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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 28.01.2009
Aktenzeichen: 2 K 582/07
Rechtsgebiete: AO, EStG


Vorschriften:

AO § 175 Abs. 1
EStG § 10e Abs. 1
EStG § 34
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand:

Streitig ist der Umfang der Änderbarkeit eines Einkommensteuerbescheids nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO), die Gewährung der Grundförderung nach § 10 e Einkommensteuergesetz (EStG) sowie die Versteuerung der Kapitaleinkünfte.

Die Kläger sind Eheleute, die für das Streitjahr 1996 vom beklagten Finanzamt (FA) durch erstmaligen Bescheid vom 1. April 1998 zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Die Kläger haben drei gemeinsame zwischen 1993 und 1997 geborene Kinder. Der Kläger ist Dipl.-Ingenieur. Aus seiner Beteiligung an einer Personengesellschaft erzielte er im Jahr 1996 gewerbliche Einkünfte i.H.v. 782.485 DM. Daneben war er an der X Verwaltungsgesellschaft mbH & Co. Y OHG, Z, beteiligt. Aus dieser Beteiligung des Klägers berücksichtigte das FA in dem Einkommensteuerbescheid vom 1. April1998 gesondert festgestellte negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i.H.v. 180.786 DM.

Im Änderungsbescheid vom 4. Oktober 2005 stellte das FA Z die Beteiligungseinkünfte des Klägers aus Vermietung und Verpachtung i.H.v. ./. 147.330,68 DM fest. Zur Berücksichtigung dieser Beteiligungseinkünfte wurde der Einkommensteuerbescheid 1996 der Kläger am 16. November 2005 nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geändert. In diesem Änderungsbescheid wurden die Kapitaleinkünfte der Kläger weiterhin erklärungsgemäß i.H.v. 19.357 DM angesetzt. Für den Veranlagungszeitraum 1996 ergab sich ein Gesamtbetrag der Einkünfte i.H.v. 245.582 DM, so dass der Abzugsbetrag nach § 10 e EStG wegen Überschreitens der maßgeblichen Grenze von 240.000 DM nicht mehr gewährt wurde. Die für das Jahr 1996 erklärten Krankenversicherungsbeiträge i.H.v. 9.558 DM sowie Lebensversicherungsbeiträge i.H.v. 46.354 DM ließ das FA mit dem gesetzlichen Höchstbetrag gemäß § 10 Abs. 3 EStG i.H.v. 19.830 DM zum Abzug zu.

Mit dem hiergegen am 2. Dezember 2005 eingelegten Einspruch wandten sich die Kläger gegen die volle Versteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen, die Versagung der Steuerbegünstigung nach § 10 e EStG, die Aberkennung der Steuerermäßigung nach § 34 f EStG und die beschränkte Abzugsfähigkeit der Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 3 EStG. Durch Entscheidung vom 15. Juni 2007, auf die Bezug genommen wird, wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück.

