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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 26.11.2008
Aktenzeichen: 4 K 157/06
Rechtsgebiete: EStG, FSJG


Vorschriften:

EStG § 32 Abs. 4
EStG § 63 Abs. 1
FSJG § 5 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand:

Streitig ist die Rechtmäßigkeit des Kindergeldaufhebungsbescheids der Beklagten (Bekl) vom 29. August 2005.

Der Kläger (Kl) ist der Vater der am 18. Dezember 1985 geborenen A.B.. Diese nahm nach ihrer im Juli 2005 mit der allgemeinen Hochschulreife abgeschlossenen Schulausbildung am 1. September 2005 bei der Ordensgemeinschaft der Pallottinerinnen einen Dienst als sog. "Missionarin auf Zeit" in der katholischen Mission der/Kamerun auf. Dort arbeitete sie bis zum 31. August 2006 unentgeltlich in einem Kindergarten, einem Internat, einem Zentrum für außerschulische Aktivitäten und in einer Gesundheitsstation. Als Gegenleistung er hielt sie - lediglich - freie Unterkunft und Verpflegung. Fahrt- und Flugkosten sowie Versicherungsbeiträge wurden vom Kl bzw. von seiner Tochter getragen. Nach Beendigung des Dienstes nahm die Tochter des Kl zum Wintersemester 2006/2007 ein Lehramtsstudium an der Pädagogischen Hochschule Y für die Fächer "Englisch, Französisch und Theologie" auf. Nach Aufgabe dieses Studiums absolvierte sie ab 1. April 2007 eine Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin am Krankenhaus in Z.

Mit Bescheid vom 29. August 2005 hob die Bekl die Festsetzung des Kindergelds für die Zeit ab August 2005 auf, da der Dienst als Missionarin auf Zeit nicht als Berufsausbildung im Sinne des Einkommensteuergesetzes (EStG) anerkannt werden könne.

Mit Schreiben vom 13. September 2005 legte der Kl gegen diesen Bescheid Einspruch ein. Zur Begründung berief er sich auf das Urteil des Sächsischen Finanzgerichts 5 K 9/01 vom 26. Februar 2004.

Mit Einspruchsentscheidung vom 12. Mai 2006 wies die Bekl den Einspruch als unbegründet zurück, da sich die Tochter des Kl in der Zeit ab August 2005 nicht mehr in Berufsausbildung befunden habe.

Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 24. Mai 2006 erhob der Kl Klage, mit der er weiterhin die Aufhebung des Aufhebungsbescheids vom 29. August 2005 und die Weitergewährung von Kindergeld für seine Tochter A begehrt. Zur Begründung lässt er im Wesentlichen vortragen, seine Tochter habe - abgesehen von ihrem sozialen Engagement - den Freiwilligendienst zum Zwecke der Berufsorientierung, um ihre soziale Kompetenz in ihrem späteren Beruf zu fördern und auch um ihre Französischkenntnisse auszubauen geleistet. Denn sie habe damals vorgehabt, entweder Sozialpädagogik, Medizin oder Lehramt zu studieren. Der Anspruch des Kl auf Zahlung des Kindergeldes für die Zeit des Freiwilligendienstes ergebe sich zumindest analog aus § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2d EStG. Denn der Freiwilligendienst, den seine Tochter abgeleistet habe, entspreche bezüglich der Trägerschaft der Entsendeorganisation, der Tätigkeit der Dienstleistenden und der Dauer des Dienstes im Wesentlichen einem freiwilligen sozialen Jahr im Ausland, bei dessen Ableistung ein Kindergeldanspruch gegeben sei. Bezüglich des streitgegenständlichen Freiwilligendienstes bestehe allenfalls ei ne Regelungslücke. Denn es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber Freiwilligendienste, die er bisher nicht ausdrücklich als Berücksichtigungstatbestand im Sinne des § 32 Abs. 4 EStG definiert habe, von der kindergeldrechtlichen Förderung habe ausschließen wollen, wenn der Dienst unentgeltlich bzw. nur gegen Gewährung von Unterkunft und Verpflegung geleistet werde. Auch die bisherige Ausweitung dieser Berücksichtigungstatbestände zeige, dass der Gesetzgeber bemüht sei, die Förderung an bestehende Freiwilligendienste anzupassen. Eine Einbeziehung des streitgegenständlichen Freiwilligendienstes sei auch vor dem verfassungsrechtlichem Hintergrund, dass alle anerkennenswerten Typen von Unterhaltssituationen in Abgrenzung zum schlichten Müßiggang des Kindes zu berücksichtigen seien, geboten. Insoweit verweist die Klägerseite auf das Urteil des Sächsischen Finanzgerichts 5 K 9/01 vom 26. Februar 2004. Nicht nachvollziehbar sei für den Kl und seine Tochter weiter, dass für alle Teilnehmerinnen (ca. 20 Personen), die den selben Freiwilligendienst wie die Tochter des Kl abgeleistet hätten, das Kindergeld ohne Unterbrechung weiterbezahlt worden sei. Dasselbe gelte für eine Klassenkameradin der Tochter, die ein "vergleichbares Praktikum" in Südamerika abgeleistet habe. Es sei daher nicht gerechtfertigt, die Kindergeldzahlungen an den Kl im streitgegenständlichen Zeitraum zu versagen.

