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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 19.05.2008
Aktenzeichen: 12 K 85/07
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 4 Abs. 4a S. 1
EStG § 4 Abs. 4a S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Baden-Württemberg

12 K 85/07

Sog. Überentnahmen bei unentgeltlicher Übertragung eines einzelnen Wirtschaftsguts von einem Betriebsvermögen in ein anderes Betriebsvermögen

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Überführung eines Wirtschaftsguts in einen anderen betrieblichen Bereich eine Überentnahme im Sinne von § 4 Abs. 4a des Einkommensteuergesetzes (EStG) auslösen kann.

Die Klägerin ist eine Kommanditgesellschaft (künftig: Klägerin). Ihr persönlich haftender Gesellschafter ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (künftig: GmbH). Als Kommanditist war zunächst nur ein A.V. (künftig: V) eingetreten. Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist der Betrieb einer international tätigen Spedition.

An dem Gesellschaftsvermögen der Klägerin war lediglich V beteiligt. Dieser war ferner der alleinige Eigentümer verschiedener Grundstücke. Die Grundstücke hatte V der Klägerin verpachtet.

V hatte ferner zusammen mit seinen beiden Kindern eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (künftig: GbR) errichtet. An dem Gesellschaftsvermögen der GbR hatte sich V mit drei Fünfteln beteiligt, die Kinder mit je einem Fünftel.

V schenkte im Kalenderjahr 2000 den Kindern jeweils ein Fünftel seines Anteils an dem Gesellschaftsvermögen und seines Eigentums an den Grundstücken. Ihre Anteile an den Grundstücken legten V und die Kinder sodann in die GbR ein. In ihrer Bilanz führte die GbR die Werte fort, die V in der Bilanz für sein Sonder-Betriebsvermögen zuletzt angesetzt hatte, und zwar

 den Wert jeweils mit
- der Sachanlagen 2.533.240 DM
- der Finanzanlagen 50.000 DM

In ihrem Jahresabschluss zum 31. Dezember 2002 zog die Klägerin u. a. Zinsen für "kurzfristige Verbindlichkeiten" in Höhe von insgesamt 2.917,74 Euro ab.

Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf

- am 13. Juli 2000 notariell beurkundeten Übergabevertrag,

- den am 21. Dezember 2000 ebenfalls notariell beurkundeten Einbringungsvertrag,

- den Jahresabschluss für das Sonder-Betriebsvermögen des V zum 31. Dezember 2000 (Bilanzakten des Beklagten betreffend die Klägerin),

- den Jahresabschluss der GbR zum 31. Dezember 2000 (Allgemeine Akten des Beklagten betreffend die Klägerin unter "Übertragung Sonder-BV auf GbR").

Der Beklagte errechnete die Überentnahmen im Sinne von § 4 Abs. 4a EStG, die die Klägerin in dem Wirtschaftsjahr 2000 und den vorausgehenden Wirtschaftsjahren getätigt haben soll, mit insgesamt 1.297.600 Euro, und zwar wie folgt:

 Kapital am 31. Dezember 2002  
Einlagen der Kommanditisten42.000,00 Euro 
Darlehen der GmbH34.476,97 Euro 
Darlehen der Kommanditisten510.384,75 Euro 
GmbH-Anteile25.565,00 Euro  
 612.426,72 Euro612.426,72 Euro
abzüglich Kapital am 1. Januar 1999  
Einlage des Kommanditisten80.000,00 DM 
Darlehen der GmbH59.468,00 DM 
Darlehen des Kommanditisten930.184,67 DM 
Sonder-Betriebsvermögen2.666.034,00 DM  
 3.735.686,67 DM1.910.026,27 Euro
Unterschiedsbetrag 1.297.599,55 Euro

Sodann stellte er die Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb der Klägerin für den Veranlagungszeitraum 2002 (das Streitjahr) mit 583.005,51 Euro fest. Dabei ging er davon aus, dass sich die laufenden Einkünfte mit 270.367,20 Euro wie folgt errechnen:

 Überschuss laut Jahresabschluss267.652,73 Euro
Spenden1.800,00 Euro
20 vom Hundert aus Bewirtungsaufwendungen47,47 Euro
gemäß § 4 Abs. 4a EStG nicht abziehbare Schuldzinsen867,00 Euro
Summe270.367,20 Euro

Gegen den - unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen - Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (Feststellungsbescheid) vom 4. Juli 2003 legte die Klägerin erfolglos Einspruch ein. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf

- die Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung für das Streitjahr,

- den Feststellungsbescheid vom 4. Juli 2003 und

- den Bescheid über Gewerbesteuermessbetrag vom 30. Juli 2003 sowie

- die Einspruchsentscheidung vom 13. Oktober 2003.

Die Klägerin ist mit ihrer Klage der Ansicht, im Streitjahr seien von ihr keine Überentnahmen im Sinne von § 4 Abs. 4a EStG getätigt worden. Die Überführung der Grundstücke in das Gesellschaftsvermögen der GbR dürfe nicht als Entnahme im Sinne von § 4 Abs. 4a EStG berücksichtigt werden.