Zur Begründung der am 16. Juli 2007 erhobenen Klage lassen die Kläger im Wesentlichen folgendes vortragen: Streitig sei, in welchem Umfang die bei der Einkommensteuer 1996 eingetretene Festsetzungsverjährung durch den Feststellungsbescheid vom 4. Oktober 2005 gemäß § 171 Abs. 10 AO im Ablauf gehemmt worden sei. Nur die Einkommensteuer 1996 könne festgesetzt und gefordert werden, die durch die Verringerung des Verlustanteils von 180.786 DM auf 147.331 DM ausgelöst werde. Die eingetretene Festsetzungsverjährung bei der Einkommensteuer 1996 sowie der Regelungsinhalt des § 171 Abs. 10 AO ließen es nicht zu, die Grundförderung nach § 10 e EStG über 19.800 DM und das Baukindergeld nach § 34 f EStG i.H.v. 2.000 DM zu versagen. Weder die einkommensteuerliche Grundförderung des § 10 e EStG noch die Einkommensteuerermäßigung des § 34 f EStG würden sachlich und betragsmäßig vom Tenor des Grundlagenbescheides vom 4. Oktober 2005 umfasst und erst recht nicht verbindlich gesondert festgestellt. Die allein im EStG geregelten Bestimmungen des § 10 e Abs. 5 a EStG könnten nicht mehr angewandt werden, da die zwischenzeitlich eingetretene einkommensteuerliche Festsetzungsverjährung der Einkommensteuer 1996 dem entgegenstehe. Noch vielmehr gelte dies hinsichtlich der Vorschrift des § 34 f EStG, da es sich hierbei nicht um unselbständige oder gesondert festzustellende Besteuerungsgrundlagen handle, sondern um eine allein im Rahmen der persönlichen Einkommensteuerfestsetzung anzusetzende Steuerermäßigung, welche von der tariflich festgesetzten Steuer abzuziehen sei und bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte bzw. des zu versteuernden Einkommens keine Berücksichtigung finde. Die Steuerermäßigung nach § 34 f EStG könne gesetzessystematisch niemals Gegenstand einer einheitlichen und gesonderten Feststellung von Vermietungseinkünften sein und somit in keinem Fall vom Ausspruch dieses Grundlagenbescheids erfasst werden (§ 180 Abs. 1 Nr. 2 a AO). Diese Gesetzesfolge stehe der "absoluten" Anpassungsverpflichtung des § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO sowie dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 29. Juni 2005 X R 31/04 (Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 2005, 1749) keineswegs entgegen. Im Übrigen sei gegen diese Entscheidung das Verfahren beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) 2 BvR 1465/05 anhängig. Soweit ersichtlich, sei ein höchstrichterliches Urteil, welches die hier gegebene Fallgestaltung zum Inhalt habe, noch nicht ergangen. Diejenigen Einkommensteuerbeträge 1996, die auf Besteuerungsgrundlagen und Steuerermäßigungen beruhten, die nicht vom materiellrechtlichen Regelungsumfang des Grundlagen-/Feststellungsbescheids erfasst seien, seien ummantelt, sozusagen erstarrt in der eingetretenen Festsetzungsverjährung des Folgebescheids.

Zur Gleichstellung der Wirkung des Strafbefreiungserklärungsgesetzes vom 23. Dezember 2003 (StraBEG) werde beantragt, dass die erklärten Einkünfte aus Kapitalvermögen, soweit sie bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte des Jahres 1996 einbezogen worden seien (7.328 DM), aus dieser Betragsermittlung und gleichzeitigen Bezugsgröße u.a. für die Gewährung der Förderung nach § 10 e EStG ausgeschieden, d.h. herausgelöst würden. Die Einnahmen aus Kapitalvermögen i.H.v. 19.528 DM seien nach einem typisierenden Abschlag von 40 v.H. = 7.811,20 DM mit der verbleibenden Bemessungsgrundlage von 11.716,80 DM einer 25%igen Abgeltungssteuer (2.929,20 DM) zu unterwerfen. Die tarifliche Steuerbelastungsdifferenz zur bisherigen Besteuerungsform liege bei rund 470 DM. Durch die Einbeziehung der erklärten Einkünfte aus Kapitalvermögen in die Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte i.S.d. § 2 Abs. 3 EStG werde die Bezugsgröße des § 10 e Abs. 5 a EStG überschritten. Die auf Grund der Steuerehrlichkeit und der Ungleichheit in den Besteuerungsformen bestehende Steuermehrbelastung betrage im Ergebnis 20.281,80 DM. Eine derart krasse Benachteiligung steuerehrlicher Steuerpflichtiger gegenüber der Wirkung, die die Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen 1996 nach dem StraBEG zur Folge gehabt hätte, stelle einen illegitimen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) dar. Zur weiteren Begründung werde auf den Vorlagebeschluss des Finanzgerichts Köln vom 22. September 2005 10 K 1880/05, auf das anhängige Verfahren beim BverfG 2 BvL 14/05 und auf die Ausführungen in Tipke/Kruse, AO und Finanzgerichtsordnung (FGO), Vor StraBEG Randziff. 3, mit weiteren Nachweisen, verwiesen. Es werde darauf hingewiesen, dass es nicht nur um die mögliche Anwendung des niedrigeren Einkommensteuertarifs nach dem StraBEG gehe, sondern vielmehr um die Herauslösung der Einkünfte aus Kapitalvermögen bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte des Jahres 1996.

