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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 21.09.2007
Aktenzeichen: 14 V 10/07
Rechtsgebiete: UStG, VO (EG) Nr. 1777/2005


Vorschriften:

UStG § 3a Abs. 1 S. 1
UStG § 3a Abs. 3 S. 1
UStG § 3a Abs. 4 Nr. 14
VO (EG) Nr. 1777/2005 Art. 11
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Baden-Württemberg

14 V 10/07

Gründe:

I. Streitig ist in der Hauptsache der Ort von über Internet erbrachten Leistungen der Antragstellerin.

Die Antragstellerin ist eine Aktiengesellschaft (AG) Schweizer Rechts mit Sitz in der Schweiz. Am 8. Juni 2006 wurde sie im Handelsregister des Handelsregisteramts des Kantons Zug eingetragen. Ihre frühere "Fassung" war die X AG. Als Zweck verfolgt die Antragstellerin die Vermarktung und das Betreiben von Unterhaltungsmedien in den Bereichen Internet, Mobile, TV und Print. Außerdem kann sie sich an anderen Unternehmen mit gleichem oder ähnlichem Geschäftszweck beteiligen oder solche Unternehmungen gründen.

Nach den Angaben der Beteiligten betreibt die Antragstellerin im Internet eine Vielzahl von Websites, wie bspw. www. aaa.com, www. bbb.de, www. ccc.de, www. ddd.de, www. eee.de, www. fff.de, www. ggg.de und www. hhh.tv. Auf diesen Websites werden von ihr verschiedene Dienstleistungen angeboten. Die Websites sind alle gleich aufgebaut. Im Impressum erscheint jeweils der Name der Antragstellerin als leistendes Unternehmen. Auf allen diesen Websites müssen die Kunden spezifische Daten eingeben und erhalten daraufhin die entsprechenden Dienstleistungen (Aktenvermerk der Steuerfahndung vom 14. Februar 2007, Rechtsbehelfsakten Blatt 25 ff.).

Die Websites können aufgrund des unterschiedlichen Angebots der Antragstellerin in drei Gruppen eingeteilt werden:

In der ersten Gruppe bietet die Antragstellerin Dienstleistungen an, die dem Kunden mit einer monatlichen Gebühr von 5,- EUR bzw. 8,- EUR in Rechnung gestellt werden. Bei der Internetseite www. ggg.de übermittelt die Antragstellerin die Namen der Kunden in die Daten von Herstellern, die Warenproben versenden. Bei der Internetseite www. eee.de wird der Kunde in einer Kartei geführt, die Autohäusern und Autoherstellern (bspw. Ferrari, Lamborghini und Porsche) zur Auswahl ihrer Testfahrer zur Verfügung gestellt wird.

In einer zweiten Gruppe räumt die Antragstellerin Kunden die Möglichkeit ein, eine bestimmte Anzahl von SMS-Nachrichten zu einem günstigen fixen Preis zu versenden. Gleichzeitig werden unter den Kunden regelmäßig Preise verlost, deren Gesamtwert per Auslosung 10.000,- EUR beträgt.

Die dritte Gruppe betrifft die Internetseiten www. aaa.com, www. ccc.de und www. fff.de. Bei der zuerst genannten Internetseite erhält der Nutzer gegen eine einmalige Gebühr unter Auswertung seiner persönlichen Daten eine statistische Prognose seiner Lebenserwartung. Auf der Internetseite www. fff.de werden gegen eine monatliche Gebühr von 5,- EUR Angaben zur Bedeutung von Namen und Stammbäumen, eine astrologische Analyse der Geburtsdaten der Kunden sowie Wochenhoroskope angeboten.

Am 5. Februar 2007 setzte der Antragsgegner nach Anhörung aufgrund von Ermittlungen der Steuerfahndung für "das IV. Kalendervierteljahr" 2006 Umsatzsteuer in Höhe von 476.573,54 EUR fest. Die Besteuerungsgrundlagen (Umsätze zu 16%) hatte er mit 2.978.584 EUR festgestellt. Die Berechnungen der Steuerfahndung basierten auf der Auswertung von Zahlungseingängen auf verschiedenen Konten der Antragstellerin im Streitzeitraum (Umsatzsteuerakten Blatt 2 sowie 4 Band Aktenordner "Y 1-56" und "Z"). Die Einnahmen betreffen laut den auf den ausgewerteten Kontoauszügen angeführten Verwendungszwecken, von der Antragstellerin unwidersprochen, ausschließlich Zahlungen von Inländern für die Bereiche "SMS", "aaa" und "MM".

