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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 11.03.2009
Aktenzeichen: 4 K 251/09
Rechtsgebiete: DBA BR, EStG


Vorschriften:

DBA BR Art. 4
DBA BR Art. 15 Abs. 1
DBA BR Art. 21 Abs. 2
DBA BR Art. 24 Abs. 1
EStG § 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darum, ob der Kläger seine Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit in den Streitjahren (1991 bis 1995) in Deutschland oder in Brasilien versteuern muss.

Der im Jahre 1940 geborene Kläger ist - ebenso wie seine Ehefrau, die Klägerin - brasilianischer Staatsangehöriger. Er ist deutscher Abstammung und hatte in den sechziger Jahren des ausgegangenen Jahrhunderts seine Studienzeit zum Teil in Deutschland verbracht. Seit dem Jahre 1961 ist der Kläger bei dem brasilianischen Unternehmen X., einer Aktiengesellschaft mit Sitz in Y (Brasilien), beschäftigt, das zu einem US-amerikanischen Konzern gehört und Bauteile für die Produktion von Kraftfahrzeugen herstellt. Nach Abschluss seines Ingenieurstudiums war der Kläger dort bis 1981 als Leiter der Produktion von Gelenkwellen tätig. Im Jahre 1981 übernahm der Kläger bei seinem Arbeitgeber die Funktion des Leiters für Entwicklung und Export im Auslandsgeschäft.

Am 1. Dezember 1987 reiste der Kläger gemeinsam mit der Klägerin und ihrer jüngsten gemeinsamen Tochter, der im Jahre 1983 geborenen A.B., in das Bundesgebiet ein. Von der zuständigen Ausländerbehörde erhielt der Kläger zunächst eine bis Dezember 1989 gültige befristete Aufenthaltsgenehmigung. Grundlage hierfür war, dass der Kläger gegenüber der Behörde angegeben hatte, für seinen Arbeitgeber fortan in Deutschland als "Praktikant" tätig sein zu wollen. Der Kläger bezog mit seiner Familie zunächst eine Wohnung in T.. im G.. Raum. Die beiden älteren Töchter der Kläger, die im Jahre 1970 geborene D.B. und die ein Jahr jüngere C.B., waren in Brasilien geblieben, wo sie fortan gemeinsam mit der im Jahre 1920 geborenen Mutter des Klägers ein im Eigentum der Kläger stehendes, 243 qm große Einfamilienhaus in Y bewohnten. In diesem Haus hatten auch die Kläger bei ihrer Abreise nach Deutschland eigene Räumlichkeiten in Gestalt eines Wohnzimmers, eines Schlafzimmers, einer Küche und eines Bades zu ihrer weiteren persönlichen Verfügung zurückbehalten.

In der Folgezeit war der Kläger für seinen Arbeitgeber in Deutschland und im europäischen Ausland als Geschäftsreisender tätig. Seine Aufgabe bestand darin, Anfragen des Arbeitgebers an deutsche und andere europäische Unternehmen für den Einkauf von Produktionsmaschinen, Ersatzteilen, Rohstoffen und Ausrüstungsgegenständen zu vermitteln und die eingeholten Angebote an die Einkaufszentrale des Arbeitgebers in Brasilien weiterzuleiten. Hierbei hatte der Kläger auch Einzelheiten wie den Preis, den Liefertermin, die Mengen und die Zahlungsbedingungen mit den Lieferanten abzuklären. Kamen im Rahmen des Einkaufs technische Fachkräfte des Arbeitgebers nach Deutschland, so hatte der Kläger bei den Verhandlungen dieser Kollegen mit ihren deutschen Ansprechpartnern als Übersetzer tätig zu werden. Teilweise war der Kläger anstelle solcher Techniker auch selbst mit der Abnahme der bestellten Maschinen in Deutschland befasst. Seine Tätigkeiten koordinierte der Kläger von seinem Wohnsitz in Deutschland aus; angestelltes Personal beschäftigte der Kläger für diese Bürotätigkeit jedoch nicht. Das Gehalt seines Arbeitgebers erhielt der Kläger weiterhin - nach Abzug der brasilianischen Lohn- bzw. Einkommensteuer - in brasilianischer Währung auf ein in Brasilien geführtes Bankkonto ausgezahlt.

Nachdem die Aufenthaltsgenehmigung des Klägers und seiner Familie auf Veranlassung seines Arbeitgebers zu Ende des Jahres 1989 um weitere zwei Jahre verlängert worden war und die Tochter der Kläger A.B. in Deutschland mit dem Besuch der Grundschule begonnen hatte, zog der Kläger im Juli 1991 (des ersten Streitjahrs) mit seiner Familie in das fortan angemietete Einfamilienhaus im ....weg in K um. In den folgenden Jahren war der Kläger häufig auf Geschäftsreisen in England, Portugal, Spanien, Italien, der Schweiz, in Frankreich, Österreich und im außereuropäischen Ausland unterwegs. Zwei- bis dreimal im Jahr reiste der Kläger an den Sitz des Stammhauses seines Arbeitgebers nach Y in Brasilien, um dort für einige Tage an Konferenzen teilzunehmen und mit der Geschäftsleitung die weitere Entwicklung des Auslandsgeschäfts zu koordinieren und abzusprechen. Daneben verbrachten der Kläger und die Klägerin mit ihrer Tochter die sechswöchigen deutschen (Schul-) Sommerferien und die Winterferien in Brasilien, wo sie in dieser Zeit in ihrem Einfamilienhaus in Y in den zurückbehaltenen Räumlichkeiten wohnten. Damit bezweckten die Kläger auch, den persönlich-familiären und gesellschaftlichen Kontakt mit den dort lebenden Verwandten und Bekannten nicht abreißen zu lassen.

Seit dem Januar 1992 (des zweiten Streitjahrs) bemühten sich die Kläger bei der deutschen Ausländerbehörde um die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis. Im Zuge des sich hieraus entwickelnden Verwaltungsverfahrens verlangte die Ausländerbehörde vom Kläger unter anderem auch eine Bescheinigung der deutschen Finanzbehörden, dass seiner Betätigung im Inland keine steuerlichen Gründe entgegenstünden. Aus diesem Grunde wandten sich die Kläger mit Schreiben vom 8. April 1994 erstmals an das beklagte Finanzamt (den Beklagten), das den Klägern sodann die erwünschte Unbedenklichkeitsbescheinigung erteilte und sie wenig später mit Schreiben vom 9. August 1994 zur Abgabe von Einkommensteuererklärungen für die drei ersten Streitjahre 1991 bis 1993 aufforderte.

