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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 12.12.2007
Aktenzeichen: 3 K 22/07
Rechtsgebiete: EStG, LStDV


Vorschriften:

EStG § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
EStG 2001 § 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b
LStDV 1990 § 2 Abs. 2 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Baden-Württemberg

3 K 22/07

Tatbestand:

Der Kläger wird für den Veranlagungszeitraum 2001 (Streitjahr) mit seiner Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Ehefrau des Klägers (im folgenden auch: E) war im Streitjahr bei der M AG in X/CH (im folgenden auch: Arbeitgeberin) als Mitarbeiterin im technischen Dienst beschäftigt (Hinweis auf den Lohnausweis für die Steuererklärung [Bl. 27/2001 der Einkommensteuerakten] und auf den Arbeitsvertrag vom 14. Dezember 1998 [Bl. 75 - 77 der FG-Akten]). Im Lohnausweis sind "Taggelder aus Kranken-, Unfall- und Invalidenversicherungen" in Höhe von 8.002 CHF ausgewiesen (Hinweis in diesem Zusammenhang auf die Bescheinigung: Lohn für B 2001, Bl. 78 der FG-Akten), die von der E bei der Abgabe der Einkommensteuererklärung als "Mutterschaftsgeld § 3 Nr. 1 EStG" bezeichnet werden (Anlage N-Gre Zeile 9, Bl. 25 der Einkommensteuerakten). Damit hat es folgende Bewandtnis:

Die Ehefrau des Klägers gebar am 7. Januar 2001 ihren Sohn Q. Wegen der Schwangerschaft und im Hinblick auf die schweizerischen Rechtsgrundlagen zur Mutterschaft und Niederkunft (s. zu II. des Gutachtens von Prof. Dr. K -im folgenden: Gutachten) leistete ihre Arbeitgeberin durch die Versicherung für Unternehmungen (bzw.:

Die Versicherung - im Folgenden: Versicherung) insgesamt den zuvor genannten Betrag von 8.002 CHF. Eine ausführliche Darlegung zur Zahlung des Taggeldes (Geburtengeldes) ergibt sich aus der Schadensabrechnung der Versicherung vom 14. Februar 2001 (Bl. 99 und 100 der FG-Akten; vgl. hierzu im übrigen: Schreiben des Klägers vom 10. Mai 2006, zu Ziff. 3, Bl. 73 der FG-Akten). Danach zahlte

Die Versicherung für die Zeit vom 7. Januar - 28. April 2001 8.002 CHF (= 112 Tage à 71.45 CHF [= 80 v.H. des Tageslohnes, Tz. 3.3 des Gutachtens]) als Geburtengeld und damit in Höhe von 80 v.H. des vollen Lohnes der E (Tz. 2.15 des Gutachtens). Gestützt auf Art. 324a Abs. 4 des Bundesgesetzes betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht) - OR - trat die Versicherungsleistung der Versicherung an die Stelle der gesetzlichen Lohnfortzahlungspflicht der Arbeitgeberin nach Art. 324a Abs. 1 - 3 OR (Tz. 3.4 des Gutachtens).

Die Zahlungen der Versicherung (als Versicherer) beruhen auf einem nicht obligatorischen (Tz. 2.10 des Gutachtens) Kollektiv-Krankentaggeldversicherungsvertrag (vgl. hierzu: Allgemeine Bedingungen für die Kollektiv-Krankenversicherung -AVB- Ausgabe 2000, Bl. 28 - 31 der FG-Akten) mit der Arbeitgeberin (als Versicherungsnehmerin) und der E (als versicherter Person), der dem Finanzgericht (FG) vorliegt (gültig vom 1. Januar 2000 - 31. Dezember 2003 -vgl. Bl. 131 - 136 der FG-Akten-; Hinweis im übrigen auf den Nachtrag zur Versicherungs-Police, gültig ab 1. Januar 2004, Bl. 79 der FG-Akten; vgl. Tzn. 2.19, 3.5 und 3.6 des Gutachtens). Der Vertrag wurde abgeschlossen über den Erwerbsausfall bei Krankheit einschließlich Geburtengeld. Der Abschluss dieses Vertrages für Lohnausfall bei Krankheit und Mutterschaft war im Arbeitsvertrag der E vereinbart worden (Ziffern 2.13 und 3.3. des Gutachtens unter Bezugnahme auf Art. 3.5 des Arbeitsvertrages). Es handelt sich um einen Kollektiv- Krankentaggeldversicherungsvertrag nach dem Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag vom 2. April 1908 (VVG), der dem (schweizerischen) Privatversicherungsrecht unterliegt (Tzn. 2.20 - 2.22 des Gutachtens).

