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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 20.11.2008
Aktenzeichen: 3 K 101/05
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 8 Abs. 1
EStG § 11
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Baden-Württemberg

3 K 101/05

Tatbestand:

Streitig ist, ob der zweite Teilbetrag einer Abfindung erst im Veranlagungszeitraum der tatsächlichen Auszahlung oder bereits im Veranlagungszeitraum der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 11 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zugeflossen ist, wenn die Fälligkeit zunächst allgemein durch Sozialplan für den November 2000 bestimmt war und sie noch vor ihrem Eintritt auf Wunsch der Arbeitnehmerin hinsichtlich des steuerpflichtigen Teils der Abfindung auf den Januar 2001 hinausgeschoben wurde.

Die Kläger sind Eheleute, die im Streitjahr 2000 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Die Klägerin war bis zum Jahr 2000 als technische Angestellte bei der X Technik GmbH (X GmbH) beschäftigt. Sie erhielt von ihrer früheren Arbeitgeberin anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung in Höhe von 75.000 DM. In dem zugrundeliegenden Sozialplan vom 26. September 2000 war zur Fälligkeit der Abfindung unter Tz. 3 ausgeführt:

"Die Abfindung wird bei rechtlicher Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit X fällig und ist bereits vor Fälligkeit vererblich. Erhebt allerdings ein Arbeitnehmer gegen eine ihm erklärte Kündigung Kündigungsschutzklage, tritt Fälligkeit erst nach Abschluss des Klageverfahrens, infolge dessen das Arbeitsverhältnis endet, ein."

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sozialplans wird auf die Rechtsbehelfsakte (Fach Einspruchsvorgänge, Blatt 11 c ff.) Bezug genommen. Die Betriebsvereinbarung trat am 26. September 2000 in Kraft und endete nach Abschluss der in einem sog. Interessenausgleich aufgeführten personellen Maßnahmen.

Laut Interessenausgleich (Rechtsbehelfsakte, Fach Einspruchsvorgänge, Blatt 11 h f.) galt der Sozialplan für Arbeitnehmer, die von der Möglichkeit der Übertrittsregelung zur AuB Ausbildungs- und Beschäftigungsgesellschaft mbH (A+B GmbH) Gebrauch machten; die Abfindungen sollten danach mit Austritt aus der X GmbH fällig werden (siehe Blatt 11 i). Auf der Grundlage des Interessenausgleichs schlossen die Klägerin, die X GmbH und die A+B GmbH einen "dreiseitigen Vertrag" über die Beendigung des bisherigen Arbeitsverhältnisses der Klägerin bei der X GmbH und die Begründung eines befristeten Arbeitsverhältnisses bei der Auffanggesellschaft A+B GmbH.

Das alte Arbeitsverhältnis endete aus betriebsbedingten Gründen mit Ablauf des 14. November 2000 (§ 1), mit Wirkung zum 15. November 2000 trat die Klägerin in das bis zum 30. November 2002 befristete neue Arbeitsverhältnis ein (§§ 2 und 3, zur Vergütung vgl. § 6). In § 9 (Sozialabfindung) wurde vereinbart, dass eine etwaige Abfindung gemäß dem Interessenausgleich und Sozialplan direkt von der X GmbH an den anspruchsberechtigten Mitarbeiter abgerechnet und ausbezahlt werde. Gemäß § 11 Abs. 2 wurde der dreiseitige Vertrag mit seiner Unterzeichnung durch alle drei Vertragsparteien rechtswirksam. Eine besondere Regelung zur Fälligkeit der Abfindung enthält der Vertrag nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des von der X GmbH am 17. Oktober 2000, von der Klägerin am 31. Oktober 2000 und von der A+B GmbH am 15. November 2000 unterzeichneten dreiseitigen Vertrags wird auf die Rechtsbehelfsakte verwiesen (Fach Einspruchsvorgänge, Blatt 37 ff.).

In einem Schreiben der X GmbH vom 26. Oktober 2000 wurde der Klägerin bestätigt, dass sie entsprechend dem Sozialplan vom 26. September 2000 eine Abfindungszahlung in Höhe von 75.000 DM erhalte. Im letzten Absatz dieses Schreibens ist ausgeführt:

"Wie ebenfalls besprochen und von Ihnen gewünscht, wird der steuerpflichtige Teil der Abfindungszahlung in Höhe von 51.000,00 DM im Januar zur Auszahlung gebracht. Die Auszahlung des steuerfreien Anteils der Abfindung in Höhe von 24.000,00 DM erfolgt bei Austritt mit der Novemberabrechnung."

Wegen der weiteren Einzelheiten des Schreibens vom 26. Oktober 2000 wird auf die Rechtsbehelfsakte verwiesen (vorderes Fach, Blatt 15, vgl. auch das anonymisierte Schreiben mit gleicher Formulierung im Fach Einspruchsvorgänge, Blatt 11 b).

Entsprechend dem Wunsch der Klägerin zahlte die X GmbH die Abfindung zunächst nur in Höhe eines Teilbetrags von 24.000 DM aus. Den Restbetrag in Höhe von 51.000 DM erhielt die Klägerin vereinbarungsgemäß im Januar 2001 ausbezahlt. Auf die Verdienstabrechnung für Januar 2001 vom 24. Januar 2001 (Rechtsbehelfsakte Blatt 40) wird Bezug genommen. Ergänzend wird auf ein späteres Bestätigungsschreiben der umfirmierten GmbH vom 13. Oktober 2003 verwiesen (Rechtsbehelfsakte, Fach Einspruchsvorgänge, Blatt 36), wonach bei den Verhandlungen über die einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses vereinbart worden sei, den steuerpflichtigen Teil der Abfindung erst im Januar 2001 auszuzahlen.

