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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 15.12.2005
Aktenzeichen: 3 K 294/01
Rechtsgebiete: KStG, EStG


Vorschriften:

KStG § 8 Abs. 1
EStG § 4 Abs. 1
EStG § 5 Abs. 1
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3
EStG § 6 Abs. 1 Satz 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Finanzrechtsstreit

hat der 3. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15. Dezember 2005 durch Vorsitzenden Richter am Finanzgericht ... Richter am Finanzgericht ... Richterin am Finanzgericht ... ehrenamtliche Richter ...

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Änderungsbescheide vom 7. Juni 2001 jeweils in Form der Einspruchsentscheidung vom 11. Juli 2001 werden geändert: Das Einkommen und das zu versteuernde Einkommen wird jeweils neu festgestellt und die Körperschaftsteuer 1991 bis 1995 wird jeweils neu festgesetzt jeweils unter Berücksichtigung der folgenden zusätzlichen gewinnmindernden (1994 gewinnerhöhenden) Wertberichtigungen und unter entsprechender Minderung (1994 Erhöhung) der Gewerbesteuer-Rückstellungen. Die Berechnung der festgestellten und festgesetzten Beträge im Einzelnen wird dem Beklagten übertragen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, darf sie nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe des festgesetzten Erstattungsbetrags erfolgen. In anderen Fällen kann der Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des festgesetzten Erstattungsbetrags abwenden, sofern die Klägerin nicht ihrerseits Sicherheit in dieser Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist die Bewertung von Darlehnsforderungen einer Bank, für die zwar eine Verzinsung vereinbart war, deren Zinsen der jeweilige Schuldner aufgrund von Zahlungsproblemen aber nicht zahlen konnte (§ 8 Abs. 1 Körperschaftsteuergesetz - KStG - i.V.m. § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 Einkommensteuergesetz - EStG -).

Die Klägerin ist eine Bank in der Rechtsform einer eingetragenen Genossenschaft (e.G.). In ihren Jahresabschlüssen für die Streitjahre nahm sie auf Darlehensforderungen gegenüber Kunden, die nicht mehr in der Lage waren, ihre Verbindlichkeiten vertragsgemäß zu erfüllen, gewinnmindernde Wertberichtigungen vor, zum einen in Form unstreitiger Einzelwertberichtigungen und zum anderen in Form von Abzinsungen. Streitig sind hierbei die folgenden Fälle:

1. Bei Vertragsverhältnissen, die sich in der Abwicklung befanden, d.h. die gekündigt waren und bei denen die Klägerin nur ihr zur Verfügung stehende Sicherheiten noch verwerten konnte, nahm sie von den zum Jahresende bestehenden jeweiligen Schuldsalden eine Einzelwertberichtigung bis zur Höhe des erwarteten Werts der vorhandenen Sicherheiten vor. Dieser Wert wurde zusätzlich durch eine Abzinsung aufgrund des marktüblichen Zinssatzes für die Zeit der voraussichtlichen Sicherheitsverwertung berichtigt.

2. Bei Verträgen, auf die vom Schuldner noch Ratenzahlungen geleistet wurden, bei denen die Raten jedoch zur Deckung des vertraglich vereinbarten Zinses nicht ausreichten, wurde der laufende Zinsanspruch nicht verbucht und vom jeweiligen Schuldsaldo eine Abzinsung vorgenommen. Gegenüber den Schuldnern wurde ein Zinsverzicht nicht ausgesprochen. Die Abzinsung berechnete die Klägerin in Höhe des marktüblichen Zinssatzes für eine Laufzeit, die sich bei Anrechnung regelmäßiger Raten auf den Schuldsaldo ergab.

Als marktüblicher Zinssatz wurde der Refinanzierungszinssatz der Klägerin für Ausleihungen ohne Berücksichtigung eines banküblichen Unternehmergewinns zugrunde gelegt. Die jeweils ursprünglichen Abzinsungen wurden durch allmähliche Zuschreibungen in den Folgejahren bis zum jeweiligen Laufzeitende neutralisiert.

Bei einer für die Jahre 1991-1995 durchgeführten Außenprüfung (Betriebsprüfung - Bp -; vgl. Tz. 23 B. b), Tz. 25 des Bp-Berichts vom 2. Dezember 1997) wurden neben anderen Prüfungsfeststellungen die in Form der Abzinsung vorgenommenen Wertberichtigungen auf die Forderungen nicht anerkannt und die Gewinne der Streitjahre durch entsprechende Kürzungen der Wertberichtigungen entsprechend erhöht.

Mit Änderungs-Bescheiden vom 18. Februar 1998 setzte der Beklagte (das Finanzamt - FA -) die Körperschaftsteuer (KSt) 1991-1995 unter Zugrundelegung der Bp-Feststellungen unter Aufhebung des zuvor bestehenden Vorbehalts der Nachprüfung neu fest (§ 164 Abgabenordnung - AO -). Dagegen legte die Klägerin am 20. März 1998 Einspruch ein.

