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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 26.03.2008
Aktenzeichen: 2 K 110/07
Rechtsgebiete: VO Nr. 1408/71 EWG, EStG


Vorschriften:

VO Nr. 1408/71 EWG Art. 75 Abs. 2
EStG § 66
Kein Anspruch auf volles Kindergeld nach EStG bei Verweigerung des Unterhalts durch in der Schweiz lebenden Kindesvater: Anspruch der nicht erwerbstätigen Mutter auf Differenzkindergeld, Diskriminierung, Anspruch auf Abzweigung der schweizerischen Familienleistungen nach Art. 75 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 1408/71
Finanzgericht Baden-Württemberg

2 K 110/07

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Anspruch auf Kindergeld der Mutter nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) wegen Erwerbstätigkeit des Vaters in der Schweiz zu kürzen ist.

Die seit Dezember 2001 geschiedene, nicht erwerbstätige Klägerin ist deutsche Staatsangehörige und Mutter von fünf Kindern. Unter dem 5. Februar 2007 beantragte sie bei der beklagten Bundesagentur für Arbeit - Familienkasse - u.a. Kindergeld für den am 5. Februar 2007 geborenen Sohn S. Weder in dem Antrag auf Kindergeld noch in der Geburtsbescheinigung des Standesamts X vom 9. März 2007 sind Angaben zum Vater des Kindes enthalten. Auf Anfrage teilte die Klägerin der Familienkasse mit, der Vater ihres Sohnes sei der am 22. November 1975 geborene A. H., der in Y/Schweiz, B-str. 5 wohne. Um darüber entscheiden zu können, ob ein Anspruch der Klägerin auf Kindergeld besteht, obwohl der Vater des Kindes in der Schweiz lebt und arbeitet und dort einen Anspruch auf dem Kindergeld vergleichbare Leistungen hat, übersandte die Familienkasse der Klägerin einen Vordruck mit einer vom Arbeitgeber des Kindesvaters zu erteilenden Bescheinigung. Gleichzeitig wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass der Antrag abgewiesen werden müsse, falls die entsprechenden Angaben nicht bis 10. Juni 2007 gemacht würden. In einem weiteren Antrag ("2. Antragswiederholung") auf Kindergeld vom 9. Mai 2007 gab die Klägerin bezüglich ihres Sohnes S an, "weiß nicht, wo der Vater lebt, habe keinen Kontakt". Nachdem die Klägerin den Vordruck mit der erbetenen Bescheinigung des Schweizer Arbeitgebers nicht einreichte und auch sonst keine Angaben machte, setzte die Familienkasse durch Bescheid vom 24. Mai 2007 ab Februar 2007 für das Kind S Kindergeld in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen der niedrigeren Schweizer Kinderzulage und dem höheren deutschen Kindergeld fest. Wegen der Berechnung des Unterschiedsbetrags in Höhe von 48,77 Euro monatlich wird auf die Anlage zu dem Bescheid vom 24. Mai 2007 Bezug genommen.

Hiergegen legte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 6. Juni 2007 Einspruch ein mit dem Antrag, rückwirkend ab Antragstellung Kindergeld in voller Höhe zu zahlen. Das Kind lebe ausschließlich bei seiner Mutter, mit dem Vater bestehe keine Lebensgemeinschaft. Gemäß § 3 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) stehe das Kindergeld grundsätzlich demjenigen zu, in dessen Haushalt das Kind lebe. Hiervon könne auch dann keine Ausnahme gemacht werden, wenn der nicht im Haushalt lebende Vater einer Tätigkeit im Ausland nachgehe. Dies wäre eine zufällige Schlechterstellung des alleinerziehenden Elternteils, was ohne hinreichenden Sachgrund nicht gerechtfertigt wäre. Die bezugsberechtigte Mutter habe keine Möglichkeit, an einem Bezug von Kindergeld durch den Vater zu partizipieren.

