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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 02.09.1999
Aktenzeichen: 6 K 294/98
Rechtsgebiete: AO 1977, FGO


Vorschriften:

FGO § 110 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
FGO § 110 Abs. 2
FGO § 96 Abs. 1 S. 2
AO 1977 § 173
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Finanzrechtsstreit

wegen Einkommensteuer 1995

hat der 6. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg - aufgrund der mündlichen Verhandlung - in der Sitzung vom 2. September 1999 durch

Vizepräsident des Finanzgerichts ...

Richter am Finanzgericht ...

ehrenamtliche Richter ...

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Bei seiner Einkommensteuer(ESt)-Erklärung 1995 machte der Kläger (Kl) die Kosten einer Sprachreise in Höhe von ... DM als Werbungskosten (WK) bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit geltend.

Der Kl wurde mit Bescheid vom ... (Einspruchsentscheidung) zur ESt 1995 veranlagt. Dabei wurden Aufwendungen des Kl im Zusammenhang mit dem Besuch des Sprachkurses mit insgesamt ... DM als WK berücksichtigt, weil das FA aufgrund seiner Angaben zu den Inhalten des Sprachkurses davon ausging, daß der Besuch des Sprachkurses so gut wie ausschließlich beruflich veranlaßt gewesen sei. Einer genaueren Überprüfung der Unterrichtsinhalte war der Kl dadurch entgangen, daß er im Einspruchsverfahren behauptete, ihm lägen keine Unterrichtsmaterialien mehr vor (vgl. Schreiben des Kl vom ... auf Anfrage des FA vom ...).

In dem sich anschließenden Klageverfahren (Az.: 6 K 352/97) legte der Kl dem FG Unterrichtsmaterialien vor, aus denen sich nach den Feststellungen des FG ergab, daß der Unterricht nicht auf die besonderen beruflichen Bedürfnisse des Kl ausgerichtet war, sondern hauptsächlich allgemeine (vertiefende) Sprachkenntnisse vermittelte. Das FG wies die Klage als unbegründet ab.

Im Anschluß an das Klageverfahren änderte das FA den ESt-Bescheid 1995 vom ... nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO. Die Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Englischsprachkurs wurden dabei in vollem Umfang den nicht abziehbaren Kosten der privaten Lebensführung zugerechnet und nicht mehr als WK berücksichtigt.

Gegen den nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderten ESt-Bescheid 1995 vom ... erhob der Kl Einspruch. Er beantragte die Aufhebung des Änderungsbescheids. Zur Begründung trug er im wesentlichen vor, daß die Voraussetzungen für eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO nicht vorgelegen hätten. So sei nicht nachvollziehbar, welche neuen Tatsachen dem FA im Rahmen des Verfahrens vor dem FG bekannt geworden sein sollten. Darüberhinaus habe das FA im Einspruchsverfahren seine Ermittlungspflicht verletzt, weshalb es bereits nach den Grundsätzen von Treu und Glauben den ESt-Bescheid 1995 vom ... nicht nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO habe ändern dürfen. Gleichzeitig räumte er ein, daß der besuchte Sprachkurs nicht auf die speziellen beruflichen Bedürfnisse abgestimmt gewesen sei. Dieser habe aus dem bestehenden Kursangebot aber das beste für seine beruflichen Belange gemacht.

Durch Einspruchsentscheidung vom ... wies das FA den Einspruch als nicht begründet zurück.

Tatsache im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sei jeder Lebensvorgang, der insgesamt oder teilweise den gesetzlichen Steuertatbestand oder ein einzelnes Merkmal dieses Tatbestandes erfülle. Beweismittel im Sinne des § 173 AO sei jedes Erkenntnismittel, das zur Aufklärung eines steuerlich erheblichen Sachverhalts diene, d. h. geeignet sei, das Vorliegen oder Nichtvorliegen von Tatsachen zu beweisen.

Neue Tatsachen, die zu einer höheren Steuer führten, dürften dann nicht zu einer Änderung des Steuerbescheids führen, wenn sie das FA bei gehöriger Ermittlung schon vor der Steuerfestsetzung (ggf. im Einspruchsverfahren) hätte feststellen können (vgl. Tipke/Kruse, AO-Kommentar, § 173 AO Tz. 62 m.w.N.).