Sie trug vor, Gegenstand der vorgenommenen Abzinsung seien ausschließlich notleidende Forderungen, die sich in der Abwicklung befänden. Die zu Beginn der Darlehensverhältnisse verzinslichen Darlehen seien während der Laufzeit mangels Bonität der Schuldner notleidend geworden. Die Darlehensforderungen seien somit mangels Realisierbarkeit von Zinsansprüchen ertraglos bzw. minderverzinslich geworden. Diese Tatsache führe zu der Bewertung der Forderungen mit einem niedrigeren Teilwert. Dieser sei nach neuerer Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH, Urteil vom 24. Januar 1990 I R 157/85, I R 145/86, Sammlung der Entscheidungen des BFH - BFHE - 159, 494, Bundessteuerblatt -BStBl- II 1990, 639) durch Einzelbewertung einer Forderung geboten, wenn diese wegen verringerter Bonität des Schuldners notleidend werde. Weiter sei auch bei einer vorhandenen Sicherheit deren Wert nicht die Untergrenze für die Bemessung des Teilwerts. Eine Abzinsung sei dann zulässig, wenn wegen einer voraussichtlich längeren Verwertungsdauer eine sofortige Realisierung der vorhandenen Sicherheiten nicht möglich sei. Damit werde erreicht, dass die bis zur Realisierung der Sicherheiten anfallenden zukünftigen Refinanzierungsaufwendungen durch die zukünftigen Aufzinsungsbeträge gedeckt und damit ausgeschlossen werde, dass in späteren Perioden Verluste entstünden, was nach der Rechtsprechung des BFH bei der Bewertung durch den Teilwert berücksichtigt werden könne (BFH-Urteil vom 9. November 1994 I R 68/92, BFHE 176, 239, BStBl II 1995, 336).

Im Rechtsbehelfsverfahren legte die Klägerin drei Vertragsunterlagen für als niedrig verzinslich behandelte Darlehensforderungen vor. Für zwei dieser Forderungen ließ das FA die Abzinsung zu und setzte mit Änderungs-Bescheiden vom 07. Juni 2001 die KSt 1991-1995 entsprechend herab.

Im Übrigen wies das FA den Einspruch durch Entscheidung vom 11. Juli 2001 zurück. Dagegen richtet sich die am 8. August 2001 beim Gericht eingegangene Klage, mit der die Klägerin die Wertberichtigungen nach den oben genannten Nrn. 1 und 2 weiter verfolgt, worauf die folgenden streitigen Gewinnänderungen beruhen:

[Berechnung wie im Klageantrag]

Die Klägerin macht geltend, Kundenforderungen aus Darlehensgewährungen eines Kreditinstitutes seien als Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens gemäß § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG mit dem Nennwert des einzelnen Darlehens als Anschaffungskosten (ohne Berücksichtigung eines Agios oder Disagios) anzusetzen (vgl. BFH-Urteil vom 23. April 1975 I R 236/72, BFHE 116, 16, BStBl II 1975, 875). Handele es sich um verzinsliche Forderungen, entstünden nach Ablauf der jeweils vereinbarten Zinszahlungszeiträume für die nominell zu zahlenden Zinsen Forderungen, die nicht Teil der nach dem Anschaffungskostenprinzip bewerteten Kapitalforderung, sondern selbständig zu aktivierende Wirtschaftsgüter seien.

Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG könnten diese Wirtschaftsgüter mit dem niedrigeren Teilwert angesetzt werden. Teilwert sei nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG der Betrag, den ein Erwerber des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde; dabei sei davon auszugehen, dass der Erwerber den Betrieb fortführe. Obwohl nach der Rechtsprechung des BFH auch für Darlehen die Vermutung bestehe, dass ihr Teilwert im Zeitpunkt der Anschaffung den tatsächlichen Anschaffungskosten, also dem Nennwert entspreche (vgl. BFH-Urteil vom 9. Juli 1981 IV R 35/78, BFHE 133, 543, BStBl II 1981, 734), sei eine Teilwertabschreibung wegen späterer Wertminderungen nicht ausgeschlossen, wenn sich die im Anschaffungszeitpunkt bestehenden Verhältnisse geändert hätten (BFH-Urteil vom 19. Oktober 1972 I R 244/70, BFHE 107, 214, BStBl II 1973, 54). Eine solche Änderung liege u.a. vor, wenn es zu Leistungsstörungen komme, die die Erfüllung der beiden Forderungen, Kapital- und Zinsforderung, zweifelhaft erscheinen ließen. Dies rechtfertige nach der Rechtsprechung die Abschreibung von Geldforderungen auf den niedrigeren Teilwert, d.h. den Wert, mit dem die Forderungen voraussichtlich erfüllt werden (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 22. Oktober 1991 VIII R 64/86, Sammlung von Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 1992, 449).

Die Ausführungen des BFH im Urteil vom 24. Januar 1990 I R 157/85 (BFHE 159, 494, BStBl II 1990, 639) stünden dieser Beurteilung nicht entgegen. Danach würden Wertberichtigungen auf Kreditforderungen einwandfreier Bonität eines Kreditinstituts wegen einer unter dem Marktzins liegenden Verzinsung allenfalls vorgenommen, wenn ein Einzelverkauf der Forderung beabsichtigt sei, wenn also die Forderung aus dem Unternehmens- und Refinanzierungsverbund herausgelöst werden solle. Habe das Unternehmen eine im wesentlichen kongruente Geldbeschaffungs- und Kreditgewährungspolitik betrieben und dabei eine ausreichende Zinsmarge eingehalten, werde der Ertrag von aktuellen Schwankungen der Marktzinsen nicht beeinflusst und dementsprechend bei der Bewertung einzelner Forderungen nicht berücksichtigt. Etwas anderes gelte jedoch nach dem BFH im angeführten Urteil (BStBl II 1990, 642, rechte Spalte unter 2. lit. c)) dann, wenn die Kreditforderung wegen verringerter Bonität des Schuldners notleidend werde. Dieser Umstand müsse bei der Bewertung der einzelnen Forderung berücksichtigt werden (vgl. auch BFH-Urteil vom 30. November 1988 I R 114/84, BFHE 155, 337, BStBl II 1990, 117).