Mit Schriftsatz vom 7. Februar 2007 legte der Kl eine Bescheinigung der Pallottinerinnen - Missionsschwestern vom Katholischen Apostolat - vom 30. Januar 2007 vor, woraus sich ergab, dass seine Tochter an fünf Seminaren zur Vorbereitung auf den einjährigen Aufenthalt in Kamerun und - nach Beendigung des Dienstes - an zwei Wochenendkursen zur Nachbereitung des Einsatzes teilgenommen habe. Hierzu führte der Kl aus, die Seminare hätten exakt denjenigen eines freiwilligen sozialen Jahres entsprochen. Das "freiwillige soziale Jahr", das die Tochter absolviert habe, sei von der Organisation sehr gut begleitet worden. Zudem sei Kamerun früher deutsche Kolonie gewesen. Außerdem seien die Lerninhalte des Studiums und die Erfahrungen während des Freiwilligendienstes für die berufliche Orientierung der Tochter und für die Erlangung eines Ausbildungsplatzes von maßgeblicher Bedeutung gewesen. Gleiches gelte für die Praktika im Vorfeld, die sie im Kreiskrankenhaus K, im Altenpflegeheim H und in der Behindertenhilfe C absolviert habe. Die in Kamerun geleisteten Dienste seien für die später aufgenommene Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin in mehrfacher Hinsicht dienlich gewesen. Zum einen habe sich auf diese Weise die Möglichkeit der Begegnung mit Menschen, fremden Kulturen und fremden Lebensweisen geboten. Zum anderen habe die Tochter in der zur Mission gehörenden Gesundheitsstation umfassende Erfahrungen mit kranken Menschen, den verschiedensten Krankheitsbildern, der Pflege hilfsbedürftiger Patienten sowie den verschiedensten Behandlungsstrategien und Behandlungstherapien sammeln können. Über dies sei sie bei verschiedensten Operationen und Geburten mit anwesend gewesen und habe in zwei verschiedenen Aidsprojekten mitgearbeitet. An den Samstagen und in den Schulferien sei sie entweder in der Brillenausgabe, im Labor oder in der Pharmazie tätig gewesen. Auch die Erfahrungen, die sie durch die Arbeit in dem zur Mission gehörenden Kindergarten sowie dem Internat habe sammeln können, seien für die jetzige Ausbildung sehr förderlich gewesen. Der Freiwilligendienst in Kamerun sei so mit insgesamt sowohl für das Studium an der Pädagogischen Hochschule in Y (Sprachen, Pädagogik, Religion u.a.) als auch für die Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin, für die sie sich später gerade auch aufgrund der im Freiwilligendienst gemachten Erfahrungen und erworbenen Kenntnisse entschieden habe, prägend und nachhaltig förderlich gewesen. Der Freiwilligendienst in Kamerun habe es ihr auch ermöglicht, dass sie sich auf den verschiedensten Ebenen wie Sozial-, Persönlichkeits- und Methodenkompetenz weiterentwickelt habe. Da sie in der Missionsstation in Kamerun weder einen Internetzugang noch einen Telefonanschluss gehabt habe, habe sie sich nicht innerhalb des vorgegebenen Bewerbungszeitraumes der Hochschulen bewerben können. Aus diesem Grund habe sie ihre ältere Schwester, T.B., bevollmächtigt, die von ihr - A.B. - gefertigten Bewerbungen bei den Hochschulen einzureichen. Dies sei Anfang Juni 2006 geschehen. Nachdem sie nach Aufnahme des Studiums an der Pädagogischen Hochschule in Y immer wieder ihre vielfältigen Erfahrungen und Eindrücke, die sie im Rahmen des Freiwilligendienstes in Kamerun habe machen können, habe Revue passieren lassen, sei sie, auch durch die vielfältigen Erfahrungen mit Kranken, Krankenbehandlung und Krankenbetreuung, immer mehr der Entscheidung näher gebracht worden, dass sie doch eher einen Beruf im Bereich der Gesundheitspflege ergreifen solle. Dieser Prozess habe angedauert und habe schließlich Ende November 2006 zu der Entscheidung geführt, sobald wie möglich eine Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin aufzunehmen.