Der Beklagte beantragt im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung vom 13. Oktober 2003,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat den angefochtenen Feststellungsbescheid - aus anderen Gründen, im Anschluss an eine Betriebsprüfung - geändert. Zugleich hat er den bisherigen Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Feststellungsbescheid vom 11. November 2004 und auf den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag vom 24. November 2004.

Entscheidungsgründe:

1. Die Klage ist unbegründet.

Nach § 100 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1, Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht den angefochtenen Steuerbescheid - im Streitfall den Feststellungsbescheid und den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag jeweils für das Streitjahr - nur ändern, soweit dieser rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Der im Streitfall angefochtene Bescheid ist nicht rechtswidrig.

a) Der Senat geht dabei davon aus, dass der Gegenstand des Klagebegehrens im Streitfall darauf gerichtet ist, die Feststellung der Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb der Klägerin um den - von dem Beklagten als nach § 4 Abs. 4a EStG nicht abziehbare Schuldzinsen behandelten - Betrag von 867 Euro zu mindern und den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag entsprechend zu ändern.

Der Senat entnimmt dies aus dem Vergleich des Betrags der Einkünfte aus Gewerbebetrieb, der mit dem Feststellungsbescheid vom 4. Juli 2003 festgesetzt wurde, einerseits mit dem Betrag, der nach dem Antrag, den die Klägerin mit ihrem Schriftsatz vom 7. November 2003 (S. 2 unter Nr. 1 Buchst. b) angekündigt hatte, festgestellt werden sollte, andererseits.

b) Entgegen der Ansicht der Klägerin hat diese keinen Anspruch darauf, die streitigen Schuldzinsen abzuziehen.

Gemäß § 4 Abs. 4a Satz 1 EStG sind Schuldzinsen nicht abziehbar, wenn Überentnahmen getätigt worden sind. Eine Überentnahme ist der Betrag, um den die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjahres übersteigen (§ 4 Abs. 4a Satz 2 EStG). Die nicht abziehbaren Schuldzinsen werden typisiert mit sechs vom Hundert der Überentnahme des Wirtschaftsjahres zuzüglich der Überentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre und abzüglich der Beträge, um die in den vorangegangenen Wirtschaftsjahren der Gewinn und die Einlagen die Entnahmen überstiegen haben (Unterentnahmen), ermittelt; bei der Ermittlung der Überentnahme ist vom Gewinn ohne Berücksichtigung der nach Maßgabe dieses Absatzes nicht abziehbaren Schuldzinsen auszugehen (§ 4 Abs. 4a Satz 3 EStG). Der sich dabei ergebende Betrag, höchstens jedoch der um 2.050 Euro verminderte Betrag der im Wirtschaftsjahr angefallenen Schuldzinsen, ist dem Gewinn hinzuzurechnen (§ 4 Abs. 4a Satz 4 EStG).

Zu den Entnahmen im Sinne von § 4 Abs. 4a Satz 2 EStG gehört allerdings auch die im Kalenderjahr 2000 vorgenommene Überführung der Grundstücke in das Gesellschaftsvermögen der GbR (vgl. Heinicke in Schmidt, EStG, 27. Aufl., 2008, § 4, Rdnr. 524; Wacker in Schmidt, § 15 EStG, Rdnr. 430, m. w. Nachw.).

Im Übrigen sind im Streitfall Anhaltspunkte tatsächlicher Art, nach denen die gemäß § 4 Abs. 4a Einkommensteuer nicht abzugsfähigen Schuldzinsen fehlerhaft ermittelt oder berechnet worden sein könnten, weder von der Klägerin vorgetragen noch sonst nach Aktenlage ersichtlich. Auch dem Bericht des Prüfers vom 1. September 2004 lässt sich nicht entnehmen, dass die nach § 4 Abs. 4a Satz 3 EStG maßgeblichen Überentnahmen abzüglich der nach dieser Vorschrift zu berücksichtigenden Unterentnahmen einen Betrag von weniger als 14.450 DM und die danach typisiert mit sechs vom Hundert nicht abziehbaren Schuldzinsen einen Betrag von weniger als 867 Euro ausmachen könnten.

2. Die Klägerin trägt gemäß § 135 Abs. 1 FGO die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, weil die Frage, ob die Überführung eines Wirtschaftsguts in einen anderen betrieblichen Bereich - im Streitfall aus einem Sonder-Betriebsvermögen in das Gesamthandsvermögen einer anderen Mitunternehmerschaft - eine Überentnahme auslösen kann, grundsätzliche Bedeutung hat (vgl. auch Wacker in Betriebs-Berater 2007, 1936, 1937, unter III.).

4. Der Senat hält es für zweckmäßig, gemäß § 90a FGO durch den vorliegenden Gerichtsbescheid zu entscheiden.



Ende der Entscheidung

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