Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 24.01.2007
Aktenzeichen: 3 KO 7/03
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 139 Abs. 1
FGO § 149 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Baden-Württemberg

3 KO 7/03

Tatbestand:

I. Bei der Festsetzung der vom Erinnerungsgegner (dem Finanzamt -FA-) zu erstattenden Kosten ist streitig, ob zu den nach § 139 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) erstattungsfähigen Kosten auch Avalprovisionen gehören, die die Klägerin einem Kreditinstitut dafür vergütet hat, dass dieses sich für den umstritten gewesenen Steueranspruch verbürgt und so die unter der Bedingung einer Sicherheitsleistung gewährte Aussetzung der Vollziehung (AdV) ermöglicht hat.

Das FA hatte die Erinnerungsführerin (im Folgenden: Klägerin) mit Bescheid vom 30. Oktober 1997 gemäß § 50 a Abs. 5 Satz 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) über den Gesamtbetrag von 2.175.880 DM in Haftung genommen, weil sie es versäumt hatte, von Vergütungen an eine ausländische Steuerpflichtige Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag in dieser Höhe einzubehalten und abzuführen; zugleich mit dem Haftungsbescheid erließ die Behörde ein Leistungsgebot, mit dem sie die Klägerin zur Zahlung des genannten Gesamtbetrags aufforderte. Den am 20. November 1997 hiergegen erhobenen Einspruch wies das FA durch Entscheidung vom 19. April 1999 zurück. Dagegen erhob die Klägerin am 4. Mai 1999 Klage. Während des unter dem Az. 3 K 95/99 geführten Klageverfahrens schränkte das FA die Haftungsinanspruchnahme und das Leistungsgebot durch Bescheid vom 15. August 2000 nach einer Teilrücknahme des angefochtenen Haftungsbescheids auf einen Gesamtbetrag von nunmehr 1.503.402 DM ein. Der Senat gab der Klage durch -- das in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 28 veröffentlichte -- Urteil vom 20. September 2001 3 K 95/99 statt und hob den Haftungsbescheid und das Leistungsgebot auf; mit den Kosten des Verfahrens belastete es in der vorläufig vollstreckbaren Kostenentscheidung das FA. Durch gesonderten Beschluss vom 24. Oktober 2001 wurde die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Soweit es das Leistungsgebot betraf, hob der BFH auf die Revision des FA das Urteil des Senats auf und wies die Klage als unzulässig ab (BFH-Urteil vom 13. November 2002 I R 90/01, BStBl II 2003, 249). Im Übrigen wies er die Revision des FA als unbegründet zurück und erlegte die gesamten Kosten des Verfahrens dem FA auf. Hinsichtlich der Kosten ist das Urteil auf § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO gestützt.

Die Klägerin hatte am 20. November 1997 zugleich mit der Einlegung eines Einspruchs gegen den Haftungsbescheid AdV des Haftungsbetrags beantragt. Nachdem das FA ihr mitgeteilt hatte, dass es zur Gewährung von AdV nur gegen Sicherheitsleistung bereit sei, hat die Klägerin eine von der Bank ausgestellte und auf die Haftungsforderung bezogene Bürgschaftserklärung vom 28.11.1997 über 800.000 DM übersandt. Daraufhin hat die Behörde mit Verfügung vom 16. Dezember 1997 für die Dauer des Einspruchsverfahrens und weiterer Verfügung vom 07. Juni 1999 für die Dauer des Klageverfahrens jeweils AdV des streitbefangenen Haftungsbetrags gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 800.000 DM gewährt.

