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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 12.12.2007
Aktenzeichen: 3 K 209/03
Rechtsgebiete: EStG, KStG, AO, FGO


Vorschriften:

EStG § 3 Nr. 44 a.F.
KStG § 5 Abs. 1 Nr. 9
AO § 51 S. 2
AO § 52 Abs. 1
AO § 52 Abs. 2
FGO § 45 Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Baden-Württemberg

3 K 209/03

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob ein Stipendium einer französischen Stipendiengeberin nach § 3 Nr. 44 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfrei ist.

Die Klägerin ist Ärztin und beim Universitätsklinikum X (U) angestellt. Sie erzielt aus dieser Tätigkeit bei U Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Am 24. Mai 2000 bewilligte die "" (ESC) der Klägerin ein Stipendium über 35.000 $ pro Jahr für ein Forschungsprojekt im Bereich der Thromboseforschung (Bl. 7 der Gerichtsakte --GA--). Dem vorausgegangen war eine Ausschreibung der Arbeitsgruppe "Thrombose" der ESC, auf die sich die Klägerin einige Monate zuvor schriftlich beworben hatte. U gewährte der Klägerin daraufhin antragsgemäß vom 15. November 2000 bis zum 14. November 2002 Sonderurlaub für das Stipendium unter Wegfall der Vergütung (Bl. 10 GA). Gleichzeitig wurde ihr gestattet, zur Durchführung ihres Forschungsvorhabens bei U als Hospitantin tätig zu sein (siehe Hospitationsvereinbarung, Bl. 12 GA).

Gegenstand des Forschungsprojekts der Klägerin war, bestimmte Wirkungsmechanismen der Blutgerinnung zu erkennen, um Ansatzpunkte für neue Therapien zu finden und Erkenntnisse für die Entwicklung neuer Therapeutika zu gewinnen. Das Ergebnis ihrer Forschungen hat die Klägerin in den Folgejahren literarisch verwertet. Außerdem erhielt die Klägerin für ihre Forschungen einen Preis.

Die Auszahlung des Stipendiums erfolgte in zwei Stufen: Die ESC zahlte am 1. Juli 2000 und am 1. Juli 2001 jeweils 35.000 $ auf ein Drittmittelkonto der U ein, das die Klägerin auf Anforderung der ESC durch U einrichten ließ. Verfügungsberechtigt über das Drittmittelkonto war eine Sachbearbeiterin der U, der die Klägerin Weisungen hinsichtlich der Mittelverwendung erteilen konnte. Die Klägerin vereinbarte mit der Sachbearbeiterin der U, dass U an die Klägerin monatliche Auszahlungen in Höhe von jeweils 1/12 von 35.000 $ vornahm.

Die ESC ist gemäß der Bescheinigungen der Unterpräfektur von M (Frankreich) vom 24. Mai 2000 und 1. Juli 2005 (Anlagen K 8 und K 9, Beihefter zur GA) ein Verein gemäß dem Gesetz der Französischen Republik vom 1. Juli 1901 (Anlage K 10, Beihefter zur GA) mit Sitz in T (Frankreich). Gemäß Art. 2 der Statuten (Bl. 15 ff. GA) ist Zweck der ESC die Prävention, die Erkennung und die Handhabung von Erkrankungen des Herzens und der Blutgefäße voranzubringen und das Verständnis der Physiologie (Lehre von der Funktionsweise) und Pathophysiologie (Lehre von den krankhaften Veränderungen) des Herzens und des Vaskularsystems (Gefäßsystems) zu verbessern. Dazu übernimmt die ESC die Verantwortung für die Ausbildung und Weiterbildung von Kardiologen und anderen Fachleuten, die mit der Prävention, der Erkennung und der Handhabung von Erkrankungen des Herzens und der Blutgefäße in ihrer Mitgliedsländern zu tun haben, und für die Entwicklung von Standards für ihre Ausbildung, ständige Weiterbildung und professionelle Handlungsweise. Außerdem fördert die ESC die Ausbildung, die Weiterbildung und die Entwicklung von Standards in weniger entwickelten Ländern der Welt. Sie möchte außerdem das Verstehen der Physiologie und Pathophysiologie des Herzens und des Vaskularsystems durch die Förderung der Forschung in diesem Gebiet verbessern. Mitglieder der ESC können u.a. gemäß Art. 3 der Statuten alle nationalen Gesellschaften für Kardiologie der europäischen Staaten und der Mittelmeer-Anrainerstaaten werden. Deutsches Mitglied der ESC ist die DG e.V. mit Sitz in D.