Wenn, wie im Streitfall, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehe, dass die der Klägerin gewährten Sicherheiten bzw. die vereinbarten Ratenzahlungen nicht ausreichten, um die Zins- und Kreditforderung, sondern lediglich einen Teil der Kreditforderung zu erfüllen, sei der Teilwert der Kreditforderung höchstens mit dem erwarteten Verwertungserlös anzusetzen. Die Zinsforderung habe einen Teilwert von 0 DM, da eine Realisierung des Zinsertrages nicht mehr möglich sei.

Die Klägerin habe, da der Zeitraum zwischen dem Bilanzstichtag und dem jeweiligen Verwertungszeitpunkt der Sicherheiten länger als ein Jahr betragen habe, den Teilwert der Kreditforderungen unter Barwertgesichtspunkten ermittelt. Sie stütze sich dabei auf die BFH-Rechtsprechung zur Teilwertbestimmung unverzinslicher Forderungen, da die Unverzinslichkeit nicht die Anschaffungskosten, sondern den Teilwert der Forderung betreffe (vgl. BFH-Urteil vom 24. Januar 1990 a.a.O.). Wie sich aus den BFH-Urteilen vom 23. April 1975 I R 236/72 (BFHE 116, 16, BStBl II 1975, 875) und vom 30. November 1988 I R 114/84 (BFHE 155, 337, BStBl II 1990, 117) ergebe, sei bei unverzinslichen Darlehen eine Teilwertabschreibung auf den Barwert möglich, soweit diese auf einer Veränderung der im Anschaffungszeitpunkt bestehenden Verhältnisse beruhe bzw. eine Gegenleistung nicht gewährt werde. Hier sei zum jeweiligen Bewertungsstichtag durch den zu erwarteten Forderungsausfall eine Veränderung der ursprünglichen Verhältnisse eingetreten; eine Gegenleistung, die über die vorhandenen Sicherheiten/Rückzahlungsbetrag hinausgehe, sei unstreitig nicht vorhanden.

Die Barwertkonzeption ergebe sich dabei aus dem Gedanken der verlustfreien Bewertung, nach dem die künftigen Aufwendungen, insbesondere die Refinanzierungskosten durch die Aufzinsung des jeweilig bilanzierten Betrages in den zukünftigen Perioden gedeckt werden sollten. Der gedachte Erwerber solcher Forderungen würde bei der Bestimmung des Kaufpreises nicht nur die vorhandenen Sicherheiten bzw. die Höhe des vereinbarten, in Raten zu entrichteten Rückzahlungsbetrages berücksichtigen, sondern auch den Zeitraum, innerhalb dessen die Sicherheiten verwertet würden und der Verwertungserlös zur Erfüllung der Forderung zur Verfügung stehe bzw. der bis zur vollständigen Ratenrückzahlung vergehe. Um keine Verluste zu erleiden, würde der Erwerber den Aufwand, den er aufgrund der Refinanzierungsaufwendungen des Kreditinstitutes bis zum Abwicklungsende zu tragen habe, bei der Bestimmung des Kaufpreises der Forderung berücksichtigen. Die Teilwertabschreibung diene damit ausschließlich der Verlustantizipation und nicht der gewinnmindernden Berücksichtigung fiktiv entgangener Gewinne. Diese Problematik könnte nur dann von Bedeutung sein, wenn die Teilwertermittlung unter Berücksichtigung eines kalkulatorischen Gewinnanteils erfolgt wäre; das sei im Streitfall nicht erfolgt.

Gegen die Anwendung dieser Rechtsprechung könne nicht eingewendet werden, dass es sich um formal verzinsliche Forderungen handele, da ein Zinsverzicht gegenüber dem jeweiligen Schuldner nicht ausgesprochen worden sei. Es handele sich begrifflich um zwei Forderungen, die Kapitalforderung mit dem Nennbetrag und die Zinsforderung mit dem vereinbarten Zinsanspruch. Wenn der Zinsanspruch, soweit er nicht erfüllt werden könne, mit einem Teilwert von 0 DM anzusetzen bzw. mangels Realisierbarkeit überhaupt nicht aktivierungsfähig sei (vgl. Stellungnahme des Bundesfachausschusses -BFA- des Instituts der Wirtschaftsprüfer Nr. 3/1977: Zum Ausweis von Zinsen auf notleidende Forderungen in der Gewinn- und Verlustrechnung, Die Wirtschaftsprüfung - WPg - 1977, 464), handele es sich bei der Kapitalforderung um eine nicht verzinsliche Forderung, auf die Barwertgrundsätze anzuwenden seien.