Durch Entscheidung vom 12. Juni 2007 wies die Familienkasse den Einspruch als unbegründet zurück. Die Klägerin erfülle zwar die Voraussetzungen für einen Anspruch auf steuerrechtliches Kindergeld gemäß § 62 Abs. 1 EStG. Für das Kind bestehe jedoch zugleich ein Anspruch auf Kindergeld in der Schweiz. Nach dem hier anzuwendenden Recht der Europäischen Union (EU), welches dem nationalen Recht vorgehe, sei der Anspruch auf Kindergeld im Land der Erwerbstätigkeit des Vaters vorrangig. Der Anspruch auf Kindergeld der nicht erwerbstätigen Klägerin im Wohnland des Kindes ruhe bis zur Höhe des Kindergeldanspruchs im Ausland, hier der Schweiz. Demnach bestehe ein Anspruch der Klägerin auf sogenanntes Differenzkindergeld i.H.v. 48,77 Euro monatlich, der sich wie folgt errechne: Deutsches Kindergeld i.H.v. 154 Euro abzüglich schweizerische Kinderzulage i.H.v. 170 sfr. (= 105,23 Euro).

Mit der am 25. Juni 2007 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihren Anspruch auf Zahlung eines ungekürzten Kindergelds nach dem EStG weiter. Zur Begründung lässt sie folgendes vortragen: Die Familienkasse kürze das Kindergeld, weil der Vater in der Schweiz arbeite. Dabei werde außer acht gelassen, dass sie alleinerziehende Mutter sei und mit dem Vater keinerlei Kontakt habe. Der Vater lebe nicht bei der Familie. Anspruchsberechtigte sei daher ausschließlich sie. Die Berücksichtigung der möglichen Kindergeldbezüge durch den Vater in der Schweiz scheitere bereits daran, dass nur dann eine Anrechnung möglich sei, wenn eine anspruchsberechtigte Person eine Erwerbstätigkeit in einem anderen Staat - hier der Schweiz - ausübe. Der Vater sei aber nicht anspruchsberechtigt, da er nicht mit dem Kind zusammenlebe. Dies ergebe sich eindeutig aus § 3 BKGG.

Die Berücksichtigung des Vaters bei der Berechnung des Kindergelds durch die Familienkasse bedeute eine Ungleichbehandlung. Vergleichsgruppe seien alleinerziehende Mütter, die den Vater des Kindes nicht angeben könnten. Solche Mütter erhielten bei Erwerbstätigkeit des Vaters im Ausland ohne Weiteres das ungekürzte Kindergeld. Vergleichsgruppe seien weiter alleinerziehende Mütter, die selbst einer Erwerbstätigkeit in Deutschland nachgingen. Auch diese wären berechtigt, ungekürztes Kindergeld zu erhalten. Ebenso wie die Mütter in den benannten Vergleichsgruppen partizipiere sie nicht an den eventuellen Einkünften des Vaters ihres Sohnes in der Schweiz, obgleich auch die Väter zumindest der zweiten Vergleichsgruppe gegebenenfalls entsprechendes Einkommen erzielen könnten. Allerdings könne der Vater keine Schweizer Kinderleistungen erhalten, wenn er mit dem Kind nicht in Haushaltsgemeinschaft lebe.

Die Klägerin beantragt, den Bescheid vom 24. Mai 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. Juni 2007 zu ändern und für das Kind S ab Februar 2007 Kindergeld in ungekürzter Höhe zu gewähren.

Die Familienkasse beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Einspruchsentscheidung Bezug und erwidert auf das Klagevorbringen, der Aussetzung bzw. Minderung des nachrangigen deutschen Anspruchs auf Kindergeld könne nicht entgegengehalten werden, dass die ausländische Familienleistung tatsächlich nicht gezahlt werde. Einem ganzen oder teilweisen Ruhen des nachrangigen deutschen Kindergeldanspruchs stehe nach dem Rechtsgedanken des Artikel 76 Abs. 2 der Verordnung - VO - (EWG) Nr. 1408/71 nicht entgegen, dass die in einem anderen Staat vorgesehenen Leistungen nicht beantragt worden seien bzw. ein gestellter Antrag wieder zurückgenommen oder auf den festgestellten Anspruch verzichtet worden sei. Diese Vorschrift solle gerade verhindern, dass das Zuständigkeitssystem des Rechts der EU durch Verzicht auf die Antragstellung umgangen werden könne. Der Vortrag der Klägerin, der Vater des Kindes lebe nicht bei der Familie, sei unbeachtlich. Denn in § 65 EStG komme es nicht auf die Haushaltsaufnahme an. Ein Anspruch auf das volle deutsche Kindergeld bestehe somit nicht.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, sie ist jedoch nicht begründet.

Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig. Die Familienkasse hat in diesem für das Kind S der Klägerin zutreffend lediglich ein sogenanntes Differenzkindergeld festgesetzt. Nach den europarechtlichen Konkurrenzvorschriften ruhte der Anspruch der Klägerin auf deutsches Kindergeld in Höhe des Anspruchs des Vaters des Kindes auf Schweizer Familienleistungen. Die Klägerin hat demnach lediglich Anspruch auf den Unterschiedsbetrag zwischen der Schweizer Kinderzulage und dem höheren Kindergeld nach § 66 EStG (sogenanntes Teil- oder Differenzkindergeld).

Nach dem Abkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit vom 21. Juni 1999 (Bundesgesetzblatt II 2001, 810 ff.), das am 2. September 2001 als Gesetz beschlossen worden ist (Bundesgesetzblatt II 2001, 810), gilt seit dem In-Kraft-Treten am 1. Juni 2002 (Bundesgesetzblatt II 2002, 1692) im Verhältnis zwischen Deutschland und der Schweiz die Verordnung - VO - (EWG) Nr. 1408/71 und die VO (EWG) Nr. 574/72 (Anhang II, Bundesgesetzblatt II 2001, 822).

Der nicht erwerbstätigen Klägerin, die mit ihrem Sohn in Deutschland wohnt, steht Kindergeld nach dem EStG nicht in voller Höhe zu.

Nach den Angaben der Klägerin wohnt und arbeitet der Vater ihres Sohnes S in der Schweiz. Nach den Rechtsvorschriften der Schweiz hat der erwerbstätige Vater Anspruch auf kantonalrechtliche Familienleistungen für seinen Sohn (vgl. Schreiben des Bundesamts für Finanzen vom 14. Februar 2002, BStBl I 2002, 241, Anlage Schweiz, Seiten 257 ff.). Dass ein solcher Anspruch nicht besteht, hat die Klägerin nicht substantiiert dargelegt. Ihre Rechtsauffassung, dem Vater ihres Kindes stehe nach § 3 BKGG kein Kindergeldanspruch zu, ist unerheblich. Der Klägerin wurde von der Familienkasse aufgegeben, eine Bescheinigung des Schweizer Arbeitgebers des Vaters ihres Sohnes über bezahlte Familienleistungen vorzulegen oder hierzu entsprechende Angaben zu machen. Dieser Aufforderung ist die Klägerin nicht nachgekommen, obwohl sie hinsichtlich des aufzuklärenden Auslandssachverhalts eine über die allgemeine prozessuale Mitwirkungspflicht des § 76 Abs. 1 Sätze 2 und 3 Finanzgerichtsordnung (FGO) hinausgehende erhöhte Mitwirkungspflicht trifft (§ 90 Abs. 2 Abgabenordnung (AO). Die Klägerin hätte die Möglichkeit gehabt, beim Schweizer Arbeitgeber oder erforderlichenfalls bei der Sozialversicherungsanstalt des Kantons Y Auskunft einzuholen. Sie trägt die Feststellungslast für das Bestehen der Voraussetzungen ihres Kindergeldanspruchs in voller Höhe. Dem Finanzgericht ist es verwehrt, den Sachverhalt im Ausland weiter aufzuklären.

Ein Anspruch des Vaters auf kantonalrechtliche Familienleistungen mindert den Anspruch der Klägerin auf deutsches Kindergeld.