Eine obligatorische Versicherung für Leistungen bei Mutterschaft kennt die Schweiz erst seit dem 1. Juli 2005 (Tz. 2.15 des Gutachtens). Für eine Versicherung über Mutterschaftsleistungen bestand im Streitjahr keine gesetzliche Verpflichtung in der Schweiz (Tz. 2.13 des Gutachtens).

Der Bescheinigung "Lohn für B 2001" vom 1. März 2001 (Bl. 78 der FG-Akten) ist zu entnehmen, dass die Arbeitgeberin Beiträge für die "KKV" vom Bruttolohn der E einbehalten und abgeführt hat (jeweils monatlich 18 CHF = 0,9 v.H. des Bruttolohns). Der Arbeitgeberanteil für die Kollektiv- Krankentaggeldversicherung betrug für das Streitjahr insgesamt 181 CHF, der Anteil der E 216 CHF (Tz. 2.29 des Gutachtens; Schreiben des Klägers vom 3. Juli 2003 zu Nr. 2, Bl. 1 der Rechtsbehelfsakten; Ziff. 3. Buchstabe k des Lohnausweises).

In ihrer Einkommensteuererklärung ging die E davon aus, dass das Geburtengeld nicht als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu berücksichtigen sei (Zeile 9 der N-Gre, Bl. 14 der Einkommensteuerakten). Dem folgte der Beklagte (das Finanzamt - FA -) nicht, sondern er unterwarf es im Einkommensteuerbescheid vom 13. Juni 2003 der Einkommensteuer. Der eingelegte Einspruch blieb insoweit ohne Erfolg (s. die Einspruchsentscheidung vom 10. November 2003). Das FA berücksichtigte jedoch den Beitrag der E für die Kollektivversicherung von 216 CHF als Werbungskosten bei deren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.

Mit der form- und fristgerecht erhobenen Klage vertritt der Kläger weiterhin die Auffassung, die Zahlung des Geburtengeldes sei nicht bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit der E zu berücksichtigen. Wegen der Begründung wird auf den Schriftsatz vom 22. März 2004 Bezug genommen (Bl. 22 und 23 der FG-Akten).

Der Kläger beantragt,

den Einkommensteuerbescheid vom 13. Juni 2003 und die Einspruchsentscheidung vom 10. November 2003 der Gestalt zu ändern, dass die Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit einerseits um 8.002 CHF gemindert und andererseits um 181 CHF und 216 CHF erhöht werden und die Einkommensteuer demzufolge auf 40.080 DM festgesetzt wird.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist es im wesentlichen auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung und im Schriftsatz vom 11. November 2007 (Bl. 181 und 182 der FG-Akten).

Am 15. Mai 2005 fand vor dem Berichterstatter des erkennenden Senats ein Termin zur Erörterung des Sach- und Streitstandes statt. Auf die Ausführungen in der Ladung "Auf richterliche Anordnung" wird Bezug genommen, ebenso auf die Niederschrift zu dem Gerichtstermin.

Im Anschluss an den Gerichtstermin wurde mit Senatsbeschluss vom 4. Januar 2007 3 K 22/07 Prof. Dr. iur. K zum Gutachter bestellt zur Klärung der Rechtsfragen in Zusammenhang mit der Leistung von Geburtengeld aus einer Kollektiv-Krankentaggeldversicherung. Auf die Gutachten vom 20. Juli und 2. November 2007 wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet. Zu Unrecht hat das FA in den angegriffenen Bescheiden die Leistungen aus der Kollektiv-Krankentaggeldversicherung als Arbeitslohn im Sinne von § 19 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Satz 1 der Lohnsteuer- Durchführungsverordnung (LStDV beurteilt (-siehe nachfolgend zu 2.-). Im übrigen ist in Übereinstimmung mit dem Kläger der auf die E entfallende Beitrag der Arbeitgeberin für die Kollektivversicherung als Arbeitslohn zu berücksichtigen (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Nr. 3 LStDV -siehe nachfolgend zu 1.). Schließlich ist der Beitrag der E für die Kollektivversicherung als Sonderausgabe zu behandeln (siehe nachfolgend zu 3.).

1. Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile, die "für eine Beschäftigung" gewährt werden, also als Frucht der Arbeitsleistung für den Arbeitgeber zu betrachten sind.

Zum Arbeitslohn gehören auch die Ausgaben, die ein Arbeitgeber leistet, um einen Arbeitnehmer oder diesem nahe stehende Personen für den Fall der Krankheit, des Unfalls, der Invalidität, des Alters oder des Todes abzusichern (Zukunftssicherung; § 2 Abs. 2 Nr. 3 LStDV). Die Arbeitslohnqualität von Zukunftssicherungsleistungen, bei denen die Leistungen des Arbeitgebers an einen Dritten (Versicherer) erfolgt, hängt davon ab, ob sich der Vorgang -wirtschaftlich betrachtet- so darstellt, als ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Mittel zur Verfügung gestellt und der Arbeitnehmer sie zum Zweck seiner Zukunftssicherung verwendet hat. Davon ist auszugehen, wenn dem Arbeitnehmer gegen die Versorgungseinrichtung (den Versicherer), an die der Arbeitgeber die Beiträge geleistet hat, ein unentziehbarer Rechtsanspruch auf die Leistung zusteht (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs -BFH-; vgl. BFH-Urteile vom 15. November 2007 VI R 30/04, BFH/NV 2008, 550; vom 12. April 2007 VI R 55/05, BStBl II 2007, 619, jeweils mit weiteren Nachweisen).

Nach diesen Rechtsgrundsätzen sind die Beiträge des Arbeitgebers der E für die Kollektiv-Krankentaggeldversicherung, die jener an den Versicherer (die Versicherung) gezahlt hat, als Arbeitslohn zu beurteilen. Es handelt sich um Ausgaben, die der E als Versicherter Versicherungsschutz verschafften für den Fall der Krankheit und der Mutterschaft (vgl. Tzn. 2.19 und 2.20 des Gutachtens) und damit deren Zukunftssicherung dienten (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 LStDV). Durch den Abschluss des Kollektiv-Versicherungsvertrages erwarb die E ein unentziehbares Forderungsecht auf die Leistungen im Versorgungsfall gegen den Versicherer. Grundlage dieses direkten/unmittelbaren Anspruchs ist die Vorschrift des Art. 87 VVG. Danach steht demjenigen aus einer kollektiven Krankentaggeldversicherung, zu dessen Gunsten die Versicherung abgeschlossen wurde, mit dem Eintritt der Krankheit ein selbständiges Forderungsrecht zu (Tz. 2 des Zusatzgutachtens vom 2. November 2007). Dies gilt auch dann, wenn der Versicherungsvertrag -wie z.B. im vorliegenden Fall (Tz. 2.19 des Gutachtens in Verbindung mit Tz. 2.22 des Gutachtens)- Leistungen bei Mutterschaft vorsieht (vgl .den Versicherungsvertrag zur Police Nr. 23748.003 -insbesondere Berechnungsblatt 1a- Bl.131 ff [Bl.135] der FG-Akten).

Der auf die E entfallende Beitrag ihres Arbeitgebers für die Kollektivversicherung, der nach den zuvor dargelegten Erwägungen als Arbeitslohn zu beurteilen ist, beträgt -und dies ist insoweit unstreitig zwischen den Beteiligten- 181 CHF (vgl. Tz. 2.29 des Gutachtens). Die Berechnung beruht auf versicherungsmathematischen Grundlagen (Tzn 3.11 und 3.12 des Gutachtens).