Bei der Beurteilung des Streitpunkts, ob die (geringfügige) Überschreitung des Gesamtbetrags der Einkünfte als Grenzbetrag i.S.d. § 10 e Abs. 5 a EStG zur völligen Versagung der Wohnungseigentumsförderung nach § 10 e Abs. 1 EStG und zur Aberkennung des "Baukindergelds" nach § 34 f EStG führe, sei insbesondere die Entscheidung des Finanzgerichts Niedersachsen vom 23. Februar 2006 1 K 76/04 (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2006, 1592) heranzuziehen. In diesem Urteil habe das Gericht entschieden, dass die sogenannte "Fallbeilwirkung", wonach die Überschreitung des Grenzbetrags nur um einen Euro (DM) zur völligen Versagung einer Förderung/Steuerbegünstigung führe, verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen sei. Eine solche Regelung stelle einen Verstoß gegen die aus dem GG abgeleiteten verfassungsrechtlichen Gebote der Systemgerechtigkeit, der Widerspruchsfreiheit und der Verhältnismäßigkeit dar und verletzte außerdem das Verbot gleichheitswidriger Progressionssprünge. Bei einer nur geringfügigen Überschreitung des Einkunftsgrenzbetrags seien die Bestimmungen des EStG verfassungskonform durch eine Härtefallregelung, ggf. in Form eines Abschmelzungsbetrags, zu ergänzen und anzuwenden. Dies umso mehr, wenn - wie im Streitfall - mehrere Kinder der Haushaltsgemeinschaft angehörten und diese bei der Bemessung des Grenzbetrags in keiner Weise berücksichtigt würden.

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuer-Änderungsbescheid 1996 vom 16. November 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung zu ändern und die Einkünfte aus Kapitalvermögen nach StraBEG zu berücksichtigen, die Steuervergünstigung nach § 10 e Abs. 1 EStG und die Steuerermäßigung nach § 34 f EStG zu gewähren, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es erwidert auf das Klagevorbringen folgendes: Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 1996 habe auf Grund der Änderung des Grundlagenbescheids in dem verfügten Umfang geändert werden können. Vorliegend sei die maßgebende Entscheidung (Verringerung des Verlusts und dadurch automatisch Erhöhung der Einkunftsgrenze des Folgebescheids) konkludent bereits in der ersten Stufe, nämlich im Grundlagenbescheid getroffen worden. Alle Inhalte des Folgebescheids seien an die geänderten Feststellungen des Grundlagenbescheids anzupassen. Die Änderung könnte sich somit auch auf andere Besteuerungsgrundlagen des Folgebescheids erstrecken, wenn die Änderung des Grundlagenbescheids - wie hier - diese im Gefolge habe (Tipke/Kruse, a.a.O., § 175 AO Tz. 13 sowie Urteil des BFH vom 17. März 1961 VI 67/60 U, BStBl III 1961, 427). Eine derartige - automatische - Folgewirkung liege vor, wenn bei einer Änderung nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO die Einkommensgrenze des § 10 e Abs. 5 a EStG überschritten werde. In diesem Fall sei die Förderung nach 10 e bzw. § 34 f EStG zu korrigieren. Das von den Klägern angeführte Urteil des BFH vom 22. August 2007 X R 39/02 (BStBl II 2008, 4) könne nicht zu einer anderen rechtlichen Beurteilung hinsichtlich der Anpassung an den Grundlagenbescheid führen, da der Sachverhalt des dortigen Urteils ein ganz anderer sei. Dort sei darüber zu entscheiden gewesen, ob sich auch dann eine Bindungswirkung an einen Grundlagenbescheid ergebe, wenn eine Feststellung zur Tarifbegrenzung in diesem Bescheid gar nicht getroffen sei. Diese Problematik liege hier jedoch nicht vor. Alle im Folgebescheid umgesetzten Grundlagen seien auch im Grundlagenbescheid so enthalten. Insoweit gehe der Hinweis ins Leere. Im Übrigen sei es nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber die Förderung ab einem für Ehegatten geltenden Gesamtbetrag der Einkünfte von 240.000 DM ohne gleitende Übergangsregelung ausgeschlossen habe. Bei § 10 e EStG handle es sich um eine Subventionsvorschrift. Bei einer solchen sei dem Gesetzgeber eine weitgehende Gestaltungsfreiheit eingeräumt. Im Rahmen dieser habe sich der Gesetzgeber bei der Regelung der Obergrenze von 240.000 DM gehalten.