In der Folgezeit gaben die Kläger die angeforderten Einkommensteuererklärungen trotz mehrfacher Erinnerungen des Beklagten nicht ab. Sie vertraten die Auffassung, die Einkünfte des Klägers aus seiner Tätigkeit für den brasilianischen Arbeitgeber seien in Deutschland nicht steuerbar, da der Kläger zwar über einen inländischen Wohnsitz in ihrem angemieteten Haus in K verfüge, zugleich jedoch einen weiteren Wohnsitz in ihrem Einfamilienhaus in Y in Brasilien unterhalte. Dort wohnten die Mutter und zwei der Kinder des Klägers sowie seine im Jahre 1988 geborene Enkeltochter, denen gegenüber der Kläger unterhaltspflichtig sei. Aus diesen Gründen könne ein eindeutiger Mittelpunkt der Lebensinteressen des Klägers weder in Deutschland noch in Brasilien festgestellt werden. Damit komme es steuerrechtlich ausschlaggebend auf die brasilianische Staatsangehörigkeit des Klägers an, so dass die Einkünfte des Klägers aus unselbständiger Arbeit in Brasilien zu versteuern seien. Dies entspreche auch der tatsächlichen Handhabung durch die brasilianischen Finanzbehörden, zumal der Arbeitgeber des Klägers die in Brasilien zu zahlenden Steuern direkt von dessen Gehalt abziehe. Der Kläger sei regelmäßig über längere Zeit oft mehrere Wochen unterwegs, so dass er auf das Jahr gerechnet weniger als die Hälfte der Tage das angemietete Haus in K bewohne. Diesem Haus komme lediglich die unbedeutende Funktion einer "Kommunikationsschnittstelle" zu, weil der Kläger hier für seinen Arbeitgeber und für dessen europäische Kontaktpartner telefonisch erreichbar sei. Auch wenn der Kläger zum Inland eine enge persönliche Beziehung habe, weil sich hier seine Ehefrau - die Klägerin - und seine jüngste Tochter während des überwiegenden Teils des Jahres aufhielten, so sei die persönliche Beziehung nach Brasilien nicht weniger eng. Denn dort befinde sich die gesamte übrige Verwandtschaft des Klägers. In Brasilien seien der Kläger und seine Familie zudem gesellschaftlich, kulturell und politisch eingebunden und verwurzelt. Auch wirtschaftlich sei der Kläger enger an Brasilien als an Deutschland angebunden, da sich die Einkommensquelle des Klägers in Brasilien befinde, dort die Vermögensbildung stattfinde und der Arbeitgeber den Kläger nach seinem Ermessen jederzeit aus Deutschland nach Brasilien zurückbeordern könne.

Der Beklagte folgte der Auffassung der Kläger nicht. Er schätzte den Bruttoarbeitslohn des Klägers für das Jahr 1991 auf 100.000 DM, für das Jahr 1992 auf 450.000 DM und für die Jahre 1993 bis 1995 auf jeweils 500.000 DM und setzte die Einkommensteuer der Kläger auf dieser Grundlage durch (gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung - AO -) geänderten Bescheid für 1991 vom 13. Mai 1996 auf 18.410 DM und durch Bescheide für 1992 bis 1995, datiert jeweils auf den 27. August 1996, auf 185.736 DM für 1992 und auf jeweils 211.780 DM für die Jahre 1993 bis 1995 fest. Sämtliche Bescheide ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Hiergegen richtet sich die nach erfolglosem Einspruchsverfahren von den Klägern erhobene Klage, mit der die Kläger ihren bisherigen Sach- und Rechtsvortrag wiederholen und vertiefen.

Die Kläger sind weiterhin der Auffassung, der Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen habe in den Streitjahren nicht in Deutschland, sondern in Brasilien gelegen. Dies ergebe sich insbesondere auch daraus, dass die deutsche Ausländerbehörde ihre Aufenthaltstitel immer nur für kürzere Zeiträume, und zwar in den Streitjahren nur in halbjährlichem Abstand, verlängert habe. Wegen dieses ungesicherten Aufenthaltsstatus sei der Kläger von seinem brasilianischen Arbeitgeber durchgehend als inländischer Mitarbeiter geführt worden, der eine Reisetätigkeit ausgeübt habe. Dass der Arbeitgeber gerade Deutschland und hier die Region um G als Standort des Klägers ausgewählt habe, habe organisatorische Gründe gehabt, weil der Kläger von diesem Ort aus seine Geschäftspartner in den anderen westeuropäischen Staaten leicht habe erreichen können. Indessen sei dies für die Wohnsitzwahl des Klägers nicht zwingend gewesen, da er seine Aktivitäten mit ähnlichem Erfolg auch von jedem anderen westeuropäischen Staat habe koordinieren können. Die geschäftlichen Beziehungen des Klägers zu Deutschland seien daher keineswegs so verfestigt, wie der Beklagte dies angenommen habe. Sie - die Kläger - beabsichtigten zudem, ihren Lebensabend in Brasilien zu verbringen. Hierauf hätten sie jederzeit ihre ganzen Planungen ausgerichtet.

Hilfsweise machen die Kläger geltend, jedenfalls die vom Beklagten zunächst geschätzten Einnahmen des Klägers seien weit überhöht. So habe der Kläger von seinem Arbeitgeber etwa im Jahre 1991 lediglich Praktikantenbezüge in Höhe von 24.000 DM bezogen. Als Praktikanten würden beim Arbeitgeber des Klägers solche Mitarbeiter geführt, die vorübergehend in eine neue Beschäftigung oder ein neues Tätigkeitsgebiet eingearbeitet würden. Allerdings habe der Arbeitgeber für die Dauer dieser Praktikantentätigkeit die gesamten Lebenshaltungskosten der Kläger und ihrer minderjährigen Tochter A.B. in Deutschland übernommen.