In der gemeinsam mit dem Kläger abgegebenen Einkommensteuererklärung für das Jahr 2000 erklärte die Klägerin entsprechend der Lohnsteuerkarte (Rechtsbehelfsakte Blatt 8) einen Bruttoarbeitslohn von 94.245 DM. Dieser entfiel mit 91.164,47 DM für die Zeit vom 1. Januar bis 14. November 2000 auf die Beschäftigung bei der X GmbH und mit 3.080,89 DM für die Zeit vom 15. November bis 31. Dezember 2000 auf die Beschäftigung bei der A+B GmbH. Ferner erklärte die Klägerin Lohnersatzleistungen in Höhe von 3.675 DM.

Das Finanzamt veranlagte die Kläger zunächst antragsgemäß durch Bescheid vom 6. August 2001 (Gerichtsakte Blatt 7 ff.).

In der gemeinsam mit dem Kläger abgegebenen Einkommensteuererklärung für das Jahr 2001 erklärte die Klägerin den zweiten Abfindungsteilbetrag von 51.000 DM als "Versorgungsbezüge für mehrere Jahre", ferner erklärte sie einen Bruttoarbeitslohn von 28.711 DM (davon 26.048,39 DM von der A+B GmbH) und Lohnsersatzleistungen in Höhe von 33.154 DM.

Mit Schreiben vom 4. Dezember 2002 teilte das Finanzamt den Klägern u.a. mit, dass der Klägerin der steuerpflichtige Teil der Abfindung in Höhe von 51.000 DM bereits im Jahr 2000 zugeflossen sei, da sie mit ihrem Ausscheiden wirtschaftlich über die Abfindung habe verfügen können. Entgegen der Betriebsvereinbarung sei die Auszahlung erst im Jahr 2001 auf eigenen Wunsch hin erfolgt.

Im Einkommensteuerbescheid für 2001 vom 14. Februar 2003 (Rechtsbehelfsakte Blatt 46 f.) ließ das Finanzamt den im Januar 2001 ausbezahlten Abfindungsbetrag von 51.000 DM außer Ansatz. Aufgrund § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) erließ das Finanzamt hingegen am selben Tag einen Einkommensteuer-Änderungsbescheid für das Jahr 2000 und erfasste von der Abfindung einen Betrag von 5.004 DM als laufenden Arbeitslohn (Weihnachtsgeld) und den steuerpflichtigen Restbetrag in Höhe von 45.996 DM als ermäßigt nach § 34 Abs. 1 EStG zu besteuernde Abfindung. Im Bescheid für das Jahr 2000 wurden zugleich Nachzahlungszinsen in Höhe von 217 EUR festgesetzt. Wegen der Bescheide vom 14. Februar 2003 wird auf Blatt 10 ff., 18 ff. der Gerichtsakte verwiesen.

Gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid 2000 vom 14. Februar 2003 und den erstmaligen Einkommensteuerbescheid 2001 vom selben Tag ließen die Kläger Einspruch einlegen. Mit dem Einspruch beantragte der Prozessbevollmächtigte, die von der Klägerin bezogene Abfindung entsprechend den tatsächlich in den Jahren 2000 und 2001 zugeflossenen Beträgen der Besteuerung zugrunde zu legen. Er führte aus, die Klägerin habe bei ihrem Ausscheiden gerade nicht über die gesamte Abfindung verfügen können. Es sei auch kein Teilbetrag in Höhe von 5.004 DM dem laufenden Arbeitslohn hinzuzurechnen, da es sich auch insoweit um eine Abfindung und nicht um die Auszahlung eines bereits erdienten Anspruchs handle. Wegen der weiteren Einzelheiten der Einspruchsbegründung wird auf das Einspruchschreiben vom 22. Februar 2003 Bezug genommen.

Am 13. März 2003 legten die Kläger, wiederum vertreten durch ihren steuerlichen Berater, gegen den Zinsbescheid vom 14. Februar 2003 betreffend die Einkommensteuer 2000 Einspruch ein und verwiesen zur Begründung auf die bereits abgegebene Einspruchsbegründung bezüglich der Einkommensteuerbescheide. Die ebenfalls beantragte Aussetzung der Vollziehung der festgesetzten Zinsen gewährte das Finanzamt durch Aussetzungsverfügung vom 27. März 2003.

Mit Schreiben vom 1. Dezember 2004 teilte das Finanzamt dem steuerlichen Vertreter mit, dass das Finanzamt zur Frage des Zuflusses der Abfindung "weiterhin im Einklang mit dem 4. und 6. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg" die Auffassung vertrete, dass der Zufluss insgesamt im Jahr 2000 erfolgt sei.

Am 7. Dezember 2004 erließ das Finanzamt einen nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 AO geänderten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2000 (Gerichtsakte Blatt 14 ff.) und half damit bezüglich der Frage des Weihnachtsgelds von 5.004 DM ab. Der Arbeitslohn wurde um diesen Betrag vermindert und die Abfindung entsprechend auf 51.000 DM erhöht.