Im Oktober 2000 fragte die Klägerin beim Beklagten (dem Finanzamt --FA--) an, ob das Stipendium der ESC steuerfrei sei, und reichte auf Anforderung des FA im Dezember 2000 weitere Unterlagen ein. Das FA forderte die Klägerin anschließend auf, einen Nachweis dazu vorzulegen, dass die ESC in Deutschland als gemeinnützig anerkannt sei. Die Klägerin legte daraufhin die Satzung der ESC sowie einen Nachweis der ESC vor, dass die ESC in Frankreich als gemeinnützig anerkannt ist.

Das FA vertrat daraufhin die Auffassung, dass das Stipendium nicht nach § 3 Nr. 44 EStG steuerfrei sei, weil die ESC die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) nicht erfülle. Das Besteuerungsrecht am Stipendium stehe gemäß Art. 18 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern (BGBl. II 1961, 397, BStBl I 1961, 342 --DBA Frankreich--) Deutschland zu.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2000 vom 13. September 2001 erklärte die Klägerin Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bei U bis zum 15. November 2000; das Stipendium der ESC erklärte sie als steuerfreie sonstige Einkünfte. Dem folgte das FA im Einkommensteuerbescheid vom 9. Oktober 2001 nicht, sondern sah das Stipendium als steuerpflichtig an. Durch Bescheid vom 10. Dezember 2002 setzte das FA Kirchensteuer fest. Beide Bescheide wurden bestandskräftig.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2001 (Streitjahr) vom 11. Mai 2003 erklärte die Klägerin sonstige Einkünfte. Sie stellte Einnahmen aus dem Stipendium der ESC in Höhe von 77.280 DM (umgerechnet aus 35.000 $) -in der Höhe unstreitige- Werbungskosten in Höhe von 8.565 DM gegenüber. Das FA setzte die Einkommensteuer im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 19. September 2003 erklärungsgemäß fest.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Sprungklage, der das FA zugestimmt hat. Die Klägerin trägt vor, das Stipendium der ESC sei gemäß § 3 Nr. 44 Satz 2 EStG steuerfrei. Eine Beschränkung der Steuerfreiheit auf Stipendien von gemeinnützigen Organisationen mit Sitz im Inland sei gemeinschaftsrechtlich unzulässig. Sowohl die ESC als auch die Klägerin würden dadurch in der Ausübung ihrer gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten, namentlich der Niederlassungsfreiheit, der Kapitalverkehrsfreiheit sowie der Freizügigkeit behindert. Dem stehe auch nicht entgegen, dass die Auszahlung des Stipendiums über U erfolgt sei. Die Leistungsgewährung im Streitfall sei als unmittelbar anzusehen, weil die Klägerin über eine Sachbearbeiterin der U habe über das Drittmittelkonto verfügen können. Außerdem setze § 3 Nr. 44 Satz 2 EStG -anders als Satz 1- eine Unmittelbarkeit nicht voraus.

Die Klägerin beantragt,

den Einkommensteuerbescheid des Beklagten vom 19. September 2003 dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer für das Jahr 2001 auf 0 EUR herabgesetzt wird, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Es verteidigt gemäß einer Weisung der zuständigen Oberfinanzdirektion (OFD) den angefochtenen Einkommensteuerbescheid. Das FA legt dazu eine Stellungnahme der OFD vor, wonach auch nach Ergehen des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 14. September 2006 C- 386/04 (BFH/NV 2007, Beilage 1, 55, --Centro di Musicologia Walter Stauffer--) und des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 20. Dezember 2006 I R 94/02 (BFHE 216, 269, BFH/NV 2007, 805) ein Stipendium, welches von einer im Ausland ansässigen Organisation ausgezahlt wird, nicht nach § 3 Nr. 44 EStG steuerfrei sei. Ein Verstoß gegen Grundfreiheiten des Stipendiengebers oder der Klägerin liege nicht vor. Überdies vertritt das FA die Auffassung, die Steuerbefreiung scheitere auch an der fehlenden Unmittelbarkeit der Stipendienauszahlung, die § 3 Nr. 44 Satz 2 EStG ebenfalls voraussetze.