Im Streitfall müsse aufgrund der erstmals dem FG vorgelegten Unterrichtsmaterialien davon ausgegangen werden, daß der besuchte Kurs kaum berufsbezogene Informationen vermittelt habe, sondern im wesentlichen allgemeinsprachliche Bedürfnisse von Touristen befriedigt habe. Nach diesen Unterrichtsmaterialien könne deshalb nicht mehr davon ausgegangen werden, daß die Befriedigung privater Interessen für den Besuch des Sprachkurses von untergeordneter Bedeutung gewesen sei. Die Aufwendungen für die Sprachreise seien deshalb insgesamt den nichtabziehbaren Kosten der privaten Lebensführung zuzuordnen, auch wenn sie zur Förderung der Tätigkeit des Kl erfolgt seien.

Da der Kl im Einspruchsverfahren gegen den erstmaligen ESt-Bescheid 1995 vom ... seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sei und die Unterrichtsmaterialien, aus denen sich Einzelheiten zu den vermittelten Kursinhalten ergeben hätten, trotz ausdrücklicher Aufforderung des FA nicht eingereicht habe, stünden die Grundsätze von Treu und Glauben der durchgeführten Änderung nicht entgegen.

Im Klageverfahren meint der Kl, die Voraussetzungen für die Berichtigung des bestandskräftigen ESt-Bescheids vom ... in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ... nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO lägen nicht vor.

Im Streitfall sei nicht ersichtlich, welche neuen Tatsachen dem FA im Rahmen des Verfahrens vor dem FG bekannt geworden sein sollten. Dies betreffe insbesondere die Unterlagen zu den Kursinhalten. Hier habe das FG lediglich eine andere - unzutreffende - rechtliche Wertung getroffen als das FA bei Erlaß des ursprünglichen Steuerbescheids. Das FG habe ausweislich des Tatbestands keine Beweise erhoben. Die im Urteil vom 29. Januar 1998 vom FG gewürdigten Unterlagen hätten dem beklagten FA bei der Durchführung der Veranlagung 1995 ausnahmslos vorgelegen. Diese seien dem beklagten FA mit der Steuererklärung für 1995 bzw. im nachfolgenden Schriftverkehr zur Einsicht übermittelt worden. Von neuen Tatsachen könne bei dieser Sachlage keine Rede sein.

Die Frage könne jedoch letztlich offen bleiben, denn der auch im Steuerrecht geltende Grundsatz von Treu und Glauben verbiete es dem FA, unter Berufung auf das angebliche nachträgliche Bekanntwerden steuererhöhender Tatsachen oder Beweismittel eine Steuerfestsetzung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu ändern, wenn die Tatsachen bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wären. Auch das FG habe im Rahmen des Klageverfahrens ordnungsgemäß ermittelt. Wenn es tatsächlich im Rahmen dieser Ermittlungen neue Tatsachen zu dem Unterrichtsinhalt aufgedeckt hätte - was aber bei objektiver Betrachtung nicht der Fall sei - hätte das FA dies im Rahmen seiner Ermittlungspflicht in gleichem Maße aufdecken können und müssen. Wenn es diese Ermittlungen unter Verstoß gegen seine Ermittlungspflicht unterlassen habe, könne es seine Unterlassung nicht unter Berufung auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO reparieren. Mangels neuer Tatsachen oder wegen offenkundigen Verstoßes des FA gegen seine Ermittlungspflichten seien somit die Voraussetzungen für die Änderung der bestandskräftigen ESt-Veranlagung 1995 nicht gegeben.

Die Änderung der ESt-Veranlagung für 1995 sei auch in der Sache nicht begründet, weil der Sprachkurs, unabhängig von den unzutreffenden rechtlichen Betrachtungen des FG, durch seine besonderen beruflichen Gegebenheiten veranlaßt gewesen sei.

Die Sprachschulen in den USA und speziell in New York hätten selbstverständlich nicht auf ihn, den Kl, gewartet und ihr Programm deshalb naturgemäß nicht ausschließlich auf nur seine individuellen beruflichen Bedürfnisse abgestellt und entwickelt Darüberhinaus sei der Andrang von Dipl.-Ingenieuren mit Fachrichtung Elektrotechnik nicht so gewaltig, daß ein Kurs mit ihnen zu füllen gewesen wäre. Er sei infolgedessen gezwungen gewesen, von den vorgefundenen Verhältnissen auszugehen und daraus das beste für seine beruflichen Belange zu machen.

