als Umsatzsteuersubjekt klagebefugt ist. Der Senat legt den Klageschriftsatz jedoch - trotz berufskundiger Vertretung - dahingehend aus, dass die Gesellschafter die Klage im Namen der Gesellschaft erhoben haben. Ansatzpunkt für diese Auslegung ist die Tatsache, dass die Einspruchsentscheidung gegenüber der Gesellschaft erfolgt ist sowie beide Gesellschafter als Kläger mit dem Klammerzusatz "(vormals Z. K. GbR, -Y- u. -B-)" aufgeführt sind.

Die Klage ist jedoch im Ergebnis unbegründet.

Den von der Klägerin erstellten und veräußerten Kontaktlisten, für die entsprechende Entgelte entrichtet worden sind, liegt eine einheitliche Leistung zugrunde, die sowohl Lieferelemente (Verschaffung der Verfügungsmacht an den Kontaktlisten) als auch Elemente einer sonstigen Leistung (Sammlung und Verschaffung von Kontaktmöglichkeiten mit heiratswilligen Personen) enthält. In diesen Fällen ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - (vgl. u.a. Urteil vom 19. Februar 1976 V R 92/74, Bundessteuerblatt - BStBl II 1976, 515) die Einstufung der einheitlichen Leistung entweder als Lieferung oder als sonstige Leistung davon abhängig, welche Bestandteile der Leistung unter Berücksichtigung des Willens der Vertragspartner den wirtschaftlichen Gehalt der Geschäfte bedingen. Unter Berücksichtigung des Geschäftszwecks der Klägerin ("Partnervermittlung im In- und Ausland und artverwandte Geschäfte"), der Art und Weise der Informationsgewinnung (Suche von kontaktwilligen Personen in diversen Zeitschriften und Verarbeitung aufgrund von Bewerbungsbögen gewonnener personenbezogener Daten) sowie der anschließenden Geschäftsabwicklung (vgl. Gesprächsleitfaden, der auf die Vermittlung von Kontakten abstellt und auch von einer Gebühr und keinem Kaufpreis für eine Liste spricht) ist offenkundig, dass der wirtschaftliche Gehalt der Leistung in der Verschaffung von Kontaktmöglichkeiten und nicht in der Lieferung eines Druckwerkes liegt.

Den Interessenten geht es nicht um das Druckwerk als solches, sondern um die dahinterstehende von der Klägerin angepriesene und überprüfte Kontaktmöglichkeit; das Druckwerk ist als solches lediglich Mittel zum Zweck. Insoweit ist der Streitfall vergleichbar mit Fällen, in denen Unternehmen Adressen von Personen oder Firmen sammeln und sie unter verschiedenen Gesichtspunkten zusammenstellen und an Interessenten gegen Entgelt abgeben. Auch hier ist der wirtschaftliche Gehalt der Leistung in der Verschaffung von Werbe- und Verkaufsmöglichkeiten und nicht in der Verschaffung der Verfügungsmacht an dem Druckwerk zu sehen (vgl. Rondorf in Plückebaum/Malitzky, Kommentar zum UStG, § 12 Abs. 2, Rz. 1151). Letztendlich betreibt die Klägerin eine andere Art der Partnervermittlung, bei der es aber nicht auf den Verkauf von Katalogen, sondern eben auf die Vermittlung von Kontaktmöglichkeiten ankommt. Die Kontaktliste stellt insoweit lediglich die äußere Form dar. Soweit die Klägerseite vorträgt, dass seitens der Klägerin keinerlei persönlich konkrete Dienstleistung gegenüber den Kunden erbracht werde und es den Kunden einzig und alleine um die Verfügungsmacht an den Katalogen gehe, so kann diese Auffassung seitens des Gerichts nicht geteilt werden. Den Kunden wird vielmehr die Dienstleistung erbracht, die sie haben möchten, nämlich die Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit Kontaktsuchenden. Erforderlich ist insoweit nicht die Vermittlung lediglich eines konkreten Kontaktes, was auch bei Eheanbahnungsinstituten nicht der Fall ist. Ausreichend ist insoweit die Vermittlung von Kontakten in welcher Form auch immer, über deren Nutzung der Kontaktsuchende dann autonom entscheiden kann.

Da es sich vorliegend somit um eine sonstige Leistung und keine Lieferung handelt, kommt der (vorgelegten) zollrechtlichen Tarifierung insoweit keine Bindungswirkung zu.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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