Durch Einspruchsentscheidung vom 6. Mai 2005 betreffend Einkommensteuer 2000, 2001 und Zinsen zur Einkommensteuer 2000 wies das Finanzamt die Einsprüche in der Sache unter Hinweis auf die Urteile des FG Baden-Württemberg vom 19.02.2004 6 K 403/99 (EFG 2004, 980) und vom 2. März 1999 4 K 120/98 und 4 K 129/98 ([...]) als unbegründet zurück. Den gegenteiligen Auffassungen des 14. Senats des FG Baden-Württemberg im Urteil vom 29. April 2004 14 K 135/99 (EFG 2004, 1596), gegen welches das Finanzamt Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt habe (Az.: Xl B 82/04), und des FG Düsseldorf in den Urteilen vom 10. Mai 2000 7 K 6048/97 E (EFG 2000, 793) und 23. April 1999 18 K 4262/95 E (EFG 1999, 964) folge das Finanzamt nicht.

Die Abfindung sei zu dem Zeitpunkt zugeflossen, den die Betriebsvereinbarung vorgesehen habe. Zu diesem Zeitpunkt habe die Klägerin die wirtschaftliche Verfügungsmacht erlangt, die sie mit Verschiebung der Auszahlung ausgeübt habe. Die Abfindung sei mit dem Ausscheiden am 14. November 2000 fällig gewesen. Die Auszahlung des steuerpflichtigen Anteils der Abfindung sei auf ausdrücklichen Wunsch der Klägerin erst im Januar 2001 erfolgt. Die Klägerin habe es in der Hand gehabt, sich die Abfindung sofort zum Ausscheidungstermin überweisen zu lassen. Wenn die Klägerin sich stattdessen - aus naheliegenden Gründen einer günstigeren Besteuerung im Jahr 2001 gegenüber 2000 - dafür entschieden habe, den steuerpflichtigen Anteil der Abfindung zunächst kurzfristig stehen zu lassen und den Zeitpunkt der Verwirklichung ihrer Ansprüche aus dem Vertrag anderweitig zu bestimmen (Januarabrechnung 2001), habe sie damit von der ihr zuvor von ihrem Arbeitgeber eingeräumten wirtschaftlichen Verfügungsmöglichkeit im eigenen Interesse Gebrauch gemacht. Das Finanzamt sei deshalb zu Recht vom Zufluss der gesamten Abfindungssumme im Streitjahr 2000 ausgegangen und habe diese zu Recht in das zu versteuernde Einkommen des Streitjahres 2000 einbezogen und dort mit dem begünstigten Steuersatz gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG versteuert.

Wegen der näheren Begründung des Finanzamts wird auf die Einspruchsentscheidung verwiesen (Gerichtsakte Blatt 22 ff., 55 ff.).

Mit ihrer hiergegen am 9. Juni 2005 erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihre Auffassung weiter, dass die von der Klägerin erhaltenen Abfindungsbeträge "im jeweiligen Jahr des Zuflusses und nicht insgesamt im Veranlagungszeitraum 2000" zu erfassen seien. Die Kläger verweisen insbesondere auf das Urteil des FG Baden-Württemberg vom 29. April 2004 14 K 135/99 und den dieses Urteil bestätigenden Beschluss des BFH vom 28. September 2005 XI B 82/04 (BFH/NV 2006, 520). Ein Gestaltungsmissbrauch liege nicht vor, die zivilrechtlich wirksam getroffene Vereinbarung sei auch steuerlich anzuerkennen.

Entgegen der Auffassung des Finanzamts komme es bezüglich des Zuflusses der Abfindung nicht auf den Fälligkeitszeitpunkt gemäß der Betriebsvereinbarung an, sondern auf die "tatsächliche und wirtschaftliche Verfügungsmacht". Die Klägerin habe im Jahr 2000 noch nicht über die gesamte Abfindung verfügen können. Sie habe vielmehr jeweils erst nach Zufluss der Teilbeträge über diese verfügen können. Das Zuflussprinzip in § 11 EStG stelle auf das Zufließen von Einnahmen ab. Allein maßgeblich sei der Zeitpunkt, in welchem die Klägerin die wirtschaftliche Verfügungsmacht über den im Kalenderjahr 2001 ausbezahlten Betrag erhalten habe. Es liege auch keine neue rechtliche Vereinbarung vor, der Anspruch der Klägerin habe einzig und allein auf der im Oktober 2000 getroffenen Vereinbarung beruht.

Die Argumentation des FG Baden-Württemberg in der Entscheidung vom 2. März 1999 4 K 120/98, wonach dem Arbeitnehmer bereits vor dem Zufluss der Abfindung wirtschaftliche Verfügungsmacht über diese Beträge "attestiert" werde, gehe fehl. Hinsichtlich dieser Entscheidung sei ferner zu berücksichtigen, dass zwei Verträge geschlossen worden seien und die Initiative zur Vereinbarung des Zeitpunkts der Auszahlung vom Arbeitnehmer ausgegangen sein dürfte. Im vorliegenden Fall seien jedoch die Arbeitgeberin und die Klägerin von vornherein davon ausgegangen, dass die Abfindung in zwei Beträgen geleistet werde. Die Abfindungszahlung im Jahr 2001 sei daher nicht auf Anregung oder Drängen der Klägerin erfolgt.