Der Bescheid vom 5. Februar 2007 erging ohne Rechtsbehelfsbelehrung.

Dagegen legte die Antragstellerin, vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigte, mit Schreiben vom 6. Februar 2007 Einspruch ein. Zugleich beantragte sie Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Bescheids. Den Antrag lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 15. Februar 2007 ab, der wiederum nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen war.

Mit Schreiben vom 19. Februar 2007 begehrt die Antragstellerin, vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigte, vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz. Zur Begründung trägt sie vor, die angefochtene Umsatzsteuerfestsetzung sei rechtswidrig, weil die von ihr erzielten Umsätze in Deutschland nicht steuerbar seien. Es bestünden an ihrer Rechtmäßigkeit insofern ernstliche Zweifel. Bei den von ihr erbrachten Leistungen handele es sich um sonstige Leistungen im Sinne von § 3a Umsatzsteuergesetz (UStG). Der Ort dieser Leistungen liege bei den Leistungsgruppen eins und drei gemäß § 3a Abs. 1 UStG in der Schweiz, nachdem sie von dort aus ihr Unternehmen betreibe. Bei der Gruppe zwei liege der Ort der Leistungen gemäß § 3a Abs. 3 UStG ebenfalls in der Schweiz.

Bei den Leistungen der ersten Gruppe (Internetseiten www. ggg.de, www. hhh.tv und www. eee.de) sei die Ausnahmeregelung des § 3a Abs. 4 Nr. 14 UStG nicht einschlägig. Es sei keine auf elektronischem Wege erbrachte Leistung erfolgt. Aus Umsatzsteuer-Richtlinien 2005 (UStR) Abschnitt 39c Abs. 5 ergebe sich, dass keine auf elektronischem Wege erbrachte Leistung vorliege, sondern eine sonstige Leistung im Sinne von § 3a Abs. 1 UStG, wenn Gegenstände nach elektronischer Bestellung und Auftragsbearbeitung geliefert würden. Diese Konstellation liege in dieser Gruppe bei den Angeboten der Internetseiten www.ggg.de und www. hhh.tv vor. Für die Angebote der Internetseite www. eee.de gelte UStR Abschnitt 39c Abs. 6. Danach liege eine andere als auf elektronischem Wege erbrachte Dienstleistung vor, wenn die Leistung im Wesentlichen durch Menschen erbracht werde, wobei das Internet nur als Kommunikationsmittel diene. Ziffer 1 erwähne ausdrücklich das Data-Warehousing - offline -, d.h. die Verwaltung und Auswertung von Daten außerhalb des Internets. Diese Konstellation liege bei www.eee.de vor.

Bei den Leistungen der zweiten Gruppe handele es sich zwar um sonstige Leistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation im Sinne von § 3a Abs. 4 Nr. 12 UStG. Schließlich seien als solche nach UStR Abschnitt 39a Abs. 1 die Leistungen anzusehen, mit denen die Übertragung, die Ausstrahlung oder der Empfang von Signalen, Schrift, Bild und Ton oder Informationen jeglicher Art über Draht, Funk, optische oder ähnliche Medien ermöglicht und gewährleistet würden, einschließlich der damit im Zusammenhang stehenden Abtretung und Einräumung von Nutzungsrechten an Einrichtungen zur Übertragung, Ausstrahlung oder zum Empfang. Die Möglichkeit, eine bestimme Anzahl von SMS-Nachrichten zu versenden, falle unter diese Definition. Daher richte sich der Ort der Leistung nach § 3a Abs. 3 UStG. Da der Leistungsort bei Leistungen an Privatpersonen mit Wohnsitz in der Europäischen Union (EU) am Sitz des Unternehmens liege, sei die Leistung in der Schweiz und nicht in Deutschland steuerbar. Offen bleiben könne, ob die Teilnahme an einem Gewinnspiel als selbständige Leistung (UStR Abschnitt 29) zu beurteilen sei, da der Leistungsort bei dieser ebenfalls nach § 3a Abs. 1 UStG als sonstige Leistung am Sitz des Leistenden liege.