Auf die Besteuerung der von den Klägern erklärten Einkünfte aus Kapitalvermögen sei das StraBEG nicht anzuwenden. Dieses sei am 30. Dezember 2003 in Kraft getreten. Seit dem 1. Januar 2004 könnten strafbefreiende Erklärungen im Sinne dieses Gesetzes abgegeben werden. Das Finanzgericht Köln habe zwar mit Vorlagebeschluss vom 22. September 2005 10 K 1880/05 die Frage, inwieweit das Strafbefreiungsgesetz mit den §§ 20 Abs. 1 und 32 a EStG vereinbar sei, dem BVerfG im Verfahren 2 BvL 14/05 vorgelegt. Allein dadurch könnten aber keine ernstlichen Zweifel an der bestehenden gesetzlichen Rechtslage gelegt werden, zumal auch der BFH im Urteil vom 7. September 2005 VII R 90/04 (BStBl II 2006, 61) die Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG nicht als verfassungswidrig ansehe. Außerdem werde auf das Urteil des Finanzgericht Düsseldorf vom 16. März 2007 18 K 12/05 verwiesen (EFG 2007, 1607). Nach diesem besäßen steuerehrliche Bürger keinen Anspruch darauf, nach den Maßstäben des Steuerbefreiungsgesetzes besteuert zu werden, wenn die Voraussetzungen für die Anwendung dieses Gesetzes nicht erfüllt seien. Die vorgenommene Versteuerung der Kapitaleinkünfte entspreche demnach der geltenden Gesetzeslage.

In der mündlichen Verhandlung vom 28. Januar 2009 hat die Prozessbevollmächtigte der Kläger erklärt, im Hinblick auf die zwischenzeitlich ergangene Entscheidung des BVerfG vom 13. Februar 2008 2 BvL 1/06 (Bundesgesetzblatt - BGBl. - 2008, 542; Der Betrieb - DB - 2008, 789) würden die Einwendungen gegen den Sonderausgabenabzug nicht mehr erhoben.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Die Kläger sind durch den angefochtenen Einkommensteuer-Änderungsbescheid 1996 nicht in ihren Rechten verletzt. Das FA hat die Einkünfte aus Kapitalvermögen zu Recht nach den Vorschriften des EStG ermittelt und bei der Festsetzung der Steuer berücksichtigt. Die Vergünstigungen nach dem StraBEG können die Kläger nicht für sich in Anspruch nehmen. Auf Grund der Änderung des Einkommensteuerbescheids gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO können wegen des sich ergebenden zu hohen Gesamtbetrags der Einkünfte die Steuerbegünstigung nach § 10 e Abs. 1 EStG sowie die Steuerermäßigung nach § 34 f EStG nicht mehr gewährt werden.

Die Besteuerung der Kapitaleinkünfte nach den Vorschriften des EStG war im Streitjahr 1996 entgegen der Rechtsauffassung der Kläger verfassungsmäßig.

Das Finanzgericht Köln hat mit Beschluss vom 22. September 2005 10 K 1880/05 (a.a.O.) eine Entscheidung des BVerfG darüber eingeholt, ob die Vorschriften der §§ 20 Abs. 1, 32 a EStG in der für die Veranlagungszeiträume 2000 bis 2002 maßgeblichen Fassung mit dem Grundgesetz insoweit vereinbar sind, wie sie im Zusammenwirken mit den ergänzenden Regelungen des StraBEG steuerehrliche Steuerpflichtige einer höheren Steuer unterwerfen als dies für Steuerunehrliche geschieht und ob die Vorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG mit dem Grundgesetz unvereinbar ist, weil die Durchsetzung des aus dem Bezug von Zinseinkünften erwachsenden Steueranspruchs wegen struktureller Vollzughindernisse weitgehend vereitelt wird.

Durch Beschluss des BVerfG vom 25. Februar 2008 2 BvL 14/05 wurde der Vorlagebeschluss des Finanzgerichts Köln vom 22. September 2005 10 K 1880/05 für unzulässig erklärt (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 2008, 756; Betriebs-Berater - BB - 2008, 1703, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 2008, Beilage 3, 247). Nach der Entscheidung des BVerfG hat der Steuerpflichtige keinen Anspruch darauf, dass die Besteuerung seiner Kapitaleinkünfte insgesamt unter Anwendung der Regelungen des StraBEG durchgeführt wird. Das BVerfG sieht in der Besteuerung nach dem StraBEG keine verfassungswidrige Begünstigung für Steuerstraftäter. Es gebe hinreichende verfassungsrechtliche Gründe für eine Begünstigung von Steuerstraftätern gegenüber ehrlichen Steuerpflichtigen durch ein Amnestiegesetz, welches darauf abzielt, Steuerpflichtige in die Steuerehrlichkeit zurückzuführen. Das Gesetz will demnach Steuerhinterziehung nicht belohnen, sondern einen Anreiz für eine freiwillige Rückkehr in die Steuerehrlichkeit schaffen und der Kapitalflucht ins Ausland entgegenwirken. Nach Auffassung des BVerfG ist die Besteuerung der Kapitaleinkünfte auch deshalb verfassungsgemäß, weil jedenfalls für die Jahre ab 1994 kein strukturelles Erhebungs- und Vollzugsdefizit mehr besteht.