Aufgrund des im Kostenpunkt für vorläufig vollstreckbar erklärten Senatsurteils vom 20. September 2001 hatte die Klägerin am 15. Oktober 2001 bezogen auf das Verfahren erster Instanz die Festsetzung der ihr vom FA zu erstattenden Kosten beantragt. Dabei machte sie nach einem Geschäftswert von 4.350.000 DM (je 2.175.000 DM bezüglich des Haftungsbescheids und des Leistungsgebots) je eine Prozessgebühr und Erörterungsgebühr in Höhe von 16.425 DM sowie aus einem Geschäftswert von 672.478 DM (erledigter Teil des Haftungsbescheids: 2.175.880 DM ./. 1.503.402 DM) eine Erledigungsgebühr in Höhe von 4.975 DM geltend. Überdies berechnete sie in einem gesonderten Antrag vom gleichen Tag für das Einspruchsverfahren aus dem selben Geschäftswert je eine Geschäftsgebühr und eine Besprechungsgebühr in Höhe von ebenfalls 16.425 DM. Bei ihren Wertermittlungen ging sie davon aus, dass der Haftungsbescheid einerseits und das Leistungsgebot andererseits in Einspruchs- und Klageverfahren jeweils eigenständige Verfahrensgegenstände dargestellt hätten, für die deshalb auch je einzeln Gegenstandswerte zu ermitteln und alsdann zusammenzurechnen seien. Da die teilweise Erledigung durch Herabsetzung der Haftungsschuld ursächlich auf eine Tätigkeit ihres Prozessbevollmächtigten außerhalb des Gerichtsverfahrens zurückzuführen gewesen sei, sei auch eine Erledigungsgebühr entstanden. Bereits im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren habe der Prozessbevollmächtigte mehrmals in der Angelegenheit mit Sachbearbeitern des FA telefonisch verhandelt; dafür sei eine Besprechungsgebühr anzusetzen.

In seinem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 7. Februar 2002 berücksichtigte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle für das Vorverfahren lediglich eine Geschäftsgebühr von 9.825 DM (aus einem Wert von 2.175.000 DM) und für das Klageverfahren eine Prozessgebühr von 9.825 DM (aus einem Wert von 2.175.000 DM) sowie eine Verhandlungsgebühr von 8.025 DM (aus einem Wert von 1.503.000 DM) und setzte die gesamten zu erstattenden Kosten unter zusätzlicher Berücksichtigung ebenfalls geltend gemachter Postgebührenpauschalen (von 2 x 40 DM) auf 14.190,90 EUR (entsprechend 27.755 DM) fest.

Auf die hiergegen eingelegte Erinnerung hat der Senat durch Beschluss vom 25. August 2006 3 KO 1/02, auf den wegen aller Einzelheiten Bezug genommen wird, den Beschluss des Urkundsbeamten vom 7. Februar 2002 geändert und die Kosten auf nunmehr 14.424,82 EUR festgesetzt.

Im Verlauf des gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 07. Februar 2002 geführten Erinnerungsverfahrens hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 18. März 2003 als Kosten des Verfahrens erstmals auch die ihr von der Bank für die Übernahme der Bürgschaft in Rechnung gestellte Avalprovision in Höhe von insgesamt 20.940,23 EUR geltend gemacht und hierzu Belege vorgelegt, aus denen die Belastung mit einem entsprechenden Gesamtbetrag ersichtlich ist.

Mit Beschluss vom 11. Juli 2003 lehnte die Urkundsbeamtin des Senats die Festsetzung der Avalprovisionen als zu erstattende Kosten des Verfahrens ab. Sie stützte sich dabei auf den Beschluss des FG Köln vom 18. Dezember 2000 (EFG 2001, 654) und die darin zitierten Entscheidungen weiterer Finanzgerichte und des BFH.

Dagegen hat die Klägerin am 23. Juli 2003 Erinnerung eingelegt; die Urkundsbeamtin hat der Erinnerung nicht abgeholfen (Beschluss vom 19. Oktober 2006).