Mit Schriftsatz vom 5. Oktober 2007 reichte der Kl eine Bescheinigung der Pädagogischen Hochschule Y vom 21. September 2007 ein, mit der bestätigt wurde, dass bei der Bewerbung der Tochter des Kl zum Wintersemester 2006/2007 für das Vergabeverfahren im zulassungsbeschränkten Studiengang Lehramt an Realschulen die Tätigkeit als Missionarin auf Zeit in/Kamerun vom 1. September 2005 bis 31. August 2006 "als Bewertung für sonstige Leistungen nach § 7 Abs. 3 der Satzung für das hochschuleigene Auswahlverfahren im Studiengang Realschulen der Pädagogischen Hochschule Y für praktische Tätigkeiten in pädagogisch relevanten Arbeitsfeldern von mindestens sechsmonatiger Dauer mit der vollen Punktzahl von acht Punkten angerechnet" worden sei.

Mit Schriftsatz vom 19. Februar 2008legte der Kl eine schriftliche Bestätigung seiner Tochter T.B. vor, wonach diese wegen der Ortsabwesenheit ihrer Schwester A in deren Auftrag die Bewerbung zum Studium für das Realschullehramt zum Wintersemester 2006/2007 an der Pädagogischen Hochschule Y Anfang Juni 2006 veranlasst und die hierfür erforderlichen Unterlagen an die PH Y geschickt habe. Weiter ließ der Kl ausführen, "dass nach dem neuerlichen Informationsstand der Klägerseite zwischenzeitlich der hier interessierende Freiwilligendienst zur Berufsfindung in Kamerun der Ordensgemeinschaft der Pallottinerinnen in /Kamerun die formale Anerkennung im Sinne der hier interessierenden Vorschriften erfahren" habe. Es werde noch versucht, eine entsprechende Bestätigung zu erhalten, damit diese dem Gericht dann nachgereicht werden könne. Im Übrigen werde nochmals darauf hingewiesen, dass in Erfahrung gebracht worden sei, dass in der Vergangenheit von der Beklagtenseite über andere Außenstellen bei exakt denselben Voraussetzungen, wie sie bei Frau A.B. vorlägen, anstandslos und ohne jegliche Einschränkungen während des Freiwilligendienstes Kindergeld bezahlt worden sei. Es könne aber nicht angehen, dass bei identischem Sachverhalt in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle anstandslos weiter Kindergeld bezahlt werde und in einzelnen Ausnahmefällen die Bezahlung von Kindergeld verweigert und solches sogar noch zurückgefordert werde.