Die Leistungen der dritten Gruppe fielen lediglich auf den ersten Blick in den Regelungsbereich des § 3a Abs. 4 Nr. 14 UStG. UStR Abschnitt 39c Abs. 1 definiere eine Leistung auf elektronischen Wege als eine solche, die über das Internet oder ein elektronisches Netz, einschließlich Netze zur Übermittlung digitaler Inhalte, erbracht werde und deren Erbringung auf Grund der Merkmale der sonstigen Leistung in hohem Maße auf Informationstechnologie angewiesen sei; d.h. die Leistung sei im Wesentlichen automatisiert, werde nur mit minimaler menschlicher Beteiligung erbracht und sei ohne Informationstechnologie nicht möglich. Zwar werde ihre Leistung in den Fällen dieser Gruppe durch das Internet verbreitet. Allerdings wäre sie auch ohne Informationstechnologie möglich, da sie per Post, Fax oder Telefon erbracht werden könne. Daher sei § 3a Abs. 4 Nr. 14 UStG nicht einschlägig.

Außerdem stelle sich bei § 3a Abs. 4 Nr. 14 UStG die Frage, ob die Vorschrift gegenwärtig noch der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) entspreche. Schließlich beruhe die Einführung des § 3a Abs. 4 Nr. 14 UStG auf der Richtlinie 2002/38/EG des Rates vom 7. Mai 2002 zur Änderung und vorübergehenden Änderung der Richtlinie 77/388/EWG bezüglich der mehrwertsteuerlichen Behandlung der Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen sowie bestimmter elektronisch erbrachter Dienstleistungen (Richtlinie 2002/38/EG). Der deutsche Gesetzgeber habe die darin enthaltene Änderung von Art. 9 der Richtlinie 77/388/EWG in § 3a Abs. 4 Nr. 14 UStG umgesetzt. Nach Art. 5 der Richtlinie 2002/38/EG sei diese Maßnahme begrenzt auf den Zeitraum vom 1. Juli 2003 bis 30. Juni 2006. Art. 5 sehe vor, dass vor Ablauf dieses Zeitraums entweder andere Maßnahmen oder eine Verlängerung des in Art. 4 genannten Zeitraums beschlossen werden müssten. Aus der Online- Dokumentation des Amts für Veröffentlichungen sei keine Verlängerung der Geltungsdauer ersichtlich. Damit sei § 3a Abs. 4 Nr. 14 UStG ab dem 1. Juli 2006 nicht mehr richtlinienkonform. Es verbleibe infolgedessen bei der Regelung des § 3a Abs. 1 UStG.

Die Überlassung einer Aufstellung über die Höhe der Umsätze aus den Angeboten der verschiedenen Internetseiten hat die Antragstellerin im Schreiben vom 26. März 2007 (Finanzgerichtsakten Blatt 12) zwar angekündigt, bislang allerdings nicht eingereicht.

Die Antragstellerin beantragt,

die Vollziehung des angefochtenen Umsatzsteuerbescheids für das IV. Kalendervierteljahr 2006 auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Zur Begründung trägt er vor, an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Umsatzsteuerfestsetzung bestünden keine ernstlichen Zweifel. Soweit es sich bei den Leistungen der Antragstellerin um die Bereiche "SMS", "aaa" und "MM" handele, nur die Umsätze aus diesen Leistungen seien im Streitfall der Umsatzsteuer unterworfen worden, erbringe sie im Inland steuerbare und steuerpflichtige sonstige Leistungen gemäß § 3a Abs. 3 bzw. Abs. 3a in Verbindung mit § 3a Abs. 4 Nr. 14 UStG, sofern diese Dienstleistungen an im Inland ansässige Unternehmen bzw. Privatpersonen erbracht worden seien.

§ 3a Abs. 4 Nr. 12 UStG erfasse nicht Inhaltsleistungen, sondern Leistungen im Zusammenhang mit dem technischen Vorgang des Aussendens, Übermittelns und Empfangs von Nachrichten jeglicher Art in Form von Zeichen, Sprache, Bildern und Tönen mittels technischer Anlagen. Die steuerliche Beurteilung der Inhaltsleistungen richte sich vielmehr nach der Art der Leistung.