Ansprüche auf Familienleistungen, mithin Kindergeld, sind in der Schweiz von einer Erwerbstätigkeit abhängig, in Deutschland hingegen nicht. Fälle, in denen - wie hier - die Familienleistung im Wohnland des Kindes nicht von der Ausübung einer Erwerbstätigkeit abhängt, werden durch Artikel 10 VO (EWG) Nr. 574/72 geregelt. Nach Artikel 10 Abs. 1 a VO (EWG) Nr. 574/72 ruht der Anspruch der nicht erwerbstätigen Mutter auf Familienleistungen im Wohnland der Kinder bis zur Höhe der im Beschäftigungsland auf Grund innerstaatlicher Vorschriften oder nach Artikel 73 VO (EWG) Nr. 1408/71 geschuldeten Familienleistungen. Diese Regelungen der EU haben auch Anwendungsvorrang vor § 65 Abs. 1 Nr. 2 EStG (vgl. Urteile des Finanzgerichts Münster vom 14. Juni 2002 11 K 4301/00 Kg, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2002, 1208, sowie vom 10. April 2000 4 K 5787/98 Kg, EFG 2000, 878).

Im Streitfall folgt aus der Anwendung dieser Vorschrift, dass der Anspruch des Vaters auf kantonalrechtliche Kinderzulage vorrangig ist. Das nach deutschem Recht gewährte Kindergeld, das nicht von der Ausübung einer Berufstätigkeit abhängig, sondern als Steuervergütung im Rahmen des Familienleistungsausgleichs ausgestaltet ist (§ 31 Abs. 1 Satz 3 EStG), ruht daher bis zur Höhe der Familienleistung des Kantons Y. Auf den Unterschiedsbetrag zu dem Kindergeld nach deutschem Recht hat die Klägerin jedoch nach Artikel 10 Abs. 1 a der VO (EWG) Nr. 574/72 einen Rechtsanspruch. Dass die Berechnung des Unterschiedsbetrags unter Anrechnung der Kinderzulage nach dem Recht des Kantons Y von der Familienkasse rechtsfehlerhaft vorgenommen wurde, hat die Klägerin nicht behauptet. Dies ist auch sonst nicht ersichtlich.

Die von der Klägerin gegen die Kürzung des deutschen Kindergeldanspruchs erhobenen Einwendungen greifen nicht durch.

Wie dargelegt, werden die Konkurrenzen zwischen Ansprüchen auf Familienleistungen im Wohnland der Kinder und in einem anderen Mitgliedstaat der EU vorliegend durch Art. 10 Abs. 1 der VO (EWG) Nr. 574/72 geregelt. Diese Rangfolge des europäischen Rechts geht den innerstaatlichen Vorrangregelungen (§ 64 EStG, § 3 BKGG) - wie ausgeführt - vor. Dies verkennt die Klägerin. Der Kindergeldanspruch der nicht erwerbstätigen Mutter, die das Kind - wie die Klägerin - in Deutschland betreut, ruht bis zur Höhe der Familienleistung, die dem erwerbstätigen Vater in der Schweiz zusteht, obwohl § 64 EStG und § 3 BKGG bei gleichzeitiger Berechtigung von Vater und Mutter nach dem Obhutsprinzip das Kindergeld der Mutter zusprechen würden, die das Kind in ihrer Obhut hat.

Die Gewährung des Differenzkindergeldes in Fällen, in denen nur ein Elternteil im Ausland arbeitet, ist nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) im Beschluss vom 8. Juni 2004 2 BvL 5/00 (BVerfG E 110, 412, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFH - BFH/NV 2005, Beilage 1, 33) eine Folge des besonderen Diskriminierungsschutzes der gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten. Denn der Elternteil, der nicht im Ausland arbeitet und dessen Anspruch auf Kindergeld nach dem EStG deshalb nicht durch das ausländische Recht ausgeschlossen wird, soll nicht dadurch benachteiligt werden, dass der andere Elternteil wegen seiner Beschäftigung im Ausland das niedrigere Kindergeld nach ausländischem Recht erhält.

Die Nichtgewährung des ungekürzten deutschen Kindergelds verstößt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht gegen den europarechtlichen Gleichheitssatz.