Schließlich wendet die Klägerin ein, dass auch die Voraussetzungen des § 173 AO zur Zeit der Änderung nicht vorgelegen hätten, die Anwendung einer anderen Änderungsvorschrift scheide ebenfalls aus.

Wegen der Einzelheiten der Klagebegründung wird auf die Klagebegründung und die weiteren Schriftsätze der Klägerseite verwiesen (Gerichtsakte Blatt 42 ff., 74 f., 87 f., 99 ff., 110 f.). Die Kläger beantragen bei verständiger Würdigung und nach Rücknahme der Klage für das Jahr 2001 (vgl. Gerichtsakte Blatt 154 ff., zum ursprünglichen Antrag vgl. Gerichtsakte Blatt 42 f.), den Einkommensteuerbescheid und den Zinsbescheid für 2000 vom 7. Dezember 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. Mai 2005 aufzuheben und die Einkommensteuer auf 42.681 DM festzusetzen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Das Finanzamt beantragt (Gerichtsakte Blatt 51),

die Klage abzuweisen,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Es nimmt auf die Einspruchsentscheidung Bezug. Der Einwand, das Finanzamt habe den ursprünglichen Einkommensteuerbescheid 2000 vom 6. August 2001, der ohne Ansatz des steuerpflichtigen Teils der Abfindung in Höhe von 51.000 DM ergangen sei, nicht nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ändern dürfen, treffe nicht zu, da der Sachverhalt dem Finanzamt entgegen der Darstellung des Klägervertreters erst durch die am 3. Juli 2002 eingereichte Einkommensteuererklärung 2001 bekannt geworden sei.

Das Finanzamt folge im Übrigen nicht der Rechtsauffassung der Kläger, wonach die Klägerin - trotz der von ihr selbst veranlassten Verschiebung der Auszahlung, die als Verfügung über die Abfindung anzusehen sei - erst mit der tatsächlichen Zahlung im Januar 2001 über den Betrag von 51.000 DM habe verfügen können. Die Finanzgerichte verträten zum Zeitpunkt der Versteuerung von Abfindungen teilweise unterschiedliche Auffassungen. Die Finanzverwaltung schließe sich der auch vom 4. und 6. Senat des FG Baden-Württemberg vertretenen Rechtsauffassung an, wonach die Abfindung bereits im Jahr des Ausscheidens und nicht erst im Jahr des tatsächlichen Zuflusses zu versteuern sei.

Der vorliegende Fall sei - auch unter Berücksichtigung des Beschlusses des BFH vom 28. September 2005 XI B 82/04 - eher mit den Entscheidungen vergleichbar, in denen ein Zufluss bejaht worden sei. Anders als im Streitfall habe im Urteil des 14. Senats die Verschiebung der Auszahlung der Abfindung auf finanziellen Schwierigkeiten des Arbeitgebers beruht, weshalb die Klägerin dem Interesse des sich in Schwierigkeiten befindlichen Arbeitgebers habe nachgeben müssen. Auch sei zu bedenken, dass bei Vorliegen einer Betriebsvereinbarung der darin vorgesehene Fälligkeitstermin der für den Zufluss maßgebliche Zeitpunkt sei. In diesem Zeitpunkt erlange die abfindungsberechtigte Person die wirtschaftliche Verfügungsmacht, die sie mit der Verschiebung der Auszahlung ausübe.

Wegen der Rechtsauffassung des Finanzamts wird auf die Klageerwiderung und dessen weitere Schriftsätze verwiesen (Gerichtsakte Blatt 51 ff., 91 ff., 104 f.).

Mit Schreiben vom 9. Juli 2007 wies der Berichterstatter die Beteiligten auf einen zwischenzeitlich veröffentlichten Aufsatz hin (Offerhaus, Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zum Zuflussprinzip, StuW 2006, 317) und erkundigte sich beim Finanzamt nach dessen Bereitschaft zur Abhilfe (Gerichtsakte Blatt 114 ff.).

Hierauf teilte das Finanzamt mit (Gerichtsakte Blatt 122, 127), dass die Finanzverwaltung an ihrer bisherigen Rechtsauffassung festhalte. Zur Begründung legte es ein Schreiben der Oberfinanzdirektion (OFD) Karlsruhe vom 19. November 2007 vor. Danach habe ein Beschluss der Lohnsteuer-Referatsleiter der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder aus dem Jahr 1997 weiterhin Gültigkeit. In Fällen "mit Betriebsvereinbarung" und ohne Anhaltspunkte für finanzielle Schwierigkeiten des Arbeitgebers liege der Zufluss der Abfindung in voller Höhe in dem Veranlagungszeitraum, in welchem die Betriebsvereinbarung den Fälligkeitstermin vorsehe. Das Hinausschieben der Fälligkeit des steuerpflichtigen Abfindungsrestbetrags beruhe vorliegend allein auf dem Wunsch des Arbeitnehmers und sei Ausdruck dessen wirtschaftlicher Verfügungsmacht. Wegen der weiteren Einzelheiten der OFD-Stellungnahme wird auf Blatt 128 ff. der Gerichtsakte verwiesen.