Der Berichterstatter hat am 5. Dezember 2007 einen Erörterungstermin mit den Beteiligten durchgeführt. Im Erörterungstermin haben die Beteiligten auf mündliche Verhandlung vor dem Senat verzichtet. Auf die Niederschrift wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet; die Einkommensteuer ist antragsgemäß auf 0 EUR festzusetzen. Der Senat kann offen lassen, ob das Stipendium der ESC überhaupt steuerbar ist; jedenfalls ist es nach § 3 Nr. 44 Satz 2 und 3 EStG steuerfrei.

I. Die Klage ist trotz fehlender Durchführung eines Vorverfahrens nach § 45 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässig; denn das FA hat einer Sprungklage fristgerecht zugestimmt.

II. Der Senat lässt offen, ob das Stipendium der ESC steuerbar und unter welche Einkunftsart es zu subsumieren ist.

1. Das FA ist insoweit im angefochtenen Einkommensteuerbescheid von Einkünften der Klägerin aus wiederkehrenden Bezügen (§ 22 Nr. 1 EStG) ausgegangen.

2. Der Senat lässt offen, ob er dem folgen könnte. In Betracht kommen nach Auffassung des Senats entweder Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 und 2 EStG; vgl. Senatsbeschluss vom 1. Juni 2005 3 V 36/04, EFG 2005, 1333, bei einem Stipendium der DFG; vgl. auch --stillschweigend- - BFH-Urteil vom 27. April 2006 IV R 41/04, BFHE 214, 69, BStBl II 2006, 755, zu Zuschüssen an ein Orchester) oder sonstige Einkünfte im Sinne des § 22 Nr. 1 Satz 1, ggf. i.V.m. Satz 3 Buchst. b EStG (vgl. dazu und zur Abgrenzung gegenüber den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit BFH-Urteile vom 28. Februar 1978 VIII R 116/75, BFHE 124, 528, BStBl II 1978, 387;vom 29. Juni 1973 VI R 267/69, BFHE 109, 532, BStBl II 1973, 736;vom15. Juni 1973 VI R 295/69, BFHE 109, 522, BStBl II 1973, 734; vom 18. September 1964 VI 244/63 U, BFHE 81, 30, BStBl III 1965, 11). Der Senat verneint insoweit lediglich die Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, weil die Klägerin zwar nach dem Hospitationsvertrag als Hospitantin (weiterhin) teilweise den Weisungen der U unterworfen war, aber das Stipendium nicht -- von Dritter Seite-- "für" diese Hospitationstätigkeit gewährt worden ist und die Zahlung auch nicht auf einem Dienstverhältnis (hier: der Hospitation) beruht (zu den Anforderungen an eine Lohnzahlung durch Dritte vgl. z.B. BFH-Urteile vom 10. Mai 2006 IX R 82/98, BFHE 213, 487, BStBl II 2006, 669;vom 19. August 2004 VI R 33/97, BFHE 207, 230, BStBl II 2004, 1076, m.w.N.). Für eine Zuordnung des Stipendiums zu den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit spricht aus Sicht des Senats die spätere literarische Verwertung der Forschungsergebnisse durch die Klägerin. Verneinte man gleichwohl die Voraussetzungen des § 18 EStG, stellte sich bei § 22 Nr. 1 EStG die Frage, ob zwei Zahlungen der ESC über jeweils 35.000 $ ein "wiederkehrender" Bezug sind. Allerdings könnte man insoweit auch von 24 Zahlungen ausgehen.