Nach dem allgemeinen Gleichheitssatz, der zu den Grundprinzipien des Gemeinschaftsrechts gehört und auch den Gesetzgeber bindet, dürfen vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich behandelt werden, es sei denn, die unterschiedliche Behandlung ist sachlich gerechtfertigt (vgl. Grabitz/Hilf, Das Recht der EU, nach Artikel 6 EUV Randnummer 9 mit Rechtsprechungsnachweisen). Der allgemeine Gleichheitssatz verbietet es jedoch nur, wesentlich gleiches ungleich (und wesentlich ungleiches gleich) zu behandeln. Dies ist vorliegend nicht geschehen.

Die Sachverhalte, die nach Auffassung der Klägerin zu Unrecht ungleich behandelt werden, sind nicht vergleichbar, d.h. wesentlich gleich. Denn der Sachverhalt, dass der Vater des Kindes nicht bekannt ist, unterscheidet sich erheblich von dem vorliegenden Sachverhalt, in welchem der Vater bekannt ist, jedoch in einem Mitgliedstaat lebt. Dies gilt auch für den von der Klägerin angeführten Sachverhalt, dass eine alleinerziehende Mutter - anders als im Streitfall - in Deutschland erwerbstätig ist. Da es sich mithin nicht um wesentlich gleiche Sachverhalte handelt, ist eine Gleichbehandlung durch den Gesetzgeber nicht geboten. Im Übrigen reicht es wegen des grundsätzlich weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers bei sozialen Leistungen aus, wenn die zu prüfende Regelung - wie hier - dem Maßstab des bloßen Willkürverbots genügt (Grabitz/Hilf, a.a.O., Randnummer 167 mit Rechtsprechungsnachweisen).

Mit der Einwendung, der in der Schweiz lebende Vater ihres Sohnes leiste keinen Unterhalt, kann die Klägerin im vorliegenden Verfahren nicht gehört werden.

Die Mutter hat nach Artikel 75 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 1408/71 zwar einen Anspruch auf Auszahlung der dem Vater gezahlten Familienleistung, wenn dieser die ihm zustehende Familienleistung nicht für den Kindesunterhalt verwendet. Die Vorschrift sieht jedoch ein besonderes Abzweigungsverfahren unter Einschaltung des Trägers der Familienleistungen am Wohnort der Familienangehörigen vor. Voraussetzung für die Anwendung dieses Verfahrens ist, dass der Kindergeldberechtigte das Kindergeld nicht für den Kindesunterhalt verwendet. Auch der deutschen Familienkasse steht nach Artikel 75 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 1408/71 das Antragsrecht auf Abzweigung der ausländischen Familienleistungen zu, die nach Artikel 73, 74 der VO (EWG) Nr. 1408/71 für in Deutschland lebende Kinder gezahlt werden. Wenn die Familienkasse von der in Deutschland anspruchsberechtigten Person, deren Kindergeldanspruch nach Artikel 10 VO (EWG) Nr. 574/72 ganz oder teilweise ruht, erfährt, dass der Empfänger dieser Leistung seinen Unterhaltsverpflichtungen nicht nachkommt, kann sie die Abzweigung der nach Artikel 73, 74 VO (EWG) Nr. 1408/71 gezahlten ausländischen Familienleistungen über die deutsche Verbindungsstelle, die Bundesagentur für Arbeit, beantragen (Helmke/Bauer, Familienleistungsausgleich, Kommentar, Fach D I. Kommentierung Europarecht Artikel 75 VO Nr. 1408/71 Randziffer 6). Der ausländische Träger kann nach Anhörung des Kindergeldberechtigten an die Deutsche Familienkasse zahlen, die das Kindergeld an die Klägerin weiterzuleiten hätte.

Der Klägerin bleibt es unbenommen, bei Vorliegen der dargelegten Voraussetzungen in einem selbständigen Verfahren einen solchen Antrag bei der Familienkasse zu stellen.

Im vorliegenden Verfahren, in welchem nur über einen (eigenen) Anspruch der Klägerin auf Kindergeld zu befinden ist, kann eine Abzweigung des Kindergeldanspruchs des Vaters nicht geltend gemacht werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

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