Die Kläger sind zum Ende des Jahres 2001 unter Aufgabe ihres inländischen Wohnsitzes an ihren beibehaltenen brasilianischen Wohnsitz in Y verzogen. Zuvor hatten die Kläger im Verlauf des Klageverfahrens Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre eingereicht. Der Beklagte hat die Einkommensteuer der Kläger auf der Grundlage dieser Erklärungen mit geänderten Bescheiden vom 26. Januar 2005 neu festgesetzt und zugleich den Vorbehalt der Nachprüfung jeweils aufgehoben.

Dabei ist der Beklagte für das Jahr 1991 - abweichend von dem von den Klägern erklärten Betrag von 18.745 DM - von einem geschätzten Bruttoarbeitslohn des Klägers in Höhe von 74.446 DM ausgegangen. Die vom Kläger für seine im Jahre 1991 aufgrund von Geschäftsreisen in den Ländern Brasilien und Österreich ausgeübte Tätigkeit bezogenen Einkünfte in Höhe von insgesamt 5.476 DM hat der Beklagte lediglich in die Berechnung des Steuersatzes einbezogen. Die Einkommensteuer für 1991 hat der Beklagte sodann auf 11.665 DM festgesetzt.

Für das Jahr 1992 hat der Beklagte den von den Klägern erklärten Bruttoarbeitslohn des Klägers von 50.446 DM um vom Arbeitgeber getragene Mietaufwendungen für das angemietete Einfamilienhaus in K in einer geschätzten Höhe von 24.000 DM erhöht und die Einkommensteuer 1992 sodann - bei Einbeziehung von 15.106 DM an Einkünften des Klägers aufgrund seiner Tätigkeit anlässlich von Geschäftsreisen in den Ländern Brasilien und Österreich in die Berechnung des Steuersatzes - auf 12.070 DM festgesetzt.

Für das Jahr 1993 hat der Beklagte den erklärten Bruttoarbeitslohn des Klägers von 52.791 DM gleichfalls um 24.000 DM an vom Arbeitgeber übernommenen Mietaufwendungen auf 76.791 DM erhöht, 13.922 DM an Einkünften für die Geschäftsreisetätigkeit des Klägers in Brasilien in die Berechnung des Steuersatzes einbezogen und die Einkommensteuer 1993 danach auf 12.412 DM festgesetzt.

Für das Jahr 1994 ist der erklärte Bruttoarbeitslohn des Klägers von 100.306 DM vom Beklagten wiederum um 24.000 DM an Mietaufwendungen auf 124.306 DM erhöht worden; daneben sind 33.822 DM an Arbeitslohn wegen Tätigkeiten des Klägers anlässlich von Geschäftsreisen in den Ländern Brasilien, Österreich und Schweden in die Berechnung des Steuersatzes einbezogen und die Einkommensteuer 1994 anschließend auf 28.364 DM festgesetzt worden.

Für 1995 ist der Beklagte von dem erklärten Bruttoarbeitslohn des Klägers von 103.686 DM ausgegangen, hat diesen um 24.000 DM an vom Arbeitgeber getragenen Mietaufwendungen auf 127.686 DM erhöht, Lohnzahlungen von 23.842 DM anlässlich von Geschäftsreisen des Klägers in den Ländern Brasilien, Österreich und Schweden in die Berechnung des Steuersatzes einbezogen und die Einkommensteuer 1995 sodann auf 29.019 DM festgesetzt.

Die Kläger beantragen,

die (geänderten) Einkommensteuerbescheide vom 26. Januar 2005 sowie die Einkommensteuerbescheide für 1991 vom 13. Mai 1996 und für 1992 bis 1995, jeweils vom 27. August 1996, und die Einspruchsentscheidung vom 27. Dezember 1996 ersatzlos aufzuheben, und die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Ansicht, der Arbeitslohn des Klägers sei - mit Ausnahme der Anteile, die auf dessen Tätigkeiten anlässlich von Geschäftsreisen in den Ländern Brasilien, Österreich und Schweden entfielen - von den Klägern in Deutschland zu versteuern. Beide Kläger hätten in den Streitjahren zu Deutschland engere persönliche und wirtschaftliche Beziehungen unterhalten als zu Brasilien und damit in Deutschland auch ihren Mittelpunkt der Lebensinteressen gehabt. Die persönlichen Bindungen des Klägers an seine minderjährige Tochter und an seine Ehefrau - die Klägerin - wögen schwerer als bestehende Beziehungen zu den in Brasilien lebenden Angehörigen. Auch hätten sich beide Kläger in den Streitjahren zu erheblich längeren Zeiträumen in ihrem Einfamilienhaus in K aufgehalten als in ihrem Haus in Brasilien. In Deutschland habe auch das hauptsächliche berufliche Betätigungsfeld des Klägers gelegen. Zur Höhe der Einkünfte hat der Beklagte angemerkt, es sei nicht glaubhaft, dass der Kläger im Jahre 1991 nur die von ihm erklärten geringfügigen Praktikantenbezüge erhalten habe. Deshalb sei der Bruttoarbeitslohn in Anlehnung an die erklärten Einkünfte des Folgejahres 1992 zu schätzen. In allen Jahren seien die erklärten Lohnzahlungen des Klägers zudem noch um die in Höhe von 24.000 DM zu schätzenden Mietzahlungen für die Anmietung des Wohnhauses in K zu erhöhen. Zwar habe der Arbeitgeber des Klägers diese Mieten übernommen; indessen handele es sich nicht um steuerfreien Aufwendungsersatz, da die Kläger das Haus in K nicht im Rahmen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung bewohnt hätten.

Auf Antrag der Kläger hat seit dem Jahre 1998 ein Verständigungsverfahren zwischen den deutschen und den brasilianischen Finanzbehörden stattgefunden, das vom Bundesministerium der Finanzen (BMF) mit Erlass vom 19. April 2004 für gescheitert erklärt worden ist.