Werde die Rechtsprechung zur Bewertung unverzinslicher Forderungen jedoch nicht angewendet, sei zu prüfen, nach welchen Grundsätzen der Wertansatz der strittigen Forderungen zu bestimmen sei. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG sei u.a. bei Kreditinstituten für den Schluss des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) auszuweisen sei. Aufgrund dieser Vorschrift sei der handelsrechtliche Wertansatz auch für den Ansatz in der Steuerbilanz maßgebend, soweit nicht in § 5 Abs. 6 EStG enthaltenen steuerlichen Ansatz- und Bewertungsvorschriften Vorrang einzuräumen sei. Die steuerlichen Bewertungsvorschriften ließen den Ansatz des niedrigeren Teilwertes zu, so dass über § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG der handelsrechtliche Wertansatz auch für die Steuerbilanz gelte, soweit der handelsrechtlich anzusetzende Wert den steuerlichen Teilwert nicht unterschreite.

Die Bewertung von Vermögensgegenständen des Umlaufvermögens erfolge gemäß § 253 Abs. 3 Handelsgesetzbuch (HGB), der das sog. strenge Niederstwertprinzip enthalte. Abschreibungen auf die Anschaffungskosten seien vorzunehmen, um die Vermögensgegenstände mit dem niedrigeren Wert anzusetzen, der sich aus einem Börsen- oder Marktpreis am Abschlussstichtag ergebe. Fehle ein Börsen- oder Marktpreis, sei auf den niedrigeren beizulegenden Wert abzuschreiben. Da die Ermittlung des beizulegenden Wertes gesetzlich nicht geregelt sei, sei dieser mittels der GoB zu bestimmen. Der einer Forderung beizulegende Wert werde im Grundsatz bestimmt durch den bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung wahrscheinlich eingehenden Betrag (vgl. Adler-Düring-Schmaltz - ADS -, Rechnungslegung und Prüfung der Aktiengesellschaft, 5. Auflage, Anm. 487 zu § 253 HGB) bzw. durch den Barwert der künftigen Leistungen (vgl. Birk, Die Bankbilanz, 3. Auflage, Teillieferung 5, 148); dabei seien alle Zahlungen, mit denen die Forderungen, Kapital- und Zinsforderung, bedient würden, insbesondere Tilgungs- und Zinsleistungen einzubeziehen.

Für die Bestimmung des beizulegenden Wertes komme es damit nicht auf die vertraglich vereinbarte Verzinsung, sondern auf die tatsächlichen Zinszahlungen an. Stehe zum jeweiligen Bewertungszeitpunkt fest, dass keine Zinszahlungen (mehr) zu erwarten seien, wirke sich das auf die Zinsforderung entsprechend aus; der beizulegende Wert der Kapitalforderung werde in solchen Fällen ausschließlich von den aus der Verwertung zu erwartenden Erlösen bestimmt. Es bestehe in der handelsrechtlichen Literatur Übereinstimmung, dass solche Forderungen, deren Sicherheiten nur innerhalb einer längeren Verwertungsdauer realisiert werden könnten, mit dem auf den Bilanzstichtag diskontierten Betrag (Barwert) anzusetzen seien (vgl. Birk a.a.O. V, 163; BFA 1/1974, WPg 1975, 147; ADS, a.a.O., Anm. 488 zu § 253 HGB). Dieser Wertansatz sei der nach § 253 Abs. 3 HGB anzusetzende beizulegende Wert.

Da der BFH im Urteil vom 30. November 1988 I R 114/84 (a.a.O.) davon ausgehe, dass die BFH-Rechtsprechung zu den Teilwertvermutungen auf Darlehensforderungen anwendbar sei, werde der Teilwert nach oben durch die Wiederbeschaffungskosten, nach unten durch den Einzelveräußerungspreis begrenzt. Da bei den notleidenden Kreditforderungen nicht von einer Wiederbeschaffungsabsicht ausgegangen werden könne, sei die Bewertung nach den Verhältnissen des Absatzmarktes vorzunehmen, d.h. die voraussichtlich erzielbaren Veräußerungserlöse seien anzusetzen. Dieser Erlös bestimme sich dabei nicht nach der einzelnen Kreditforderung, sondern nach dem voraussichtlich erzielbaren Veräußerungserlös der jeweils vorhandenen Sicherheiten bzw. der Summe der vereinbarten Ratenzahlungen.

Diesem Wert seien nach dem BFH-Urteil vom 9. November 1994 I R 68/92 (BFHE 176, 239, BStBl II 1995, 336) die sog. Selbstkosten, bestehend aus den Anschaffungskosten und dem Anteil an betrieblichem Aufwand, der auf das zu bewertende Wirtschaftsgut des Umlaufvermögens entfalle, d.h. die bereits angefallenen und die künftigen Aufwendungen, gegenüberzustellen. Dazu gehörten bei der Klägerin die Refinanzierungszinsen, die aufgrund der bestehenden Fristengliederung der einzelnen Kreditforderung zugeordnet werden könnten. Zwar habe der BFH im Urteilsfall die Berücksichtigung von Refinanzierungsautwendungen abgelehnt, da diese Aufwendungen nicht durch den im Streitfall erfolgten Erwerb eines Grundstücks im Wege der Zwangsversteigerung veranlasst gewesen seien, doch lasse er eine solche Berücksichtigung durch Abzinsung zu, wenn es sich um Geldforderungen handele, da es in der Natur einer solchen Forderung liege, durch Zinsen Ertrag zu erwirtschaften.