Auf das Schreiben des Kl-Vertreters vom 21.9.1998 im übrigen wird verwiesen.

Der Kl beantragt,

den geänderten ESt-Bescheid für 1995 vom ... und die Einspruchsentscheidung vom ... aufzuheben,

hilfsweise die Zulassung der Revision.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist es auf seine Einspruchsentscheidung vom ....

Der Kl habe erstmals im Klageverfahren mit dem Az.: 6 K 325/97 Unterrichtsmaterialien vorgelegt, nach denen der besuchte Englischkurs - nach Feststellungen des FG - nicht ganz überwiegend berufliche Bedürfnisse des Kl abgedeckt, sondern hauptsächlich allgemeinsprachliche Bedürfnisse von Touristen befriedigt habe.

An dem nachträglichen Bekanntwerden dieser Beweismittel treffe das FA keine Schuld, insbesondere habe es seine Ermittlungspflicht nicht verletzt. Der Kl sei bereits im Einspruchsverfahren gegen den ESt-Bescheid 1995 vom ... aufgefordert worden, sämtliche Unterrichtsmaterialien vorzulegen, um die ausschließlich berufliche Veranlassung des Englischkurses nachzuweisen. In seinem Antwortschreiben vom ... habe er mitgeteilt, daß ihm keine entsprechenden Unterlagen vorlägen, weshalb in der Einspruchsentscheidung vom ... davon ausgegangen worden sei, daß der besuchte Englischkurs wie vom Kl dargelegt, so gut wie ausschließlich berufliche Inhalte vermittelt habe. Es sei deshalb dem Kl anzulasten, daß die Unterrichtsmaterialien, aus denen die Inhalte des besuchten Englischunterrichts ersichtlich seien, erst im o.g. Klageverfahren bekannt geworden seien.

Der ESt-Bescheid 1995 in Form der Einspruchsentscheidung vom ... sei daher nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu ändern gewesen. Nach den im o.g. Klageverfahren erstmals vorgelegten Unterrichtsmaterialien hätten die Aufwendungen im Zusammenhang mit dem besuchten Englischkurs insgesamt nicht als WK berücksichtigt werden können, da nach diesen Unterlagen der Kurs nicht so gut wie ausschließlich berufliche Bedürfnisse des Kl abgedeckt habe.

Der Kl bestritt daraufhin die Behauptung des FA, er habe erstmals im Klageverfahren Unterrichtsmaterialien vorgelegt, aus denen sich eine angebliche private Mitveranlassung der Sprachreise nach New York ergeben habe. Alle im Klageverfahren vorgegelegten Unterlagen hätten auch dem beklagten FA bei der ESt-Veranlagung oder bei der Durchführung des Rechtsbehelfsverfahrens vorgelegen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Schreiben des Kl vom ... an das FA. Die vom beklagten FA zitierte Aussage vermöge er dem Schreiben nicht zu entnehmen.

Es sei unzutreffend, daß der vom Kl besuchte Sprachkurs hauptsächlich allgemeinsprachliche Bedürfnisse von Touristen befriedigt habe. Hauptsächlich sei berufsbezogenen technisches und wirtschaftliches amerikanisches Englisch vermittelt worden.

Beweis: Zeugnis ...

Am 25.3.1999 teilte der Berichterstatter dem Kl mit, das Senatsurteil 6 K 352/97 vom 29.1.1998 sei rechtskräftig geworden. Die Frage der beruflichen Veranlassung der Reise dürfte daher keiner erneuten Oberprüfung zugänglich sein. Im Hinblick darauf, daß er das Vorliegen der Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO bestreite, werde er aufgefordert, die dem FA und die dem FG im Verfahren 6 K 352/97 vorgelegten Unterlagen genau zu bezeichnen und diese vorzulegen. In den vom FA vorgelegten Steuerakten befinde sich noch die Novemberausgabe des Jahres 1995 von .... In der FG-Akte 6 K 352/97 befänden sich keine von ihm vorgelegten Unterlagen mehr außer den in seinem Schriftsatz vom ... und in der mündlichen Verhandlung übergebenen Kopien (FG-Akten Bl. 42-78).