§ 3a Abs. 4 Nr. 14 UStG dagegen umfasse im Wesentlichen digitale Produkte, die Bereitstellung von Websites, die aufgrund spezifischer Dateneingabe des Leistungsempfängers von einem Computer automatisch generierte Dienstleistung über das Internet oder# ein elektronisches Netz sowie sonstige automatisierte Dienstleistungen, für deren Erbringung das Internet oder ein elektronisches Netz erforderlich sei (nähere Ausführungen in UStR Abschnitt 39c sowie Anhang L der Richtlinie 77/388/EWG). Die von dieser Vorschrift umfasste Leistung erfolge im Wesentlichen automatisiert, nur mit minimaler menschlicher Beteiligung und sei ohne Informationstechnologie nicht möglich.

Bei den Leistungen auf den Gebieten "aaa" und "MM" erhalte der Nutzer nach Eingabe seiner persönlichen Daten und Angaben bzw. Beantwortung der vorgesehenen Fragen online das Ergebnis über die Auswertung dieser Daten übermittelt, wofür die Antragstellerin eine einmalige Gebühr berechne. Das Ergebnis basiere auf der Grundlage spezifischer Dateneingaben des Kunden und werde in automatisierter Form erbracht. Eine menschliche Beteiligung sei zur Erbringung dieser Leistung nicht notwendig bzw. finde auch tatsächlich nicht statt. Es handele sich daher um eine auf elektronischem Wege erbrachte sonstige Leistung im Sinne von § 3a Abs. 4 Nr. 14 UStG. Der Umstand, dass diese Leistung in Form des Auswertungsergebnisses auch per Post, Fax oder Telefon übermittelt werden könne, sei hierbei unerheblich. Schließlich entspreche dies nicht dem tatsächlichen Ablauf. § 3a Abs. 4 Nr. 14 UStG solle gerade die Umsätze erfassen, die durch die Nutzung der neuen Informationstechnologie möglich geworden seien.

§ 3a Abs. 4 Nr. 14 UStG entspreche im Übrigen auch über den 30. Juni 2006 hinaus der Richtlinie 77/388/EWG. Schließlich sei mit der Verordnung (EG) Nr. 1777/2005 des Rates vom 17. Oktober 2005 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 77/388/EWG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (VO (EG) Nr. 1777/ 2005) u.a. auch zu Art. 9 Abs. 2 Buchst. e zwölfter Gedankenstrich Richtlinie 77/388/EWG eine für alle Mitgliedstaaten unmittelbare verbindliche Verordnung mit Wirkung ab 1. Juli 2006 (teilweise bereits ab 1. Juni 2006) erlassen worden. In Art. 11 VO (EG) Nr. 1777/2005 seien die auf elektronischem Wege erbrachten Dienstleistungen sowie in deren Art. 12 die nicht darunter fallenden Umsätze festgelegt bzw. definiert.

Auch bei den Leistungen auf dem Gebiet "SMS" sei § 3a Abs. 4 Nr. 14 UStG einschlägig. Zwar lägen keine konkreten Angaben zum Verlauf dieser Dienstleistungen vor. Die Möglichkeit des Nutzens per Internet falle aber auch unter § 3a Abs. 4 Nr. 14 UStG. § 3a Abs. 4 Nr. 12 UStG betreffe lediglich die reine Übermittlung der SMS. Selbst wenn im Streitfall § 3a Abs. 4 Nr. 12 UStG einschlägig sein sollte, müsse § 1 Abs. 1 Nr. 2 Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 2005 (UStDV) beachtet werden. Danach werde der Leistungsort bei Leistungen gemäß § 3a Abs. 4 Nr. 12 UStG abweichend von § 3a Abs. 1 UStG in das Inland verlagert, wenn diese, wie im Streitfall, dort genutzt bzw. ausgewertet würden.

Die Aussetzung der Vollziehung wegen unbilliger Härte komme nicht in Betracht. Die Antragstellerin hat weder eine solche vorgetragen noch lässt sie sich den Akten entnehmen.

II. 1. Der Antrag ist unbegründet. Der Antragsgegner hat zu Recht den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Umsatzsteuerbescheids für 2006 abgelehnt. Es bestehen weder ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit noch hätte seine Vollziehung für die Antragstellerin eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge.

a) Die Umsätze der Antragstellerin sind, entgegen ihrer Auffassung, nach summarischer Prüfung, im Inland ausgeführt worden und damit in Deutschland steuerbar. Der Ort der von ihr erbrachten sonstigen Leistungen in den Bereichen "aaa", "MM" und "SMS" liegt im Inland. Den unwidersprochenen Angaben des Antragsgegners zufolge wurden allein Umsätze, die in den genannten Bereichen erzielt wurden, im Streitzeitraum der Umsatzsteuer unterworfen.

Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 und 3 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel sind anzunehmen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts neben Umständen, die für die Rechtmäßigkeit sprechen, gewichtige Gründe zu Tage treten, die gegen die Rechtmäßigkeit sprechen, eine Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder eine Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen auslösen. Die summarische Prüfung, ob ernstliche Zweifel in diesem Sinne gegeben sind, erfolgt grundsätzlich nach Lage der Akten. Weitere Ermittlungen und Beweiserhebungen durch das Gericht bleiben - soweit erforderlich - einem eventuellen Hauptsacheverfahren vorbehalten.

Nach diesen Maßstäben liegen die Voraussetzungen für die Aussetzung der Vollziehung des streitbefangenen Umsatzsteuerbescheids nicht vor.

Entgegen der Ansicht der Antragstellerin kommt im Streitfall § 3a Abs. 1 Satz 1 UStG nicht zur Anwendung.

Die streitigen Leistungen in den Bereichen "aaa" und "MM" werden, anders als die Antragstellerin meint, von der abweichenden Regelung des § 3a Abs. 4 Nr. 14 in Verbindung mit Abs. 3 Satz 1 (Leistungsempfänger ist ein Unternehmer, was hier wohl weniger realistisch ist) bzw. Abs. 3a UStG (Leistungsempfänger ist Nichtunternehmer) erfasst.

Sonstige Leistungen im Sinne des § 3a Abs. 4 Nr. 14 UStG sind die auf elektronischem Wege erbrachten sonstigen Leistungen. Die elektronischen Dienstleistungen sind durch das Steuervergünstigungsabbaugesetz vom 16. Mai 2003 (Bundesgesetzblatt - BGBl. - I 2003, 660) zum 1. Juli 2003 als neue Nr. 14 in den Katalog des § 3a Abs. 4 UStG aufgenommen worden. Die Neuregelung beruht auf den zwingenden Vorgaben der Richtlinie 2002/38/EG. Die Formulierung "auf elektronischem Weg erbrachten sonstigen Leistungen" war zunächst nicht definiert worden, offensichtlich, um mit der rasanten Entwicklung in diesem Gebiet Schritt halten zu können. Maßgebend für die Auslegung ist aber das Ziel der Regelung, zur Vermeidung von Wettbewerbsnachteilen Leistungen, die ohne weiteres von einem beliebigen Ort außerhalb der Gemeinschaft auf elektronischem Wege erbracht werden können, am Verbrauchsort zu besteuern (Martin in Sölch/Ringleb, UStG, Stand: 4/2007, § 3a Rz. 219).

Art. 11 VO (EG) Nr. 1777/2005 konkretisiert die Formulierung für die Mitgliedstaaten nunmehr verbindlich. Nach dessen Abs. 1 umfasst die Formulierung "auf elektronischem Wege erbrachte Dienstleistungen" im Sinne von Artikel 9 Absatz 2 Buchst. e zwölfter Gedankenstrich sowie von Anhang L der Richtlinie 77/388/EWG Dienstleistungen, die über das Internet oder ein ähnliches elektronisches Netz erbracht werden, deren Erbringung aufgrund ihrer Art im Wesentlichen automatisiert und nur mit minimaler menschlicher Beteiligung erfolgt und ohne Informationstechnologie nicht möglich wäre. Dessen Abs. 2 zählt beispielhaft unter Abs. 1 fallende Dienstleistungen auf. Gemäß dessen Buchst. c fallen von einem Computer automatisch generierte Dienstleistungen über das Internet oder ein ähnliches elektronisches Netz auf der Grundlage spezifischer Dateninputs des Leistungsempfängers unter die Formulierung "auf elektronischem Wege erbrachte Dienstleistungen", wenn sie über das Internet oder ein ähnliches elektronisches Netz bewirkt werden. Zudem verweist er in Buchst. f auf die in Anhang I genannten Dienstleistungen. In dessen Nr. 3 Buchst. g werden Online-Informationen genannt, die automatisch anhand spezifischer, vom Leistungsempfänger eingegebener Daten, etwa aus dem Rechts- oder Finanzbereich generiert werden (z.B. Börsendaten in Echtzeit).