Diese unmittelbare Veranlassung sehe das Gericht auch im BFH-Urteil vom 19. Mai 1998 I R 54/97 (BFHE 186, 230, BStBl II 1999, 277), als es auf die Differenz zwischen dem Zinssatz der ausgeliehenen Gelder und dem Zinssatz für die aufgenommenen Refinanzierungsmittel abstelle. Wenn diese Verknüpfung bei Kreditforderungen an Schuldner mit guter Bonität gegeben sei, müsse diese auch dann bestehen, wenn es um die Bewertung notleidender Kreditforderungen gehe. Die Abzinsung sei das entsprechende Bewertungsprinzip, um die zukünftig anfallenden Refinanzierungsaufwendungen zu berücksichtigen. Da die Abzinsung ausschließlich auf der Basis der Refinanzierungskosten, nicht jedoch unter Einbeziehung eines banküblichen Unternehmergewinns erfolgt sei, seien insoweit keine weitergehenden Überlegungen zur Zulässigkeit solcher Abschläge notwendig. Da der einer notleidenden Forderung handelsrechtlich beizulegende Wert im vorliegenden Fall dem Teilwert entspreche, sei der handelsrechtliche Wertansatz für die Steuerbilanz zu übernehmen.

Die Klägerin beantragt,

die Änderungsbescheide vom 7. Juni 2001 jeweils in Form der Einspruchsentscheidung vom 11. Juli 2001 zu ändern und bei der Neufeststellung und Neufestsetzung der KSt 1991-1995 die folgenden zusätzlichen Wertberichtigungen unter entsprechender Änderung der Gewerbesteuer-Rückstellung gewinnmindernd (1994 gewinnerhöhend) zu berücksichtigen:

 DM
199173.856
1992333.453
1993198.146
1994- 41.157
1995100.776,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Es ist wie in der Einspruchsentscheidung der Ansicht, dass bei unveränderter vertraglicher Situation eine verzinsliche Darlehensforderung (Kapitalbetrag) durch mangelnde Bonität des Schuldners nicht zu einer unverzinslichen Darlehensforderung werde.

Forderungen von Kreditinstituten seien zunächst mit den Anschaffungskosten zu bewerten, also mindestens mit den ausgezahlten Darlehensbeträgen. Dieser Nennbetrag der Darlehensforderung sei auch dann als Anschaffungskosten anzusehen, wenn das Darlehen unverzinslich bzw. niedrig verzinslich sei. Die spätere Bewertung der Darlehensforderungen erfolge handelsrechtlich nach dem sog. strengen Niederstwertprinzip. Dies entspreche steuerlich dem niedrigeren Teilwert, wenn der Wert der Forderung am Bilanzstichtag effektiv niedriger sei als die Anschaffungskosten. Teilwert sei nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 3 EStG der Betrag, den ein Erwerber des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde; dabei sei davon auszugehen, dass der Erwerber den Betrieb fortführe.

Bei der Bestimmung des Teilwerts einer Forderung sei deren Verzinslichkeit und die Bonität des Schuldners mitzubeachten. Maßgebend seiend hierfür die tatsächlichen vertraglichen Verhältnisse. Bei Darlehensforderungen müsse getrennt werden zwischen der Forderung auf Rückzahlung des überlassenen Kapitals und der laufend entstehenden Zinsforderung. Die Tatsache eines Zinsausfalls werde bewertungsrechtlich durch Abschreibung der Zinsforderung bzw. Nichtverbuchung des Ertrags vollzogen. Dies habe die Klägerin im Streitfall auch so gehandhabt.

Eine Abzinsung von Darlehensforderungen sei nur dann möglich, wenn es sich vertraglich um niedrig oder unverzinsliche Darlehen handele. Die Tatsache, dass Darlehensschuldner in Zahlungsprobleme geraten seien, habe nicht zur Folge, dass diese Darlehen, die vertraglich zu verzinsen seien und bei denen diese Vereinbarungen nicht geändert würden, als unverzinsliche Darlehen behandelt werden könnten. Unverzinslich sei eine Forderung nur dann, wenn der Gläubiger vom Schuldner keine Leistung in Geld oder Geldeswert verlangen könne, die unmittelbar eine Gegenleistung für die Kapitalüberlassung bilde.

Der eingetretene Zinsverlust sei durch die Abschreibung der Zinsforderung bzw. die Nichtverbuchung der Zinsen als Ertrag bereits berücksichtigt. Eine vorweggenommene Berücksichtigung darüber hinausgehender künftig entstehender Verluste, nämlich kein Zinsertrag aber entstehende Kosten der Refinanzierung der Darlehen, durch eine Abzinsung sei nicht möglich. Einem teilweisen Ausfall der Kapitalforderung sei durch Einzelwertberichtigung Rechnung getragen. Darüber hinaus könne weder ein künftig entstehender Zinsausfall noch Refinanzierungsaufwand auf das Kapital berücksichtigt werden.

Teilwert sei der Wert, der für das Wirtschaftsgut im Rahmen eines Gesamtkaufpreises für das gesamte lebende Unternehmen anzusetzen wäre. Dabei könne nicht isoliert auf den Ertrag des einzelnen Wirtschaftsgutes abgestellt werden. Vielmehr müsse der beabsichtigte unternehmerische Zweck und die Funktion des Wirtschaftsguts im Betriebsorganismus berücksichtigt werden. Für die Teilwertbestimmung sei deshalb nicht relevant, ob ein Erwerber einer einzelnen Forderung den Kaufpreis unter Berücksichtigung der noch entstehenden Kosten bemessen würde.