Der seinerzeit für das Verfahren zuständige 12. Senat des Finanzgerichts (FG) Baden-Württemberg hat den Rechtsstreit am 8. September 2004 in öffentlicher Sitzung mündlich verhandelt. Der 12. Senat hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 29. Januar 2007 zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen. Infolge einer Änderung des gerichtlichen Geschäftsverteilungsplans ist für den Rechtsstreit mit Wirkung zum 1. Januar 2009 der 4. Senat des FG Baden-Württemberg zuständig geworden.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Der Beklagte hat die in den Streitjahren bezogenen Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit dem Grunde und der Höhe nach zutreffend der deutschen Einkommensteuer unterworfen.

1. Die Kläger waren in den Streitjahren in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -), da sie in diesem Zeitraum beide in Deutschland über einen Wohnsitz verfügten. Denn die Kläger hatten im Inland zunächst in T.. und später in K eine angemietete Wohnung unter Umständen inne, die darauf schließen ließen, dass sie diese Wohnung beibehalten und benutzen würden (vgl. § 8 AO). Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht weiter streitig geworden. Aufgrund ihres Wohnsitzes im Inland und ihrer daran anknüpfenden unbeschränkten Einkommensteuerpflicht unterlagen in den Streitjahren die gesamten von den Klägern aus dem In- und Ausland bezogenen Einkünfte und damit auch der Arbeitslohn des Klägers (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) der deutschen Einkommensteuer (sog. Welteinkommensprinzip, vgl. z.B. Stapperfend in Herrmann/Heuer/Raupach, § 1 EStG Anm. 88).

2. Entgegen der Auffassung der Kläger waren die dem Kläger von Seiten seines brasilianischen Arbeitgebers zugeflossenen Gehaltszahlungen für seine Erwerbstätigkeit als Geschäftsreisender in den Streitjahren - jedenfalls soweit sie nicht durch sein Tätigwerden in den Ländern Brasilien, Österreich und Schweden veranlasst waren - nicht aufgrund des (mittlerweile zum Ende des Jahres 2005 außer Kraft getretenen, vgl. Bekanntmachung des BMF vom 6. Mai 2005, BGBl. II 2005, 599, BStBl I 2005, 799) Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Föderativen Republik Brasilien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA-Brasilien) vom 27. Juni 1975 (BGBl. II 1975, 2246, BStBl I 1976, 47) in Deutschland steuerfrei.

a) Bei den Gehaltszahlungen der X. an den Kläger handelte es sich in sämtlichen Streitjahren um Vergütungen, die der Kläger aus unselbständiger Arbeit i. S. des Art. 15 Abs. 1 DBA-Brasilien bezogen hatte. Derartige Vergütungen waren auch im Streitjahr 1991 nicht bereits deswegen von der deutschen Einkommensteuer befreit, weil der brasilianische Arbeitgeber den Kläger in diesem Jahr noch als "Praktikant" geführt hätte.

aa) Für die in Art. 21 Abs. 2 DBA-Brasilien - als Ausnahme zu Art. 15 Abs. 1 DBA-Brasilien - enthaltene Freistellung gilt dies schon deswegen, weil die Vergütungen des Klägers - ungeachtet dessen, ob er sich in Deutschland tatsächlich lediglich zur Ausbildung aufgehalten hatte - den dort geregelten Höchstbetrag von 7.200 DM überstiegen haben. Zudem war der Kläger zu Beginn des Jahres 1991 bereits länger als drei aufeinanderfolgende Steuerjahre in Deutschland beruflich tätig gewesen.

bb) Daneben war auch Art. 21 Abs. 1 DBA-Brasilien - als weitere Ausnahme zu Art. 15 Abs. 1 DBABrasilien - auf die Zahlungen der X. im Streitjahr 1991 nicht anwendbar. Hiernach sind zwar Personen, die - wie der Kläger - unmittelbar, bevor sie sich in den Vertragsstaat Deutschland begeben haben, in dem anderen Vertragsstaat Brasilien ansässig waren, mit den für ihren Unterhalt, ihr Studium oder ihre Ausbildung bestimmten Überweisungen aus dem Ausland in Deutschland von der Einkommensteuer befreit. Indessen gilt diese Befreiung nur für solche Personen, die sich in dem Vertragsstaat Deutschland lediglich als Studenten, als Lehrlinge einschließlich der Praktikanten oder als Forschungsreisende aufhalten.

Zu diesem Personenkreis rechnete der Kläger im Jahre 1991 - obschon er von der X. seinerzeit als "Praktikant" geführt wurde - ersichtlichermaßen nicht mehr. Der Kläger hatte zu diesem Zeitpunkt bereits sein 50. Lebensjahr vollendet. Er hatte sein Ingenieursstudium bereits vor mehr als zwanzig Jahren abgeschlossen und war von seinem langjährigen Arbeitgeber bereits über längere Zeiträume als leitender Angestellter im Bereich der Produktion, der Entwicklung und des Exports mit verantwortungsvollen Führungsaufgaben betraut worden. Wie die Kläger selbst einräumen, sollte mit der Bezeichnung als "Praktikant" im Jahre 1991 lediglich verdeutlicht werden, dass dem Kläger von seinem Arbeitgeber zunächst die Aufgabe zugewiesen worden war, sich in sein neues Tätigkeitsfeld als Geschäftsreisender in Sachen Material- und Produktionsmaschineneinkauf erst noch einzuarbeiten. In diesem Zusammenhang hatte der Kläger dem Arbeitgeber zudem über mehrere Jahre hinweg Dienstleistungen zu erbringen, die einem gewöhnlichen entgeltlichen Arbeitsverhältnis entsprachen. In derartigen Fällen aber fällt der gezahlte Arbeitslohn grundsätzlich nicht unter den nach Art. 21 Abs. 1 Buchst. b DBA-Brasilien steuerfreien Praktikantenunterhalt, sondern unter die allgemeine Regelung über Vergütungen aus unselbständiger Arbeit gemäß Art. 15 Abs. 1 DBA-Brasilien (vgl. Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 20 MA Rz. 27). Personen, die ihre berufliche Ausbildung - wie der Kläger - bereits abgeschlossen haben und lediglich ihre Kenntnisse auf einem Spezialgebiet erwerben oder erweitern wollen, zählen zudem nicht zum begünstigten Personenkreis des Art. 21 Abs. 1 DBA-Brasilien (Prokisch in Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen, 4. Aufl., Art. 20 Rz. 7, m.w.N.).

b) Der sonach allein anwendbare Art. 15 Abs. 1 Satz 1 DBA-Brasilien bestimmt, dass Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden können, es sei denn, dass die Arbeit in dem anderen Vertragsstaat ausgeübt wird.