Nach Auffassung des Gerichts fallen die von den Beteiligten beschriebenen Leistungen in den Bereichen "aaa" und "MM" exakt unter die genannten Fallgruppen. Der Nutzer erhält nach Eingabe seiner persönlichen Daten und Angaben bzw. Beantwortung der vorgesehenen Fragen online das Ergebnis über die Auswertung dieser Daten übermittelt. Das Ergebnis basiert auf der Grundlage der spezifischen Dateneingaben des Kunden und wird in automatisierter Form erbracht. Eine menschliche Beteiligung ist zur Erbringung dieser Leistung nicht notwendig und findet tatsächlich auch nicht statt. Diese Schlussfolgerung deckt sicht mit der Intention des § 3a Abs. 4 Nr. 14 UStG, dass nur virtuelle Güter oder digitalisierte Produkte in seinen Anwendungsbereich fallen, bei denen die eigentliche Leistungserbringung tatsächlich auf elektronischem Wege erfolgt (Kossack, in Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, Stand: 8/2007, § 3a Rz. 103b).

Unterstellt, die Leistungsempfänger sind Nichtunternehmer, wird die Leistung, da es sich bei ihnen unstreitig um Inländer und bei der Antragstellerin um ein Unternehmen in der Schweiz, also im Drittlandsgebiet, handelt, gemäß § 3a Abs. 3a UStG dort ausgeführt, wo sie ihren Wohnsitz haben. Der Leistungsort liegt danach in Deutschland.

Bei der Einordnung der streitigen Leistungen im Bereich "SMS", die von den Beteiligten nicht genau beschrieben wurden, spielt es für die Bestimmung des Leistungsorts letztlich keine Rolle, ob die Leistung der Antragstellerin unter die Regelung des § 3a Abs. 4 Nr. 14 UStG in Verbindung mit Abs. 3 Satz 1 (Leistungsempfänger ist ein Unternehmer) bzw. Abs. 3a UStG (Leistungsempfänger ist Nichtunternehmer) oder die des § 3a Abs. 4 Nr. 12 UStG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Nr. 2 UStDV zu subsumieren ist. In beiden Fällen liegt der Leistungsort in Deutschland.

Ist die Leistung vom Anwendungsbereich des § 3a Abs. 4 Nr. 14 UStG umfasst, ergibt sich dieses aus den bereits oben dargelegten Gründen, für die als Nichtunternehmer einzustufenden Leistungsempfänger aus § 3 Abs. 3a UStG, für die als Unternehmer tätigen Leistungsempfänger aus § 3a Abs. 3 Satz 1 UStG.

Sollte die Leistung unter den Anwendungsbereich des § 3a Abs. 4 Nr. 12 UStG subsumiert werden können, ist § 1 Abs. 1 Nr. 2 UStDV zu beachten. Danach ist eine sonstige Leistung, die in § 3a Abs. 4 Nr. 12 UStG bezeichnet ist, abweichend von § 3a Abs. 1 UStG als im Inland ausgeführt zu behandeln, wenn sie dort genutzt oder ausgewertet wird. Abzustellen ist danach nicht auf die Frage, ob der Leistungsempfänger Unternehmer oder Nichtunternehmer ist. Da keine gegenteiligen Angaben dazu gemacht wurden, geht das Gericht davon aus, das die Leistungen im Bereich "SMS" von den Leistungsempfängern im Inland genutzt oder ausgewertet worden sind. Leistungsort ist folglich auch bei dieser Konstellation Deutschland.

b) Eine Aussetzung der Vollziehung kommt im Streitfall auch unter dem Gesichtspunkt einer unbilligen Härte im Sinne von § 69 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 3 FGO nicht in Betracht. Eine unbillige Härte liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn durch die sofortige Vollziehung dem Steuerpflichtigen Nachteile drohen würden, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und nicht oder nur schwer wieder gut zu machen sind oder aber wenn gar die wirtschaftliche Existenz des Steuerpflichtigen durch die sofortige Vollziehung gefährdet würde. Dieses wurde so weder von der Antragstellerin vorgetragen noch lässt es sich den Akten entnehmen.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 FGO.

3. Die Beschwerde an den Bundesfinanzhof (BFH) war wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 128 Abs. 2 in Verbindung mit § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen. Zur Auslegung des § 3a Abs. 4 Nr. 14 UStG ist vom BFH, soweit ersichtlich, bisher keine Entscheidung ergangen. Diese ist über den Einzelfall hinaus von Bedeutung.

Ende der Entscheidung

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