Die Klägerin ist der Ansicht, dass es sich bei der Avalprovision in Bezug auf die Anfechtung des Haftungsbescheids bzw. des Leistungsgebots um erstattungsfähige Aufwendungen im Sinne des § 139 Abs. 1 FGO handele. Sie habe die Vollziehung der titulierten Forderung aus dem streitbefangenen Haftungsbescheid aufgrund der entsprechenden Anordnung in den Aussetzungsverfügungen vom 16. Dezember 1997 sowie vom 07. Juni 1999 nur durch Stellung einer Sicherheitsleistung verhindern können. Insofern könne nicht zweifelhaft sein, dass es sich bei der Avalprovision als der ihr von der Bank für die Stellung einer Bürgschaft berechneten Vergütung um Kosten handelte, die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig waren.

Aus der von der Urkundsbeamtin zitierten Entscheidung des FG Köln lasse sich schon deswegen nichts Gegenteiliges herleiten, weil sie zu einer anderen Konstellation ergangen sei. In jenem Fall sei die Festsetzung der Avalprovision als Kosten eines Verfahrens zur Erlangung vorläufigen Rechtsschutzes geltend gemacht worden, obwohl die Provision erst als Folge der in jenem Verfahren vom Gericht gegen Sicherheitsleistung angeordneten AdV entstanden sei. Insofern sei die Fragestellung nicht vergleichbar.

Soweit der BFH früher eine andere Auffassung zur Festsetzungs- und Erstattungsfähigkeit von Avalprovisionen in einem Kostenfestsetzungsbeschluss vertreten habe, habe er diese Auffassung im Urteil vom 08. Juni 1982 VIII R 68/79 (BStBl II 1982, 602) der Sache nach aufgegeben; er habe darin nämlich die Auffassung vertreten, dass eine finanzgerichtliche Klage auf Erstattung von zur Abwendung der Vollstreckung aufgewendeten Bürgschaftskosten deshalb (mangels Rechtsschutzbedürfnisses) unzulässig sei, weil der Anspruch auf Erstattung der Avalprovision im Kostenfestsetzungsverfahren betreffend AdV habe verfolgt werden können.

Auch in der zivilprozessualen Judikatur werde für die vergleichbare Frage, in welchem verfahrensrechtlichen Rahmen über die Erstattungsfähigkeit der Kosten der zum Zwecke einer zur Vermeidung der Vollstreckung eines vorläufig vollstreckbaren Titels erster Instanz entschieden wird, die Einbeziehung ins Kostenfestsetzungsverfahren postuliert. Die Klägerin verweist hierzu u.a. auf Entscheidungen des OLG Stuttgart vom 29. Oktober 1955 (NJW 1956, 350), des OLG Karlsruhe vom 12. August 1977 15 W 23/77 (BB 1978, 381), des OLG Koblenz vom 27. September 1979 14 W 435/79 (RPfl 1980, 70), des OLG Düsseldorf vom 04. März 1998 3 W 80/98, (NJW-RR 1998, 1455) und des OLG Schleswig vom 27. August 1998 9 W 82/97, SchlHA 1999, 160) sowie auf eine jüngst ergangene Entscheidung des BGH vom 17. Januar 2006 VI ZB 46/05 (NJW-RR 2006, 1001).

Wegen aller Einzelheiten der Begründung der Erinnerung wird auf die Schriftsätze des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 30. Juli und 15. September 2003 sowie vom 20. August und 18. September 2006 verwiesen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

unter Änderung des Beschlusses der Urkundsbeamtin des Senats vom 11. Juni 2003 im Wege der Nachliquidation weitere Kosten in Höhe von 20.940,23 EUR festzusetzen.

Das FA beantragt,

die Erinnerung zurückzuweisen.