3. Entsprechend kommt auf der Ebene des DBA Frankreich entweder eine Einstufung als Einkünfte aus selbständiger Arbeit (Art. 12 Abs. 1 DBA Frankreich) oder aus anderen Einkünften (Art. 18 DBA Frankreich) in Betracht. Auch dies bedarf keiner Entscheidung: Das Besteuerungsrecht stünde in beiden Fällen Deutschland zu, weil die Klägerin eine in Deutschland ansässige deutsche Staatsangehörige ist und ihre Tätigkeit in Deutschland ausgeübt hat. Art. 13 f. (unselbständige Arbeit), Art. 15 (Lizenzgebühren) und Art. 17 (Studiengelder) DBA Frankreich greifen nicht ein.

III. Allerdings sind die Zahlungen der ESC, selbst wenn man sie nach einer der beiden genannten Alternativen als steuerbar ansieht, nach § 3 Nr. 44 EStG steuerfrei.

1. § 3 EStG lautete im Streitjahr auszugsweise wie folgt:

"(1) Steuerfrei sind ...

44. Stipendien, die unmittelbar aus öffentlichen Mitteln oder von zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtungen, denen die Bundesrepublik Deutschland als Mitglied angehört, zur Förderung der Forschung oder zur Förderung der wissenschaftlichen oder künstlerischen Ausbildung oder Fortbildung gewährt werden. Das gleiche gilt für Stipendien, die zu den in Satz 1 bezeichneten Zwecken von einer Einrichtung, die von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts errichtet ist oder verwaltet wird, oder von einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes gegeben werden. Voraussetzung für die Steuerfreiheit ist, dass

a) die Stipendien einen für die Erfüllung der Forschungsaufgabe oder für die Bestreitung des Lebensunterhalts und die Deckung des Ausbildungsbedarfs erforderlichen Betrag nicht übersteigen und nach den von dem Geber erlassenen Richtlinien vergeben werden,

b) der Empfänger im Zusammenhang mit dem Stipendium nicht zu einer bestimmten wissenschaftlichen oder künstlerischen Gegenleistung oder zu einer Arbeitnehmertätigkeit verpflichtet ist,

c) bei Stipendien zur Förderung der wissenschaftlichen oder künstlerischen Fortbildung im Zeitpunkt der erstmaligen Gewährung eines solchen Stipendiums der Abschluss der Berufsausbildung des Empfängers nicht länger als zehn Jahre zurückliegt;"

Nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG sind Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die nach der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung und nach der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen (§§ 51 bis 68 AO 1977), von der Körperschaftsteuer befreit. Wird ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb unterhalten, ist die Steuerbefreiung insoweit ausgeschlossen. Allerdings gelten die Befreiungen nach Absatz 1 nicht für beschränkt Steuerpflichtige im Sinne des § 2 Nr. 1 KStG: Beschränkt körperschaftsteuerpflichtig sind danach Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die weder ihre Geschäftsleitung noch ihren Sitz im Inland haben, mit ihren inländischen Einkünften.

2. Im Streitfall liegen -jedenfalls bei gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung des § 5 KStG- die Voraussetzungen des § 3 Nr. 44 Satz 2 EStG vor.

a) Insbesondere ist die ESC eine Körperschaft im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG.

aa) Eine Körperschaft verfolgt gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern (§ 52 Abs. 1 AO). § 52 Abs. 2 AO nennt beispielhaft gemeinnützige Zwecke, u.a. die Förderung von Wissenschaft und Forschung. Wie aus dem Einleitungssatz des § 52 Abs. 2 AO ersichtlich, ist die Förderung von Wissenschaft und Forschung nur dann gemeinnützig, wenn sie die Voraussetzungen des Abs. 1 erfüllt, also der Allgemeinheit dient. Keine Förderung der Allgemeinheit liegt vor, wenn Forschung im Interesse einzelner Auftraggeber betrieben wird und somit so genannte Auftrags- und Ressortforschung gegeben ist (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 4. April 2007 I R 76/05, zur Veröffentlichung in BFHE bestimmt, BStBl II 2007, 631).