Nach dieser Regelung stand das Besteuerungsrecht für die vom Kläger bezogenen Gehaltszahlungen - jedenfalls soweit der Kläger die ihm vergütete Arbeit nicht in Brasilien, Österreich und Schweden ausgeübt hatte - dem deutschen und nicht dem brasilianischen Fiskus zu. Denn der Kläger war in den Streitjahren in dem Vertragsstaat Deutschland, nicht aber in dem Vertragsstaat Brasilien abkommensrechtlich ansässig. Dies ergibt sich aus den kollisionsrechtlichen Bestimmungen des Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 DBA-Brasilien.

aa) Nach Art. 4 Abs. 1 DBA-Brasilien bedeutet der Ausdruck "eine in einem Vertragsstaat ansässige Person" i. S. des DBA-Brasilien eine Person, die nach dem Recht dieses Staates dort aufgrund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthalts oder eines ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist. Für den Kläger ergab sich hieraus wegen seiner aus dem inländischen Wohnsitz folgenden unbeschränkten Steuerpflicht zunächst eine abkommensrechtliche Ansässigkeit in Deutschland. Da der Kläger zudem über einen weiteren brasilianischen Wohnsitz in seinem Wohnhaus in Y verfügte und an diesen Wohnsitz auch in regelmäßigen Abständen zurückzukehren beabsichtigte, war der Kläger indessen in den Streitjahren zugleich auch i. S. des Art. 4 Abs. 1 DBA-Brasilien im Vertragsstaat Brasilien ansässig.

Für diese Fälle einer gleichzeitigen Ansässigkeit in beiden Vertragsstaaten bestimmt Art. 4 Abs. 2 DBABrasilien zunächst, dass die Person als in dem Vertragsstaat ansässig gilt, in dem sie über eine ständige Wohnstätte verfügt (Buchst. a Satz 1 der Vorschrift). Verfügt die Person indessen - wie der Kläger - in beiden Staaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie gemäß Buchst. a Satz 2 der Vorschrift als in dem Vertragsstaat ansässig, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat; der Abkommenstext bezeichnet dieses Anknüpfungsmerkmal erläuternd als den "Mittelpunkt der Lebensinteressen". Kann nicht bestimmt werden, in welchem Staat die Person den Mittelpunkt der Lebensinteressen hat, so gilt sie als in dem Staat ansässig, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat (Buchst. b der Vorschrift). Hat die Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in beiden Vertragsstaaten, so gilt sie nach Buchst. c der Vorschrift als in dem Vertragsstaat ansässig, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt.

bb) Bereits der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Klägers gemäß Art. 4 Abs. 2 Buchst. a Satz 2 DBABrasilien lag in allen Streitjahren in Deutschland. In der ersten Zeit des Aufenthalts der Kläger in Deutschland mag dies anders zu beurteilen gewesen sein; für die Jahre von 1987 bis 1990 hat der Beklagte die Kläger indessen zur Einkommensteuer erst gar nicht herangezogen.

(1) Zu welchem der Vertragsstaaten ein in mehreren Staaten über eine ständige Wohnstätte verfügender Steuerpflichtiger die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat, ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), der das Gericht folgt, nicht an den subjektiven Befindlichkeiten des Steuerpflichtigen, sondern an objektiven Kriterien zu messen (BFH-Urteil vom 31. Oktober 1990 I R 24/89, BFHE 163, 411, BStBl II 1991, 562, unter 2.; gleicher Ansicht: FG München, Urteil vom 2. April 2003 9 K 5494/00, nicht veröffentlicht - n. v. -, [...], unter 2. a.; Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Art. 4 MA Rz. 67; Lehner in Vogel/Lehner, a.a.O., Art. 4 Rz. 79). Die persönlichen Beziehungen umfassen die gesamte private Lebensführung, wozu familiäre, gesellschaftliche, politische und kulturelle Beziehungen gehören; wirtschaftliche Beziehungen bestehen vor allem zu örtlich gebundenen Tätigkeiten, Einnahmequellen und Vermögensgegenständen. Dabei sind die Umstände als Ganzes zu prüfen (Art. 4 Ziff. 15 des Musterkommentars zum OECD-Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen - OECD-Musterkommentar -). Der Mittelpunkt der Lebensinteressen ist damit auf der Grundlage einer zusammenfassenden Wertung sowohl der persönlichen als auch der wirtschaftlichen Beziehungen im konkreten Fall zu ermitteln (Urteile des FG Baden-Württemberg vom 23. Juli 2001 11 K 223/97, n. v., [...], und vom 19. November 2001 2 K 205/00, n. v., [...], unter 1. d. aa., sowie des FG Hamburg vom 12. Juni 2008 5 K 81/06, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2008, 1558, unter II. 4.). Danach kommt es darauf an, welcher der beiden Orte unter Abwägung der persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen als der bedeutungsvollere anzusehen ist (BFH-Urteile vom 23. Juli 1971 III R 60/70, BFHE 103, 82, BStBl II 1971, 758, und vom 23. Oktober 1985 I R 274/82, BFHE 145, 48, BStBl II 1986, 133).