Es entspreche ständiger Rechtsprechung, dass Avalprovisionen, die als Folge einer vom FA nur gegen Sicherheitsleistung gewährten AdV angefallen sind, nicht zu den nach § 139 FGO erstattungsfähigen Kosten eines Klageverfahrens gehörten. Sie seien nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendige Aufwendungen eines Rechtsstreits wegen Anfechtung eines Haftungsbescheids (einschließlich des außergerichtlichen Vorverfahrens) zu qualifizieren, da sie weder begrifflich noch systematisch zu den Kosten eines solchen Verfahrens zu rechnen seien. Die von der Klägerin zitierten Entscheidungen der Zivilgerichte ließen sich trotz der Ähnlichkeit der Situation bei Abwendung der Vollstreckung aus einem für vorläufig vollstreckbar erklärten zivilgerichtlichen Urteil einerseits und der Abwendung der Vollziehung eines Steuerverwaltungsakts andererseits nicht auf das Kostenfestsetzungsverfahren vor dem Finanzgericht übertragen. Der BFH habe das in dem Beschluss vom 19. April 1972 VII B 123/70 (BStBl II 1973, 573) damit begründet, dass die Gewährung von AdV in Bezug auf einen finanzbehördlichen Vollstreckungstitel Gegenstand eines selbständigen finanzgerichtlichen Verfahrens sei, welches mit einer Kostenentscheidung ende, aufgrund derer eine Erstattung von Kosten der vorliegend streitigen Art grundsätzlich denkbar sei, wohingegen dies bei einem Antrag, der auf Abwendung der Vollstreckung aus einem für vorläufig vollstreckbar erklärten zivilgerichtlichen Urteil gerichtet ist, nicht der Fall sei.

Auch die AO sehe für Kosten der vorliegend streitigen Art keine Erstattung vor. Das Verfahren beim FA auf Gewährung von AdV sei vielmehr kostenfrei; der Steuerpflichtige habe seine Kosten in diesem Verfahren selbst zu tragen. Hinzu komme, dass das FA der Klägerin in den Aussetzungsverfügungen die Art der Sicherheitsleistung nicht vorgeschrieben habe. Die Klägerin habe im Rahmen des § 241 AO auch kostengünstiger Sicherheit leisten können; nach dem Anwendungserlass zur AO (dort Tz. 1 zu § 241) habe ohnehin der Steuerpflichtige die Kosten der Sicherheitsleistung zu tragen.

Entscheidungsgründe:

II. 1. Die Erinnerung ist zulässig. Die Klägerin hat die in der Form eines Kostenfestsetzungsbeschlusses erfolgte Ablehnung der Festsetzung der mit Antrag vom 18. März 2003 geltend gemachten Avalprovision innerhalb der hierfür eröffneten Rechtsbehelfsfrist von zwei Wochen (§ 149 Abs. 2 Satz 2 FGO) angefochten. Der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 11. Juli 2003 ist ihr am 21. Juli 2003 zugegangen. Sie hat dagegen mit am 23. Juli 2003 eingegangenem Schriftsatz Erinnerung eingelegt.

2. Die Erinnerung ist auch begründet.

Dem Antrag der Klägerin, die ihr entstandene Avalprovision nach § 149 Abs. 1 FGO festzusetzen, war zu entsprechen.

a) Bei der Avalprovision handelt es sich unter den vorliegenden Umständen um im Sinne des § 139 Abs. 1 FGO erstattungsfähige Kosten. Sie ist der Klägerin im Interesse einer zweckentsprechenden Rechtsverteidigung gegen den zunächst gegenüber dem FA und später vor dem erkennenden Senat angefochtenen Haftungsbescheid vom 30. Oktober 1997 entstanden. Der angefochtene Beschluss war daher vom Senat auf die Erinnerung der Klägerin hin zu ändern und die Avalprovision als -- weitere -- vom FA an die Klägerin zu erstattende Aufwendungen festzusetzen.

aa) Ziel der Kostenfestsetzung nach § 149 Abs. 1 FGO ist es, die Entscheidung über die Auferlegung der Kosten (die Kostengrundentscheidung) durch eine konkrete Festlegung des zu erstattenden Betrages zu ergänzen. Hierfür ist im finanzgerichtlichen Verfahren von § 139 FGO auszugehen. Nach dessen Abs. 1 gehören zu den erstattungsfähigen Kosten nur solche, aber auch alle diejenigen Aufwendungen, die in Bezug auf den Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren; unter der Voraussetzung, dass -- wie im Streitfall -- die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt wird, können dies auch Gebühren und Auslagen sein, die der Beteiligte mit der genannten Zielrichtung während des Vorverfahrens aufgewendet hat (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO). Kosten, die nicht zu diesen Aufwendungen gehören, können demnach in einem Verfahren nach § 149 FGO auch nicht festgesetzt werden.