Das Gericht lud zunächst zur mündlichen Verhandlung und ordnete das persönliche Erscheinen der Klägerin an. Infolge eines Terminsverlegungsantrags des Finanzamts verzichteten die Beteiligten übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung (Gerichtsakte Blatt 156, 160).

Hilfsweise

beantragte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin,

diese von der Verpflichtung des persönlichen Erscheinens zu entbinden.

Dem Gericht hat bei seiner Entscheidung neben der Gerichtsakte die Rechtsbehelfsakte des Finanzamts vorgelegen, in welcher zugleich die Unterlagen der Veranlagungs- und Einspruchsverfahren betreffend Einkommensteuer 2000 und 2001 abgelegt waren.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet. Zwar ist der Umstand der Abfindungszahlung in zwei Teilen dem Finanzamt erst nachträglich bekannt geworden, so dass eine Korrektur gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO möglich wäre. Die nachträglich bekanntgewordene Tatsache der zweigeteilten Abfindungszahlung führt aber nicht zu einer höheren Steuer. Denn das Finanzamt hat den steuerpflichtigen Abfindungsteil in Höhe von 51.000 DM mangels Zuflusses zu Unrecht abweichend von der Einkommensteuererklärung der Kläger bereits im Jahr 2000 erfasst. Die entsprechenden Bescheide für das Jahr 2000 sind insoweit rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten.

1.) a) Die Höhe des steuerpflichtigen Lohns bestimmt sich nach dem einkommensteuerlichen Zuflussprinzip (BFH, Urteil vom 29. Mai 2008 VI R 57/05, BFH/NV 2008, 1597), d.h. nur zugeflossener Arbeitslohn unterliegt der Einkommensteuer (§§ 8 Abs. 1, 11 Abs. 1 Satz 1 EStG, § 2 Abs. 1 Satz 1 Lohnsteuer-Durchführungsverordnung) und dem Lohnsteuerabzug (§ 38 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 EStG). Einnahmen sind gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Für Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit gelten nach § 11 Abs. 1 Satz 3 EStG a.F. (inzwischen Satz 4) die Sätze 2 und 3 des § 38a Abs. 1 EStG. Während laufender Arbeitslohn in dem Kalenderjahr als bezogen gilt, in dem der Lohnzahlungszeitraum endet, wird Arbeitslohn, der nicht als laufender Arbeitslohn gezahlt wird (sonstige Bezüge), in dem Kalenderjahr bezogen, in dem er dem Arbeitnehmer zufließt. Abfindungen sind sonstige Bezüge in diesem Sinne. Sie werden in dem Kalenderjahr bezogen, in dem sie dem Arbeitnehmer zufließen.

b) Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH (z.B. Beschluss vom 28.09.2005 XI B 82/04, BFH/NV 2006, 520 mit weiteren Nachweisen) ist das Tatbestandsmerkmal des "Zuflusses" bei Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit erfüllt, sobald der Steuerpflichtige über den Arbeitslohn bzw. die Abfindungssumme wirtschaftlich verfügen kann. Auch ist geklärt, dass eine Stundung grundsätzlich den Zufluss hinausschiebt. Wird Arbeitslohn dem Arbeitnehmer nicht ausbezahlt, sondern nur gutgeschrieben, so ist die Frage des Zuflusses nach den Gesamtumständen des Einzelfalls zu entscheiden. Über den buchmäßigen Ausweis hinaus muss nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zum Ausdruck kommen, dass der Betrag dem Berechtigten von nun an zur Verwendung zur Verfügung steht.

Nach Maßgabe dieser Grundsätze floss der steuerpflichtige zweite Teil der Abfindung der Klägerin nicht bereits im Jahr 2000, sondern erst mit der tatsächlichen Auszahlung im Jahr 2001 zu. Der durch den Abschluss des dreiseitigen Vertrags begründete Anspruch wäre zwar nach dem ursprünglich vorgesehenen Fälligkeitstermin mit Ablauf des 14. November 2000 fällig geworden. Weder die Entstehung noch die zunächst einheitlich im Sozialplan vorgesehene Fälligkeit des Zahlungsanspruchs allein sind allerdings hinreichend, um im Jahr 2000 einen Zufluss des betreffenden Geldbetrags im Sinne einer diesbezüglichen wirtschaftlichen Verfügungsmacht der Klägerin annehmen zu können. Auch das dem Schreiben vom 26. Oktober 2000 zu entnehmende Hinausschieben der Fälligkeit, das zivilrechtlich als Stundungsvereinbarung zu qualifizieren ist (vgl. zur Stundung näher Grothe in Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 2006, § 205 Rn 1 ff.), erfolgte nicht als Ausdruck einer bereits erlangten wirtschaftlichen Verfügungsmacht.