Das FA beruft sich schließlich darauf, dass die Klägerin in ihren Steuererklärungen für die auf die Streitjahre folgenden Jahre ihren Gewinn jeweils durch außerbilanzielle Zurechnungen gemäß § 60 Abs. 2 ESt-Durchführungsverordnung (EStDV) in Höhe der umstrittenen Wertberichtigungen korrigiert habe, letztlich also an deren Geltendmachung nicht festhalte.

Die beim FA für die Klägerin geführten Steuerakten haben vorgelegen. Das FA außerdem Kopien von Aufzeichnungen aus den Steuerakten, insbesondere Bp-Akten, der an die Streitjahre anschließenden Jahre bezüglich der weiteren Behandlung der fraglichen Wertberichtigungen vorgelegt.

Am 15. Dezember 2005 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden. Auf die Niederschrift wird verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig.

Ihr fehlt insbesondere nicht die Beschwer (§ 40 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung - FGO -), und zwar weder im Hinblick auf das vom FA vorgebrachte steuerliche Vorgehen der Klägerin in den an die Streitjahre anschließenden Veranlagungszeiträumen noch bezüglich des Streitjahrs 1994 im Hinblick auf die dort beantragte Einkommens- und Steuererhöhung.

Grundsätzlich bestehen bereits Zweifel daran, dass ein bilanzielles oder steuerliches Verhalten des Betroffenen für Zeiträume außerhalb der Streitjahre, auf die sich ein Rechtsbehelfsverfahren bezieht, zur Beurteilung darüber herangezogen werden könnte, inwieweit der Steuerpflichtige gerade durch die angefochtenen Bescheide nachteilig betroffen ist oder sich betroffen fühlt. Wegen der Ungewissheit des Ausgangs und der Dauer eines Rechtsbehelfsverfahrens muss es vielmehr einem Steuerpflichtigen freistehen, aus einer nachteiligen, jedoch von ihm angefochtenen Entscheidung der Finanzbehörde für einzelne Besteuerungszeiträume zumindest vorsorglich die folgerichtigen steuerlichen Konsequenzen für anschließende Zeiträume zu ziehen. Im Fall der Klägerin kommt hinzu, dass sich die entsprechend der Ansicht des FA zutreffenden Gewinnkorrekturen in den Folgejahren nach den vorgelegten Übersichten (außer für 1996) steuerlich günstig für die Klägerin ausgewirkt haben, sodass es insoweit beim FA gelegen hätte, für den Fall eines etwaigen Prozesserfolgs der Klägerin in den Streitjahren für die Folgezeit verfahrensrechtlich vorzusorgen. Schließlich kann den Unterlagen nicht entnommen werden, inwieweit sich die vom FA in Bezug genommenen Gewinnkorrekturen auf die noch streitigen Wertberichtigungen beziehen und ob sie nicht weitgehend durch die von der Klägerin nicht mehr beanstandeten Kürzungen der Abzinsungen wegen Änderung des Zinsniveaus gerechtfertigt sind.

Der Antrag der Klägerin auf Einkommens- und Steuererhöhung für 1994 ist zulässig, weil er sich als bilanzrechtlich zwingende Konsequenz aus den Anträgen für die übrigen Streitjahre ergibt. Außerdem ist die Klägerin bereits durch die von ihrer Bilanzierung und ihren Steuererklärungen abweichende Feststellung des Einkommens wegen deren - im Einzelnen unbestimmter - Wirkung als Grundlagenbescheid für verschiedene Folgebescheide zumindest formell auch dann beschwert, wenn das festgestellte Einkommen niedriger ist als das angestrebte.

Die Klage ist auch begründet.

Die Gewinne der Klägerin in den Streitjahren sind jeweils unter Ansatz der umstrittenen Wertberichtigungen auf sog. notleidende Forderungen in den Jahresabschlüssen der Klägerin zu ermitteln (§ 4 Abs. 1, §§ 5, 6 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Nr. 1 EStG). In den angefochtenen Bescheiden wurden daher zu Unrecht Gewinne zugrunde gelegt, die wegen der Nichtanerkennung solcher Wertberichtigungen erhöht (1994 vermindert) wurden. Die umstrittenen Wertberichtigungen sind gerechtfertigt, weil der Teilwert der sog. notleidenden Forderungen am jeweiligen Bilanzstichtag um einen Abzinsungsbetrag für die Zeit bis zur voraussichtlichen Rückzahlung der Forderungen niedriger war als der voraussichtlich zu erwartende Rückzahlungsbetrag (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 i.V.m. Nr. 1 Satz 3 EStG).