(2) Zwar hatte der Kläger - um dessen Einkünfte es hier geht - auch nach einem längeren Aufenthalt von mehreren Jahren in Deutschland unverkennbar noch persönliche Bindungen von einer gewissen Intensität auch nach Brasilien gehabt, da hier seine Mutter und die beiden älteren, in den Streitjahren allerdings bereits volljährigen Töchter lebten. Indessen hielten sich zur gleichen Zeit sowohl die Ehefrau des Klägers - die Klägerin - als auch die gemeinsame, in den Streitjahren im Grundschulalter befindliche jüngste Tochter ständig am inländischen Wohnsitz der Kläger auf. Die jüngste Tochter war in Deutschland schulpflichtig und bedurfte bereits ihres Lebensalters wegen einer erheblich engeren elterlichen Betreuung und Fürsorge als die in Brasilien lebenden weiteren Angehörigen des Klägers. Hinzu kam, dass sich die älteren Töchter der Kläger in den Streitjahren von ihrem Elternhaus bereits zu lösen und eigene Familien zu gründen begannen. Damit lag der Schwerpunkt des Aufenthalts der Kernfamilie des Klägers in den Streitjahren unzweifelhaft in Deutschland. Zu den dort lebenden Familienmitgliedern, nämlich zu seiner Ehefrau und zur einzigen noch minderjährigen Tochter, unterhielt der Kläger in dieser Zeit die bei weitem engeren persönlichen Beziehungen. Anschaulich verdeutlicht dies zudem der Umstand, dass der Kläger zu dem dort unterhaltenen Wohnsitz und nicht zu dem Wohnhaus in Brasilien nach Abschluss seiner jeweiligen Geschäftsreisen regelmäßig zurückgekehrt ist (vgl. zu diesem Kriterium BFH-Urteil vom 19. November 2003 I R 3/02, BFHE 204, 145, BStBl II 2004, 932, unter II. 3.).

Daneben mag der Kläger sich zwar in erheblichem Umfang darum bemüht haben, die gesellschaftlichen und kulturellen Beziehungen seiner Kernfamilie nach Brasilien dauerhaft aufrechtzuerhalten. Hierfür sprechen insbesondere auch die ausgedehnten Reisen der Familie an den beibehaltenen Wohnsitz in Y in den deutschen Schulferien. Indessen wäre es nicht glaubhaft, wenn das Vorbringen der Kläger so zu verstehen sein sollte, dass der Kläger im gleichen Zeitraum an seinem Wohnort in Deutschland keinerlei oder allenfalls untergeordnete soziale und kulturelle Kontakte unterhalten hätte. Der Kläger verfügte ebenso wie - aufgrund ihres Schulbesuchs - auch seine jüngste Tochter über hervorragende Kenntnisse der deutschen Sprache. Daneben hatte auch die Klägerin sich schon aufgrund des Umstands, dass sie allein den Haushalt zu führen und sich wegen der Berufstätigkeit des Klägers auch zum wesentlichen Teil um die Erziehung und Betreuung der gemeinsamen Tochter zu bemühen hatte, deutsche Sprachkenntnisse in einem Umfang angeeignet, der ihr nach mehr als drei Jahren Aufenthalt in Deutschland jedenfalls die Teilnahme am sozialen und kulturellen Leben ihres Wohnorts K ohne weiteres ermöglichen musste. Schon aufgrund der Dauer dieses Aufenthalts mussten die gesellschaftlichen und kulturellen Beziehungen des Klägers zu Deutschland in den Streitjahren ein Ausmaß angenommen haben, das hinter demjenigen der Bezüge zu Brasilien nicht zurückzustehen vermochte und sie bei verständiger Würdigung vermutlich sogar überschritt. Dass es sich anders verhalten hätte, haben die Kläger letztlich selbst nicht substantiiert behauptet.

(3) Auch überstiegen die maßgeblichen wirtschaftlichen Beziehungen des Klägers zu Deutschland im Streitjahr diejenigen zu Brasilien.

Allein der Umstand, dass dem Kläger sein Gehalt von einem in Brasilien ansässigen Arbeitgeber gezahlt wurde, war für sich genommen noch nicht geeignet, die durch seine Arbeitsleistung in Deutschland geschaffene hauptsächliche Erwerbsquelle des Klägers nach Brasilien zu verlagern. Der Schwerpunkt der Erwerbstätigkeit des Klägers als Geschäftsreisender im Einkauf lag erkennbar in der Anbahnung, Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung der Geschäftskontakte zu den Lieferanten seines Arbeitgebers in Deutschland und dem westeuropäischen Ausland. In seinem Wohnhaus in Deutschland unterhielt der Kläger sein Büro zur Planung und Abwicklung dieser Reisetätigkeit; dort stellte er zugleich für die von ihm betreuten Geschäftspartner seines Arbeitgebers die zur Kontaktpflege erforderlichen Kommunikationseinrichtungen bereit. Die mehrmals im Jahr an wenigen Tagen stattfindenden Besprechungen des Klägers mit der Unternehmensleitung in Brasilien hatten demgegenüber für die Arbeitsleistung des Klägers in ihrer Gesamtheit und deren Vergütung nur untergeordnete Bedeutung. Jedenfalls in quantitativer Hinsicht erhellt dies schon aus dem Anteil, der von den Gehaltszahlungen des Arbeitgebers auch nach den in den Steuererklärungen getätigten Angaben des Klägers auf dessen berufliche Betätigungen in Brasilien entfiel.

Damit überwog der wirtschaftliche Bezug des Klägers zu Deutschland jenen zu Brasilien auch unter Berücksichtigung dessen, dass die Kläger in Brasilien über Wohneigentum in Gestalt ihres Hauses in Y verfügten. Denn die Erwerbsgrundlage und mithin die Quelle zur Aufrechterhaltung des eigenen Lebensstandards des Klägers lag in den Streitjahren in Deutschland.

(4) Demgegenüber kommt dem Umstand, dass der Kläger und seine Angehörigen in den Streitjahren keinen langfristigen Aufenthaltstitel besaßen, keine entscheidende Bedeutung zu. Ungeachtet der ausländerrechtlichen Gegebenheiten stand der Familie des Klägers jedenfalls faktisch der dauerhafte Verbleib in Deutschland offen. Dies war für den Kläger auch erkennbar, da bereits in der Vergangenheit die jeweils vorübergehend erteilten Aufenthaltsgenehmigungen in regelmäßigen Abständen ohne weiteres verlängert worden waren.