Durch die von der Arbeitnehmerin angebotene und von der Arbeitgeberin angenommene Abfindungsauszahlung in zwei Teilen wurde hinsichtlich des zweiten Teilbetrags die Fälligkeit noch vor ihrem erstmaligen Eintritt einvernehmlich auf den Januar des Folgejahres gelegt bzw. hinausgeschoben. Dass dies auf den steuerlich motivierten Wunsch der Klägerin hin erfolgte, ändert nichts daran, dass die Klägerin im Jahr 2000 zu keiner Zeit - weder vor dem 15. November noch am 15. November selbst noch zwischen dem 16. November und dem 31. Dezember - die wirtschaftliche Verfügungsmacht über den zweiten Abfindungsteilbetrag erlangt hat. Die Klägerin hatte lediglich die entstandene Forderung inne und "verfügte" über deren Fälligkeitszeitpunkt (im Sinne des Hinausschiebens). Sie verfügte rechtlich wie wirtschaftlich jedoch noch nicht über den zweiten Abfindungsteilbetrag von 51.000 DM als solchen. Das Erlangen der wirtschaftlichen Verfügungsmacht und so auch den Zufluss des zweiten Abfindungsteilbetrags hat die Klägerin im Gegenteil in rechtlich zulässiger Weise - insbesondere ohne Gestaltungsmissbrauch im Sinne des § 42 AO - auf den Januar des Folgejahres hinausgeschoben. Erst dann wurde der zweite Teilbetrag an die Klägerin ausbezahlt, erst dann erlangte sie erstmals die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die restliche Abfindungssumme.

Die im Sozialplan angelegte Fälligkeit bei rechtlicher Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der X GmbH - für die Klägerin hätte sich als Fälligkeitstermin hiernach der 15. November ergeben - ist hinsichtlich des zweiten Abfindungsteils kein die Vertragsparteien bindender Vertragsinhalt geworden. Die Klägerin hatte zu keiner Zeit einen vor dem Januar 2001 fälligen Anspruch auf den zweiten Teilbetrag. Bei genauerer Analyse des zeitlichen Ablaufs ist zu Gunsten der Klägerin nämlich zu bemerken, dass die Klägerin selbst erst am 31. Oktober 2000 den dreiseitigen Vertrag mit der X GmbH (Unterschrift am 17. Oktober 2000) und der A+B GmbH (Unterschrift am 15. November 2000) unterzeichnet hat. Das Schreiben der X GmbH an die Klägerin vom 26. Oktober 2000 war der Vertragsunterschrift der Klägerin zeitlich vorausgegangen. Die Klägerin hat den dreiseitigen Vertrag, durch den ihr Abfindungsanspruch entstand, erst im Anschluss an das Schreiben der Arbeitgeberin, d.h. im vollen Bewusstsein der mit der X GmbH einvernehmlich vereinbarten, zweigeteilten Fälligkeit unterschrieben. Es liegt infolgedessen keine nachträgliche Stundungsvereinbarung nach Entstehung des Abfindungsanspruchs vor, sondern eine schon anfängliche Stundung im Sinne eines von vornherein vereinbarten späteren Fälligkeitstermins für den zweiten Abfindungsteilbetrag (vgl. dazu Henrich in Beckscher Online-Kommentar, Stand: 1. August 2008, BGB § 205 Rn 2).

Schon das verhilft der Klage zum Erfolg. Die Bejahung des Zuflusses im Jahr 2000 trotz erstmaliger Fälligkeit im Jahr 2001 liefe auf eine Zuflussfiktion hinaus, die - unstreitig - unzulässig ist.

Der Senat teilt in diesem Zusammenhang auch die folgende Überlegung von Offerhaus (StuW 2006, 317, 321): Wenn es den Beteiligten z.B. möglich ist, von vornherein die Zahlung einer Abfindung für die Auflösung eines Dienstverhältnisses auf einen Zeitpunkt zu terminieren, der nicht mit dem Datum der Auflösung des Dienstverhältnisses übereinstimmt, der für sie indessen steuerlich besonders günstig ist, dann kann es ihnen auch nicht verwehrt sein, diese vorherige Vereinbarung - jedenfalls vor der ursprünglich vereinbarten Fälligkeit - im Einvernehmen und beiderseitigen Interesse wieder zu ändern. Dies ist regelmäßig kein Rechtsmissbrauch, zumal das wirtschaftliche Eigeninteresse der Beteiligten diese Gestaltungsmöglichkeit ohnedies begrenzt (Zinsverlust des Gläubigers bei späterem Zufluss) und zumal das Ziel der Steuerminimierung legitim ist.

c) Der erkennende Senat hat die vorstehende Einzelfallwürdigung, die er in einem ersten Schritt nach den konkret zu den zweigeteilten Abfindungszahlungen formulierten Rechtsgrundsätzen des BFH in BFH/NV 2006, 520 vorgenommen hat, in einem ergänzenden zweiten Schritt anhand der jüngsten, die bisherige Rechtsprechung bestätigenden Ausführungen zum Zuflussbegriff noch einmal auf seine Richtigkeit hin überprüft. Diese allgemeinen Rechtsgrundsätze zu § 11 Abs. 1 EStG sind dem Urteil des BFH vom 28. Oktober 2008 VIII R 36/04 zu entnehmen (BFH/NV 2008, 2117, zur Veröffentlichung in BFHE bestimmt, mit zahlreichen Nachweisen, vgl. zuvor bereits BFH, Urteil vom 10.07.2000 VIII R 35/00, BFHE 196, 112, BStBl II 2001, 646).

aa) Der BFH stellt bei der Frage des Zuflusses zunächst die in seiner ständigen Rechtsprechung vertretene Grunddefinition voran, dass Einnahmen (vgl. § 8 Abs. 1 EStG) im Sinne des § 11 Abs. 1 EStG zugeflossen sind, sobald der Steuerpflichtige über sie wirtschaftlich verfügen kann. Geldbeträge fließen dem Steuerpflichtigen in der Regel dadurch zu, dass sie bar ausgezahlt oder einem Konto des Empfängers bei einem Kreditinstitut gutgeschrieben werden. Auch die Hingabe eines (gedeckten) Schecks führt zum Zufluss des entsprechenden Geldbetrages.