Es schadet nicht, wenn die gemeinnützigen Zwecke auch bzw. ganz überwiegend im Ausland erfüllt werden. Das deutsche Steuerrecht anerkennt die Verfolgung gemeinnütziger Zwecke unabhängig davon, ob dies im Inland oder im Ausland geschieht. Eine Förderung der Allgemeinheit i.S. des § 52 AO 1977 setzt nicht voraus, dass die Fördermaßnahmen unmittelbar den Bewohnern oder Staatsangehörigen Deutschlands zugute kommen (vgl. BFH-Urteil vom 20. Dezember 2006 I R 94/02, BFHE 216, 269, BFH/NV 2007, 805, m.w.N.). Indes ist erforderlich, dass die ausländische Körperschaft sämtliche satzungsmäßigen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG erfüllt. Zur Überprüfung dieser Voraussetzungen könnte ein Amtshilfeersuchen aufgrund der Richtlinie 77/799/EWG des Rates vom 19. Dezember 1977 über die gegenseitige Amtshilfe der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern (ABlEG Nr. 1 336, 15), geändert durch die Richtlinie 2004/106/EG des Rates vom 16. November 2004 (ABlEU Nr. 1 359, 30), an die französischen Steuerbehörden gerichtet werden (vgl. EuGH-Urteil Centro di Musicologia Walter Stauffer, in BFH/NV 2007, Beilage 1, 55). Allerdings hat die Klägerin nach Maßgabe des § 90 Abs. 2 AO 1977 Nachweise vorgelegt; auch dies ist möglich.

bb) Gemessen daran ist die ESC als rechtsfähiger gemeinnütziger Verein (Art. 6 und 10 des Gesetzes vom 1. Juli 1901, Art. 1 der Satzung der ESC) eine Körperschaft i.S. der § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG, § 51 Satz 2 AO 1977. Sie verfolgt mit der Förderung von Wissenschaft und Forschung und des öffentlichen Gesundheitswesens im Inland und im Ausland selbstlos, ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke i.S. des § 52 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 und 2 AO 1977. Dies ergibt sich nach Auffassung der Beteiligten, die der Senat teilt, auch in der nach den §§ 59 ff. AO 1977 notwendigen Deutlichkeit aus der vorgelegten Satzung, namentlich deren Art. 2, 7 ff. Ausschlaggebend ist, dass die im Einzelnen aufgelisteten Zielsetzungen der ESC keinen Zweifel daran lassen, dass sie zur Verwirklichung des Vereinszwecks dienen. Nach der Satzung verbleibt gleichermaßen kein begründbarer Zweifel daran, dass die ESC den Satzungszweck ausschließlich und unmittelbar verfolgt. Den Erfordernissen des § 61 AO 1977 ist durch Art. 21 der Satzung der ESC Genüge getan. Ohnehin gilt es, bei der Auslegung der Satzungen von Körperschaften, die Steuervergünstigungen wegen Verfolgung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke beanspruchen, eine allzu kleinliche "Wortklauberei" zu vermeiden (BFH-Urteil in BFHE 216, 269, BFH/NV 2007, 805, unter III.3.c.aa).

Darüber hinaus ist nach einer tatsächlichen Verständigung der Beteiligten unstreitig von der Klägerin nachgewiesen, dass die tatsächliche Geschäftsführung der ESC den Erfordernissen des § 63 AO 1977 entspricht. Die ESC ist eine Dachorganisation von nationalen gemeinnützigen Organisationen. Einer weiteren Sachaufklärung in diesem Punkt bedarf es danach nicht.

b) Der Anwendung des § 3 Nr. 44 Satz 2 EStG steht § 5 Abs. 2 Nr. 2 KStG nicht entgegen. Für die Steuerbefreiung ist unschädlich, dass die ESC im Inland nicht (beschränkt oder unbeschränkt) steuerpflichtig ist.