Er wurde aufgefordert, dazu Stellung zu nehmen, daß die Unterrichtsmaterialien erstmals im Klageverfahren vorgelegt worden sein sollen (vgl. Schreiben des FA vom 8.10.1988), und zwar durch Beweisantritt.

Der Kl äußerte sich daraufhin wie folgt:

1. Auswirkung der Rechtskraft des Urteils 6 K 352/97

Nach § 110 Abs. 1 Satz 1 FGO würden rechtskräftige Urteile die Beteiligten binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden sei. Streitgegenstand sei im Steuerprozeß die Frage, ob die Rechtsfolgebehauptung des Kl zutreffe, der angefochtene Steuerbescheid sei rechtswidrig und der Kl werde dadurch in seinen Rechten verletzt. Der Streitgegenstand werde alleine durch den Klageantrag und den Tenor des Urteils konkretisiert, wobei das FG über das Klagebegehren nicht hinausgehen dürfe (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO). Streitgegenstand des Verfahrens 6 K 352/97 sei die Frage gewesen, ob das beklagte FA dadurch Rechte des Kl verletzt habe, daß es zusätzliche, vom Kl geltend gemachte WK in Höhe von ... DM nicht bei der Steuerfestsetzung berücksichtigt habe (vgl. Tatbestand des Urteils 6 K 352/97 vom 29. Januar 1998 S. 12). Diese Frage sei rechtskräftig gegen den Kl entschieden worden. Ob die übrigen, vom Kl angesetzten und vom Bekl zunächst berücksichtigten WK im Zusammenhang mit der Sprachreise nach New York rechtlich zutreffend die Bemessungsgrundlage der ESt des Kl gemindert hätten, sei nicht Streitgegenstand des Rechtsstreits 6 K 352/97 gewesen - selbst wenn das Urteil in seiner Begründung hierzu Ausführungen als sog. "obiter dicta" enthalte. Der Kl könne daher in diesem Verfahren gegen den unter dem 15. April 1998 geänderten ESt-Bescheid 1995 alle verfahrensrechtlichen und materiellrechtlichen Einwendungen vortragen. Er sei durch die Rechtskraft des Urteils 6 K 352/97 nicht gehindert, erneut auch Einwendungen vorzutragen, die bereits Gegenstand des vorherigen finanzgerichtlichen Verfahrens gewesen seien, wie z. B.. Einwendungen gegen die Wertung der Reise als privat veranlaßt. Da in Rechtskraft nur der Tenor des Urteils des FG, nicht aber die Begründung erwachse, seien derartige Einwendungen zulässig und könnten nicht mit dem Hinweis auf die Rechtskraft zurückgewiesen werden.

2. Beweislast für das Vorliegen neuer Tatsachen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO

Nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO seien Steuerbescheide zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt würden, die zu einer höheren Steuer führten. Da es sich hierbei um steuererhöhende Umstände handele, trage das beklagte FA sowohl für das Vorhandensein einer die Steuerfestsetzung berührenden Tatsache oder eines entsprechenden Beweismittels als auch für den Umstand des nachträglichen Bekanntwerdens die materielle Beweislast. Das beklagte FA habe bisher im Steuerbescheid, der Einspruchsentscheidung und in den bisherigen Schriftsätzen ohne Beweisantritt, nur völlig unsubstantiiert und vom Kl nachdrücklich bestritten, vorgetragen, die der Entscheidung des Senats vom 29.1.1998 zugrundeliegenden Unterrichtsmaterialien seien erstmals im damaligen Klageverfahren vorgelegt worden. Bei dieser Sachlage spreche es den prozessualen Regeln der Beweislastverteilung Hohn, wenn der Kl vom Senat entgegen den anerkannten, die Gerichte und Finanzbehörden bindenden Beweislastregeln aufgefordert werde, die im vorangegangenen Besteuerungsverfahren vorgelegten Unterlagen genau zu bezeichnen und diese vorzulegen. Nicht der Kl müsse beweisen, daß das FA zur Änderung des erstmaligen Steuerbescheids nicht berechtigt gewesen sei. Wenn das FA meine, eine Steuerfestsetzung aufgrund der Regelung des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ändern zu können, sei es vielmehr seine Aufgabe, die neuen Tatsachen oder Beweismittel zu konkretisieren, zu substantiieren und - wenn der Kl die Behauptungen des FA wie hier vorliegend bestreitet - zu beweisen.