bb) Die Frage, ob auch die Kosten einer Sicherheitsleistung zur Abwendung einer Vollziehung eines streitbefangenen Steuerverwaltungsakts im vorstehend umschriebenen Sinne erstattungsfähige Kosten eines finanzgerichtlichen Verfahrens sein können, wurde in der finanzgerichtlichen Judikatur weitgehend ablehnend beurteilt.

In seinen Beschlüssen vom 08. Februar 1972 VII B 170/69 (BStBl II 1972, 429) sowie vom 19. April 1992 VII B 123/70 (BStBl II 1972, 573) hat der BFH die Auffassung vertreten, Bürgschaftsprovisionen, die durch die Vermeidung einer Vollziehung eines Steuerbescheids veranlasst sind, gehörten nicht zu den Aufwendungen für das Verfahren, in dem die Aufhebung dieses Bescheids angestrebt worden ist. Dieser Auffassung sind die Finanzgerichte -- soweit ersichtlich einhellig -- gefolgt (vgl. z.B. die Beschlüsse des FG Köln vom 19. Oktober 1999 10 Ko 2729/99, EFG 2000, 232 und vom 18. Dezember 2000 10 Ko 5325/00, EFG 2001, 654 sowie des FG Baden-Württemberg vom 08. Mai 1996 1 Ko 6/95, EFG 1996, 997).

Allerdings ist der BFH in seinem Urteil vom 08. Juni 1982 VIII R 68/79 (BStBl II 1982, 602) ganz offenbar von der Möglichkeit einer Einbeziehung von Avalprovisionen in die Kostenfestsetzung eines finanzgerichtlichen Verfahrens ausgegangen. Denn er hat dort eine eigenständige Klage auf Erstattung einer Avalprovision mit dem Argument für unzulässig erachtet, der Kläger habe einen entsprechenden Anspruch im Kostenfestsetzungsverfahren betreffend AdV verfolgen müssen. Diese Argumentation wäre unschlüssig, wäre eine Festsetzung einer Avalprovision in jenem Verfahren von vornherein nicht in Betracht gekommen.

Die Frage, ob und ggf. in welchem Verfahren der zu Unrecht einem titulierten Anspruch ausgesetzte Schuldner Ersatz der Kosten erlangen kann, die er zur Abwendung der Vollziehung bzw. Vollstreckung für den Zeitraum bis zur rechtskräftigen Klärung der zugrunde liegenden Forderung aufgewendet hat, stellt sich indessen nicht nur im finanzgerichtlichen Verfahren. Auch der (vermeintliche) Schuldner eines durch zivilgerichtliches Urteil bestätigten -- und für vorläufig vollstreckbar erklärten -- Zahlungsanspruchs kann sich der Notwendigkeit ausgesetzt sehen, zur Abwendung einer Vollstreckung Sicherheit leisten zu müssen, wenn er für die Dauer eines hiergegen eingeleiteten Berufungs- und/oder Revisionsverfahrens nicht zahlen möchte. Hinsichtlich der in einem solchen Fall entstehenden Kosten der Sicherheitsleistung hat der Bundesgerichtshof (BGH) jüngst die -- in der OLG-Rspr. bis dahin kontrovers beurteilte -- Verfahrensfrage geklärt. Im Beschluss vom 17. Januar 2006 VI ZB 46/05 (NJW-RR 2006, 1001) hat er entschieden, dass die zur Abwehr der Zwangsvollstreckung aufgewendeten Kosten als Verfahrenskosten im weiteren Sinne anzusehen und daher der Kostenausgleichung durch das Prozessgericht des Erkenntnisverfahrens nach § 104 der Zivilprozessordnung (ZPO) zugänglich seien. Solche Kosten stellten nämlich den wirtschaftlichen Prozesserfolg sicher, indem sie möglicherweise irreversible wirtschaftliche Verluste vor Abschluss des Rechtsstreits verhinderten; sie dienten der Rechtsverteidigung während des laufenden Rechtsstreits. Dass § 717 Abs. 2 ZPO eine eigenständige Grundlage für den Ersatz von Kosten vorsehe, die einem Beteiligten im Interesse der Abwehr der Vollstreckung eines später aufgehobenen Vollstreckungstitels entstanden sind, hindere nicht die Geltendmachung solcher Kosten im Verfahren der Kostenfestsetzung (§ 103 ff. ZPO) des zur Aufhebung des Titels führenden Erkenntnisverfahrens.