Der Senat geht von dem nach dem Ergebnis des Klageverfahrens, insbesondere der mündlichen Verhandlung, zwischen den Beteiligten unstreitigen Sachverhalt aus, wonach

* sämtliche Darlehnsforderungen der Klägerin, auf die sich die hier umstrittenen Wertberichtigungen beziehen, an den jeweiligen Bilanzstichtagen im dem Sinne "notleidend" waren, dass die Schuldner Zinsen nicht mehr entrichteten und Rückzahlungen entweder nur durch Verwertung von Sicherheiten (oben Nr. 1) oder durch längerfristige Ratenzahlungen (oben Nr. 2) zu erwarten waren;

* die jeweiligen Bilanzwerte dieser einzelnen Darlehnsforderungen durch sog. Einzelwertberichtigungen bereits auf diejenigen Beträge reduziert worden sind, die nach zutreffender Einschätzung als Rückzahlungen zu erwarten waren;

* Zinsrückstände für solche Darlehnsforderungen aus der Vergangenheit durch sog. Einzelwertberichtigungen (auf 0 DM) abgewertet waren;

* in späteren Zeiträumen rechtlich entstandene Zinsansprüche entweder ebenfalls durch sog. Einzelwertberichtigungen (auf 0 DM) abgewertet oder mangels Realisierbarkeit nicht aktiviert wurden;

* die im Klageverfahren als weitere Wertberichtigungen für die Streitjahre noch umstrittenen sog. Abzinsungsbeträge in der entsprechend dem Klageantrag umstrittenen Höhe sich ausschließlich auf die beiden erwähnten Fallgruppen von sog. notleidenden Darlehnsforderungen beziehen und sich die Unterschiede gegenüber den im außergerichtlichen Verfahren umstritten gewesenen Beträgen daraus erklären, dass die Wertberichtigung sog. niedrig verzinslicher Darlehn nicht weiter verfolgt wird;

* die Höhe der umstrittenen Wertberichtigungen in einer für eine Barwertermittlung sachgerechten und anerkannten finanzmathematischen Methode aufgrund eines nach den Verhältnissen des jeweiligen Bilanzstichtags angemessenen Zinssatzes berechnet worden ist;

* der hierbei zugrunde gelegte Zinssatz unter dem Gesichtspunkt künftiger Kostenbelastung zutreffend bemessen worden ist, insbesondere keinen banküblichen Gewinnzuschlag für die Klägerin enthält;

* die Höhe der jeweiligen Wertberichtigungen die bis zur teilweisen und vollständigen Tilgung der einzelnen Darlehnsforderungen an den jeweiligen Bilanzstichtagen zu erwartenden Zeiträume zutreffend berücksichtigt.

Unter diesen Umständen ist der Senat überzeugt, dass der Teilwert der fraglichen (sog. notleidenden) Darlehnsforderungen innerhalb des gesamten Betriebsvermögens der Klägerin an den jeweiligen Bilanzstichtagen nicht höher war als der auf den jeweiligen Barwert abgezinste künftig zu erwartende Rückzahlungsbetrag. Entsprechend der gesetzlichen Definition des Teilwerts (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG) hätte ein gedachter Erwerber des gesamten, von ihm fortzuführenden Bankbetriebs der Klägerin im Rahmen des Gesamtkaufpreises die jeweilige einzelne Darlehnsforderung nicht mit ihrer künftigen Rückzahlungssumme, sondern nur mit dem Barwert der längere Zeit nach dem Bilanzstichtag zu erwartenden Zahlungen angesetzt.

Im Rahmen eines fortlaufenden Bankbetriebs sind Forderungen der fraglichen Art nicht die Gegenleistungen für andersartige eigene Leistungen des Unternehmens, sondern selbst als "Ausleihungen" ein typischer und meistens der wesentliche Teil der Geschäftstätigkeit in Form des sog. Aktivgeschäfts. Die regelmäßige Gegenleistung besteht in der Verzinsung des überlassenen Kapitals durch den Kreditnehmer. Rechtlich und wirtschaftlich vorausgesetzt ist dabei die vereinbarungsgemäße Rückzahlung des Kapitals zu den vertraglichen Fälligkeitsterminen. Den Darlehnsforderungen stehen die "aufgenommenen Gelder" des sog. Passivgeschäfts gegenüber, die im Bankgeschäft nicht nur allgemein der notwendigen Finanzierung des Geschäftsbetriebs dienen, sondern innerhalb des typischerweise planvollen Betriebs wirtschaftlich eng mit den sachlich und zeitlich übereinstimmenden "Ausleihungen" verbunden sind. Ein betriebswirtschaftlich sehr bedeutsames Merkmal der Darlehnsforderungen ebenso wie der selbst aufgenommenen Kundeneinlagen und Kredite ist deren gegenseitige Übereinstimmung in Fälligkeitsterminen und Verzinsung (als Fristen- und Konditionen-Kongruenz).

Diese wirtschaftliche Verbindung wird im laufenden Geschäftsbetrieb nicht etwa dadurch gelöst, dass die Darlehnsforderung "notleidend" wird, d.h. dass die Leistungsbereitschaft und/oder Leistungsfähigkeit des Schuldners sich anders entwickelt, als es bei der Ausleihung vorausgesetzt und vertraglich vereinbart wurde, und deshalb tatsächlich die Forderung niedriger als bisher oder gar nicht mehr verzinst wird und/oder die faktisch zu erwartende Rückzahlung nicht die volle Höhe des Forderungskapitals erreichen wird oder sich zeitlich verzögert. Alle diese tatsächlich eingetretenen und vom planmäßigen Geschäftsablauf abweichenden Umstände erhalten im Bankbetrieb eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung als Faktoren für die Bewertung des verbliebenen Forderungsbestands, weil sie die Fristen- und Konditionen-Kongruenz zwischen dem jeweiligen Aktiv- und Passiv-Geschäft der Bank stören. Ein Erwerber des Bankunternehmens würde beim Ansatz der einzelnen Forderung innerhalb des Gesamtkaufpreises deshalb neben der absoluten Verminderung des zu erwartenden Rückzahlungsbetrags sowohl die Höhe der künftig zu erwartenden Verzinsung als auch die zeitliche Erstreckung bis zur voraussichtlichen Tilgung einbeziehen. Wenn weder eine sofortige bzw. eine vertragsgemäße (also "fristenkongruente") Rückzahlung noch eine künftig volle (also "konditionenkongruente") Verzinsung des Darlehns-(Rest-)Kapitals zu erwarten ist, im weiterlaufenden Betrieb die "aufgenommenen Gelder" aber unverändert bedient werden müssen, dann haben die "notleidenden" Forderungen einen verminderten aktuellen Teilwert, weil die ihnen zurechenbaren Kosten nicht durch planmäßige Erträge kompensiert werden können.