Im übrigen habe der Kl die dem FG in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen dem beklagten FA bereits mit der Steuererklärung bzw. mit Schreiben vom 27.11.1996 übersandt.

Beweis: Steuerakten des Bekl zur StNr.: ...

Schließlich sei es dem Kl gelungen, weitere Unterlagen über Unterrichtsinhalte aufzufinden, die die berufliche Veranlassung eindeutig belegten. Der Kl habe die Unterlagen bei der Rückreise im Hause seiner Eltern vergessen gehabt. Sie seien erst kürzlich bei Renovierungsarbeiten wieder entdeckt worden.

Beweis:

1. Ablichtungen von Unterrichtsmaterialien - Anlage 1

2. Zeugnis des Prozeßbevollmächtigten des Kl

Darauf erwidert das FA, daß es die Auffassung des FG teile, wonach die Frage der beruflichen Veranlassung der Reise bereits im Urteil vom 29.1.1998 (6 K 352/97) entschieden worden sei. Insoweit seien die Ausführungen in der Klagebegründung ohne Belang.

Bisher sei vom Kl nicht widerlegt worden, daß er im ersten Rechtsbehelfsverfahren keine Unterrichtsmaterialien vorgelegt habe. Dies sei erst im Klageverfahren 6 K 352/97 erfolgt. Der Kl habe bisher nicht nachgewiesen, daß er diese Unterlagen bereits früher dem FA zugänglich gemacht habe. Insoweit gingen die Ausführungen des Kl-Vertreters zur Beweislast fehl.

Das beklagte FA stützte seine Auffassung neben dem Akteninhalt auch auf die Feststellungen des erkennenden Senats in seinem Urteil vom 29.1.1998 S. 6, 2. Abs. sowie S. 14 1. Abs.

Auf die in den FG-Akten (6 K 352/97) und den dazugehörigen ESt-Akten 1995 befindlichen Unterlagen wird Bezug genommen.

Bezug genommen wird auch auf das Schreiben des Kl vom 20.8.1999 (Anlage).

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

Gemäß § 110 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FGO binden rechtskräftige Urteile die Beteiligten, soweit über den Streitgegenstand bereits entschieden worden ist.

Das Senatsurteil vom 29.1.1998 (Az.: 6 K 352/97) ist formell rechtskräftig. Denn es ist unanfechtbar geworden. Revision oder Nichtzulassungsbeschwerde wurde nicht eingelegt.

Die materielle Rechtskraft dieses Urteils vom 29.1.1998 besteht darin, daß die Beteiligten an das formell rechtskräftige Urteil insoweit gebunden sind, als durch das Urteil über den Streitgegenstand entschieden worden ist (§ 110 Abs. 1 Satz 1 FGO; Gräber/von Groll, FGO, 4. Auflage, 1997, § 110 Anm. 12).

Bei Sachentscheidungen wird die Bindungswirkung nicht nur durch Klagebegehren (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO) und Verböserungsverbot, sondern auch durch den tatsächlich zugrunde gelegten Sachverhalt und die tatsächlich hierzu angestellten rechtlichen Erwägungen auf den Entscheidungsgegenstand begrenzt. D.h. die Urteilswirkung ist auf den Erklärungswert der Entscheidung begrenzt. Bei der Konkretisierung der Bindungswirkung erforderliche Prüfungen der Identität von Entscheidungsgegenstand im früheren Verfahren und Streitgegenstand der neuen Klage müssen der jeweils zugrunde liegende Lebenssachverhalt, die Klageart und bei verwaltungsbezogenen Klagen der Regelungsgehalt der streitbefangenen Verwaltungsakte verglichen werden (Gräber/von Groll, a.a.O., § 110 Anm. 15, 16).