Mit Bescheid vom 24. November 2006 hat die Bekl für die Zeit ab April 2006 Kindergeld für die Tochter A des Kl festgesetzt. Mit Beschluss vom 18. August 2008 wurde das Verfahren dann insoweit abgetrennt und unter dem Aktenzeichen 4 K 3851/08 erledigt.

Der Kl beantragt zuletzt sinngemäß,

den Kindergeldaufhebungsbescheid der Bekl vom 29. August 2005 sowie die Einspruchsentscheidung vom 12. Mai 2006 - soweit dem Begehren des Kl nicht bereits abgeholfen wurde - aufzuheben, die Bekl zu verpflichten, für die Zeit von August 2005 bis März 2006 Kindergeld für seine Tochter A.B. zu gewähren und das rückständige Kindergeld mit 5 v.H. über dem Basiszinssatz zu verzinsen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Bekl beantragt,

die Klage abzuweisen .

Sie erwidert, sie gehe mangels anderslautenden Vortrags davon aus, dass die Organisation, die die Tochter des Kl nach Kamerun entsandt habe, nicht als Träger im Sinne des Gesetzes über das freiwillige soziale Jahr anerkannt sei. Aufgrund des Schreibens der PH vom 21. September 2007 stehe fest, dass das Auslandsjahr nicht als Praxissemester während des Studiums anerkannt worden sei. Es habe der Tochter lediglich Punkte gebracht, die bei der Zulassung zum Studium berücksichtigt worden seien und habe somit eventuell dazu geführt, dass sie für den zulassungsbeschränkten Studiengang überhaupt einen Studienplatz erhalten habe. Es möge auch zutreffen, dass der Freiwilligendienst die Entscheidung der Tochter, eine Ausbildung im Gesundheitswesen aufzunehmen, gefördert habe. Die Tochter sei aber nach den vorgelegten Unterlagen in verschiedensten Bereichen und eben nur "unter anderem" in der Gesundheitsstation tätig gewesen.

Der Berichterstatter des Senats hat am 4. September 2008 bzw. am 30. Oktober 2008 Anfragen an die Pallottinerinnen - Missionsschwestern vom Katholischen Apostolat - so wie an das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gerichtet mit der Frage, ob die Entsendeorganisation im streitgegenständlichen Zeitraum als Träger eines freiwilligen sozialen Jahres anerkannt gewesen sei. Auf die Antwortschreiben der Pallottinerinnen vom 26. September 2008 und vom 9. Oktober 2008 sowie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 17. November 2008 wird Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich schriftsätzlich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Der Kindergeldaufhebungsbescheid vom 29. August 2005 und die Einspruchsentscheidung vom 12. Mai 2006 sind - soweit dem Begehren des Kl nicht bereits abgeholfen wurde - rechtmäßig.

Dem Kl steht für die Zeit von August 2005 bis März 2006 kein Kindergeld für seine Tochter A zu.

Nach § 62 Abs. 1 in Verbindung mit (i.V.m.) § 63 Abs. 1 Satz 2 und § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG wird ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, berücksichtigt, wenn es

noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einem Arbeitsamt im Inland als Arbeitssuchender gemeldet ist oder

noch nicht das 27. Lebensjahr vollendet hat und

für einen Beruf ausgebildet wird oder

...

... oder

ein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres, ein freiwilliges ökologisches Jahr im Sinne des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen ökologischen Jahres oder einen Freiwilligendienst im Sinne des Beschlusses Nr. 1031/2000/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. April 2000 zur Einführung des gemeinschaftlichen Aktionsprogramms "Jugend" (ABl. EG Nr. L 117 S. 1) oder einen anderen Dienst im Ausland im Sinne von § 14b des Zivildienstgesetzes (ZDG) leistet oder

...