Die Wertminderung kann aufgrund der betriebs- und branchenspezifischen Verhältnisse wirtschaftlich zutreffend anhand eines Abzinsungsbetrags ermittelt werden, der einerseits die Kostenbelastung berücksichtigt und andererseits den Zeitraum bis zum voraussichtlichen Rückfluss des Kapitals und damit bis zur Auflösung des wirtschaftlichen Zusammenhangs des jeweiligen Aktivpostens mit den ursprünglich kongruenten Refinanzierungsmitteln. Da die umstrittenen Wertberichtigungs-Beträge unstreitig in dieser Weise berechnet worden sind, ergeben sie zusammen mit den unstreitig auf die zu erwartenden Rückzahlungsbeträge verminderten Kapitalforderungen deren an den streitigen Bilanzstichtagen jeweils zutreffenden Teilwert dieser Forderungen.

Der Senat wendet damit die Grundsätze der von den Beteiligten angeführten Rechtsprechung an, die sich hauptsächlich im BFH-Urteil vom 24. Januar 1990 I R 157/85 (BFHE 159, 494, BStBl N 1990, 639) mit der Bewertung von Kundenforderungen bei Banken befasst hat (und an der im BFH-Urteil vom 19. Mai 1998 I R 54/97, BFHE 186, 230, BStBl II 1999, 277, festgehalten wurde). Der Senat schließt sich insbesondere der Überlegung an, dass die "Inkongruenz" von Geldgeschäften den Teilwert beeinflusst (a.a.O. am Ende des Abschnitts C. 1. der Urteilsgründe, BStBl II 1990, 641 rechte Spalte unten) und dass die "enge Verbindung von Refinanzierung und Kreditgewährung" bei "inkongruenten Fälligkeiten" im fortbestehenden "Unternehmens- und Refinanzierungsverbund" handelsrechtlich zwar nicht zu einer "Barwertermittlung der einzelnen Forderung" führen soll, jedoch eine Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften rechtfertigt (a.a.O. Abschnitt C. 2. a) und b) der Urteilsgründe, S. 642 linke Spalte Mitte und rechte Spalte). Beides führt sowohl im Vermögens- als auch Gewinnausweis zum selben Ergebnis. Gerade bei der Einzelbewertung einer Kreditforderung muss eine verringerte Bonität wegen der überragenden Bedeutung des Ertragswerts eines Wirtschaftsguts berücksichtigt werden, indem durch Abzinsung eine ausgewogene Bewertung hergestellt wird (a.a.O. Abschnitt C. 2. c) der Urteilsgründe, S. 642 rechte Spalte unten/S. 643 linke Spalte oben). Eine derartige Abzinsung wurde außerdem für unverzinsliche Darlehn in der Rechtsprechung grundsätzlich befürwortet (vgl. BFH-Urteile vom 23. April 1975 I R 236/72, BFHE 116, 16, BStBl. II 1975, 875, vom 9. Juli 1981 IV R 35/78, BFHE 133, 543, BStBl. II 1981, 734, und vom 30. November 1988 I R 114/84, BFHE 155, 337, BStBl. II 1990, 117). Dabei kommt es entgegen der Ansicht des FA nicht darauf an, inwieweit ein Gläubiger aufgrund des Darlehnsvertrags eine Verzinsung rechtlich beanspruchen kann. Für die Bewertung ausschlaggebend ist vielmehr, ob nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Bilanzstichtags in Zukunft tatsächlich eine Verzinsung und vertragsgemäße Rückzahlung erwartet werden kann. Ist dies bei "notleidenden" Krediten nicht der Fall, dann sind die Bewertungsgrundlagen die selben wie bei von Anfang an vertraglich unverzinslichen Darlehnsforderungen.

Da die Wertberichtigungen somit in dem noch streitigen Umfang gerechtfertigt sind, waren die angefochtenen Bescheide antragsgemäß zu ändern und das Einkommen und zu versteuernde Einkommen und die KSt für 1991-1993 und 1995 aufgrund eines entsprechend geminderten Gewinns und unter Berücksichtigung einer geringeren Gewerbesteuer-Rückstellung herabzusetzen sowie für 1994 Einkommen und KSt umgekehrt zu erhöhen. Die Berechnung im Einzelnen wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).

Da die Klage Erfolg hat, hat das FA die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 135 Abs. 1 FGO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 Zivilprozessordnung.

Die Revision war zuzulassen, weil die Frage der Bewertung notleidender Kreditforderungen durch höchstrichterliche Rechtsprechung weiter geklärt werden muss (§ 115 Abs. 2 FGO).

Ende der Entscheidung

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