Der Senat hat im Urteil vom 29.1.1998 insoweit über den Streitgegenstand entschieden, als er seinem Spruch einen bestimmten Sachverhalt und eine bestimmte Rechtsauffassung zugrunde gelegt hat. An die diesem Urteil zugrunde gelegte tatsächliche und rechtliche Beurteilung sind die Beteiligten gebunden (Tipke/Kruse, AO, FGO, 13. Auflage, § 110 FGO Tz. 14).

Wieweit eine derartige Bindungswirkung reicht, muß im Zweifel durch Auslegung ermittelt werden. Hierfür maßgeblich sind die Urteilsformel, Tatbestand und Entscheidungsgründe (Gräber/von Groll, a.a.O., § 110 Anm. 14).

Der Erklärungswert des Senatsurteils vom 29.1.1998 liegt darin, daß die Klage des Kl auf Gewährung der vom FA nicht anerkannten Kosten für die Sprachreise (hauptsächlich Flugkosten) nicht als Werbungskosten bei dessen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit anerkannt wurden, weil die Reise durch nicht ganz untergeordnete private Motive des Kl mitveranlaßt war.

Die Rechtskraft des Senatsurteils vom 29.1.1998 erweist sich insoweit für das (neue) Verwaltungsverfahren und für das vorliegende Klageverfahren als nicht überwindbares Hindernis; anderenfalls könnte es zu sich widersprechenden Gerichtsentscheidungen kommen.

Gemäß § 110 Abs. 2 FGO bleiben die Vorschriften der AO und anderer Steuergesetze über die Rücknahme, Widerruf, Aufhebung und Änderung von Verwaltungsakten sowie über die Nachforderung von Steuern lediglich unberührt, soweit sich aus § 110 Abs. 1 Satz 1 FGO nichts anderes ergibt.

Die vom FA im Veranlagungsverfahren vor dem Ergehen des Senatsurteils vom 29.1.1998 als Werbungskosten bei den Einkünften des Kl aus nichtselbständiger Arbeit anerkannten Aufwendungen für die Sprachreise in Höhe von ... DM (Kurspreis ... DM; Verpflegungsmehraufwendungen ... DM und Fachliteratur ... DM) waren jedoch nicht Streitgegenstand des Senatsurteils vom 2.9.1998, so daß insoweit § 110 Abs. 2 FGO greift.

Eine Korrektur nach § 173 AO ist demnach möglich, wenn die neuen Tatsachen oder Beweismittel den Beteiligten nach Schluß der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht als Tatsachen neu bekanntgeworden sind (vgl. Tipke/Kruse, a.a.O., § 110 FGO RdZiff. 26).

Im Streitfall liegen diese Voraussetzungen vor.

Denn ausweislich des Senatsurteils vom 29.1.1998 hat der Kl seinerzeit die Unterrichtsmaterialien erst in der mündlichen Verhandlung vorgelegt. Der Kl selbst vermochte dem Senat insoweit keinen Eindruck zu vermitteln, als hätte er die Unterrichtsmaterialien tatsächlich bereits im Vorverfahren vorgelegt ("meine, mich zu erinnern"). Dagegen spricht die Beschaffenheit der Steuerakten. Nirgends wird Bezug genommen auf die Vorlage dieser Unterlagen. Der Zeuge ... hat es für die Zeit bis zur Abgabe der Akten an die Rechtsbehelfsstelle für ausgeschlossen gehalten, daß diese Unterlagen im Vorverfahren vorgelegt worden seien. Daß diese der Rechtsbehelfsstelle vorgelegt wurden, hält der Senat für ausgeschlossen.

Demnach ist seinerzeit erst im finanzgerichtlichen Verfahren bekannt geworden, daß der vom Kl genossene Unterricht lediglich als allgemeinsprachlicher Unterricht für breite Kreise der Bevölkerung anzusehen war, wie er in jeder Schule in Deutschland vermittelt wird. Die Dominanz dieses Vormittagsunterrichts schloß die Anerkennung des Werbungskostenabzugs aus. Diese dem Senat vermittelten Erkenntnisse waren für das FA neu. Denn dort hatte der Kl Gegenteiliges behauptet.

Das FA war demnach berechtigt, die ursprüngliche Steuerfestsetzung zu korrigieren.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs. 1, 143 FGO.

Ende der Entscheidung

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