Im Fall der Klägerin erfolgte die tatsächliche Auszahlung erst im Januar 2001, einen Scheck hat sie nicht erhalten. Der Grundfall eines Zuflusses ist im Jahr 2000 nicht gegeben.

bb) Nach den vom BFH im Urteil vom 28. Oktober 2000 VIII R 36/04 ferner ausgeführten Rechtsgrundsätzen kann eine Gutschrift in den Büchern des Verpflichteten einen Zufluss bewirken, wenn in der Gutschrift nicht nur das buchmäßige Festhalten einer Schuldverpflichtung zu sehen ist, sondern darüber hinaus zum Ausdruck gebracht wird, dass der Betrag dem Berechtigten von nun an zur Verwendung zur Verfügung steht. Allerdings muss der Gläubiger in der Lage sein, den Leistungserfolg ohne weiteres Zutun des im Übrigen leistungsbereiten und leistungsfähigen Schuldners herbeizuführen.

Es liegt nahe, dass die X GmbH die Abfindungsverpflichtung gegenüber der Klägerin sogleich in voller Höhe als Verbindlichkeit passiviert hat. Mit der bloßen Passivierung der Abfindungsverbindlichkeit hat die X GmbH im Jahr 2000 aber noch nicht zum Ausdruck gebracht, dass der Klägerin auch der zweite Abfindungsteilbetrag schon vom November 2000 an zur Verfügung stand bzw. gestanden hätte.

Hieran ändert nichts, dass die X GmbH nach der generellen Regelung im Sozialplan ursprünglich bereit gewesen war, der Klägerin die volle Abfindung von 75.000 DM in einer Summe im November 2000 auszubezahlen. Auch wenn der zweite Teilbetrag der Klägerin bei entsprechender Option schon im Jahr 2000 zur Verwendung zur Verfügung hätte stehen können, konnte die Klägerin nach der Vereinbarung der zweigeteilten Auszahlung und des teilweisen Hinausschiebens der Fälligkeit jedoch nicht mehr ohne weiteres Zutun der X GmbH den zweiten Teilbetrag noch im Jahr 2000 vereinnahmen. In dieser Situation hätte sich vielmehr die X GmbH auf die spätere Fälligkeit im Sinne einer Stundungseinrede berufen können. Selbst wenn die X GmbH also im November und Dezember 2000 leistungsfähig gewesen sein sollte, ist nicht nachweisbar, dass sie nach bzw. trotz der vereinbarten Teil-Stundung auch weiterhin bereit blieb, vor dem Januar 2001 in vollem Umfang an die Klägerin zu leisten.

cc) Gemäß den weiteren vom BFH im Urteil vom 28. Oktober 2000 VIII R 36/04 ausgeführten Rechtsgrundsätzen kann ein Zufluss schließlich durch eine gesonderte Vereinbarung zwischen Schuldner und Gläubiger bewirkt werden, dass der Betrag fortan aus einem anderen Rechtsgrund geschuldet sein soll. In dieser Schuldumwandlung (Novation) kann eine Verfügung des Gläubigers über seine bisherige Forderung liegen, die einkommensteuerlich so zu werten ist, als ob der Schuldner die Altschuld durch tatsächliche Zahlung beglichen (= Zufluss beim Gläubiger) und der Gläubiger den vereinnahmten Betrag infolge des neu geschaffenen Verpflichtungsgrundes dem Schuldner sofort wieder zur Verfügung gestellt hätte (= Wiederabfluss des Geldbetrages beim Gläubiger). Der zuletzt beschriebene lange Leistungsweg wird durch die Novationsvereinbarung lediglich verkürzt, indem auf den überflüssigen Umweg der Aus- und Rückzahlung des Geldbetrages verzichtet wird.

Von einem Zufluss des aufgrund der Altforderung geschuldeten Betrags im Sinne von § 11 Abs. 1 EStG kann in derartigen Fällen der Schuldumschaffung allerdings nur dann ausgegangen werden, wenn sich die Novation als Folge der Ausübung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht des Gläubigers (Steuerpflichtigen) über den Gegenstand der Altforderung darstellt, also auf einem freien Entschluss des Gläubigers beruht. Für die Beantwortung der Frage, ob dies zutrifft, kommt auch dem Umstand Bedeutung zu, in wessen Interesse die Novation lag. Lag sie im alleinigen oder überwiegenden Interesse des Gläubigers, indiziert dies dessen Verfügungsmacht über den Gegenstand der Altforderung (vgl. zum Ganzen BFH in BFH/NV 2008, 2117).