2. Da nach den zuvor dargelegten Rechtsgrundsätzen die von der Arbeitgeberin der E geleisteten Ausgaben für den Versicherungsschutz als Arbeitslohn zu berücksichtigen sind, führen infolgedessen die aufgrund der Kollektivversicherung erbrachten Versicherungsleistungen zu keinem weiteren Zufluss von Arbeitslohn. Es liegt hieran anschließend auch dann kein Arbeitslohn vor, wenn Leistungen aus einem Versicherungsverhältnis auf eigene -nicht lediglich dem Arbeitgeber zustehende- Ansprüche des Arbeitnehmers erbracht werden und der Versicherungsschutz im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis gewährt wird (BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 550). Aus der Sicht des Arbeitnehmers kommt es bei solchen Leistungen zum Wechsel der Erwerbsgrundlage. Da der Versorgungsanspruch (wie z.B. im Streitfall der Lohnfortzahlungsanspruch infolge der Mutterschaft der E) aus bereits versteuertem Arbeitslohn finanziert wurde, tritt anstelle des Dienstverhältnisses das Versicherungsverhältnis (bzw. die Leistung des Versicherers). Vermögenszuflüsse, die der Arbeitnehmer in der Auszahlungsphase von der Versorgungseinrichtung (dem Versicherer) erhält, sind Versicherungsleistungen, die jedenfalls nicht zu Arbeitslohn führen (Breinersdorfer in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, Kommentar, § 19 Rdnr.: B 709 a.E. mit weiteren Nachweisen).

Demzufolge sind die Leistungen des Geburtengeldes, das die E in Höhe von 8.002 CHF für den Zeitraum vom 7. Januar - 28. April 2001 erhalten hat, nicht als Arbeitslohn zu berücksichtigen: denn die E hat einen unmittelbaren/direkten Anspruch gegen den Versicherer. Kein Arbeitslohn liegt unabhängig davon vor, dass die Auszahlung an die E über deren Arbeitgeberin erfolgte (Hinweis auf die Gutschriftanzeige der Bank vom 16. Februar 2001, Bl. 100 der FG-Akten). Keine Bedeutung käme im übrigen dem Umstand zu, wenn die Arbeitgeberin lediglich zur Erfüllung ihrer arbeitsrechtlichen Lohnfortzahlungsansprüche die hier in Rede stehende Kollektivversicherung vereinbart hätte (BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 550). Auch bei einer solchen Sachverhaltsgestaltung läge kein Arbeitslohn vor, denn der E steht ein direktes Forderungsrecht gegen den Versicherer zu. Dies schlösse auch in einem solchen Fall die Annahme von Arbeitslohn durch den Zufluss der Versicherungsleistungen bei der E aus. Anhaltspunkte dafür, dass die E durch die Versicherungsleistungen andere Einkünfte (z.B. im Sinne von § 22 EStG) erzielt haben könnte, liegen nicht vor.

3. Nach den unstreitigen Feststellungen des Gutachters hat die E eigene Beiträge für die Kollektiv-Krankentaggeldversicherung von insgesamt 216 EUR im Streitjahr geleistet. Hierbei handelt es sich - entgegen der Auffassung des FA- nicht um Werbungskosten bei den Einkünften der E aus nichtselbständiger Arbeit, sondern um Sonderausgaben im Sinne von § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a EStG 2001 (BFH-Beschluss vom 15. Juni 2005 VI B 64/04, BFH/NV 2005, 1796, mit weiteren Nachweisen), die sich jedoch nicht einkommensteuermindernd auswirken, weil die Höchstbeträge (§ 10 Abs. 3 EStG 2001) bereits ausgeschöpft sind.

4. Die nicht steuerbaren Leistungen aus der Kollektiv-Krankentaggeldversicherung sind nicht bei der Berechnung des Steuersatzes hinzuzurechnen und unterliegen demzufolge nicht dem Progressionsvorbehalt (§ 32b Abs. 1 EStG 2001).

Die Einbeziehung steuerfreier bzw. nicht steuerbarer Leistungen (Hinweis in diesem Zusammenhang auf: von Beckerath in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 3 Rdnrn. A 156-176) in die Bestimmung des Steuersatzes bedarf einer gesetzlichen Grundlage (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts -BVerfG- vom 10. März 1971 2 BvL 3/68, BVerfGE 30, 272; BFH-Urteil vom 15. Dezember 1999 I R 80/98, BFH/NV 2000, 832 zu II.2.). Dem § 32b EStG lässt sich kein allgemeiner Progressionsvorbehalt für steuerfreie/nicht steuerbare Leistungen entnehmen. § 32b EStG bildet nur unter den dort genannten Voraussetzungen und für die dort bezeichneten Leistungen bzw. Einkünfte eine (deklaratorische oder konstitutive) Rechtsgrundlage, um diese Leistungen bzw. Einkünfte bei der Berechnung des Steuersatzes zu berücksichtigen (BFH-Urteile in BFH/NV 2000, 832; vom 22. Januar 1997 I R 152/94, BStBl II 1997, 358; Lambrecht in: Kirchhof, EStG KompaktKommentar, 6. Aufl., 2006, § 32b Rn.1; Krippner in: Bordewin/Brandt, Kommentar zum EStG § 32b EStG Rn. 3, jeweils mit weiteren Nachweisen).