Nachdem der Vorlagebeschluss durch das BVerfG für unzulässig erklärt worden war, hat das Finanzgericht Köln die Klage im Verfahren 10 K 1880/05 durch Urteil vom 5. Juni 2008 (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2008, 1585) als unbegründet abgewiesen.

Nach dem Beschluss des BVerfG vom 25. Februar 2008 2 BvL 14/05 (a.a.O.), dem sich der erkennende Senat anschließt, ist die von den Klägern vertretene Rechtsauffassung rechtsfehlerhaft.

Die Einwendungen der Kläger gegen die Nichtberücksichtigung der Steuerbegünstigung für die eigengenutzte Wohnung gemäß § 10 e EStG und die Steuerermäßigung nach § 34 f EStG wegen eines zu hohen Gesamtbetrags der Einkünfte greifen nicht durch.

Dass der Ausschluss der Förderung nach § 10 e Abs. 5 a EStG ohne gleitende Übergangsregelung ausgestaltet wurde, führt nicht zur Verfassungswidrigkeit der Norm. Es trifft zwar zu, dass Steuerpflichtige, bei denen der maßgebliche Grenzbetrag von 120.000 DM bzw. 240.000 DM nur um eine DM überschritten wird, weder den Abzugsbetrag nach § 10 e Abs. 1 EStG noch sogenanntes Baukindergeld gemäß § 34 f EStG erhalten. Dies ist jedoch kein dem Prinzip des gleichmäßigen Belastungsanstiegs widersprechender gleichheitswidriger Progressionssprung (vgl. dazu Beschlüsse des BFH vom 27. März 2001 X B 142/00, BFH/NV 2001, 1240; vom 18. Februar 2003 X B 58/02, BFH/NV 2003, 622; Beschluss des BVerfG vom 25. September 1992 2 BvL 5, 8, 14/91, BStBl II 1993, 413). Der Gesetzgeber hätte auch einen - von den Klägern geforderten - gleitenden Abbau der Förderung, beginnend bei einem wesentlich geringeren Grenzbetrag und auslaufend bei dem Gesamtbetrag der Einkünfte von mehr als 120.000 DM, vorsehen könne. Angesichts der knappen Haushaltsmittel war es jedenfalls nicht willkürlich, Steuerpflichtige ab einem bestimmten Grenzbetrag der Einkünfte ganz von der Wohnungseigentumsförderung auszunehmen (Urteil des BFH vom 21. Juli 2000 VI R 153/99, BStBl II 2000, 566). Im Übrigen hat der Gesetzgeber auch die Förderung nach dem Eigenheimzulagengesetz ohne gleitende Übergangsgrenze ausgeschlossen, sofern der Gesamtbetrag der Einkünfte einen bestimmten Betrag überschreitet (vgl. § 5 Eigenheimzulagengesetz).

Schließlich verstößt der angefochtene Änderungsbescheid auch nicht - wie von den Klägern behauptet - gegen § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO.

Nach dieser Vorschrift ist ein Steuerbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit ein Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10 AO), dem Bindungswirkung für diesen Steuerbescheid zukommt, erlassen, aufgehoben oder geändert wird. Die Festsetzungsfrist endet insoweit nicht vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids (§ 171 Abs. 10 AO). Im Streitfall konnte daher nach Ergehen des Feststellungsbescheids vom 4. Oktober 2005 die Einkommensteuerfestsetzung für 1996 auch nach Ablauf der regulären vierjährigen Festsetzungsfrist mit Bescheid vom 16. November 2005 noch geändert werden. Dass dabei nunmehr auch die bisherige Steuerbegünstigung nach § 10 e Abs. 1 EStG für die zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnung und die daran anknüpfende Steuerermäßigung nach § 34 f EStG wegen Überschreitens des hierfür maßgeblichen Gesamtbetrags der Einkünfte versagt wurde, entspricht dem Gesetz.