cc) Der beschließende Senat hält diese Erwägungen des BGH für zutreffend und überdies auch für auf die Rechtslage im finanzgerichtlichen Verfahren übertragbar. Er ist deshalb abweichend von der Rechtsprechung der Finanzgerichte und des BFH der Auffassung, dass Avalprovisionen auch im finanzgerichtlichen Verfahren nach § 139 Abs. 1 FGO erstattungsfähig sein können. Sofern der Kläger nur gegen Stellung einer Sicherheit AdV eines Steuerverwaltungsakts erlangen kann, dessen Rechtmäßigkeit noch nicht rechtskräftig feststeht, sind die hierfür aufzubringenden Beträge Kosten der Rechtsverteidigung.

Wie der BGH in der zitierten Entscheidung ausgeführt hat, liegt der Vorschrift des § 91 ZPO die gesetzgeberische Entscheidung zugrunde, dass die obsiegende Partei auch die notwendigen Kosten der ihr gegen ein vorläufig vollstreckbares Urteil eröffneten Maßnahmen zur Rechtsverteidigung und damit zur Verteidigung gegen den geltend gemachten Anspruch von dem Unterlegenen zurückfordern kann. § 139 Abs. 1 FGO beruht auf der gleichen Wertung. Hier wie dort ist es gerechtfertigt, die Kosten für die Beschaffung einer Sicherheit, mit deren Einsatz eine Partei die Realisierung des streitbefangenen Anspruchs vor dessen rechtskräftiger Bestätigung abwehrt, dem Prozessrechtsverhältnis (und zwar dem Hauptsacheverfahren) zuzuordnen, in dem die rechtskräftige Klärung des Anspruchs herbeigeführt wird.

dd) Besonderheiten des finanzbehördlichen und -gerichtlichen Verfahrens zwingen nicht zu einer anderen Beurteilung.