(5) Für die Bestimmung des Mittelpunkts der Lebensinteressen im streitigen Zeitraum gleichfalls nicht von Belang ist die Vorstellung der Kläger, in ihrem Heimatland Brasilien dereinst ihren Lebensabend verbringen zu wollen. Hierauf hätte es nur dann angekommen können, wenn der Kläger - anders als im Streitfall - seine Erwerbsbetätigung in Deutschland bereits eingestellt hätte und hier nur noch mit der Abwicklung seiner bisherigen beruflichen und geschäftlichen Tätigkeit befasst gewesen wäre (vgl. zu einem solchen Sachverhalt das BFH-Urteil in BFHE 103, 82, BStBl II 1971, 758). Diese Voraussetzungen mögen später im Jahre 2001 vorgelegen haben; in den erheblich früher liegenden Streitjahren zumindest waren sie noch nicht gegeben.

cc) Die Kläger übersehen zudem, dass das Besteuerungsrecht an den streitigen Einkünften des Klägers aus unselbständiger Arbeit selbst dann bei dem Vertragsstaat Deutschland verblieben wäre, wenn der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Klägers - entgegen der Überzeugung des Gerichts - in Deutschland nicht hätte festgestellt werden können. Dann wäre es nämlich nicht auf die brasilianische Staatsangehörigkeit des Klägers, sondern entscheidend darauf angekommen dieser, in welchem der beiden Vertragsstaaten der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte (Art. 4 Abs. 2 Buchst. b DBABrasilien). Denn es bestanden bei Würdigung aller Umstände und insbesondere unter Einschluss der Tatsache, dass sich die Kernfamilie des Klägers dauerhaft und langjährig in Deutschland befand, jedenfalls keine engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen des Klägers i. S. des Art. 4 Abs. 2 Buchst. a Satz 2 DBA-Brasilien zu Brasilien als zu Deutschland.

Für die Bestimmung des Vertragstaats des gewöhnlichen Aufenthalts ist es unerheblich, ob sich der Kläger - wie er vorträgt - in den Streitjahren in Deutschland nur zeitlich zusammenhängend jeweils weniger als sechs Monate im Jahr an seinem Wohnsitz in K aufgehalten hat. Denn der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts ist nicht im Rückgriff auf innerstaatliches Recht, sondern in Abgrenzung zu den anderen Kollisionsmerkmalen autonom auszulegen. Seine Auslegung ergibt sich mithin aus seiner Funktion, den - anders nicht zu bestimmenden - Mittelpunkt der Lebensinteressen zu konkretisieren. Ein abkommensrechtlicher Aufenthalt ist danach in dem Maße "gewöhnlich", in dem er der Verwirklichung der persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen dient. Der gewöhnliche Aufenthalt liegt somit in dem Vertragsstaat, in dem der Steuerpflichtige normalerweise und überwiegend lebt (Urteile des FG Düsseldorf vom 22. Januar 1999 3 K 21/95 V, n. v., [...], und des FG Berlin vom 18. Juni 2002 5 K 5386/00, Internationales Steuerrecht - IStR - 2002, 845; Lehner in Vogel/Lehner, a.a.O., Art. 4 Rdnr. 90). Nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. b DBA-Brasilien ist daher ausschlaggebend, in welchem der beiden Vertragsstaaten der Steuerpflichtige sich häufiger aufhält, wobei nicht nur die Aufenthalte an der jeweiligen ständigen Wohnstätte in Betracht zu ziehen sind, sondern auch solche an irgendeinem anderen Ort in demselben Staat (Art. 4 Ziff. 17 OECD-Musterkommentar). Für die Streitjahre war das Deutschland, wo sich der Kläger - insbesondere unter Einbeziehung seiner Geschäftsreisen zu den deutschen Lieferanten seines Arbeitgebers - erheblich häufiger, dauerhafter und länger aufgehalten hatte als in Brasilien.

c) In Deutschland von der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer auszunehmen waren demgegenüber nach Art. 24 Abs. 1 Satz 1 Buchst. d i.V.m. Art. 15 Abs. 1 Satz 2 DBA-Brasilien die von dem in Brasilien ansässigen Arbeitgeber des Klägers gezahlten Vergütungen für dessen in Brasilien ausgeübte Arbeit am Unternehmenssitz in Y.

Gleiches galt - ungeachtet des dortigen nur vorübergehenden Aufenthalts von weniger als 183 Tagen im Jahr - gemäß Art. 9 Abs. 1 i.V.m. Art. 15 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern (DBAÖsterreich 1954) vom 4. Oktober 1954 (BGBl. II 1955, 749, BStBl I 1955, 369) für die nichtselbständige Arbeit des Klägers auf Geschäftsreisen in Österreich, da der Arbeitgeber des Klägers seinen Sitz in Brasilien und damit nicht in Deutschland als dem Wohnsitzstaat des Klägers hatte (Art. 9 Abs. 2 Nr. 2 DBA-Österreich 1954). Eine entsprechende Regelung fand sich für die Streitjahre 1991 bis 1994 in Art. 14 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. Art. 19 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Schweden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie verschiedener anderer Steuern (DBA-Schweden 1959) vom 17. April 1959 (BGBl. II 1960, 1814, BStBl I 1960, 414).

Für das Streitjahr 1995 stand das Besteuerungsrecht für die anlässlich der Geschäftsreisen des Klägers nach Schweden gezahlten Vergütungen seines brasilianischen Arbeitgebers hingegen - entgegen der übereinstimmenden Auffassung der Beteiligten - nicht Schweden, sondern Deutschland zu (Art. 15 Abs. 1 i.V.m. Art. 46 Abs. 2 Buchst. b, Abs. 4 Buchst. a des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Schweden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei den Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie bei den Erbschafts- und Schenkungsteuern und zur Leistung gegenseitigen Beistands bei den Steuern - Deutsch-schwedisches Steuerabkommen - vom 14. Juli 1992, BGBl. II 1994, 686, BStBl I 1994, 423, in Kraft seit dem 13. Oktober 1994, vgl. Bekanntmachung des BMF vom 8. Dezember 1994, BGBl. II 1995, 29, BStBl I 1995, 88). Für das Klageverfahren ist dieser Umstand indessen ohne Bedeutung, da dem Gericht eine höhere Festsetzung der Einkommensteuer 1995 zu Lasten des Klägers verwehrt ist.