aa) Dabei kann offen bleiben, ob nicht schon nach dem Wortlaut des § 3 Nr. 44 Satz 2 EStG für die Steuerbefreiung unerheblich ist, ob der Stipendiengeber im Inland oder im Ausland ansässig ist (die Maßgeblichkeit bejahend Beschluss des FG München vom 22. September 2003 13 V 2774/03, [...]). Der Senat weist auch lediglich zur Abrundung darauf hin, dass nach Art. 21 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 DBA Frankreich jede Diskriminierung der ESC auch abkommensrechtlich verboten ist. Jedenfalls ist nämlich nach der Rechtsprechung des BFH (BFH-Urteil in BFHE 216, 269, BFH/NV 2007, 805) in Gefolge der Rechtsprechung des EuGH (EuGH-Urteil Centro di Musicologia Walter Stauffer, in BFH/NV 2007, Beilage 1, 55) § 5 Abs. 2 Nr. 3 KStG 1996 (jetzt: § 5 Abs. 2 Nr. 2 KStG) gemeinschaftsrechtswidrig. Er ist deshalb zugunsten der Klägerin im Streitfall nicht anzuwenden:

(1) Der erkennende Senat folgt dabei zunächst nicht der vom FA vorgetragenen Auffassung der OFD, dass im Streitfall ein grenzüberschreitender Bezug fehle; denn im Streitfall sind die ESC und die Klägerin in verschiedenen Mitgliedstaaten ansässig. Die ESC hat sich entschieden, ihren Sitz in Frankreich zu nehmen. Auch eine solche Konstellation führt zur Anwendung des Gemeinschaftsrechts und es handelt sich nicht um einen rein internen Sachverhalt ohne Bezug zum Gemeinschaftsrecht (vgl. EuGH-Urteil vom 12. Juli 2005 C-403/03, Slg. 2005, I-6421 --Schempp--, Randnr. 22 ff., zu Unterhaltszahlungen über die Grenze). Deshalb trifft die vom FA vorgetragene Auffassung der OFD aus Sicht des erkennenden Senats nicht zu.

(2) Die Klägerin ist auch -entgegen der weiteren vom FA vorgetragenen Annahme der OFD-- wirtschaftlich tätig; sie forscht nämlich (auch) im Hinblick auf (zukünftige) Einkünfte aus ihrer Forschungstätigkeit. Diese Tätigkeit wird --losgelöst von der zutreffenden Einkunftsart-- von der ESC durch Gewährung eines Stipendium als Zuschuss gefördert, auch wenn es sich dabei nicht um eine Gegenleistung für die Forschungstätigkeit im Rahmen eines Synallagmas handelt.

In der Ausübung ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit als Forscherin wird die Klägerin durch § 3 Nr. 44 Satz 2 EStG i.V.m. § 5 Abs. 2 Nr. 2 KStG nur deshalb steuerrechtlich behindert, weil sie ein Stipendium von einer ausländischen gemeinnützigen Körperschaft bezieht. Im Rahmen der Forschungstätigkeit wären Zuschüsse einer unbeschränkt steuerpflichtigen inländischen gemeinnützigen Körperschaft steuerfrei, während für Zuschüsse von nicht oder nur beschränkt steuerpflichtigen gemeinnützigen Körperschaften aus anderen Mitgliedstaaten der EU etwas anderes gelten soll.

(3) Da Rechtfertigungsgründe für diese Ungleichbehandlung weder vorgetragen noch sonst ersichtlich sind, kommt es auf die Frage, welche Grundfreiheit der Klägerin im Streitfall einschlägig ist oder ob die Freizügigkeit bzw. das allgemeine Diskriminierungsverbot betroffen sind, nicht mehr entscheidend an. Auch die Frage, ob Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 5 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) eine verfassungskonforme Auslegung zugunsten der Klägerin gebieten würden, um eine Gleichbehandlung der Klägerin mit Forschern, die ihr Forschungsstipendium von einer inländischen gemeinnützigen Körperschaft beziehen, zu gewährleisten, kann deshalb offen bleiben. Nur kurz angemerkt sei, dass die vom FA auf Weisung der OFD vertretene Gesetzesauslegung inländische Wissenschaftler mit ihren Forschungsvorhaben praktisch außer Landes treiben würde, damit sie ihr ausländisches Forschungsstipendium ohne deutschen Steuerzugriff beziehen könnten. Eine solche Auslegung widerspräche dem Gesetzeszweck des § 3 Nr. 44 EStG (dazu unter 3.).