Die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 63 Abs. 1 Satz 2 EStG liegen im Streitfall ersichtlich nicht vor.

Entgegen der Auffassung des Kl sind auch die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a i.V.m. § 63 Abs. 1 Satz 2 EStG nicht erfüllt. Eine Berufsausbildung im Sinne dieser Vorschriften hat die Tochter des Kl im streitgegenständlichen Zeitraum nicht absolviert.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) befindet sich in Berufsausbildung, wer seine Berufsziele noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft darauf vorbereitet (BFH-Urteile vom 16. April 2002 VIII R 58/01, BFHE 199, 111, BStBl II 2002, 523 mit weiteren Nachweisen - m.w.N. -; vom 15. Juli 2003 VIII R 78/99, BFHE 203, 90, BStBl II 2003, 841 und vom 15. Juli 2003 VIII R 75/00, BFH/NV 2004, 171). Dazu gehören alle Maßnahmen, bei denen es sich um den Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen handelt, die als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufes geeignet sind (BFH-Urteile vom 19. Februar 2002 VIII R 83/00, BFHE 198, 192, BStBl II 2002, 469 m.w.N.; vom 16. April 2002 VIII R 58/01, BFHE 199, 111, BStBl II 2002, 523; vom 15. Juli 2003 VIII R 47/02, BFHE 203, 106, BStBl II 2003, 848 und vom 24. Juni 2004 III R 3/03, BFHE 206, 413, BStBl II 2006, 294).

Der von der Tochter des Kl geleistete Freiwilligendienst hat indes nicht der Vorbereitung auf einen konkret angestrebten Beruf gedient.

Die vom Kl geschilderte Förderung der Fremdsprachenkenntnisse seiner Tochter durch den Aufenthalt in Kamerun reicht nicht aus, um den Freiwilligendienst als Berufsausbildung zu qualifizieren. Denn nach der Rechtsprechung des BFH kann ein Auslandsaufenthalt, auch wenn sich dadurch die Kenntnisse der jeweiligen Landessprache verbessern, nur dann als Berufsausbildung anerkannt werden, wenn der Erwerb der Fremdsprachenkenntnisse nicht dem ausbildungswilligen Kind allein überlassen bleibt, sondern Ausbildungsinhalt und Ausbildungsziel von einer fachlich autorisierten Stelle vorgegeben werden (BFH-Urteil vom 9. Juni 1999 VI R 143/98, BFHE 189, 107, BStBl II 1999, 710). Eine Ausbildung in diesem Sinne ist ohne Weiteres dann anzunehmen, wenn der Sprachaufenthalt mit anerkannten Formen der Berufsausbildung verbunden wird, wie z.B. mit dem Besuch einer allgemeinbildenden Schule, eines Colleges oder einer ausländischen Universität. Darüber hinaus können Sprachaufenthalte im Ausland regelmäßig nur dann als Berufsausbildung anerkannt werden, wenn sie von einem theoretischsystematischen Sprachunterricht mit einem Umfang von wöchentlich mindestens 10 Stunden begleitet werden (BFH-Urteil vom 9. Juni 1999 VI R 143/98, BFHE 189, 107, BStBl II 1999, 710; FG München, Urteile vom 22. September 2005 10 K 1984/03, [...] und vom 26. September 2007 10 K 3094/06, EFG 2008, 304).