Der Senat würdigt den vorliegenden Fall insbesondere aufgrund des klaren Schreibens vom 26. Oktober 2000 ("wie von Ihnen gewünscht") dahin, dass die zweigeteilte Abfindungsauszahlung wegen des in der Stundung liegenden Zinsvorteils für den Schuldner (X GmbH) zwar nicht im alleinigen Interesse der Klägerin, wohl aber in ihrem überwiegendem Interesse gelegen hat. Das genügt nach den vorstehenden Rechtsgrundsätzen allerdings nicht, um einen Zufluss zu bejahen. Es fehlt bereits an einer Schuldumwandlung (Novation) und erst recht an einer Novation als Folge der Ausübung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht der Klägerin. Durch das Hinausschieben der Fälligkeit wurde im Fall der Klägerin kein neuer Schuldgrund gelegt (insbesondere auch nicht z.B. in Gestalt eines Darlehens). Schuldgrund beider Abfindungszahlungen war und blieb der dreiseitige Vertrag in Verbindung mit dem in § 9 in Bezug genommenen Sozialplan. Eine Novation liegt aus den oben dargelegten Gründen im Übrigen schon deshalb nicht vor, weil der dreiseitige Vertrag von Beginn an nur mit der den Sozialplan modifizierenden Inhaltsbestimmung wirksam wurde, dass der zweite Abfindungsteilbetrag erst im Januar 2001 auszubezahlen war. Der Anspruch auf den zweiten Abfindungsteilbetrag entstand daher von Beginn an mit dem Inhalt der späteren Fälligkeit im Januar 2001.

dd) Nach Auffassung des Senats ändert auch der Umstand, dass der Abfindungsanspruch nicht in einer reinen und ausschließlichen Individualvereinbarung zwischen Arbeitgeberin (X GmbH) und Arbeitnehmerin (Klägerin) seinen Ursprung hatte, sondern in kollektivrechtlichen innerbetrieblichen Vereinbarungen zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat der X GmbH angelegt war, im Ergebnis nichts. Denn die individuelle Wirksamkeit der kollektiven Vereinbarungen (Interessenausgleich und Sozialplan vom 26. September 2000) resultierte für die Klägerin erst aus dem am 31. Oktober 2000 von ihr unterschriebenen individuellen Vertrag.

Eine sachliche Rechtfertigung dafür, aus einem kollektivvertraglichen Ursprung eine von rein individualvertraglichen Vereinbarungen ohne solchen Bezugspunkt abweichende Rechtsfolge ableiten zu wollen, besteht nicht. Die individualvertragliche "Brücke" war für das individuelle Wirksamwerden der kollektiven Vereinbarung unverzichtbar. Die kollektive Vereinbarung kann zudem - jedenfalls im konkreten vorliegenden Einzelfall - nur als dispositive, nicht dagegen als zwingende Vorgabe für die einzelvertragliche, von der Klägerin selbst abgeschlossene Vereinbarung verstanden werden.

2.) Aus den vorstehenden Gründen hat die Klage hinsichtlich der Einkommensteuer in vollem Umfang Erfolg. Entsprechend ist auch die Zinsfestsetzung zu korrigieren. Zwar stehen Einkommensteuerbescheid und Zinsbescheid zueinander im Verhältnis von Grundlagenbescheid und Folgebescheid (BFH, Beschluss vom 14. Juli 2008 VIII B 176/07, [...]). Nach der Rechtsprechung des BFH ist die Klage gegen einen Folgebescheid jedoch auch dann, wenn mit ihr keine eigenständigen Einwendungen gegen den Folgebescheid geltend gemacht werden, nicht allein deshalb wegen §§ 42 FGO, 351 Abs. 2 AO unzulässig (vgl. BFH, Urteil vom 09.11.2005 I R 10/05, BFH/NV 2006, 750, a.A. von Groll in Gräber, FGO, 6. Aufl. 2006, § 42 Rz 35 ff. mit zahlreichen Nachweisen aus der BFH-Rechtsprechung, a.A. konkret zum Zinsbescheid auch FG Brandenburg, Urteil vom 11. Juni 2008 12 K 3038/05 B, 12 K 3039/05 B, [...]).

3.) Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO, die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 151 FGO, 708 Nr. 11, 709, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

4.) Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO.

a) Vor dem Hintergrund der von der OFD Karlsruhe abgegebenen Stellungnahme misst der Senat der Auslegung des Zuflussbegriffs im Sinne des § 11 EStG in Sachverhalten der vorliegenden Art auch nach Aufhebung des § 3 Nr. 9 EStG (vgl. § 52 Abs. 4a Satz 1 EStG) grundsätzliche Bedeutung bei. Insbesondere gilt dies für die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen im Fall einer Stundungsvereinbarung abweichend vom Grundsatz, dass bei bloßer Stundung kein Zufluss gegeben ist, ausnahmsweise doch ein Zufluss anzunehmen sein kann, sowie für die Frage, ob Kollektivvereinbarungen und Individualvereinbarungen in derartigen Fällen gleich oder aber unterschiedlich zu behandeln sind (vgl. insoweit auch Offerhaus, Gastkommentar in DB, Heft 27 vom 4. Juli 2008, Seite I). Diese Fragen betreffen nicht nur den Zufluss von Abfindungen.

b) Abgesehen von der grundsätzlichen Bedeutung dürfte ferner jedenfalls das Urteil des 6. Senats des FG Baden-Württemberg vom 19.02.2004 6 K 403/99, EFG 2004, 980 im Widerspruch zur vorliegenden Entscheidung stehen (vgl. Offerhaus, StuW 2006, 317, 321 Fn 26). Auch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert daher nach Auffassung des Senats eine Entscheidung des BFH.

5.) Die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung beruht auf dem diesbezüglichen Einverständnis der Beteiligten (§ 90 Abs. 2 FGO ).

Ende der Entscheidung

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