Namentlich kann hiergegen nicht eingewendet werden, über die Frage der Notwendigkeit einer Sicherheitsleistung für die beantragte AdV sei in einem selbständigen Verwaltungsverfahren (§ 361 der Abgabenordnung) zu entscheiden, das weder gebührenpflichtig sei noch eine Kostenerstattung vorsehe. Die Kostenfreiheit eines behördlichen Verfahrens bezieht sich nur auf Aufwendungen, die entweder vom Antragsteller getätigt werden, um dem Antrag zum Erfolg zu verhelfen, oder die als Gebühren oder Auslagen an die Durchführung oder den Abschluss dieses Verfahrens anknüpfen. Die Kosten einer Sicherheitsleistung, die von der Finanzbehörde zur Voraussetzung einer beantragten AdV gemacht wurde, fallen nicht hierunter. Sie sind keine Kosten des Antragsverfahrens, sondern Kosten, die dem Antragsteller -- ebenso wie etwa die Aussetzungszinsen -- erst im Anschluss, d.h. bei der Umsetzung der behördlichen Entscheidung entstehen. Sie fallen deshalb an, weil der Steuerpflichtige bis zu der im Einspruchs- und ggf. einem sich daran anschließenden Klageverfahren herbeizuführenden rechtskräftigen Klärung des von der Finanzbehörde festgesetzten Steueranspruchs dessen Vollziehung bzw. Vollstreckung verhindern will. Sind aber Avalprovisionen keine Kosten des auf die Gewährung von AdV zielenden Antragsverfahrens, dann ist die Kostenfreiheit des behördlichen AdV-Verfahrens auch kein tragfähiges Argument dafür, dass eine Erstattung solcher Provisionen nicht in Betracht komme. Im Übrigen lässt sich aus der verfahrensrechtlichen Verselbständigung des behördlichen AdV-Antragsverfahrens nichts gegen die Qualifizierung der in dessen Folge getätigten Aufwendungen als Kosten des Hauptsacheverfahrens einwenden. Denn diese Verselbständigung ändert nichts daran, dass das Antragsverfahren auf ein beim FA oder dem Finanzgericht anhängiges Hauptsacheverfahren bezogen ist und allein dazu dient, die Rechte des Steuerpflichtigen gegen einen zwar vollziehbaren, aber noch nicht rechtskräftigen Steuerbescheid vorläufig zu sichern.

Der vom FA ins Feld geführte Umstand, dass die AO keine gesetzliche Regelung für den Ersatz von Kosten der Sicherheitsleistung enthalte, spricht ebenfalls nicht gegen die Erstattungsfähigkeit solcher Kosten in einem Verfahren nach § 149 Abs. 1 FGO. Auch die Erstattung der einem Steuerpflichtigen im Rechtsbehelfs- oder Klageverfahren wegen der Inanspruchnahme fachkundiger Hilfe durch einen Rechtsanwalt oder Steuerberater entstandenen Kosten ist in der AO nicht geregelt, ohne dass deshalb die Erstattungsfähigkeit solcher Aufwendungen je zweifelhaft gewesen wäre.

ee) Der Senat sieht sich in seiner Auffassung schließlich auch durch die Erwägung bestätigt, dass nur sie dem auch im finanzgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der Folgenbeseitigung (vgl. z.B. § 100 Abs. 1 Satz 2 FGO) angemessen Rechnung trägt. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, die Erstattung von Avalprovisionen vom Vorliegen der -- weiteren -- Voraussetzungen eines Amtshaftungsanspruchs (Verschulden des Amtswalters) abhängig zu machen und den gegen den Steuerbescheid erfolgreichen Kläger auf den Weg der Amtshaftungsklage zu verweisen.

b) Von diesen Erwägungen ausgehend war die von der Klägerin im Interesse der Rechtsverteidigung aufgewendete Avalprovision antragsgemäß als Teil der ihr vom FA im Verfahren 3 K 95/99 zu erstattenden Aufwendungen gemäß § 149 Abs. 1 FGO festzusetzen.

Die Avalprovision ist der Klägerin von der Bank für die Übernahme einer Bürgschaft gegenüber dem FA für eine Zahlungsverpflichtung in Höhe eines Teilbetrages von 800.000 DM in Rechnung gestellt worden, die aus dem zunächst im Einspruchs-, später in jenem gerichtlichen Verfahren angefochtenen Haftungsbescheid resultierte. Die Klägerin hatte die Bürgschaftserklärung vom 28.11.1997 dem FA übersandt, nachdem dieses ihr gegenüber zum Ausdruck gebracht hatte, dass es nur gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von 800.000 DM bereit sei, den angefochtenen Haftungsbescheid von der Vollziehung auszusetzen; in den anschließend verfügten Vollziehungsaussetzungen vom 16. Dezember 1997 und vom 07. Juni 1999 hat die Behörde dementsprechend AdV (nur) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 800.000 DM gewährt.