Auch unter dem Gesichtspunkt einer eventuellen Anrechenbarkeit des Freiwilligendienstes auf Praktika, die im Rahmen des in der Folgezeit aufgenommenen Studiums zu leisten gewesen wären, kommt eine Beurteilung des Dienstes als Berufsausbildung nicht in Betracht. Denn der Kl hat - trotz des Hinweises des Berichterstatters im Erörterungstermin vom 26. April 2007 und der Aufforderung mit Berichterstatterschreiben vom 21. Januar 2008 - weder substantiiert behauptet, dass der Dienst seiner Tochter in Kamerun nach der Studien- und Prüfungsordnung der PH Y im Studienfach der Tochter auf eventuell dort vorgeschriebene Praktikumserfordernisse hätte angerechnet werden können, noch hat er eine Bescheinigung über eine solche Anerkennbarkeit als Praktikum im PH-Studium der Tochter vorgelegt. Der bloße Umstand, dass sich der Dienst in Kamerun - wie der Kl mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 5. Oktober 2007 unter Vorlage der Bescheinigung der PH Y vom 21. September 2007 darlegte - "als Bewertung für sonstige Leistungen nach § 7 Abs. 3 der Satzung für das hochschuleigene Auswahlverfahren im Studiengang Realschulen der Pädagogischen Hochschule Y für praktische Tätigkeiten in pädagogisch relevanten Arbeitsfeldern von mindestens sechsmonatiger Dauer mit der vollen Punktzahl von 8 Punkten angerechnet worden" sei, ist indes nicht ausreichend. Denn durch diese bloße Berücksichtigung im Zulassungsverfahren wird das gesetzliche Merkmal "für einen Beruf ausgebildet wird" im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a i.V.m. § 63 Abs. 1 Satz 2 EStG nicht erfüllt.

Der bloße Umstand, dass die Erfahrungen, die die Tochter des Kl während des Dienstes gemacht hat, (mit-)ursächlich für die Aufnahme der Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin waren, reicht hierfür ebenfalls nicht aus.

Die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2d EStG liegen im Streitfall ebenfalls nicht vor. Denn mit dem von ihr in Kamerun geleisteten Dienst hat die Tochter des Kl kein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres (FSJG) geleistet. Zwar kann ein freiwilliges soziales Jahr nach § 3 Abs. 1 FSJG auch im Ausland geleistet werden. Ein solches freiwilliges soziales Jahr im Ausland liegt aber nur vor, wenn der Träger des freiwilligen sozialen Jahres die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 FSJG erfüllt und von der zuständigen Landesbehörde zugelassen ist (BFH-Beschluss vom 29. November 2005 III B 53/05, BFH/NV 2006, 718; Niedersächsisches FG, Urteil vom 13. Oktober 2005 14 K 364/03, [...]; FG München, Urteil vom 26. September 2007 10 K 3094/06, EFG 2008, 304; FG Hessen, Urteil vom 31. Oktober 2005 12 K 863/04, [...]).

Eine solche Zulassung ist im Streitfall nicht gegeben. Das Bestehen einer derartigen Zulassung für den streitigen Zeitraum wurde von der Klägerseite weder substantiiert behauptet noch ergab sich aufgrund der Anfragen des Berichterstatters an die Pallottinerinnen vom 4. September 2008 bzw. an das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 30. Oktober 2008, dass eine entsprechende Anerkennung erfolgt war. Die eingeholten Auskünfte ergaben vielmehr das Gegenteil, nämlich dass die "Deutsche Provinz der Pallottinerinnen e.V." erst mit Bescheid vom 17. April 2008 im Rahmen des Programms "weltwärts" der Bundesregierung, auf dessen Grundlage erst ab Januar 2008 Entsendungen vorgenommen wurden, als Trägerorganisation im Sinne des § 5 Abs. 2 FSJG anerkannt wurde.

Bei der Bezugnahme auf die Vorschriften des FSJG in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2d EStG handelt es sich auch nicht um eine bloße Rechtsfolgenverweisung, weshalb das Erfordernis der Zulassung des Trägers für die Durchführung des freiwilligen sozialen Jahres im Ausland durch die zuständige Landesbehörde nach § 5 Abs. 2 FSJG nicht entbehrlich ist. Es handelt sich vielmehr um eine Rechtsgrundverweisung mit der Folge, dass alle Voraussetzungen des FSJG, also auch das Erfordernis der Zulassung, erfüllt sein müssen, um die Kindergeldberechtigung zu begründen (Niedersächsisches FG vom 27. August 2007 16 K 359/06 EFG 2008, 225.