c) Der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 44 Satz 2 EStG steht nach Auffassung des Senats nicht entgegen, dass die Zahlung an die Klägerin über ein Drittmittelkonto bei U erfolgt ist. § 3 Nr. 44 Satz 2 EStG verlangt nämlich -anders als Satz 1-- keine Unmittelbarkeit der Zahlung (gl.A. z.B. Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, § 3 EStG Anm. 2; Handzik in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 3 Rn 1644; a.A. v. Beckerath in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3 Rdnr. B 44/55 und in Kirchhof, EStG, § 3 Rn 151; wohl auch Schmidt/Heinicke, EStG, § 3 ABC "Stipendien"). Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift, der eine Unmittelbarkeit nur bei Satz 1 und nicht bei Satz 2 ausdrücklich verlangt.

Aus der Gesetzgebungsgeschichte (vgl. dazu BFH-Urteil vom 20. März 2003 IV R 15/01, BFHE 202, 168, BStBl II 2004, 190, unter 2.a) ergibt sich insoweit nichts anderes. Vielmehr bestätigt der bei der Gesetzesänderung zum Ausdruck gekommene Gesetzeszweck, Stipendien in weiterem Umfang als zuvor zu fördern und bei der Erweiterung des Anwendungsbereichs in den Buchst. a bis c (nur) die Einschränkungen vorzusehen, die erforderlich erscheinen, um eine missbräuchliche Anwendung der Befreiungsvorschrift zu verhindern (BT-Drs. IV/2400, S. 62, zu Buchst. f), die weite Wortlautauslegung. Entsprechend hat der BFH auch --anders als bei § 3 Nr. 11 EStG-- bei § 3 Nr. 44 EStG keine "Unmittelbarkeit" dergestalt für erforderlich erachtet, dass nur sachmittelbezogene Forschungsstipendien gefördert sind, sondern auch die Förderung des Unterhaltsbedarfs für begünstigt erachtet und eine entsprechende Klarstellung des Gesetzgebers verlangt, wenn etwas anderes beabsichtigt sei (BFH-Urteil in BFHE 202, 168 , BStBl II 2004, 190, unter 2.b). Diese gilt nach Auffassung des erkennenden Senats im vorliegenden Zusammenhang in gleicher Weise.

3. Auch die Voraussetzungen des § 3 Nr. 44 Satz 3 EStG liegen vor. Die Vergabe des Stipendiums erfolgte nach den Richtlinien der ESC; die Höhe des Stipendiums überschreitet im Streitfall angesichts der anspruchsvollen Forschungsaufgabe und der notwendigen Vorbildung der Stipendiatin nicht den für die Erfüllung der Forschungsaufgabe und für die Bestreitung des Lebensunterhalts der Klägerin erforderlichen Betrag. Ebenso hat sich die Klägerin gegenüber der ESC nicht zu einer bestimmten Gegenleistung verpflichtet; der Zwischenbericht diente lediglich der Überprüfung der Einhaltung der Stipendienrichtlinien. Die Klägerin hatte ihr Studium im Mai 1998 abgeschlossen, so dass die Stipendiengewährung ca. zwei Jahre nach Abschluss der Ausbildung erfolgte. All dies ist zwischen den Beteiligten nach einer tatsächlichen Verständigung (auch) zu diesen Fragen unstreitig.

4. Da das Stipendium der ESC steuerfrei ist und die Klägerin im Streitjahr neben dem Stipendium keine weiteren Einkünfte erzielte, ist die Einkommensteuer antragsgemäß auf 0 EUR festzusetzen.

IV. 1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt folgt aus § 151 Abs. 3, § 155 FGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 709, § 711 der Zivilprozessordnung.

2. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

3. Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§ 90 Abs. 2 FGO).

Ende der Entscheidung

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