Nach der Rechtsprechung des BFH begründet § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO eine absolute Anpassungsverpflichtung. Die Vorschrift bezweckt die Ermittlung und Festsetzung der zutreffenden Steuer, wobei sie der materiellen Richtigkeit des Folgebescheids den Vorrang vor der Bestandskraft eines ergangenen Folgebescheids einräumt. Die Pflicht des FA zur Änderung des Folgebescheids richtet sich nach dem (geänderten) Grundlagenbescheid (vgl. Urteil des BFH vom 29. Juni 2005 X R 31/04, a.a.O.). Die gegen dieses Urteil eingelegte, von den Klägern angeführte Verfassungsbeschwerde wurde gemäß §§ 93 a, 93 b Bundesverfassungsgerichtsgesetz nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss des BVerfG vom 13. März 2007 1 BvR 304/07, [...]). Zwar ist die Bindungswirkung der Regelungen eines Feststellungsbescheids durch den Feststellungsbereich begrenzt (Urteil des BFH vom 8. November 2005 VIII R 11/02, [...]). Im vorliegenden Fall wurde der Feststellungsbereich bei der Auswertung des Feststellungsbescheids vom 4. Oktober 2005 im Einkommensteuerbescheid vom 16. November 2005 aber nicht überschritten. Das Folgebescheid-FA hat Folgebescheide aufzuheben bzw. zu ändern oder anzupassen, wenn und soweit der zugrunde liegende Feststellungsbescheid (Grundlagenbescheid) aufgehoben oder geändert wird und die Aufhebung bzw. Änderung des Grundlagenbescheids tatsächliche Folgen für den Folgebescheid hat (Urteil des BFH vom 12. Januar 1995 IV R 83/92, BStBl II 1995, 488; Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur AO und FGO, § 179 AO Anmerkung 84; Stephan, R. Gestaltungsmöglichkeiten nach Einschränkung der Grundförderung durch § 10 e Abs. 5 a EStG 1992, Der Betrieb - DB - 1992, 1493, Beispiel 2). Zu diesen tatsächlichen (mittelbaren) Folgen, die der Grundlagenbescheid auslöst, gehört auch die im Streitfall durchgeführte Anpassung des Einkommensteuerbescheids wegen des auf Grund der Änderung des Grundlagenbescheids verursachten Überschreitens des nach § 10 e Abs. 5 a Satz 1 EStG maßgeblichen Gesamtbetrags der Einkünfte.

Die in der Formulierung "insoweit" in § 175 Abs. 1 Satz 1 AO zum Ausdruck kommende Einschränkung zeigt lediglich, dass die Anpassung des Folgebescheids an den Grundlagenbescheid nicht die Wiederaufrollung der gesamten Steuerveranlagung rechtfertigt, sondern die Anpassungspflicht nur soweit reicht, wie die Bindungswirkung des Grundlagenbescheids verlangt (vgl. Urteil des BFH vom 15. Februar 2001 IV R 9/00, BFH/NV 2001, 1007). Aus dem vorstehend dargelegten Sinn und Zweck der Vorschrift ergibt sich vielmehr, dass eine Änderung des Folgebescheids zur Herbeiführung eines materiell richtigen Ergebnisses es erfordert, den durch Auswertung des Grundlagenbescheids sich ergebenden höheren Gesamtbetrag der Einkünfte der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen nach dem EStG zugrunde zu legen. Dies hat vorliegend nach § 10 e Abs. 5 a EStG den Wegfall der Steuerbegünstigung nach § 10 e Abs. 1 und der Steuerermäßigung nach § 34 f EStG zur Folge. Insoweit handelt es sich um eine mittelbare Folge der Anpassung des Folge - an den Grundlagenbescheid durch Anwendung der Vorschriften des EStG.

Die von den Klägern erhobene Einwendung, dass die Voraussetzungen für die Steuerbegünstigung sowie die Steuerermäßigung nicht Gegenstand einer einheitlichen und gesonderten Feststellung sein könnten, trifft zwar zu. Die Kläger verkennen jedoch, dass dies für die hierzu beantwortende Rechtsfrage unerheblich ist. Denn die Übernahme der in dem Grundlagenbescheid gesondert festgestellten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in den angefochtenen Einkommensteuerbescheid (Folgebescheid) führt in diesem - wie dargelegt - nach den hierbei zu beachtenden Vorschriften des EStG zum Wegfall der Steuerbegünstigung bzw. Steuerermäßigung.

Die Kostentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision wird nicht wie beantragt zugelassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.



Ende der Entscheidung

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