Eine analoge Anwendung der Regelung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2d EStG i.V.m. § 63 Abs. 1 Satz 2 EStG ist ebenfalls nicht möglich.

Eine solche analoge Gesetzesanwendung hätte zunächst das Bestehen einer planwidrigen gesetzlichen Regelungslücke vorausgesetzt. Von einer solchen Lücke ist auszugehen, wenn sich aus der bestehenden Regelung entnehmen lässt, dass sie auch auf den nicht geregelten Fall ausgedehnt worden wäre, wenn der Gesetzgeber diesen Fall in Betracht gezogen hätte (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 1. Februar 2000 VII R 49/99, BFHE 191, 202, BStBl II 2000, 343; vom 21. Juli 2000 VI R 153/99, BFHE 192, 316, BStBl II 2000, 566 und vom 11. November 1997 VIII R 39/94, BFH/NV 1998, 1078). Eine solche planwidrige Gesetzeslücke ist im Hinblick auf die vom Gesetz nicht vorgesehene Förderung des von der Tochter des Kl geleisteten Dienstes nicht gegeben. Denn die in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2d EStG ausdrücklich getroffenen Bezugnahmen auf die tatbestandlichen Voraussetzungen anderer Normierungen, nämlich des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres, des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen ökologischen Jahres oder des Beschlusses Nr. 1031/2000/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. April 2000 zur Einführung des gemeinschaftlichen Aktionsprogramms "Jugend" (ABl. EG Nr. L 117 S. 1) sowie des § 14 b ZDG machen deutlich, dass Sachverhaltskonstellationen, in denen - wie im Streitfall - die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Bezugsnormen nicht erfüllt sind, nach dem Willen des Gesetzgebers keinen Anspruch auf Kindergeld auslösen sollen. Es entspricht daher gerade dem gesetzgeberischen Willen, für Freiwilligenprogramme, die die Voraussetzungen dieser in Bezug genommenen Gesetze bzw. Normen nicht erfüllen, die kindergeldrechtliche Förderung zu versagen (vgl. Hessisches FG, Urteil vom 31. Oktober 2005 12 K 863/04, [...]; FG Münster, Urteil vom 24. Oktober 2006 6 K 1734/05 Kg, EFG 2007, 1610; FG München, Urteil vom 26. September 2007 10 K 3094/06, EFG 2008, 304).

Auch aus dem aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) abzuleitenden Grundsatz der Rechtsanwendungsgleichheit ergibt sich für den Kl selbst dann kein Anspruch auf Gewährung von Kindergeld für seine Tochter, wenn sein Vortrag zutreffen sollte, dass anderen Absolvent(inn)en desselben Freiwilligendienstes Kindergeld gewährt worden sei. Denn Verwaltungen und Gerichte sind selbst dann nicht befugt, ein Gesetz allgemein oder im Einzelfall zu suspendieren, wenn eine Norm in zahlreichen Fällen nicht befolgt wird (vgl. BFH-Urteil vom 20. Juni 1989 VIII R 82/86,BFHE 156, 543; BStBl II 1989, 836). Art. 3 Abs. 1 GG fordert lediglich Gleichheit vor dem Gesetz, also Gleichheit im Recht. Eine Gleichheit im Unrecht kann es dagegen nicht geben (Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. April 1967 1 BVR 176/65, BVerfGE 21, 245; Niedersächsisches FG, Urteil vom 13. Oktober 2005 14 K 364/03, [...]).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen. Die Zulassung erfolgt im Hinblick auf die beim BFH anhängigen Revisionsverfahren III R 61/06, III R 62/06 und III R 33/07 sowie im Hinblick auf die Frage, ob es für die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals "für einen Beruf ausgebildet wird" in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a EStG ausreicht, dass ein Freiwilligendienst für den Zugang zu einer Berufsausbildung, insbesondere durch Berücksichtigung im Verfahren über die Zulassung zu einem Studium, förderlich sein konnte.



Ende der Entscheidung

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