Im Streitfall kann die Anwendung eines besonderen Steuersatzes nicht auf die Vorschrift des § 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b EStG 2001 und dabei insbesondere nicht auf die insoweit allein in Betracht kommenden Regelungen zum Mutterschaftsgeld oder zu vergleichbaren Lohnersatzleistungen nach dem Fünften, Sechsten oder Siebten Buch Sozialgesetzbuch, dem Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte oder dem Zweiten Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte (vgl. hierzu: von Beckerath in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 3 Nr. 1 d Rdnr.: B 1d/16) gestützt werden. Das Mutterschaftsgeld nach § 13 des Mutterschutzgesetzes -MuSchG- ist eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung (Zmarlik, Der Betrieb, 1997, 474 zu XIV.; Voelzke in: Küttner, Personalbuch 2007 14. Aufl., Stichwort: Mutterschaftsgeld Rn. 6 ff, mit umfangreichen Nachweisen), die als Ersatz für den Entgeltsausfall in den Zeiten vor (§ 3 Abs. 2 MuSchG) und nach (§ 6 Abs. 1 MuSchG) der Entbindung (Frenz in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 32b Rdnr. D 87) gezahlt wird. Um eine solche Leistung handelt es sich bei dem an die E aus der Kollektiv-Krankentaggeldversicherung ausgezahlten Geburtengeld nicht, wobei insbesondere darauf hin zu weisen ist, dass es in der Schweiz im Streitjahr keine spezielle gesetzliche Regelung zu Lohnersatzleistungen (Küttner/Macher, a.a.O., Stichwort: Lohnersatzleistungen Rn. 1, 6 und 10) bei Mutterschaft gab (Tzn. 2.5 - 2.11 des Gutachtens). Die hier in Rede stehenden Leistungen des Geburtengeldes an die E erfolgten aus einer privaten -da dem VVG unterfallenden- Kollektiv-Krankentaggeldversicherung (Tzn. 2.20-2.22 des Gutachtens). Solche Leistungen unterliegen nicht dem Progressionsvorbehalt, weil sie nicht auf den in § 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b EStG 2001 (abschließend und ausschließlich) genannten Sozialversicherungsgesetzen beruhen (Urteil des FG Düsseldorf vom 9. Oktober 2006 11 K 5157/04 E, EFG 2007, 418 [Revision eingelegt -Az. BFH: X R 53/06-]; Probst in: Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 32b EStG Rn. 67; Küttner/Macher, a.a.O., Stichwort: Lohnersatzleistungen, Rn 10, jeweils mit umfangreichen Nachweisen; anderer Auffassung: Küttner/Thomas, a.a.O., Stichwort: Krankengeld Rn. 11 a.E.).

Die zuvor dargelegten Erwägungen gelten entsprechend bezüglich der Vorschrift des § 32b Abs. 1 Nr. Buchstabe c EStG 2002. Danach sind nur bestimmte (Sozial-)Leistungen bei Mutterschaft im Rahmen der Berechnung des Steuersatzes der einkommensteuerrechtlichen Bemessungsgrundlage hinzuzurechnen (Mutterschaftsgeld, Zuschuss zum Mutterschaftsgeld, die Sonderunterstützung nach dem Mutterschutzgesetz sowie der Zuschuss nach § 4a der Mutterschutzverordnung oder eine entsprechende Leistung; vgl. hierzu: Frenz in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 32b EStG Rn. D 96 - D 103).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt auf den §§ 151 Abs. 3, 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709 und 711 der Zivilprozessordnung.

6. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war gemäß § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO für notwendig zu erklären, weil der Kläger die Hilfe eines Bevollmächtigten zur Beurteilung der Rechtslage und zu seiner Vertretung für unentbehrlich halten durfte (BFH-Beschluss vom 21. Dezember 1967 VI B 2/67, BStBl II 1968, 181).

7. Die Revision war zuzulassen, weil der Frage, ob die Leistungen aus einer Kollektiv-Krankentaggeldversicherung nach VVG dem Progressionsvorbehalt unterliegen, grundsätzliche Bedeutung zukommt (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).



Ende der Entscheidung

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