c) An der Festsetzung der Avalprovision war der Senat auch nicht deshalb gehindert, weil er zu dem zwischen den Beteiligten dieses Erinnerungsverfahrens anhängig gewesenen Verfahren 3 K 95/99 bereits durch Beschluss vom 25. August 2006 rechtskräftig über einen Kostenfestsetzungsantrag der Klägerin entschieden hat. Denn die Erstattung der Avalprovision war nicht Gegenstand jener Entscheidung.

aa) Mit ihren ursprünglichen Kostenfestsetzungsanträgen vom 15. Oktober 2001 hat die Klägerin verschiedene Gebühren für das Tätigwerden ihres Prozessbevollmächtigten im erstinstanzlichen Klageverfahren sowie dem vorausgegangenen außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren und darüber hinaus lediglich -- in pauschalierter Form -- Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen geltend gemacht. Nur auf die Erstattungsfähigkeit dieser Kosten bezog sich der Beschluss des Urkundsbeamten vom 07. Februar 2002.

bb) Die Klägerin hat zwar im Verlauf des dagegen geführten Erinnerungsverfahrens (3 KO 1/02) ihr Erstattungsbegehren erweitert. Sie hat auf Seite 4 ihres Schriftsatzes vom 18. März 2003 erstmals auch die Erstattung der vorliegend streitbefangenen Bürgschaftsprovision verlangt. In dem das Erinnerungsverfahren abschließenden Senatsbeschluss vom 25. August 2006 ist indessen -- wie die Gründe jenes Beschlusses erkennen lassen -- nicht über dieses nachträglich geltend gemachte Erstattungsbegehren entschieden worden.

Dies ist seinerzeit auch zu Recht nicht geschehen. Denn die Prüfung und Entscheidung über dieses im Wege der Nachliquidation geltend gemachte Begehren oblag zunächst einmal der Urkundsbeamtin des Senats (zur Nachliquidation im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 149 FGO vgl. insbesondere Gruber, Der Steuerberater 2002, 390). Und auch nachdem diese -- im Beschluss vom 11. Juli 2003 ablehnend -- entschieden und die Klägerin dagegen Erinnerung eingelegt hatte, bedurfte es erneut einer Entschließung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle darüber, ob sie der Erinnerung abhilft (vgl. die über § 155 FGO anwendbaren §§ 104 Abs. 3, 572 Abs. 1 und 573 Abs. 1 ZPO), bevor der Senat als das für die Entscheidung über die Erinnerung zuständige Prozessgericht befugt war, über die Erstattungsfähigkeit der nachträglich geltend gemachten Avalprovision zu entscheiden. Die Urkundsbeamtin hat am 19. Oktober 2006 beschlossen, der Erinnerung gegen den Beschluss vom 11. Juli 2003 nicht abzuhelfen. Zu diesem Zeitpunkt -- nämlich am 25. August 2006 -- hatte der Senat über die Erinnerung gegen den vorausgegangenen Kostenfestsetzungsbeschluss bereits entschieden; eine Einbeziehung der Frage der Erstattungsfähigkeit der Avalprovision war ihm mithin seinerzeit versagt.

cc) Hatte aber das Gericht im Rahmen seines Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 25. August 2006 -- wie ausgeführt -- über die Erstattung der Avalprovision noch nicht entschieden, dann kann sich hierauf auch die Rechtskraftwirkung dieses Beschluss nicht erstrecken. Denn ein Kostenfestsetzungsbeschluss (und eine hierzu ergehende Erinnerungsentscheidung) entfaltet Rechtskraft nicht bezüglich aller zu einem bestimmten Verfahren angefallenen Kosten, sondern nur bezüglich solcher Aufwendungen, die vom Antragsteller dem Festsetzungsantrag zugrunde gelegt wurden (vgl. dazu auch mit weiteren Nachweisen Gruber, a.a.O., sowie Hartmann in Baumbach/Lauterbach /Albers/Hartmann, ZPO, 64. Auflage 2006, Rdz. 33 zu § 104).

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Das Erinnerungsverfahren ist jedoch gerichtsgebührenfrei.

Ende der Entscheidung

Zurück