3. Der Beklagte hat die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit für sämtliche Streitjahre in zutreffender Höhe der Einkommensbesteuerung zugrunde gelegt.

a) Die Zuschätzung eines Arbeitslohns von jeweils 24.000 DM wegen der vom Arbeitgeber des Klägers übernommenen Aufwendungen für die Anmietung des Wohnhauses in K begegnet keinen Bedenken.

aa) Der Beklagte war nach § 162 Abs. 1, Abs. 2 AO zur Vornahme der Schätzung berechtigt. Die Kläger haben nicht dargelegt, dass die Arbeitgeberzahlungen, die im erklärten Arbeitslohn nicht enthalten waren, einen geringeren Umfang gehabt hätten, obwohl sie zu deren Angabe verpflichtet gewesen wären (§ 90 Abs. 1, Abs. 2 AO). Der geschätzte Mietaufwand von monatlich 2.000 DM war für ein Einfamilienhaus mit einer Ausstattung, wie sie der Kläger als ehemalige Führungskraft seines Arbeitgebers dem Status nach beanspruchen konnte, auch der Höhe nach ohne weiteres naheliegend.

bb) Der zusätzlich vom Arbeitgeber gezahlte Arbeitslohn in Gestalt der Mietaufwendungen war für den Kläger zudem nicht steuerfrei i. S. des § 3 Nr. 16 EStG.

Es handelte sich nicht um die Erstattung von Mehraufwendungen des Klägers bei doppelter Haushaltsführung. Zwar hatten die Kläger in den Streitjahren gleichzeitig Wohnungen sowohl in Deutschland als auch in Y in Brasilien inne. Indessen hätte eine doppelte Haushaltsführung im einkommensteuerrechtlichen Sinne (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG) vorausgesetzt, dass der Kläger am Ort seines eigenen Hausstands in Y den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen und seinen Haupthausstand unterhalten hätte (vgl. BFH-Urteile vom 5. Oktober 1994 VI R 62/90, BFHE 175, 430, BStBl II 1995, 180, unter 6., und vom 14. Oktober 2004 VI R 82/02, BFHE 207, 292, BStBl II 2005, 98, unter II. 2.). Zudem hätte der Kläger die Wohnung an seinem Beschäftigungsort nicht zugleich auch mit seiner Ehefrau und seiner minderjährigen Tochter bewohnen dürfen (vgl. dazu Drenseck in Schmidt, EStG, 27. Aufl., § 9 Rz. 142). Aus den gleichen Gründen konnte der Kläger die Aufwendungen für die Anmietung des Wohnhauses auch nicht selbst als Werbungskosten einkünftemindernd geltend machen.

b) Gegen die die Vergütung des Klägers im Streitjahr 1991 betreffenden weiteren Zuschätzungen des Beklagten haben die Kläger im weiteren Verfahren keine Einwendungen mehr erhoben.

Die Erhöhung des Arbeitslohns auf den gleichen Betrag wie im Folgejahr 1992 war zudem gerechtfertigt, da die Kläger die nachvollziehbaren Bedenken des Beklagten gegen die Höhe der erklärten Zahlungen von lediglich 18.745 DM nicht einmal im Ansatz auszuräumen versucht haben. Es ist schlicht nicht glaubhaft, dass sich der Kläger allein aufgrund des Umstands, dass er sich seinerzeit noch in der Einarbeitungsphase seiner Geschäftsreisendentätigkeit befunden haben soll, mit einem solch geringen Arbeitslohn abgefunden haben könnte. Dies gilt umso mehr, als der Kläger im Streitjahr 1991 bereits seit mehr als drei Jahren für seinen Arbeitgeber in verantwortungsvoller Stellung Europa geschäftlich tätig gewesen war und zuvor als leitender Angestellter über lange Jahre Führungsaufgaben im gleichen Unternehmen wahrgenommen hatte. Außerdem hatte der Arbeitgeber des Klägers seinerzeit unter anderem auch die erheblichen Reisekosten für die Flüge des Klägers und seiner Familie nach Brasilien während der deutschen Schulferien übernommen. Diese Ersparnis hätte der Kläger in Ermangelung der Voraussetzungen für eine doppelte Haushaltsführung (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG) gleichfalls als baren Arbeitslohn (§ 8 Abs. 1 EStG) oder als geldwerten Vorteil (§ 8 Abs. 2 Satz 1 EStG) in Deutschland versteuern müssen, was daneben eine weitere Zuschätzung rechtfertigen würde (§ 163 Abs. 2 AO).

4. Zu Recht hat der Beklagte die vom Kläger für seine Tätigkeiten als Arbeitnehmer in Brasilien, Österreich und Schweden bezogenen Vergütungen in die Bemessung des Steuersatzes einbezogen (§ 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG i.V.m. Art. 24 Abs. 1 Satz 2 DBA-Brasilien, Art. 15 Abs. 3 DBA-Österreich 1954 und Art. 19 Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweden 1959). Die Festsetzung der Einkommensteuer begegnet daher insgesamt keinen Bedenken.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

Dies gilt auch insoweit, als der Beklagte dem Klagebegehren durch Erlass der gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderten Einkommensteuerbescheide vom 26. Januar 2005 im Laufe des Klageverfahrens teilweise abgeholfen hat. Denn diese Abhilfe beruhte auf den erst nach Klageerhebung erstmalig eingereichten Steuererklärungen der Kläger und damit auf Tatsachen, die die Kläger früher hätten geltend machen können und sollen (Rechtsgedanke des § 137 Satz 1 FGO).

Die unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Kläger waren gemäß § 25 Abs. 3 EStG i.V.m. § 149 Abs. 2 Satz 1, § 150 Abs. 1 AO verpflichtet, bis zum Mai des jeweiligen Folgejahres unaufgefordert eine Einkommensteuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Muster abzugeben. Dieser Verpflichtung waren die Kläger zunächst ohne zwingende Gründe nicht nachgekommen. In Anbetracht der dem Beklagten bekanntgewordenen Größenordnung der vom Kläger für seinen Arbeitgeber vermittelten Aufträge an die deutsche Wirtschaft war die zunächst berechtigtermaßen vorgenommene Schätzung der Besteuerungsgrundlagen auch nicht völlig sachwidrig überhöht. Das Gericht macht sich in diesem Punkt die zutreffenden Ausführungen des Beklagten in dessen Einspruchsentscheidung vom 27. Dezember 1996 (dort S. 7) zu eigen und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 105 Abs. 5 FGO).

Ende der Entscheidung

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